OBERLANDESGERICHT KOBLENZ
Az.: 13 WF 566/00
Beschluss vom 27.09.2000
Vorinstanz: AG Neuwied – Az.: 16 F 277/97. PKH I
Zusammenfassung:
Bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nach Ansicht des OLG Koblenz allein das Einkommen der Person von Bedeutung, die den entsprechenden Prozeß führt. Zusammenlebende Ehegatten schulden sich grundsätzlich kein Bargeld, sondern der Unterhaltsanspruch der Ehegatten richtet sich vielmehr auf Wohnung, Verpflegung, Bekleidung und Versicherung.
Im konkreten Fall gab das OLG Koblenz mit seinem Beschluss der Beschwerde einer Frau statt, die Klägerin in einem Zivilverfahren war. Die Frau hatte zunächst Prozesskostenhilfe erhalten, das Amtsgericht hatte die Bewilligung jedoch wieder aufgehoben. Dies begründete man damit, dass die Klägerin trotz wiederholter Aufforderung den für sie und für ihren Ehemann geltenden Einkommenssteuerbescheid nicht vorgelegt hatte. Der Einwand der Frau, dass sie selbst nicht berufstätig sei und daher nicht über eigenes Einkommen verfüge, hatte das Amtsgericht nicht geltend gelassen.
BESCHLUSS
in der Familiensache wegen Ehescheidung – hier: Prozesskostenhilfe (Aufhebung der Bewilligung).
Der 13. Zivilsenat – 1. Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Koblenz am 27. September 2000 besch1ossen
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts Neuwied vom 24.7.2000 aufgehoben.
G r ü n d e
Durch den angefochtenen Beschluss hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts die der Antragstellerin am 20.8.1997 bewilligte Prozesskostenhilfe aufgehoben, weil sie trotz wiederholter Aufforderungen den (gemeinsamen) Einkommensteuerbescheid für das Kalenderjahr 1999 nicht vorgelegt hat. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
Die Beschwerde ist nach §§ 11 Abs. 1 Rechtspflegergesetz, 127 Abs. 2 ZPO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Nach § 124 Nr. 2 ZPO kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufgehoben werden, wenn die Partei absichtlich oder aus, grober Nachlässigkeit eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht oder nicht vollständig abgegeben hat, dem Verlangen des Gerichts, sich darüber zu äußern, ob eine Veränderung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten sei, also nicht insgesamt nachgekommen ist. Die Nichtabgabe der Erklärung führt aber nicht zwangsläufig zu einer Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung, denn § 124 Nr. 2 ZPO hat Sanktionscharakter (ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. FamRZ 1996, 315; vgl. im Übrigen Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Aufl., Rdnr. 849). Im Rahmen des eingeräumten Ermessens ist deshalb zu berücksichtigen, ob die Nichtabgabe der Erklärung auf einem schuldhaften Verhalten der Partei beruht.
Das war hier nicht der Fall, da die Antragstellerin alles getan hat, was von ihr zu verlangen war. Die Antragstellerin hat eine neue vollständig ausgefüllte Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu den Akten gereicht, ihre Angaben zu ihren Einkommensverhältnissen durch eidesstattliche Versicherung vom 4.4.2000 glaubhaft gemacht und zudem Bescheinigungen der Landeshauptstadt Wiesbaden vorgelegt, nach denen für sie in den Jahren 1998, 1999 und 2000 keine Lohnsteuerkarte ausgeschrieben wurde.
Zu weiteren Auskünften, insbesondere der verlangten Vorlage des Einkommensteuerbescheids für 1999, war sie nicht verpflichtet, da hieraus nicht ihre eigenen (nicht vorhandenen) Einkünfte zu ersehen wären, sondern nur diejenigen ihres jetzigen Ehemanns.
Maßgebend für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nach 115 ZPO allein das Einkommen der Antragstellerin, nicht das „Familieneinkommen“ (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rdnr. 210; Zöller/Philippi, ZPO, 21. Aufl., § 115 Rdnr. 7), so dass Einkünfte von Ehegatten oder anderen im Haushaltlebenden Personen dem Einkommen der Antragstellerin nicht hinzugerechnet werden können. Die Einkünfte von Familienangehörigen finden allenfalls über § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 (Satz 2) ZPO sowie über eventuell bestehende Prozesskostenvorschussansprüche – ein solcher kommt hier offensichtlich nicht in Betracht, da die Antragstellerin ihren jetzigen Ehemann erst nach rechtskräftiger Beendigung des vorliegenden Scheidungsverfahrens heiraten konnte – Berücksichtigung.
Als Einkommen der Antragstellerin, die nach ihrer Wiederverheiratung keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgeht, kann damit allenfalls das für ihren Sohn gezahlte Kindergeld (270,00 DM) und das ihr zur Befriedigung ihrer persönlichen Bedürfnisse zustehende Taschengeld – bei den von der Antragstellerin an Eides Statt versicherten Einkommensverhältnissen ihres Ehemanns („Normalverdiener“) übersteigt dieser Anspruch jedenfalls nicht einen Betrag von 200,00 DM monatlich – angesehen werden; diese Beträge zusammen sind allerdings nicht höher als der zumindest gegen zurechnenden Freibetrag nach § 115 Abs.1 Satz 3 Nr. 2 Satz 1 (für den Sohn der Antragstellerin 475,00 DM).
Der daneben gegenüber ihrem jetzigen Ehemann bestehende Unterhaltsanspruch aus § 1360a BGB kann – unabhängig von der tatsächlichen Höhe des Einkommens des Ehemanns – ebenfalls nicht zur Leistungsfähigkeit der Antragstellerin führen. Der Unterhaltspflicht aus § 1360a BGB wird nämlich grundsätzlich durch Naturalleistungen Genüge getan; der Anspruch richtet sich auf Wohnung, Verpflegung, Bekleidung und Versicherungsschutz; die Gewährung einer Geldrente (außer dem Taschengeld) zwischen zusammenlebenden Eheleuten ist grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 58. Aufl., § 1360a Rdnr. 6). Der danach nur geschuldete in Natur zu leistende Unterhalt deckt damit die Grundbedürfnisse des nicht erwerbstätigen Ehegatten ohne eigenes Einkommen ab. Tatsächlich steht der Antragstellerin auf Grund des geleisteten Naturalunterhalts kein Barbetrag zur Verfügung, den sie zur Finanzierung der Prozesskosten einsetzen könnte. Dass aus dem die Grundbedürfnisse deckenden Unterhalt nicht die Kosten eines Rechtsstreits finanziert werden können, folgt auch aus § 1360 a Abs. 4 BGB, der speziell für diesen Fall (unter bestimmten, hier nicht vorliegenden Voraussetzungen) einen Anspruch des Ehegatten auf Prozesskostenvorschuss normiert. Jede andere Lösung liefe darauf hinaus, dass der Ehegatte letztlich doch die Prozesskosten zu zahlen hätte, obwohl er dazu nicht verpflichtet ist (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., § 115 Rdnr. 10).
Damit ist das Einkommen des Ehemannes für die anstehende Überprüfung der Bedürftigkeit der Antragstellerin ohne jede Bedeutung. Allenfalls für die Berechnung des Taschengeldanspruchs wären Angaben hierzu erforderlich. Allerdings kommt vorliegend ersichtlich ein höherer Taschengeldanspruch als 200,00 DM – dies entspräche einem verfügbaren monatlichen Familieneinkommen von netto rund 4.000,00 DM – nicht in Betracht.
Da die Antragstellerin mit den von ihr vorgelegten Unterlagen das Amtsgericht mithin hinreichend in die Lage versetzt hat; die Veränderungen in ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu überprüfen, kann ihr ein schuldhaftes Verhalten nicht vorgeworfen werden, wenn sie überflüssigen Auflagen des Gerichts nicht nachkommt. Der angefochtene Beschluss kann deshalb keinen Bestand haben.