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Produktionsunterbrechung durch Kurzschluss auf Nachbargrundstück

OLG Hamm

Az: 5 U 6/12

Beschluss vom 07.05.2012


In dem Rechtsstreit hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07. Mai 2012 beschlossen:

1.

Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin vom 04.01.2012 gegen das am 24.11.2011 verkündete Urteil der 5.Zivilkammer des Landgerichts Siegen durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2.

Die Klägerin erhält Gelegenheit, binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses zu der beabsichtigten Zurückweisung Stellung zu nehmen.

3.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.770,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Berufung der Klägerin hat keine Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Zudem ist die Rechtssache nicht von grundsätzlicher Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts. Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls nicht geboten, § 522 Abs. 2 Nr. 2 – 4 ZPO.

Gem. § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Entscheidung des Landgerichts ist im Ergebnis zutreffend:

1.

Die Klägerin ist ein Unternehmen, das die Entwicklung, Herstellung und Veräußerung von Kennzeichen- und Registrierungs-Systemen betreibt.

Die Beklagte ist ein Bauunternehmen.

Beide Parteien habe ihre Niederlassungen auf der Straße ……… in ……… und werden von der Streithelferin der Beklagten, der ………, mit Strom versorgt.

Am 10.08.2010 kam es im Betrieb der Klägerin in der Zeit von 12.45 Uhr bis 13.25 Uhr zu einem Stromausfall. Ursache des Stromausfalls war ein Kurzschluss in der Elektrik auf dem Grundstück der Beklagten, der wiederum zu einer technisch vorgesehenen Schutzabschaltung in der Umspannanlage der Streitverkündeten führte.

Der Grund für den Kurzschluss in der elektrischen Anlage der Beklagten ist streitig. Die Beklagte behauptet, eine von ihr unverschuldete Materialermüdung oder ein von ihr unverschuldeter Materialfehler an einem auf ihrem Betriebsgelände verlegten Stromkabels.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Erstattung von ihr angeblich vergeblich aufgewandter Lohnkosten in Höhe von 6.770,00 nebst Zinsen und Mahnkosten ersetzt. Dazu behauptet sie, ihre Produktion sei in der Ausfallzeit des Stroms vollständig zu erliegen gekommen. 29 gewerbliche Mitarbeiter hätten tatenlos bleiben müssen, aber den Lohn von 40,00 nebst Nebenkosten erhalten, insgesamt 870,00 Euro. Entsprechendes gelte für 59 angestellte Mitarbeiter, weshalb weitere 5.900,00 Euro an Lohnkosten vergebens aufgewandt hätten werden müssen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Aufstellung der Klägerin (Bl. 16) verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Unabhängig von der Anspruchsgrundlage im Nachbar- oder Deliktsrecht und dem Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen dazu, stütze der Klagevortrag die Klageforderung schon deren Höhe nach nicht.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Die Auffassung des Landgerichts, wonach der von ihr geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht erstattungsfähig sei, weil sie den dargestellten Schaden im Rahmen der Frustrationstheorie hinzunehmen habe, sei rechtsirrig.

2.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen.

Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ergibt sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.

a)

Es ist bereits eine Anspruchsgrundlage nicht ersichtlich, womit sich das Landgericht aufgrund seiner Lösung nicht auseinandersetzen musste.

Ein Anspruch aus Vertrag und/oder Schuldverhältnis kommt nach Aktenlage nicht in Betracht. Zwischen den Parteien bestehen keine vertraglichen oder schuldrechtlichen Beziehungen, sondern nur zwischen jeweils beiden von ihnen und der Streithelferin betreffend die Stromversorgung.

Ebenso scheidet ein Anspruch aus unerlaubter Handlung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB (Eigentumsverletzung) aus. Eine rechtswidrige und insbesondere schuldhafte Verletzung ihres Eigentums hat die Klägerin nicht vorgetragen. Nach ihrer Darstellung hat die Beklagte weder schuldhaft die Substanz ihres Grundeigentums und der dort aufstehenden Gebäude zerstört, beschädigt oder verunstaltet noch ihr das Betriebsgelände in irgendeiner Weise entzogen.

Die Beklagte hat auch nicht den bestimmungsgemäßen Gebrauch oder die bestimmungsgemäße Benutzung des Betriebsgeländes durch die Klägerin im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB beeinträchtigt. Eine derartige Nutzungsbeeinträchtigung ist auch nicht in der kurzfristigen Unterbrechung der Stromversorgung des klägerischen Betriebsgrundstückes zu sehen. Zwar kann die Verletzung des Eigentums an einer Sache nicht nur durch eine Beeinträchtigung der Sachsubstanz, sondern auch durch eine sonstige, die Eigentümerbefugnisse betreffende tatsächliche Einwirkung auf die Sache erfolgen, etwa wenn ein Fahrzeug jede Bewegungsmöglichkeit verliert und seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch entzogen wird. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn – wie hier – der bestimmungsgemäße Gebrauch des Betriebsgrundstückes nur für 40 Minuten – also nur kurzfristig – beeinträchtigt und dadurch seine wirtschaftliche Nutzung nur kurzfristig eingeengt wird (vgl. BGH NJW 2004, 356 ff. und Palandt-Sprau, 70. Aufl., § 823 BGB, Rdn. 7).

Des Weiteren liegt keine Beeinträchtigung der Klägerin in ihrem Eigentum am Betriebsgrundstück vor, welche der Beklagten unmittelbar zugerechnet werden kann. Vielmehr ist nach dem Kurzschluss in der elektrischen Anlage der Beklagten eine Schutzabschaltung – also eine Unterbrechung der Stromversorgung als Sicherheitsmaßnahme – durch die Streithelferin vorgenommen worden. Erst diese Schutzabschaltung führte zum Stromausfall auf dem Betriebsgelände der Klägerin.

Selbst wenn darin ein adäquater Kausalverlauf gesehen werden sollte, hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin ein Verschulden der Beklagten im Sinne der §§ 823 Abs. 1, 276 BGB jedenfalls nicht dargetan. Ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten ergibt sich auch nicht nach der Aktenlage.

Für die Klägerin streitet schließlich auch nicht ein verschuldensunabhängiger, nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog § 906 BGB.

Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gem. §§ 1004 Abs.1, 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (vgl. BGH NJW 2008, 992 f.; BGH NJW 2003, 2377 ff.; BGH MDR 1999, 1132 f.).

Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an einer Einwirkung, die vom Grundstück der Beklagten auf das Grundstück der Klägerin ausgegangen sein soll. Unter Einwirkungen im Sinne des verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs werden nach ständiger Rechtsprechung Fein- wie Grobemissionen (Rauch, Staub, etc.) oder das Übergreifen eines Brandes oder das Übertreten von Wasser bzw. Feuchtigkeit verstanden. Darüber hinaus gewährt die Rechtsprechung den Ausgleichsanspruch auch bei Vertiefungen und Erschütterungen, welche die Standfestigkeit eines auf einem Nachbargrundstück errichteten Hauses beeinträchtigen (vgl. BGHZ 72, 289 ff.; BGHZ 85, 375 ff.; BGHZ 90, 255 und BGHZ 147, 45 ff.). Keine der aufgezählten oder vergleichbare Einwirkungen sind hier auf das Grundstück der Klägerin erfolgt. Vielmehr ist eine unmittelbare Einwirkung auf das klägerische Grundstück, welche ggf. einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auslösen könnte, hier nicht festzustellen.

Zudem müsste eine solche Einwirkung das zumutbare Maß an einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen. Dies ist bei einer lediglich 40-minütigen Stromunterbrechung eindeutig nicht der Fall.

Mithin vermag die Klägerin für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch eine Anspruchsgrundlage bereits nicht zu benennen.

b)

Zutreffend hat das Landgericht zudem erkannt, dass der Klagevortrag die Höhe des geltend gemachten Schadens nicht schlüssig darstellt.

Die Klägerin behauptet, durch den 40-minütigen Stromausfall entsprechende Arbeitszeiten ihrer insgesamt 88 Mitarbeiter nutzlos aufgewandt zu haben. Die in diesen 40 Minuten angefallenen Personalkosten in Höhe von 6.770,00 Euro seien ihr Schaden.

Nach dieser Darstellung des Schadens handelt es sich um sog. „frustrierte Aufwendungen“, welche die Klägerin von der Beklagten ersetzt verlangt. Richtig wäre dagegen vorzutragen gewesen, wie sich die Vermögenslage der Klägerin ohne den Stromausfall im Vergleich zu ihrer Vermögenslage nach dem Stromausfall dargestellt hat (vgl. BGH WW 2000, 2342 und Palandt-Grüneberg, 70. Aufl., vor § 249 BGB, Rdn. 10 und 19). Nur nach der in der Literatur vertretenen Frustrationstheorie sollen Aufwendungen des Geschädigten unabhängig von dem maßgebenden Haftungsgrund immer ein Schaden darstellen, soweit sie infolge des schädigenden Ereignisses fehlschlagen. Diese Auffassung wird von der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre abgelehnt. Dieser Rechtsprechung und herrschenden Lehre schließt sich der Senat an. Es besteht nach altem Schuldrecht kein allgemeiner Rechtssatz dahin, dass Aufwendungen schlechthin zu ersetzen sind, die durch ein Schadensereignis nutzlos geworden sind. Lediglich bei der Neuregelung des § 284 BGB n.F. hat sich der Gesetzgeber anders entschieden (vgl. OLG Rostock, NJW-RR 2004, 825 ff. m.w. Hinweisen).

§ 284 BGB ist hier jedoch nicht anwendbar, da es an einem Schuldverhältnis zwischen den Parteien fehlt und der Anwendungsbereich der vorbezeichneten Vorschrift auf vertragliche und gesetzliche Schuldverhältnisse beschränkt ist (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 284 BGB, Rdn. 3).

Nach allem hat die Berufung der Klägerin keine Aussicht auf Erfolg.

II.

Die Klägerin erhält gem. § 522 Abs 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit, binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses zu der beabsichtigten Zurückverweisung der Berufung Stellung zu nehmen.

III.

Der Streitwert ergibt sich aus der Höhe der geltend gemachten Forderung im Berufungsantrag der Klägerin.

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