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Provisionsansprüche Handelsvertreter – Auskunftsansprüche

Oberlandesgericht München

Az: 23 U 4536/07

Urteil vom 10.07.2008


In dem Rechtsstreit wegen Buchauszuges u.a. erlässt der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.07.2008 folgendes Endurteil:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Teilurteil des Landgerichts Landshut vom 08.08.2007 abgeändert.

II. Die Beklagte wird verurteilt,

1. dem Kläger für die Zeit vom 01.03.2002 bis zum 07.03.2004 einen Buchauszug zu erteilen, der die Höhe der vereinbarten Courtagesummen (Courtageanspruch gegenüber dem Produktgeber bzw. der Versicherung) beinhaltet über sämtliche Geschäfte, die der Kläger, Herr …, Herr … und Herr …, für die Beklagte vermittelt und/oder betreut haben und der Auskunft gibt über sämtliche Geschäfte mit dem Unternehmen …, wobei der Buchauszug unter Einschluss der folgenden Punkte in klarer und übersichtlicher Art und Weise zu erstellen ist:

a) Name und Anschrift des Versicherungsnehmers, bzw. (bezogen auf Unternehmensbeteiligungen) des beigetretenen Gesellschafters oder Treugebers

b) Datum des Versicherungsantrages, bzw. (bezogen auf Unternehmensbeteiligungen) des Datums der Abgabe des Angebotes über den Gesellschaftsbeitritt oder über den Erwerb einer Kommanditbeteiligung

c) Versicherungsscheinnummer bzw. (bezogen auf Unternehmensbeteiligungen) Nummer des Vertragsangebotes

d) Datum des Versicherungsantrages/Policierung, bzw. (bezogen auf Unternehmensbeteiligungen) Datum des Gesellschaftsvertrages, bzw. (bezogen auf Unternehmensbeteiligungen auf der Basis der Kommanditbeteiligung) des Treuhandvertrages.

e) Provisionssatz;

f) Art und Inhalt des Vertrages:

– Sparte

– Tarif

– prämien- bzw. provisionsrelevante Sondervereinbarungen;

g) Jahresprämie:

– Höhe

– Fälligkeit

– Datum des Eingangs der Prämie

– Summe der eingegangenen Prämien;

h) Versicherungsbeginn bzw. (bezogen auf Unternehmensbeteiligungen) Beginn der Pflicht des beigetretenen Gesellschafters oder Treugebers zur Zahlung der Gesellschaftereinlagen;

i) Name des Abschlussvermittlers und Abschlussvermittlernummer;

j) Provision des Abschlussvermittlers für die Vermittlung des Geschäftes;

k) Wertungssumme;

I) im Personenversicherungsgeschäft: Eintrittsalter der versicherten Personen;

m) Laufzeit des Vertrages;

n) bei Investment- und Kapitalanlagegeschäften:

– Inhalt, Modell und Art der Beteiligung

– Höhe der Beteiligung

– Zeichnungssumme, Einzahlungstermine

– Provisionssatz des jeweiligen Vermittlers;

o) bei Verträgen mit Dynamisierung:

– Erhöhung der Wertungssumme

– Zeitpunkt der Erhöhung

– Erhöhung der Jahresprämie bzw. (bezogen auf Unternehmensbeteiligungen) der jährlichen Gesellschaftereinlage;

p) bei Änderungen:

– Datum

– Art der Änderung

– Gründe der Änderungen;

q) bei Stornierungen:

– Datum der Stornierung

– Gründe der Stornierung

– Datum der Stornogefahrmitteilung

– Adressat der Stornogefahrmitteilung

– Art der ergriffenen Bestanderhaltungsmaßnahmen;

r) im Falle des Widerrufes oder Rücktritts:

Datum der Absendung der Widerrufs- bzw. Rücktrittserklärung;

s) im Sachversicherungsgeschäft im Falle uneinbringlicher Forderungen:

– Datum der Vollstreckung

– Datum der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit

– Gründe der Zahlungsunfähigkeit;

2. teilweise abändernd über den erstinstanzlich zuerkannten Buchauszug hinaus dem Kläger für die Zeit vom 08.03.2004 bis zum 30.09.2005 einen Buchauszug zu erteilen, der Auskunft gibt über sämtliche Geschäfte, die der Kläger, Herr …, Herr … und Herr … für die Beklagte vermittelt und/oder betreut haben, sowie Auskunft über sämtliche Geschäfte mit dem Unternehmen … und der zusätzlich die Höhe der vereinbarten Courtagesummen (Courtageanspruch gegenüber dem Produktgeber bzw. der Versicherung) beinhaltet.

III. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

IV. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Geldbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich des Buchauszuges durch Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 15.000,- abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger war als Handelsvertreter für das Vermittlungsunternehmen der Beklagten tätig und beansprucht zur Berechnung seiner Provisionen einen Buchauszug.

Auf die ausführlichen Feststellungen in dem angegriffenen Urteil des Landgerichts Landshut vom 08.08.2007 wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Der Sachverhalt entspricht im Wesentlichen dem des Parallelverfahrens 23 U 4500/07 … gegen die Beklagte; vgl. hierzu das weitere Teilurteil des Landgerichts Landshut, ebenfalls vom 08.08.2007).

Das Landgericht hat der Klage mit dem angegriffenen Urteil weitgehend stattgegeben, gegenüber dem Antrag des Klägers allerdings Einschränkungen vorgenommen: Hinsichtlich des Zeitraumes vom 01.03.2002 bis 07.03.2004 brauche der Buchauszug – nachdem die Verjährungsregelung in § 11 des Handelsvertretervertrages der Parteien (Anlage K 1) wirksam sei – nur die noch nicht abgerechneten Geschäfte enthalten; die Aufnahme der Courtagesummen (Ansprüche der Beklagten gegen die Produktgeber/Versicherungen) in den Buchauszug könne der Kläger nicht beanspruchen; diesbezüglich schulde die Beklagte lediglich die Erteilung einer Auskunft im Sinne von § 87 c Abs. 3 HGB.

Mit seiner Berufung begehrt der Kläger einen Buchauszug ohne diese Einschränkungen: Wegen des Umfanges seines Antrages wird auf dessen Schriftsatz vom . 17.09.2007, = Blatt 245/250 d.A., Bezug genommen.

Die Beklagte erstrebt mit ihrer Berufung die vollständige Abweisung der Klage (hilfsweise Reduzierung des Umfanges des Buchauszuges); bezüglich der Einzelheiten hierzu wird auf den Schriftsatz vom 30.11.2007 (Blatt 270/271) hingewiesen.

Beide Parteien beantragen ferner jeweils die Zurückweisung der Berufung der Gegenseite.

Der Senat hat die Sache im Termin vom 10.07.2008 mit den Parteien erörtert (vgl. Protokoll, Blatt 400/403 d.A.).

II.

Wie im Parallelverfahren 23 U 4500/07 sind auch hier beide Berufungen zulässig, hat in der Sache jedoch nur das Rechtsmittel des Klägers Erfolg. Gemäß § 87 c Abs. 2 HGB steht ihm ein Anspruch auf den beantragten Buchauszug in vollem Umfang zu. Diesbezüglich gilt exakt dasselbe wie im Parallelverfahren (dazu unter 1.). Die vom Beklagten erstmalig in zweiter Instanz vorgelegte Vereinbarung vom 09.11.2004 (Anlage B 16) ändert daran nichts (unter 2.)

1. Dem Kläger steht der verlangte Buchauszug in vollem Umfang zu:

a) Dieser Anspruch ist nicht verjährt. Die Verjährungsfrist von §§ 195, 199 Abs. 1 BGB war bei Klageerhebung im Jahre 2006 (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) nicht abgelaufen. Dies gilt auch für Ansprüche aus dem Jahr 2002, da bis 15.12.2004 die Verjährungsfrist des § 88 HGB a.F. gegolten hat, Art. 229 § 12 und § 6 Abs. 3 EGBGB. Eine kürzere Verjährungsfrist, wurde nicht wirksam vereinbart, da § 11 Abs. 1 des Vertrages unwirksam ist. Hierbei handelt es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen, die gegen § 309 Nr. 7 b, § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB verstoßen. Die Klausel umfasst „die Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis“, also auch solche auf Ersatz von Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung der Beklagten beruhen. Damit liegt eine unter § 309 Nr. 7 b BGB einzuordnende, unzulässige Beschränkung der Haftung vor (BGH, Urteil vom 15.11.2006, VIII ZR 3/06 Rn. 20; Urteil vom 29.05.2008, III ZR 59/07 RN. 35; vgl. auch Urteil vom 15.09.2005, I ZR 58/03 Rn. 36, 40 zur betragsmäßigen Begrenzung). Der Sachverhalt der Entscheidung BGH NJW-RR 1991, 35 ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, da dort – anders als hier – ein Verjährungsablauf vor 6 Monaten ab Kenntnis ausgeschlossen war. Die salvatorische Klausel in § 11 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages verweist allenfalls auf § 202 Abs. 1 BGB, nimmt also nur Vorsatz aus. Sie ist im Übrigen auch im kaufmännischen Verkehr als intransparent unwirksam (BGH Urteil vom 12.10.1995, I ZR 172/93 Rn. 30). Das Gleiche gilt für § 12 Abs. 2 des Vertrages.

b) Der Buchauszug hat sich auch zu erstrecken auf die Höhe des Courtageanspruchs, den die Beklagte gegenüber Produktgebern bzw. Versicherungen hat. Es geht hier nicht darum, dass die Beklagte im Buchauszug den klägerischen Provisionsanspruch selbstverständlich nicht berechnen muss. Jedoch ist die Höhe der Courtageforderung der Beklagten gegenüber deren Vertragspartnern ein entscheidender Faktor für die Ermittlung des klägerischen Anspruchs.

c) Die Parteien haben sich nicht über jeden einzelnen Provisionsanspruch geeinigt. Der Senat teilt die vom Erstgericht aufgrund umfangreicher Beweisaufnahmen gewonnene Überzeugung, dass die Parteien eine hälftige Teilung der Provisionen der Beklagten vereinbart haben. Dies bestätigen aus Sicht des Senats auch die Auftragsblätter. Dort wird der verfügbare Provisionsbetrag zwischen den Parteien stets hälftig geteilt. Eine förmliche Parteivernehmung gem. § 448 ZPO war nicht geboten, selbst wenn man ein Vier-Augen-Gespräch unterstellen wollte. Die damaligen Gesellschafter der Beklagten und heutigen Geschäftsführer ihrer Komplementärin hatten in den wiederholten und langen erstinstanzlichen Verhandlungen hinreichend Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge zu schildern (BVerfG NJW 2008, 2170 Rn. 16; BGH NJW 2003, 3636). Ein förmlicher Antrag auf Parteivernehmung lässt sich den Akten nicht entnehmen.

Der Vertrag steht einer derartigen Abrede nicht entgegen, da die doppelte Schriftformklausel in einem Formularvertrag unwirksam ist (BGH NJW 1991, 1750; 1991, 2559; 1995, 1488; 2001, 292; 2006, 138). Dies ergibt sich sowohl aus dem Vorrang der Individualabrede, § 305 BGB, als auch aus dem gesetzgeberischen Grundgedanken, dass ein nur vereinbarter Formzwang formfrei aufgehoben werden kann, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Die Ausfüllung der Auftragsbegleitblätter durch den Kläger entsprechend 6 Abs. 1 des Vertrags stellte damit keine Einigung auf die errechneten Beträge dar. Der Kläger hat nicht auf höhere geschuldete Beträge verzichtet, da ihm diese aufgrund der Vorgehensweise der Beklagten gerade verheimlicht worden sind. Damit konnte die Beklagte die Erklärung des Klägers nicht als Verzicht verstehen. Hieran ändert nichts, wenn der Kläger im Einzelfall den Verdacht gehegt haben mag, dass ihm Provisionszuschläge vorenthalten werden.

d) Der Buchauszugsanspruch ist auch nicht teilweise erfüllt durch die in den letzten Tagen vor der Berufungsverhandlung dem Gericht übergebenen Unterlagen. Zum einen bezeichnet die Beklagte die Aufstellung selbst als nur „vorläufig“. Geschuldet ist jedoch ein Buchauszug ohne Wenn und Aber. Im Übrigen war der Ordner dem Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht zugegangen.

2. Auf die unstreitig vom Kläger unterzeichnete Vereinbarung vom 09.11.2004 (Anlage B 16) kann die Beklagte sich nicht wirksam berufen:

a) Zunächst ist die Beklagte – entgegen der Auffassung des Klägers – mit diesem Verteidigungsmittel nicht gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO präkludiert. Richtig ist zwar, dass die Beklagte diese Vereinbarung im ersten Rechtszug offensichtlich nicht vorgelegt hat, wobei der Senat diesbezüglich ohne Weiteres von Nachlässigkeit ausgeht. Die Unterzeichnung der Vereinbarung durch den Kläger ist jedoch unstreitig. Nach zwischenzeitlich gefestigter Rechtsprechung des BGH fällt unstreitiges neues Vorbringen nicht unter die genannte Vorschrift (BGHZ 161, 138, 141 ff. = NJW 2005,291; BGH NJW-RR 2005, 437), was sogar dann gelten würde; wenn eine Beweisaufnahme zum Hintergrund dieser Vereinbarung erforderlich werden wäre.

Der Kläger kann auch nicht (mehr) damit gehört werden, seine Unterschrift sei gewissermaßen „erzwungen“ worden, weil er dringend Geld benötigt und die Beklagte die Auszahlung von weiteren Provisionen von der Unterzeichnung der Vereinbarung abhängig gemacht habe (vom Kläger als „Daumenschraube“ bezeichnet). Unter derartigen Umständen zustande gekommene Willenserklärungen sind zwar gemäß § 123 Abs. 1 BGB anfechtbar; eine Anfechtungserklärung hat jedoch innerhalb der Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB zu erfolgen, die hier ersichtlich abgelaufen ist. Auch wenn grundsätzlich die Beklagte die Beweislast für die Voraussetzungen des Erlöschens eines Anfechtungsrechts trägt (vgl. Palandt-Heinrichs/Ellenberger, BGB, 67. Aufl., § 124 Rn. 5), so begann hier die Jahresfrist spätestens mit dem Zerwürfnis der Parteien im September 2005 (fristlose Kündigungen vom 30.09.2005). Erklärungen des Klägers, die eine konkludente Anfechtung darstellen könnten, sind nicht ersichtlich, insbesondere kann die Klageschrift vom 07.03.2006 nicht entsprechend ausgelegt werden. Die Anfechtungserklärung im Termin vom 10.07.2008 kam daher zu spät.

b) Dem Kläger steht jedoch im Zusammenhang mit dem Zustandekommen der Vereinbarung (B 16) ein Schadenersatzanspruch aus §§ 280, 282, 241 Abs. 2, 249 ff. BGB zu, der dazu führt, dass er so zu stellen ist, als hätte er die (offensichtlich auch von der Beklagten als nicht recht tragfähig eingestufte) Vereinbarung nicht unterschrieben:

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat mit dem Landgericht davon überzeugt, dass die Parteien eine hälftige Provisionsteilung vereinbart haben (vgl. oben unter 1. c). Der Kläger hat weiter (im Schriftsatz vom 01.04.2008, Seite 30, = Bl. 337 d.A.) vorgetragen, die Bestätigung der Richtigkeit der Abrechnung sei in dem Glauben erfolgt, die Provisionen wären wie vereinbart geteilt worden. Die Vorlage des Vereinbarungstextes an Kläger begründet damit unter den gegebenen Umständen zumindest auch einen Schadenersatzanspruch, weil er über die Voraussetzungen bzw. den genauen Inhalt der Vereinbarung und insbesondere des darin erklärten Verzichtes getäuscht wurde. Rechtsfolge ist, dass er an der Unterzeichnung der Vereinbarung nicht festgehalten werden kann (was sich ausser den genannten Gründen im Übrigen auch aus dem Gedanken der Treuwidrigkeit, § 242 BGB, ergibt). Ein derartiger Anspruch ist nicht verjährt und von einer etwaigen Umgehung der Frist des § 124 Abs. 1 BGB ist nach ständiger Rechtsprechung nicht auszugehen (vgl. Palandt, a.a.O., § 124 Rn. 1 m.w.N.).

c) Darauf, dass die übrigen Erwägungen des Klägers im Schriftsatz vom 16.07.2008, insbesondere soweit die Unwirksamkeit der Vereinbarung gemäß § 87 a Abs. 5 HGB dargetan werden soll, schon mangels Vergleichbarkeit der zitierten Entscheidungen mit vorliegendem Sachverhalt unzutreffend sind, kommt es nach dem Gesagten nicht mehr an.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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