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Betriebsgefahr eines Quad


Oberlandesgericht München

Az: 10 U 2166/13

Urteil vom 17.09.2013


Tenor

1. Die Berufung des Klägers vom 29.05.2013 gegen das Endurteil des LG Ingolstadt vom 08.05.2013 wird zurückgewiesen.

2. Das vorgenannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 22.654,45 €.


Gründe

I. Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche auf Schadensersatz in Höhe von 20.654,45 € sowie auf Feststellung aus einem Verkehrsunfall am 04.06.2010. Am genannten Tag gegen 21.45 Uhr befuhr der 1983 geborene Kläger als Eigentümer des Fahrzeuges Yamaha Quad Raptor 700, amtliches Kennzeichen … 96, die vorfahrtsberechtigte S. Straße in P. An der Kreuzung zur untergeordneten G.-H.-Straße kam es zur Kollision mit dem Fahrzeug des …zentrum P., amtliches Kennzeichen …92, das von der Beklagten zu 2) gesteuert wurde und das bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichert ist.Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Endurteils des LG Ingolstadt vom 08.05.2013, durch welches die Klage abgewiesen wurde (Bl. 108/114 d. A.), Bezug genommen.

II. Gegen dieses Urteil legte der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 29.05.2013 Berufung ein (Bl. 119/123 d. A.), zugleich erweiterte er die Klage subjektiv auf den Fahrzeughalter des beklagtischen Pkw, das …zentrum P. … als Beklagten zu 3). Die Berufung wurde mit Schriftsatz vom 29.05.2013 (Bl. 119/123 d. A.) gleichzeitig begründet.

Der Kläger beantragt zuletzt,

– die Beklagtenparteien als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klagepartei einen Betrag von 3.154,45 € nebst Zinsen hieraus von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08.11.2010 zu bezahlen,

– die Beklagtenparteien als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klagepartei ein Schmerzensgeld von wenigstens 17.500,– €, darüber im Ermessen des Gerichts, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08.11.2010 zu bezahlen.

– festzustellen, daß die Beklagten samtverbindlich verpflichtet sind, dem Kläger jeden weiteren künftigen Schaden aus dem Unfallereignis vom 04.06.2010 zu 50% zu ersetzen,

– die Beklagtenparteien als Gesamtschuldner zu verurteilen, auf die Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung an die Klagepartei 1.458,17 € nebst Zinsen hieraus von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

III. Der Vorsitzende des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München wies den Kläger mit Verfügung vom 12.08.2013 darauf hin, daß der Senat beabsichtige, die Berufung nach § 522 II ZPO zurückzuweisen (Bl. 133/139 d. A.).

Hierauf erwiderte der Kläger mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten vom 09.09.2013 (Bl. 142/144 d. A.).

I. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat nach einhelliger Überzeugung des Senats in der Sache keine Aussicht auf Erfolg und ist deshalb, da die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung erfordert, gem. § 522 II 1 ZPO zurückzuweisen.

1. Zur Begründung wird zunächst gemäß § 522 II 3 ZPO auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden Bezug genommen. Nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Beachtung der vom Kläger im Schriftsatz vom 09.09.2013 vorgebrachten Ausführungen bleibt der Senat bei der im Hinweisverfügung mitgeteilten Rechtsauffassung.

2. Im Hinblick auf die Stellungnahme des Berufungsführers ist ergänzend Folgendes auszuführen:

a) Der Berufungsführer trägt zutreffend vor, daß in Fällen, in denen keinem der beteiligten Fahrzeugführer ein Verschulden nachzuweisen ist, die reine Betriebsgefahr der Kraftfahrzeuge zum Haftungsgrund werden kann. Die von ihm hieraus gezogenen tatsächlichen und rechtlichen Schlußfolgerungen sind jedoch unzutreffend:

aa) Der Berufungsführer ist offenbar der Auffassung, daß in solchen Fällen die Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge grundsätzlich gleich hoch ist.

Die ist jedoch fehlsam. Es kommt vielmehr auf die spezifischen Besonderheiten der beteiligten Fahrzeuge an (vgl. für Lkw Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. 2009, § 17 StVG Rz. 6 ff.; für Schneepflüge OLG Bamberg VersR 1983, 958; Senat, Hinweis v. 21.02.2007 – 10 U 5607/06; für Geländewagen OLG Hamm NZV 1997, 230; für Motorräder KG NZV 2002, 34 = DAR 2002, 122 [123]; OLG Düsseldorf DAR 2005, 217 [219]; Senat, Beschl. v. 24.02.2009 – 10 U 5620/08; Hinweis v. 07.05.2009 – 10 U 5684/08; Beschl. v. 27.07.2009 – 10 U 3125/09).

In die Bewertung der spezifischen Besonderheiten des klägerischen Quads ist zunächst und entscheidend dessen Instabilität einzustellen:

– Der Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) K. hat anläßlich seiner Einvernahme vor dem Erstgericht am 31.08.2011 (Bl. 103/106 d. A.) insoweit folgendes ausgeführt:

„Ich möchte die Fahrweise dieser Quads, wie es hier unfallgegenständlich ist, zumindest bei starker Bremsung als sehr instabil betrachten aufgrund des Verhältnisses von Spurweite zum Radstand. Das Fahrzeug neigt in diesen Fällen dazu, die Vorderachse zu belasten und die Hinterachse zu entlasten, was zu Schleudervorgängen führen kann. Das unfallgegenständliche Quad zumindest hatte kein ABS. Eine Verlagerung des Gewichts des Fahrers kann auch die Fahrlinie beeinflussen, wenn man sich insbesondere das Verhältnis des Fahrergewichts zum Fahrzeuggewicht anschaut, das gilt insbesondere beim Bremsen.“

– Diese Feststellungen entsprechen den allgemein zugänglichen Quellen (vgl. etwa Wikipedia, „Quad“ Bearbeitungsstand: 24.07.2013, http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Quad&oldid=120836082 [abgerufen: 17.09.2013]).

– Diese Feststellungen entsprechen auch, worauf bereits in der Verfügung des Vorsitzenden hingewiesen wurde, den Erfahrungen des Senats (die Instabilität eines Quads war bereits Gegenstand eines beim Senat anhängig gewesenen Verfahrens [Az. 10 U 1656/08]).

Der Senat bleibt deshalb bei seiner Auffassung, daß die Betriebsgefahr eines Quads stets wesentlich höher anzusetzen ist als die eines normalen PKWs. Im Hinblick auf die vorstehend aufgeführten Erkenntnisse gibt das vom Berufungsführer angeführte Urteil des OLG Brandenburg vom 10.09.2009 (12 U 49/09; juris), das – nicht sachverständig beraten und ohne Ausweis seiner besonderen Sachkunde sowie ohne Auseinandersetzung mit dem technischen Schrifttum – von einer im Verhältnis zum Motorrad geringeren Instabilität ausging, zu keiner anderen Beurteilung Anlaß.

bb) Auch wenn einem unfallbeteiligten Fahrer kein Verkehrsverstoß vorzuwerfen ist, kann letztlich allein das erhöhte Risiko seines – erlaubten – Fahrmanövers (z. B. hohes Tempo auf der Autobahn, Überholen) zu einer Erhöhung der konkreten Betriebsgefahr führen (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007, § 3 Rz. 375; Burmann/Heß/Jahnke/Janker/Heß, Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl. 2012, § 17 StVG Rz. 15).

Soweit sich der Berufungsführer gegen die Berücksichtigung seiner Fahrweise wendet, kann nur nochmals an die bereits in der Hinweisverfügung zitierte Aussage des Zeugen M. erinnert werden, wo es u. a. sehr plastisch und unmißverständlich heißt:

„Es fiel mir auf, dass von der Innenstadt her ein Quad mit zügiger Geschwindigkeit, ich möchte nicht meinen überhöht, aber doch sportlich, daherkam und auf die Ampel zufuhr. Es war rot und das Fahrzeug stoppte und zwar so, dass sich die Hinterachse vom Teerbelag abhob. Nachdem grün wurde, fuhr das Fahrzeug ebenso sportlich wieder los und fuhr auf die 2. Kreuzung zu … Aufgrund der akustischen Wahrnehmung ging ich davon aus, weil ich selbst Motorradfahrer bin, dass eine höhere Geschwindigkeit gefahren wurde … Ich kann aber bestätigen, dass das Quad nach dem Stopp bei der Ampel stark beschleunigt hat.“

Daß diese Aussage mit den technischen Besonderheiten von Quads vereinbar ist, ergibt sich aus der oben zitierten Stellungnahme des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) K.

b) Die normale Betriebsgefahr des beklagtischen Toyotas tritt im Hinblick auf das Vorstehende im konkreten Fall vollständig gegenüber der Betriebsgefahr des Quad zurück.

II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 2 ZPO.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 II 1, 47 I 1, 40, 48 I 1 GKG, 3 ff. ZPO. Bei der Festsetzung war der Feststellungsantrag mit 2.000,– € zu bewerten und zu berücksichtigen.


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