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Ist eine vereinbarte Probezeit mit einem befristeten Arbeitsverhältnis gleichzusetzen ?

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein

Az: 3 Sa 99/01

Verkündet am 29.05.2001

Vorinstanz: ArbG Flensburg – Az.: 1 Ca 1329/00


Die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein hat ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren am 29.05.2001 für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 20.12.2000 – 1 Ca 1329/00 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Im übrigen wird auf § 72a ArbGG verwiesen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung beendet worden ist.

Die Klägerin ist am 12.5.1970 geboren und seit 01.04.2000 beim Beklagten als Verkäuferin im Warenhaus ,,r.“ in Schleswig in dessen Einzelhandelsgeschäft eingesetzt. Sie bezog ein durchschnittliches Bruttogehalt von 1.276,00 DM.

Der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag (Bl. 5 d.A.) enthält u.a. folgende Regelung:

,,§ 1 Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses

Der Arbeitnehmer wird auf dem 01.04.2000 als Angestellter im Verkauf eingestellt.

§ 9 Sondervereinbarungen

1. Änderungen des Vertrages bedürfen der Schriftform. Mündliche Vereinbarungen sind nichtig.

2. Das Arbeitsverhältnis steht während der ersten 6 Monate unter dem Vorbehalt einer Probezeit. Danach gilt das Arbeitsverhältnis als unbefristet.“

Die Klägerin wurde während der Probezeit schwanger und teilte dies dem Beklagten mit Schreiben vom 06.09.2000 mit. Der Beklagte, der am 2.9.2000 das Arbeitsverhältnis schriftlich fristlos gekündigt hatte, erklärte auf die Kündigungsschutzklage vom 06.09.2000 hin, die Kündigung werde zurückgenommen. Dem hatte die Klägerin zugestimmt und ihre Klage, nachdem sich der Beklagte darauf berufen hatte, das Arbeitsverhältnis ende aufgrund Befristung mit Ablauf des 30.09.2000, in einen Feststellungsantrag umgestellt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, eine wirksame Vereinbarung einer Befristung sei nicht erfolgt, da dies nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag erwähnt sei. Etwaige Unklarheiten gingen zu Lasten des Verwenders eines Vertragsformulars.

Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass das Beschäftigungsverhältnis der Parteien über den 30.09.2000 zu den bisherigen Bedingungen fortbesteht.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, er habe eine befristete Probezeit mit der Klägerin vereinbart. Die vertragliche Regelung in § 9 Ziff. 2 könne nicht anders verstanden werden, als dass für die ersten sechs Monate ein befristetes Arbeitsverhältnis bestanden habe, das nunmehr nicht fortgesetzt werden solle.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.12.2000 der Klage stattgegeben und ausgeführt, eine Befristung sei im Arbeitsvertrag nicht wirksam vereinbart, weshalb das Arbeitsverhältnis fortbestehe. Eine Auslegung des Vertrages ergebe nicht, dass die Parteien das Arbeitsverhältnis befristen wollten. Es sei lediglich eine Probezeit vereinbart, was der Verkürzung der Kündigungsfristen diene. Die Formulierung, danach „gelte“ das Arbeitsverhältnis als Unbefristetes, sei zwar nicht recht verständlich, ergebe aber nicht zwingend eine vorhergehende Befristung.

Dieses Urteil, das dem Beklagten am 30.1.2001 zugestellt worden ist, greift er mit der rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung an. Die Parteien haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung am 6.3.2001 und 13.3.2001 zugestimmt.

Der Beklagte wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend trägt er vor, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht der Klage stattgegeben. Die Auslegung des Arbeitsgerichtes Flensburg gehe fehl. Es gebe nicht einmal andeutungsweise Anhaltspunkte, dass im § 9 Ziff. 2 Satz 2 des Vertrages ein deklaratorischer Hinweis darauf liegen könnte, dass nach Ablauf von 6 Monaten keine besondere Regelung mehr gelten sollte, insbesondere die gesetzlichen Kündigungsfristen anzuwenden seien. Auf Kündigungsfristen werde dort nicht Bezug genommen. Zudem besage der vorangehende § 8 ausdrücklich, dass die gesetzlichen Kündigungsfristen gelten sollten. Im übrigen werde vorstehende Auslegung mit dem Halbsatz zu Ende geführt: ,,und eine weitere Befristung nicht vereinbart werden soll.“ Das zeige, dass das Arbeitsgericht im Ergebnis von einer befristeten Probezeit ausgehe. Es sei aber nicht ersichtlich, warum es sich um einen deklaratorischen Hinweis und nicht um eine konstitutive Regelung handeln solle. Nicht nachvollziehbar sei die Begründung: ,,Allerdings ist nicht recht verständlich, was mit der Verwendung des eine Fiktion beschreibenden Wortes“ ,,gilt“ gemeint sein könnte“, mit der offensichtlich das Ergebnis einer befristeten Probezeitvereinbarung wieder in Frage gestellt werden solle. Das Wort ,,gilt“ lege etwas nach dem Willen der Vertragsparteien definitiv fest. Dadurch werde weder die Eindeutigkeit des Satzes 2 eingeschränkt noch über den Regelungsinhalt ein Verständnisproblem ausgelöst. Auch sei es nicht zwingend erforderlich, eine befristete Probezeit vorzuschalten und sodann einen neuen Arbeitsvertrag abzuschließen. Es sei vielmehr üblich, Arbeitsverhältnisse zu begründen, deren Anfangszeit bis zu 6 Monaten als Probezeit – ggf. befristet – ausgestaltet sei. Dies sei rechtlich zulässig. Das Fehlen eines neuen Arbeitsvertrages (für die Zeit nach der Probezeit) lasse also nicht die Schlussfolgerung zu, dass nur die Regelung des § 625 BGB habe greifen sollen. Im Übrigen sei auch die Klägerin von einer 6-monatigen befristeten Probezeit ausgegangen. Bei Vorlage des Vertrags sei über die Vereinbarung einer Probezeit gesprochen worden. Dabei habe die Klägerin gefragt, warum eine solche vereinbart werden solle. Dazu habe der Beklagte erklärt, dies sei so üblich. Aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt nie in einem Einzelhandelsgeschäft gearbeitet habe, solle die Möglichkeit einer kurzen Trennung offen gehalten werden. Dazu habe die Klägerin erklärt, dann sei das Arbeitsverhältnis erst ab 01.10.2000 unbefristet.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 20.12.2000 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichtes Flensburg (Az: 1 Ca 1329/00) die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor, eine Befristung könne nicht angenommen werden, gerade weil keine positive ausdrückliche Befristung des Arbeitsvertrages für die ersten sechs Monate getroffen worden sei. Eine Befristung könne sich, wenn überhaupt, nur aus dem Umkehrschluss aus § 9 Ziffer 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages ergeben. Eine eindeutige vertragliche Regelung liege somit nicht vor. In § 9 Ziffer 2 Satz 1 des Arbeitsvertrages sei nur geregelt, dass für die ersten sechs Monate eine Probezeit gelte. Das bedeute nur die Abkürzung der Kündigungsfrist auf das gesetzlich zulässige Mindestmaß. Vielmehr ergebe der Wortlaut aus Satz 2 dieser Vorschrift, dass ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit vereinbart worden sei, welches sich nach dem Ablauf der Probezeit von selbst als normales Arbeitsverhältnis fortsetze, falls nicht eine Kündigung ausgesprochen werde.
Die Herleitung einer Befristung für die Probezeit (Satz 1) aus einem Umkehrschluss aus Satz 2 laufe der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zuwider. Zum Schutz des Arbeitnehmers sei eine unmissverständliche und ausdrückliche Befristung zu verlangen. Unklarheiten gingen stets zu Lasten des Arbeitgebers.
Darüber hinaus sei dem Arbeitsgericht Flensburg zuzustimmen, dass die Formulierung ,,Danach gilt das Arbeitsverhältnis als unbefristet“ lediglich deklaratorische Wirkung entfalte.
Aus der Tatsache, dass die Beklagte sich mit der Klägerin über die Vereinbarung einer Probezeit unterhalten habe, könne nicht eine Befristung für die Probezeit entnommen werden. Die Klägerin habe allerdings in diesem Gespräch nicht geäußert, dass das Arbeitsverhältnis dann erst ab 01.10.2000 unbefristet ist.
Ohne Bedeutung sei der Hinweis, dass für den Arbeitsvertrag ein vom Steuerberater der Beklagten erstellter Entwurf verwendet worden sei. Entscheidend sei allein die formularmäßige Verwendung.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll Bezug genommen.

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E

Die zulässige Berufung hat nicht Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30.9.2000 fortbesteht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.

Die Angriffe der Berufung führen nicht zu einem anderen Ergebnis. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung kann nicht beanstandet werden.

Die Vereinbarung einer Probezeit hat nach § 622 Abs. 3 BGB die Folge, dass für diesen Zeitraum eine kürzere Kündigungsfrist einzuhalten ist. Zweck eines Probearbeitsverhältnisses ist es, den Arbeitsvertragsparteien die Möglichkeit zu geben, den Vertragspartner und die Arbeitsstelle auf eine längerfristige Zusammenarbeit zu überprüfen (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 40 I 1; KR-Lipke, Rn. 35 zu § 620 BGB). Dabei ist auch bei einer fest bestimmten Probezeit nur dann ein befristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen, wenn dies ausdrücklich vereinbart ist (BAG Urteil vom 29.7.1958 – 3 AZR 49/56 – EzA § 620 BGB Nr. 1 = AP Nr. 3 § 620 BGB Probearbeitsverhältnis = DB 1959,147; BAG Urteil vom 1.8.1968 – 2 AZR 382/67 – EzA § 133 a GewO Nr. 5; LAG Düsseldorf Urteil vom 18.6.1975 – 8 Sa 594/74 – EzA § 611 BGB Probearbeitsverhältnis Nr. 3). Soll das Arbeitsverhältnis auf die Dauer der Probezeit befristet sein, bedarf dies einer eindeutigen Erklärung (KR-Lipke, Rn. 35 zu § 620 BGB m.w.N.).

Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Wortlaut der arbeitsvertraglichen Regelung nicht deutlich. Die Parteien haben zwar eine Probezeit vereinbart, aber nicht ausgeführt, was in dieser Zeit gelten soll. Die Formulierung
„Das Arbeitsverhältnis steht während der ersten 6 Monate unter dem
Vorbehalt einer Probezeit. Danach gilt das Arbeitsverhältnis als unbefristet.“
besagt dem Wortlaut nach nicht, dass für die Dauer der Probezeit eine Befristung vereinbart ist. Soweit die verkürzte Kündigungsfrist betroffen ist, ergeben sich die Folgen aus § 622 Abs. 3 BGB. Eine Befristung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer der Probezeit findet sich aber nicht im Gesetz wieder. Der Wille der Vertragsparteien ergibt sich auch nicht aus dem Zusammenhang.

Zwar ergibt eine Betrachtung des weiteren Vertragstextes, dass Kündigung und Kündigungsfrist in § 8 des Arbeitsvertrages geregelt sind. § 9 äußert sich nicht zur Kündigungsfrist während der Probezeit. Das ist auch nicht notwendig, da § 622 Abs. 3 BGB eine kürzere Kündigungsfrist für die Dauer einer höchstens sechsmonatigen Probezeit zulässt. Eine Vereinbarung hierzu im Arbeitsvertrag ist damit überflüssig. Jedoch ergibt sich als einzige Folge aus der Vereinbarung einer Probezeit die kürzere Kündigungsfrist. Eine Befristung erfolgt damit, wie bereits oben ausgeführt, nicht.

Eine Befristungsvereinbarung lässt sich auch nicht aus § 9 Abs. 2 S. 2 des Arbeitsvertrages entnehmen, wo es heißt:
„Danach gilt das Arbeitsverhältnis als unbefristet.“
Daraus ergibt sich nicht für den Erklärungsempfänger, d.h. hier die Klägerin, mit klarer Eindeutigkeit, dass das Arbeitsverhältnis zunächst auf die Dauer der Probezeit mit dem Ende im Fall der Nichtverlängerung befristet sein sollte. Wird eine vertragliche Regelung erst durch eine Auslegung im Rahmen eines Umkehrschlusses deutlich, entspricht dies nicht der geforderten Eindeutigkeit.

Dafür, dass die Parteien tatsächlich nicht von einer Befristung ausgegangen sind, spricht auch die Darstellung des Gesprächs anlässlich der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages durch den Beklagten. Nach seinen Ausführungen in der Berufungsbegründung hat er der Klägerin die Notwendigkeit einer Probezeit mit der kurzen Trennungsmöglichkeit begründet, nicht aber mit dem automatischen Ende des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit.

Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

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