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Prozessvergleich und Anspruch auf Zeugniserteilung

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg

Az: 3 Sa 1300/11

Urteil vom: 06.12.2011


In Sachen hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 3. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2011 für Recht erkannt:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 10. Mai 2011 – 2 Ca 995/10 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen.

Der am …. 1949 geborene Kläger war seit dem 1. Dezember 1984 bei der Beklagten als Vertriebsingenieur zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 3.541,54 Euro beschäftigt. Der Kläger, der als schwerbehinderter Mensch iSd. § 2 Abs. 2 SGB IX anerkannt ist, war seit Dezember 2006 arbeitsunfähig krank. In einem an die Beklagte gerichteten Schreiben des Klägers vom 16. März 2007 heißt es:

„Wenn ich keine großen finanziellen Einbußen habe, bin ich somit auch bereit, mich aus dem aktiven Arbeitsleben zurückzuziehen, bis ich meine Rente frühestmöglich, nach bisherigem mir bekannten und von der BfA mitgeteilten Erkenntnisstand ab 01.12.2009, erhalte.“

Am 8. Mai 2007 wurde der Kläger in der Firma der Beklagten offiziell verabschiedet. Entsprechend einer zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung stellte die Beklagte den Kläger seit dem 1. Januar 2008 unter Fortzahlung seiner Bezüge bis zum 30. November 2009 von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Kurz vor dem 30. November 2009 machte der Kläger gegenüber der Beklagten geltend, auch über den 30. November 2009 hinaus in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu stehen. Er wollte ab dem 1. Dezember 2009 die Arbeit wieder aufnehmen; in einer ärztlichen Bescheinigung war die Arbeitsfähigkeit des Klägers bestätigt worden.

Der Kläger und die Geschäftsführerin der Beklagten kannten sich gut und waren jedenfalls früher auch miteinander befreundet. In einer E-Mail vom 5. November 2009 schrieb der Kläger an die Geschäftsführerin:

„Das sind Erscheinungsbilder einer „Westunternehmerin“, für die sich bestimmt einige Zeitschriften interessieren werden, und da wir uns hier im Einzugsgebiet Ost befinden, wird das viele ansprechen.“

Diese E-Mail nahm die Beklagte zum Anlass für eine nach dem 30. November 2009 ausgesprochene außerordentliche Kündigung; insgesamt sprach die Beklagte mehrere außerordentliche und ordentliche Kündigungen gegenüber dem Kläger aus.

Der Kläger erhob vor dem Arbeitsgericht Eberswalde Kündigungsschutzklage zum Aktenzeichen 1 Ca 1063/09. Nach einer durchgeführten Beweisaufnahme entschied das Arbeitsgericht am 4. März 2010, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch diverse Kündigungen aufgelöst worden ist, sondern durch den zwischen den Parteien geschlossenen Aufhebungsvertrag am 30. November 2009 geendet hat. Das Arbeitsgericht ging davon aus, dass hier ausnahmsweise eine mündlich getroffene Aufhebungsvereinbarung das Arbeitsverhältnis tatsächlich beenden konnte. Der Kündigungsrechtsstreit wurde sehr emotional zwischen den Parteien geführt, da sich der Kläger und die Geschäftsführerin der Beklagten wechselseitig voneinander verraten und gedemütigt fühlten.

Der Kläger legte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde Berufung ein. In dem Berufungsverfahren zu den Aktenzeichen 19 Sa 657/10 und 19 Sa 1276/10 schlossen die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 3. August 2010, in der der Kläger und die Geschäftsführerin der Beklagten anwesend waren, einen gerichtlich protokollierten Vergleich und zwar nach Erörterung der Rechts- und Sachlage und auf Vorschlag des Gerichts. Zuvor hatte der Vorsitzende der Kammer 19 des Landesarbeitsgerichts die Parteien darauf hingewiesen, dass bei einem Aufhebungsvertrag der Formzwang gelte und der Kläger sich auf den Formfehler berufen könne. Es wurde auch der Inhalt der vom Kläger geschriebenen E-Mail vom 5. November 2009 im Zusammenhang mit der Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen erörtert. Vor Abschluss des Vergleichs war die Sitzung zweimal für eine Zwischenberatung unterbrochen worden. In den Vergleichsgesprächen zeichnete sich zunächst eine Einigung über die Beendigung und die Abrechnung des Arbeitsverhältnisses ab. Nachdem der Kläger noch eine Forderung bezüglich der Übertragung des Schadenfreiheitsrabattes gestellt hatte, erklärte die Beklagte ihre Zustimmung hierzu, bestand aber nun auf einer umfassenden „Erledigungsklausel“. Über einen Zeugnisanspruch wurde in der Berufungsverhandlung vor Abschluss des Vergleichs nicht gesprochen. Der vorgelesene und von den Parteien genehmigte Vergleich hat folgenden Inhalt:

„1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger ordentlicher Kündigung aus betriebsbedingten Gründen mit dem 30.06.2011 beendet worden ist.

2. Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung von Ziffer 1 und ab 01.12.2009 auf der Grundlage eines Bruttomonatsentgelts von 3.541,54 EUR monatlich gegenüber dem Kläger ab und zahlt – unter Berücksichtigung etwaiger Anspruchsübergänge – das sich daraus ergebende Nettoarbeitsentgelt unverzüglich an den Kläger aus.

3. Der Kläger wird dafür Sorge tragen, dass die Lohnsteuerkarte für 2010 unverzüglich der Beklagten zugeht.

4. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Kläger den während des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten erworbenen Schadensfreiheitsrabatt für seine KfZ-Versicherung mitnimmt.

5. Der Kläger erklärt, ich bin ab 01.12.2009 bis zum 30.06.2010 nicht arbeitsunfähig krank gewesen.

6. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.

7. Für die Kosten erster Instanz verbleibt es bei der Entscheidung im angefochtenen Urteil; die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

8. Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis, dessen Beendigung und dem vorliegenden Rechtstreit ausgeglichen.“

Auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 3. August 2010 wird im Übrigen Bezug genommen (Bl. 3 bis 4 der Akte).

Mit E-Mail vom 25. September 2010 (Bl. 89 der Akte) forderte der Kläger die Geschäftsführerin der Beklagten auf, ihm „endlich ein ordentliches Arbeitszeugnis“ zu senden. Der Kläger hat sich arbeitslos gemeldet.

Mit seiner am 3. November 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage vom 2. November 2010 hat der Kläger die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses begehrt. In der Güteverhandlung, an der weder der Kläger noch die Geschäftsführerin der Beklagten teilgenommen hatten, erklärten die Prozessbevollmächtigten der Parteien, sie wollten eine außergerichtliche Einigung versuchen. In einem Schreiben vom 20. Dezember 2010 der Beklagten wurde unter Ziffer 6 die Erwartung der Entschuldigung durch den Kläger ausgedrückt. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers übersandte dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Schreiben vom 4. Januar 2011 einen Zeugnisentwurf. In einem Schreiben vom 7. Januar 2011 verwies der Prozessbevollmächtigte der Beklagten auf Ziffer 6 des Schreibens vom 20. Dezember 2010. Eine Entschuldigung seitens des Klägers erfolgte nicht.

In einer E-Mail vom 31. März 2011 (Bl. 99 der Akte) bestätigte der ehemalige weitere Geschäftsführer der Beklagten, Herr J. S., dem Kläger ua. eine hervorragende Betreuung des ihm obliegenden Aufgabengebietes.

Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen: Die Parteien seien in dem Parallelstreit so auseinandergegangen, dass zugesichert worden sei, ihm ein Zeugnis zu erteilen und der Übersendung eines klägerischen Entwurfs entgegengesehen werde. So sei auch verfahren worden, ohne dass ihm das gesetzlich zustehende Zeugnis erteilt worden sei. Der Beklagten stehe es in keiner Weise zu, zu beurteilen, ob und wo er weiter einer beruflichen Tätigkeit nachgehen werde oder nicht. Er bewerbe sich regelmäßig um entsprechende Arbeitsstellen. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, sein Zeugnisanspruch sei von der Ausschlussklausel im Vergleich nicht umfasst.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein auf Führung und Leistung gerichtetes qualifiziertes Zeugnis zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Wesentlichen behauptet, der Kläger habe seit 2004 im zunehmenden Maß an Alkoholproblemen gelitten mit erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf Leistung und Verhalten im Verhältnis zu den Kunden, Vorgesetzten und Kollegen. Nachdem im Jahr 2006 noch eine Krankheit des Klägers hinzugekommen sei, habe man sich im März 2007 nach ausführlichen Berechnungen darauf geeinigt, dass der Kläger zum frühesten Zeitpunkt in Rente gehe, nämlich ab dem 1. Dezember 2009 und bis dahin von der Arbeit freigestellt werde unter Fortzahlung der im Einzelnen festgelegten Bezüge. Kurz vor dem Beendigungszeitpunkt habe sich der Kläger unerwartet auf die Unwirksamkeit der Vereinbarung berufen. In der Berufungsverhandlung habe der Vorsitzende die E-Mail vom 5. November 2009 als weiteren Beendigungsgrund herangezogen und dem Kläger klargemacht, dass sein Verhalten inakzeptabel und der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar sei, fraglich sei lediglich, ob die außerordentliche Kündigung mit sofortiger Wirkung oder erst mit einer gewissen Auslauffrist wirksam werde. Der Vorsitzende habe zu erkennen gegeben, dass die Entscheidung in Richtung der letzten Alternative gehen könne, deshalb habe sie die vergleichsweise Beendigung zum 30. Juni 2010 akzeptiert. Es sei erklärter Wille der Parteien gewesen, sämtliche Rechtsbeziehungen ein für alle Mal abschließend zu klären. Auch der Kläger sei zunächst davon ausgegangen, dass der Vergleich eine abschließende Einigung habe beinhalten solle. Der Kläger wolle auch gar nicht weiter arbeiten, sondern strebe die Rente an. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Vergleich habe auch den Zeugnisanspruch erledigt. Das Verlangen des Klägers sei im Übrigen rechtsmissbräuchlich. Auch das weitere nicht hinnehmbare Verhalten des Klägers, wegen der diesbezüglichen Ausführungen der Beklagten wird auf den Schriftsatz vom 9. März 2011, Seiten 8 bis 9 (Bl.85 bis 86 der Akte), Bezug genommen, verbiete die Erteilung eines Zeugnisses.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 10. Mai 2011 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Ein Zeugnis solle dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers dienen. Das beantragte Zeugnis würde dem beruflichen Fortkommen des Klägers nicht dienen. Der Kläger sei seit Dezember 2007 keiner Berufstätigkeit mehr nachgegangen. Er habe in dem Schreiben vom 16. März 2007 erklärt, wenn er keine großen finanziellen Einbußen habe, sei er somit bereit, sich aus dem aktiven Arbeitsleben zurückzuziehen, bis er seine Rente frühestmöglich erhalte. In dem ganzen Prozessverlauf von Beginn des Rechtsstreits Ende 2009 bis zur Klage vom 2. November 2010 sei nie die Rede davon gewesen, dass sich der Kläger wieder ernsthaft um Arbeit bemühe. Der Kläger habe vor diesem Hintergrund ausführlich darlegen und begründen müssen, dass er tatsächlich das Zeugnis für sein berufliches Fortkommen benötige. Er habe nicht dargelegt, seit wann und mit welchem Ziel hinsichtlich welcher konkreten Tätigkeiten er sich um Arbeit bemühe. Die Parteien hätten auf den Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses aus § 109 GewO verzichtet. Die große Ausgleichsklausel enthalte keine Beschränkung auf rein finanzielle Ansprüche und bringe deutlich zum Ausdruck, dass sämtliche Streitigkeiten hiermit ein für allemal beendet sein sollen. Ein solcher Verzicht sei jedenfalls auch möglich für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es bestehe hier auch kein Zweifel, worüber sich die Parteien geeinigt hätten, nämlich dass nach dem emotional aufwühlenden Streit tatsächlich sämtliche nur in Betracht kommenden wechselseitigen Ansprüche ausgeglichen werden sollten.

Gegen das dem Kläger am 7. Juni 2011 zugestellte Urteil hat dieser mit beim Landesarbeitsgericht am 21. Juni 2011 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit beim Landesarbeitsgericht am 28. Juli 2011 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger trägt zur Begründung der Berufung vor: In dem Vorprozess sei dargelegt und nachgewiesen worden, dass eine vorzeitige Beanspruchung von Rente nur mit erheblichen finanziellen Nachteilen einherginge. In dem vorausgegangenen Rechtsstreit hätte er obsiegt. Er sei bereit gewesen, sich auf eine Einigung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses einzulassen. Er habe auf weitergehende finanzielle Ansprüche verzichtet, weil er beabsichtigt habe, beruflich weiterhin losgelöst vom Arbeitsverhältnis mit der Beklagten tätig zu sein. Der Ansatz, dass hier keine Zweifel an einem etwaigen Verzicht auf Erteilung eines Zeugnisses bestehen würden, sei daher verfehlt. Er müsse nicht vortragen, welchen Tätigkeiten er künftig nachgehen wolle, es sei ausreichend vorzutragen, dass er das Zeugnis für sein berufliches Fortkommen benötige. Er habe nie eine berufliche Tätigkeit ausgeschlossen. Die Parteien hätten nicht wirksam und zweifelsfrei auf den Zeugniserteilungsanspruch verzichten können.

In der mündlichen Verhandlung am 6. Dezember 2011 hat der Kläger erklärt, er habe in der Berufungsverhandlung am 3. August 2010 geäußert, dass er wieder arbeiten gehen möchte.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 10. Mai 2011, zugestellt am 7. Juni 2011 zum Geschäftszeichen 2 Ca 995/10, wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger ein auf Führung und Leistung gerichtetes qualifiziertes Zeugnis zu erteilen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie trägt weiter vor: Die im Schreiben vom 16. März 2007 erwähnten finanziellen Einbußen hätten nicht bestanden. Von irgendwelchen Plänen des Klägers, anderweitig weiter arbeiten zu wollen, oder einem Zeugniswunsch sei weder im Vorverfahren noch im Zusammenhang mit dem Vergleichsschluss die Rede gewesen. Auf die Zeugnisidee sei der Kläger erst rund zwei Monate nach dem Vergleichsschluss verfallen, nachdem er sie laufend mit unberechtigten Forderungen drangsaliert, belästigt und beleidigt habe. Die Erteilung eines Zeugnisses sei nie zugestanden worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung und die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft und gemäß §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519 Abs. 1 und Abs. 2, 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.

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II. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten, also auf Führung und Leistung gerichteten Zeugnisses. Der sich aus § 109 Abs. 1 GewO ergebende Anspruch des Klägers ist durch das in Ziffer 8 des Prozessvergleichs vom 3. August 2010 vereinbarte konstitutive negative Schuldanerkenntnis iSv. § 397 Abs. 2 BGB wirksam erloschen. Die Parteien haben auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt eine Vereinbarung über die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses getroffen.

1. Nach § 109 Abs. 1 Satz 1 GewO hat der Arbeitnehmer bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Gemäß Satz 2 kann der Arbeitnehmer verlangen, dass sich die Angaben in dem Zeugnis auch auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstreckt. Der Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis, der allein Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, ist durch den zwischen den Parteien vereinbarten Prozessvergleich untergegangen.

a) Der Prozessvergleich hat eine rechtliche Doppelnatur. Er ist sowohl eine Prozesshandlung, deren Wirkungen sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts richten, als auch ein privatrechtlicher Vertrag, für den die Regeln des materiellen Rechts gelten (BAG 9. September 2011 – 3 AZB 35/11 – Rn. 13, DB 2011, 2444 (red. Leitsatz); BGH 19. Mai 1982 – IVb ZR 705/80 – Juris-rn. 11, NJW 1982, 2072).

b) In Ziffer 8 des Prozessvergleichs haben die Parteien ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis iSv. § 397 Abs. 2 BGB vereinbart, welches auch den Anspruch des Klägers auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses umfasst. Dies ergibt die Auslegung des Prozessvergleichs. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei Ziffer 8 des Prozessvergleichs um eine Allgemeine Geschäftbedingung iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt, die gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB als von der Beklagten gestellt gilt.

aa) Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 16. September 1974 – 5 AZR 255/74 – (NJW 1975, 407) angenommen, dass allgemein gehaltene Ausgleichsklauseln – etwa in Vergleichen, die einen Kündigungsprozess beenden – nicht ohne weiteres dahin ausgelegt werden können, dass sie auch einen Verzicht auf ein qualifiziertes Zeugnis enthalten. Wegen der besonderen Bedeutung des Zeugnisses für den Berufsweg des Arbeitnehmers könne der Rücksicht auf das Verkehrsinteresse nicht schlechthin der Vorrang vor dem Interesse des Arbeitnehmers an einem Zeugnis eingeräumt werden. Es müsse auf alle Fälle klargestellt sein, dass ein Arbeitnehmer nicht unbedacht in einer ganz allgemein gefassten Erklärung auch auf ein Zeugnis verzichtet, ohne sich über die Tragweite eines solchen Verzichts im Klaren zu sein. Deshalb könne man allenfalls dann annehmen, dass eine Verzichtserklärung sich auch auf den Zeugnisanspruch bezieht, wenn sich dies mit ausreichender Sicherheit aus dem Wortlaut der Ausgleichsklausel oder auch den Begleitumständen ergibt (BAG 16. September 1974 – 5 AZR 255/74 – Juris-Rn. 19 ff., NJW 1975, 407; vgl. auch ErfK/Müller-Glöge 12. Aufl. § 109 GewO Rn. 52; HWK/Gäntgen 4. Aufl. § 109 GewO Rn. 18;BeckOK/Tillmanns Stand 1. September 2011 § 109 GewO Rn.15).

bb) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (BAG 17. August 2011 – 10 AZR 322/10 – Rn. 17; EzA-SD 2011, Nr. 24, 7 (red. Leitsatz); 9. Januar 2011 – 10 AZR 738/09 – Rn. 13, AP BGB § 307 Nr. 50; 25. August 2010 – 10 AZR 275/09 – Rn. 19, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 49). Für die Auslegung des Inhalts sonstiger vertraglicher Regelungen gelten die §§ 133, 157 BGB. Ausgehend vom Wortlaut der Klausel ist deren objektiver Bedeutungsgehalt zu ermitteln. Maßgebend ist dabei der allgemeine Sprachgebrauch unter Berücksichtigung des vertraglichen Regelungszusammenhangs. Ein übereinstimmender Wille der Parteien geht dabei dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind auch der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck und die Interessenlage der Beteiligten sowie die Begleitumstände der Erklärung, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Die tatsächliche Handhabung des Vertragsverhältnisses kann ebenfalls Rückschlüsse auf dessen Inhalt ermöglichen (BAG 15. Juni 2011 – 10 AZR 62/09 – Rn. 18, ZTR 2011, 694; 23. Februar 2011 – 4 AZR 536/09 – Rn. 22, BB 2011, 1725). Diese Grundsätze gelten auch für die Frage, ob überhaupt eine rechtsgeschäftliche Erklärung vorliegt (BAG 7. November 2007 – 5 AZR 880/06 – Rn. 17, BAGE 124, 349).

cc) Unter Berücksichtigung dieser Auslegungsgrundsätze haben die Parteien in Ziffer 8 des Prozessvergleichs ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis iSv. § 397 Abs. 2 BGB vereinbart.

(1) Als rechtstechnische Mittel mit unterschiedlichen Rechtsfolgen kommen für den Willen der Parteien, ihre Rechtsbeziehung zu bereinigen, der Erlassvertrag, das konstitutive und das deklaratorische negative Schuldanerkenntnis in Betracht. Ein Erlassvertrag (§ 397 Abs. 1 BGB) ist dann anzunehmen, wenn die Parteien vom Bestehen einer bestimmten Schuld ausgehen, diese aber übereinstimmend als nicht mehr zu erfüllen betrachten. Ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis iSv. § 397 Abs. 2 BGB liegt dann vor, wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, alle oder eine bestimmte Gruppe von bekannten oder unbekannten Ansprüchen zum Erlöschen zu bringen. Ein deklaratorisches negatives Schuldanerkenntnis ist anzunehmen, wenn die Parteien nur die von ihnen angenommene Rechtslage eindeutig dokumentieren und damit fixieren wollen (BAG 7. November 2007 – 5 AZR 880/06 – Rn. 17, BAGE 124, 349; 19. November 2003 – 10 AZR 174/03 – Rn. 36, NZA 2004, 554).

(2) In dem die Parteien Ziffer 8 in den Vergleich aufnahmen, brachten sie ihren rechtsgeschäftlichen Willen zum Ausdruck, alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, ferner alle Ansprüche, die anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen, und alle Ansprüche, die Gegenstand des Rechtsstreits waren, und die nicht in den vorstehenden Ziffern des Vergleichs erwähnt wurden, zum Erlöschen zu bringen, und zwar unabhängig davon, ob sie an diese Ansprüche bei Abschluss des Vergleichs gedacht hatten bzw. ihnen diese bekannt oder unbekannt waren. Ziffer 8 enthält nämlich nicht nur einen Hinweis, dass die Parteien sämtliche Ansprüche, die nicht in den Ziffern 1 bis 7 des Vergleichs geregelt wurden, bereits als erfüllt betrachten. Die Verwendung des Wortes „ausgeglichen“ bringt vielmehr den Willen der Parteien zum Ausdruck, dass durch die unter Ziffer 1 bis 7 des Vergleichs positiv geregelten Rechte und Pflichten sämtliche anderen Ansprüche, die die eine Vertragspartei jeweils gegenüber der anderen hatte, kompensiert werden und damit untergehen sollen. Gegenseitige Ansprüchen sind dabei alle Ansprüche, die jeweils zwischen den Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung entstanden sind oder in dem Rechtsstreit geltend gemacht wurden. Es kommt nicht darauf an, ob es sich um unmittelbar im Synallagma stehende Ansprüche handelt, weil die Ausgleichsklausel sich nach ihrem Wortlaut nicht nur auf Hauptleistungspflichten aus einem gegenseitigen Vertrag bezieht.

dd) Von dem konstitutiven negativen Schuldanerkenntnis ist auch der Anspruch des Klägers auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses erfasst. Dies gilt sowohl bei objektiver Auslegung als auch dann, wenn die Verständnismöglichkeiten der konkreten Vertragsparteien maßgebend zu berücksichtigen sind.

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, sind Ausgleichs- und Abgeltungsklauseln in Aufhebungsvereinbarungen, gerichtlichen Auflösungsvergleichen und sogenannten Abwicklungsvereinbarungen grundsätzlich weit auszulegen sind. Die Parteien wollen in solchen Vereinbarungen in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig ob sie daran dachten oder nicht (zB BAG 19. November 2008 – 10 AZR 671/07 – Rn. 20 mwN, NJW 2009, 1019).

(2) Nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Ziffer 8 des Vergleichs enthaltenen Regelung unterfällt auch der Anspruch des Arbeitnehmers auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis dem konstitutiven negativen Schuldanerkenntnis.

(a) Nach dem eindeutigen Wortlaut werden von der in Ziffer 8 des Vergleichs geregelten Ausgleichsklausel sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, dessen Beendigung und dem damals anhängigen Rechtsstreit erfasst. Die Klausel bezieht sich damit nicht nur auf finanzielle Ansprüche. Ein verständiger und redlicher durchschnittlicher Arbeitnehmer, der in einem Kündigungsrechtsstreit einen Prozessvergleich mit einer solchen Ausgleichsklausel schließt, muss erkennen, dass unter einem Anspruch nicht nur ein auf Geld gerichteter Anspruch gemeint ist (aA wohl BAG 16. September 1974 – 5 AZR 255/74 – Juris-Rn.21, NJW 1975). Ferner ist für ihn auch erkennbar, dass er gegenüber dem Arbeitgeber überhaupt einen Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis hat. Aufgrund dieser Umstände kann auch der verständige, redliche durchschnittliche Arbeitnehmer die Klausel nur dahin verstehen, dass sein Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses unter die Ausgleichsklausel fällt.

(b) Auch unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise kann die Klausel nicht dahin verstanden werden, dass der Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses nicht von Ziffer 8 des Vergleichs erfasst wird. Zwar kann ein qualifiziertes Zeugnis von entscheidender Bedeutung für das berufliche Fortkommen eines Arbeitnehmers sein. Allerdings hängt die tatsächliche Bedeutung, die einem qualifizierten Zeugnis zukommt, jeweils von den Umständen des Einzelfalles ab, nämlich ua. von dem Inhalt eines Zeugnisses, von der jeweiligen Berufssparte und von den jeweiligen Berufsvorstellungen des Arbeitnehmers. Ein qualifiziertes Zeugnis ist nach § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO zudem nur auf Verlangen des Arbeitnehmers zu erteilen. Über den zutreffenden Inhalt eines qualifizierten Zeugnisses kann zwischen den Arbeitsvertragsparteien durchaus Streit bestehen, der weitere Rechtstreitigkeiten auslösen kann. Durch eine Ausgleichsklausel sollen aber klare Verhältnisse geschaffen und künftigen Streitigkeiten vorgebeugt werden. Der Arbeitgeber kann unter Berücksichtigung dieser Umstände bei einer Vereinbarung einer umfassenden Ausgleichsklausel im Rahmen eines Prozessvergleichs zur Erledigung eines Kündigungsrechtsstreits davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer, wenn er sein Verlangen auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses nicht spätestens bis zum Abschluss des Vergleichs zum Ausdruck gebracht hat, für sich entschieden hat, dass er für sein weiteres berufliches Fortkommen kein qualifiziertes Zeugnis benötigt bzw. ein solches für sein berufliches Fortkommen nicht als förderlich ansieht und seinen Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis daher aufgibt. Dies ist auch für den verständigen durchschnittlichen Arbeitnehmer erkennbar (aA wohl BAG 16. September 1974 – 5 AZR 255/74 – Juris-Rn.22f., NJW 1975, 407). Der Arbeitnehmer hat durch die Vereinbarung der Ausgleichsklausel ebenfalls zum Ausdruck gebracht, dass eine abschließende Regelung sämtlicher zur Disposition der Parteien stehender Ansprüche erfolgen soll und seine von der Ausgleichsklausel erfassten Ansprüche durch die sonstigen Regelungen im Vergleich kompensiert werden.

(3) Auch unter Berücksichtigung des von den Parteien verfolgten Regelungszwecks und deren Interessenlage sowie der Begleitumstände des Vergleichsschlusses umfasst Ziffer 8 des Vergleichs den Anspruch des Klägers auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses. Wie bereits ausgeführt, spricht der klare Wortlaut der Regelung in Ziffer 8 dafür, dass der streitgegenständliche Anspruch unter das konstitutive negative Schuldanerkenntnis fällt. Für den Kläger war aufgrund der Begleitumstände erkennbar, dass durch den Prozessvergleich eine umfassende Bereinigung sämtlicher zwischen den Parteien bestehender Ansprüche erreicht und ein weiterer möglicher Streit über sonstige (mögliche) Ansprüche, wie zB den Inhalt des Zeugnisses, vermieden werden sollte. Denn die Beklagte verlangte eine Erledigungsklausel, nachdem der Kläger weitere Forderungen gestellt hatte. Für den Kläger war auch erkennbar, dass die Beklagte nicht mit einer Geltendmachung eines Zeugnisanspruches rechnen musste. Der Kläger war in dem Arbeitsverhältnis mehrere Jahre von seiner Arbeitsleistung freigestellt worden, ohne dass er ein qualifiziertes (Zwischen-)Zeugnis verlangt hatte. Der Kläger hat auch nicht behauptet, er habe während des Kündigungsrechtsstreits von der Beklagten ein Zeugnis verlangt. In dem Schreiben vom 16. März 2007 hatte er gegenüber der Beklagten erklärt, wenn er keine großen finanziellen Einbußen habe, sei er bereit, sich aus dem aktiven Arbeitsleben zurückzuziehen, bis er seine Rente frühestmöglich, nachdem ihm bekannten Erkenntnisstand ab 1. Dezember 2009, erhalte. Daraus konnte die Beklagte schließen, dass der Kläger nicht mehr einer Arbeitstätigkeit nachgehen möchte, wenn er keine großen finanziellen Einbußen hat. Durch den Vergleich wurde das Arbeitsverhältnis erst zum 30. Juni 2010 beendet und es war bis zu diesem Zeitpunkt abzurechnen. Der Kläger erwarb hierdurch im Verhältnis zu dem von der Beklagten vertretenen Rechtsstandpunkt, nämlich dass das Arbeitsverhältnis schon zum 30. November 2009 oder jedenfalls aufgrund einer fristlosen Kündigung geendet hatte, einen finanziellen Vorteil. Selbst wenn der Kläger während der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 3. August 2010 erklärt haben sollte, er möchte wieder arbeiten gehen, musste die Beklagte daraus nicht schließen, dass der Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses nicht von der dann letztlich zwischen den Parteien vereinbarten Ausgleichsklausel umfasst sein sollte. Denn ob und inwieweit ein Zeugnis überhaupt dem beruflichen Fortkommen dient, hängt zum einen von dem Inhalt ab. Zum anderen ist ein Zeugnis nicht zwingende Voraussetzung für die Aufnahme einer neuen Tätigkeit. Ein Arbeitsverhältnis kann beispielsweise durch persönliche Kontakte bzw. Beziehungen vermittelt werden. Der Arbeitnehmer kann seine Qualifikation ferner auch auf andere Weise nachweisen, zB durch Referenzen. Gerade vor dem Hintergrund des zwischen den Parteien sehr emotional geführten Kündigungsrechtsstreites, in dem die Parteien auch über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung stritten, hätte der Kläger erkennen können, dass auch über den Inhalt eines Zeugnisses Streit entstehen könnte, durch die Ausgleichsklausel aber gerade ein Rechtsfrieden zwischen den Parteien hergestellt und weitere Streitigkeiten vermieden werden sollten. Der Kläger konnte daher nicht davon ausgehen, dass sein Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses trotz des eindeutigen Vertragstextes nicht von dem konstitutiven negativen Schuldanerkenntnis erfasst wird.

c) Ein Verzicht auf den Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses bzw. ein einen solchen Anspruch umfassendes konstitutives negatives Schuldanerkenntnis ist wirksam, wenn der Verzicht bzw. das konstitutive negative Schuldanerkenntnis nach Entstehung des Anspruchs zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart wird (vgl. auch BAG 4. Dezember 1985 – 5 AZR 607/84 – Juris-Rn. 22; ErfK/Müller-Glöge § 109 GewO Rn. 54; BeckOK/Tillmanns § 109 GewO Rn. 15; offengelassen BAG 16. September 1974 – 5 AZR 255/74 – NJW 1974, 407).

aa) Der Anspruch entsteht nach § 109 Abs. 1 Satz 1 BGB bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ein Arbeitnehmer hat spätestens mit der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf ein endgültiges Zeugnis (vgl. BAG 27. Februar 1987 – 5 AZR 710/86 – Juris-Rn. 19 mwN, AP BGB § 630 Nr. 16 zu einem fristgerecht entlassenen Arbeitnehmer). Spricht der Arbeitgeber eine fristlose Kündigung aus und beschäftigt er den Arbeitnehmer nicht mehr, ist der Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses mit Zugang der fristlosen Kündigung entstanden und zugleich fällig (vgl. ErfK/Müller-Glöge § 109 GewO Rn. 9; HWK/Gäntgen 4. Aufl. § 109 GewO Rn. 16). Da die Beklagte vorliegend vor Abschluss des Vergleichs eine fristlose Kündigung ausgesprochen hatte, war der Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Zeugnisses im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs am 3. August 2010 bereits entstanden.

bb) Weder der Gesetzeswortlaut noch der Schutzzweck der Norm auch unter Berücksichtigung der sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Wertungen stehen einem wirksamen Verzicht bzw. Erlass auf den bereits entstandenen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses entgegen.

(1) Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, wonach auf den Zeugnisanspruch nicht verzichtet werden darf, besteht nicht. Der Gesetzgeber hat nicht angeordnet, dass von der Regelung in § 109 Abs. 1 Satz 1 iVm. Satz 3 GewO nicht abgewichen werden darf. Vielmehr spricht der Umstand, dass ein qualifiziertes Zeugnis nur auf Verlangen des Arbeitnehmers zu erteilen ist, dafür, dass es zur Disposition des Arbeitnehmers steht, auf den entstandenen Anspruch zu verzichten.

(2) Auch die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interessen des Arbeitnehmers an seinem beruflichen Fortkommen schließen einen nach Entstehung des Anspruchs erklärten Verzicht auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses nicht aus. Der Arbeitnehmer kann nach der tatsächlichen oder rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses einschätzen, ob er voraussichtlich für sein weiteres berufliches Fortkommen überhaupt ein von dem bisherigen Arbeitgeber erteiltes qualifiziertes Zeugnis benötigt. Ein qualifiziertes Zeugnis ist nicht zwingende Voraussetzung für die Begründung einer neuen Berufstätigkeit. Ferner hängt es auch von den jeweiligen Umständen ab, ob der Arbeitnehmer überhaupt eine weitere Berufstätigkeit ausüben will. Je nach dem Inhalt des Zeugnisses kann dessen Vorlage bei einem potentiellen neuen Arbeitgeber uU auch einem beruflichen Fortkommen eher hinderlich sein.

d) Ziffer 8 des Vergleichs ist auch nicht nach den §§ 305 ff BGB unwirksam, wenn es sich hierbei um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handeln sollte.

aa) Die Klausel ist weder überraschend noch ungewöhnlich iSd. § 305c Abs. 1 BGB. Gerade in Prozessvergleichen zur Erledigung von arbeitsrechtlichen Bestandsschutzstreitigkeiten sind Ausgleichsklauseln der vorliegenden Art nicht ungewöhnlich, sondern durchaus üblich. Die Klausel ist nicht unklar iSv. § 305c Abs. 2 BGB. Vorliegend sind nicht zwei unterschiedliche Auslegungen rechtlich möglich (vgl. insgesamt zur Wirksamkeit von Abgeltungsklauseln in Aufhebungsverträgen gemäß §§ 305 ff. BGB: BAG 19. November 2008 – 10 AZR 671/07 – Rn. 31ff., NJW 2009, 1019).

bb) Die Klausel ist nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

(1) Ziffer 8 des Vergleichs ist nicht intransparent iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Vielmehr ergibt sich aus der Bestimmung klar und verständlich, dass alle Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, soweit sie nicht in den Ziffern 1 bis 7 des Vergleichs geregelt werden, von der Ausgleichsklausel erfasst sind.

(2) Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der in einem gerichtlichen Vergleich aufgenommenen Ausgleichsklausel um eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung handelt (dies wurde für eine in einem Aufhebungsvertrag vereinbarte Abgeltungsklausel bejaht in der Entscheidung BAG 21. Juni 2011 – 9 AZR 203/10 – Rn. 43ff., DB 2011, 2663). Denn jedenfalls benachteiligt diese Klausel den Kläger nicht unangemessen iSv. § 307 BGB.

(a) Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Angemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall gelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Beachtung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt (BAG 21. Juni 2011 – 9 AZR 203/10 – Rn. 46, DB 2011, 2663; 14. Dezember 2010 – 9 AZR 642/09 – Rn. 53, NZA 2011, 509).

(b) Eine unangemessene Benachteilung liegt danach nicht vor. Es handelt sich hierbei nicht um eine Klausel, die einseitig nur die Ansprüche des Arbeitnehmers umfasst. Diese die beiderseitigen Ansprüche umfassende Regelung ist vielmehr im Zusammenhang mit einem jedenfalls ansonsten individuell ausgehandelten Vertragsinhalt zur Beilegung einer gerichtlichen Bestandsschutzstreitigkeit in den Prozessvergleich aufgenommen worden. Die Parteien haben durch den Prozessvergleich einschließlich dessen Ziffer 8 im Wege des gegenseitigen Nachgebens ihre Ansprüche umfassend zur Beilegung eines konkreten Rechtstreits geregelt. Dies schließt die Annahme einer missbräuchlichen einseitigen Vertragsgestaltung durch den Arbeitgeber aus.

2. Die Beklagte hat dem Kläger auch zu keinem Zeitpunkt die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses zugesagt. Der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger hat eine solche von der Beklagten bestrittene Zusage nicht substantiiert und zwar auch nicht auf einen entsprechenden Hinweis in der mündlichen Verhandlung am 6. Dezember 2011. Er hat in keiner Weise dargelegt, aus welchem Verhalten oder welchen Erklärungen er eine Zusage der Beklagten herleitet. Es ist insbesondere nicht erkennbar, dass die Beklagte dem Kläger in rechtsgeschäftlich bindender Weise gegenüber im Gütetermin am 16. Dezember 2010 erklärt hatte, sie werde dem Kläger nach Vorlage eines entsprechenden Entwurfs ein Zeugnis erteilen. Aus dem Protokoll der Güteverhandlung ergibt sich, dass lediglich eine gütliche Einigung versucht werden sollte, wobei diese Erklärungen nur die Prozessbevollmächtigten der Parteien abgaben.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Revision wurde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG zugelassen.

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