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Quarantäneanordnung einer Kontaktperson einer an Affenpocken erkrankten Person

VG Düsseldorf – Az.: 29 L 1677/22 – Beschluss vom 10.08.2022

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,– Euro festgesetzt.

Gründe

Der am 3. August 2022 gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Klage gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 27. Juli 2022 anzuordnen, hat keinen Erfolg.

Die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 Var. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist vor Klageerhebung zulässig; die Klagefrist ist noch nicht abgelaufen.

Vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 80 Rn. 129 m.w.N.

Wegen der gesetzlichen Anordnung des Wegfalls der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO, § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten bei Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) in der Fassung vom 18. März 2022 ist der Antrag auch statthaft.

Der Antrag ist jedoch unbegründet. Das Gericht macht von der ihm durch § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO eingeräumten Befugnis, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen sofort vollziehbaren Verwaltungsakt anzuordnen, Gebrauch, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass das private Interesse des Betroffenen, von Vollziehungsmaßnahmen (vorerst) verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Durchsetzung der getroffenen Maßnahme überwiegt. Bei der Interessenabwägung spielt neben der gesetzgeberischen Grundentscheidung die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des zu vollziehenden Verwaltungsaktes eine wesentliche Rolle. Ergibt diese – im Rahmen des Eilrechtsschutzes allein mögliche und gebotene summarische – Prüfung, dass der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts grundsätzlich kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich der Verwaltungsakt hingegen als offensichtlich rechtmäßig, überwiegt nach der gesetzgeberischen Wertung das behördliche Vollzugsinteresse. Erscheinen die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als offen, ist die Entscheidung auf der Grundlage einer umfassenden Folgenabwägung vorzunehmen.

Danach fällt die Interessenabwägung hier zu Lasten des Antragstellers aus.

Es spricht nach summarischer Prüfung bereits Überwiegendes dafür, dass die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 27. Juli 2022 rechtmäßig ist.

Rechtsgrundlage für die Anordnung der Absonderung des Antragstellers in Quarantäne wegen Kontakts mit einer positiv auf das Affenpockenvirus getesteten Person ist §§ 28 Abs. 1 S. 1, 30 Abs. 1 S. 2 IfSG. Nach § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Gemäß § 30 Abs. 1 S. 2 IfSG kann bei sonstigen Kranken sowie Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern angeordnet werden, dass sie in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden.

Diese Voraussetzungen liegen hier nach summarischer Prüfung vor.

Bei den Affenpocken handelt es sich um eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG. Die Krankheit wird durch das Affenpockenvirus verursacht, das von Mensch zu Mensch übertragen werden kann.

https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Materialien/Downloads-Affenpocken/Aufklaerungsbogen-de.pdf?__blob=publicationFile.

Quarantäneanordnung einer Kontaktperson einer an Affenpocken erkrankten Person
(Symbolfoto: Michael Suvada/Shutterstock.com)

Bei dem Antragsteller handelt es sich um einen Ansteckungsverdächtigen im Sinne des § 30 Abs. 1 S. 2 IfSG. Ansteckungsverdächtiger ist nach § 2 Nr. 7 IfSG eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein.

Die Aufnahme von Krankheitserregern ist anzunehmen, wenn der Betroffene mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Kontakt mit einer infizierten Person oder einem infizierten Gegenstand hatte. Ob ein Ansteckungsverdacht zu bejahen ist, beurteilt sich unter Berücksichtigung der Eigenheiten der jeweiligen Krankheit und der verfügbaren epidemiologischen Erkenntnisse und Wertungen sowie anhand der Erkenntnisse über Zeitpunkt, Art und Umfang der möglichen Exposition der betreffenden Person und über deren Empfänglichkeit für die Krankheit.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 -, juris, Rn. 31 ff.

Bei einer Affenpocken-Infektion werden dem Robert Koch-Institut (im folgenden RKI) zufolge, der nationalen Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen (§ 4 Abs. 1 S. 1 IfSG), unter anderem Personen, die im infektiösen Zeitraum ungeschützten direkten Kontakt oder indirekten Hochrisiko-Kontakt mit einem bestätigten Affenpocken-Fall hatten, als „Kontaktperson“ bezeichnet. Ungeschützter direkter Kontakt oder indirekter Hochrisiko-Kontakt wird beschrieben als direkte Exposition nicht-intakter Haut oder von Schleimhäuten gegenüber einem symptomatischen bestätigten Affenpocken-Fall, dessen Körperflüssigkeiten oder möglicherweise infektiösem Material (inklusive Kleidung, Bettzeug). Dies schließt Mitbewohner (dauerhaft oder zeitweise) von Personen mit einer Affenpocken-Diagnose ein, die während der infektiösen Phase des Patienten mindestens eine Nacht in der Wohnung verbracht haben. Sie werden vom RKI als Kontaktpersonen der Expositionskategorie 3 eingestuft.

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/A/Affenpocken/Kontaktpersonen_PDF.pdf?__blob=publicationFile; abgerufen am 9. August 2022.

Mit Affenpocken infizierte Personen sind vermutlich infektiös ab Beginn der Prodromalphase, also der Vorphase der Krankheit, oder dem ersten Auftreten von Haut- oder Schleimhautläsionen, je nachdem, was früher eintritt. Typische (aber nicht obligate) Symptome in der Prodromalphase sind Fieber, Kopf-, Muskel-, Rückenschmerzen, geschwollene Lymphknoten. Erkrankte gelten als infektiös, bis Schorf und Krusten abheilen/abfallen und keine neuen Läsionen auftreten, jedoch mindestens für 21 Tage.

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/A/Affenpocken/Kontaktpersonen_PDF.pdf?__blob=publicationFile; abgerufen am 9. August 2022.

Der Antragsteller ist danach als Kontaktperson der Expositionskategorie 3 einzuordnen. Er bewohnt mit seinem mit Affenpocken infizierten Ehemann die gemeinsame Wohnung. Bei diesem handelt es sich um einen symptomatischen bestätigten Affenpocken-Fall. Bereits am späten Abend des 24. Juli 2022 hatte der Ehemann des Antragstellers aufkommendes Fieber und eine körperliche Abgeschlagenheit festgestellt. Fieber ist ein Symptom in der Prodromalphase der Affenpocken. Aufgrund des vorgenommenen PCR-Tests steht seit dem 26. Juli 2022 fest, dass sich der Ehegatte des Antragstellers mit Affenpocken infiziert hat. Der Antragsteller hat die gemeinsame Wohnung nicht verlassen, so dass eine direkte Exposition gegenüber seinem Ehemann, dessen Körperflüssigkeiten oder möglicherweise infektiösem Material während der infektiösen Phase des Patienten anzunehmen ist. Dass der Ehegatte des Antragstellers noch in der Nacht des 24. Juli 2022 das eheliche Schlafzimmer verlassen und sich in Isolation im Gästezimmer begeben hatte, schließt eine direkte Exposition nicht aus. Ausdrücklich stellt das RKI nur auf eine gemeinsam in der Wohnung verbrachte Nacht ab, nicht jedoch auf ein- und denselben Raum. Zumindest am späten Abend des 24. Juli 2022, als der Ehemann des Antragstellers die ersten Symptome bei sich festgestellt hatte und dementsprechend möglicherweise schon infektiös war, kann der Antragsteller Kontakt mit kontaminierten Körperflüssigkeiten und/oder infektiösen Tröpfchen gehabt haben. Sein Ehemann hat erst in der Nacht des 24. Juli 2022 das gemeinsame Schlafzimmer verlassen. Zudem ist der Antragsteller möglicherweise bereits vor der freiwilligen Isolierung in der gemeinsamen Wohnung infektiösem Material ausgesetzt gewesen, wozu ausdrücklich Bettzeug gehört, aber auch Kleidung, Handtücher oder Gegenstände wie Essgeschirr.

https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Affenpocken/affenpocken_gesamt.html;jsessionid=F2D63C79C90D2F9E6DFE5BC3CBD771C8.internet052?nn=16732866; abgerufen am 9. August 2022.

Zutreffend weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass der Antragsteller selbst, ebenso wie die behandelnde Ärztin in der Tropenmedizinischen Ambulanz der Universitätsklinik X. , offensichtlich angenommen hat, einem Ansteckungsrisiko ausgesetzt gewesen zu sein, denn sonst zählte der Antragsteller nicht zu den Personengruppen, für die eine Impfung empfohlen und verabreicht wird. Zu diesen gehören symptomlose Personen nach engem körperlichen Kontakt über nicht intakte Haut oder über Schleimhäute mit einer an Affenpocken erkrankten Person (z.B. sexuelle Kontakte) und bei längerem ungeschützten Face-to-face-Kontakt mit Abstand weniger als 1 Meter (z.B. Haushaltskontakte).

https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Materialien/Downloads-Affenpocken/Aufklaerungsbogen-de.pdf?__blob=publicationFile; abgerufen am 9. August 2022.

Da der Antragsteller nach alledem als Ansteckungsverdächtiger nach § 2 Nr. 7 IfSG einzustufen ist, kommt es auf seinen Einwand, er habe derzeit keine Krankheitssymptome, nicht an.

Hinsichtlich der Anordnung einer Absonderung gemäß §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 30 Abs. 1 S. 2 IfSG ist der Antragsgegnerin Ermessen eingeräumt. Das behördliche Ermessen wird dadurch beschränkt, dass es sich um „notwendige Schutzmaßnahmen“ handeln muss, nämlich Maßnahmen, die zur Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung der Krankheit geboten sind. Darüber hinaus sind dem Ermessen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 -, juris Rn. 24.

Die Antragsgegnerin ist bei ihrer Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass die häusliche Absonderung geeignet ist, die Verbreitung der übertragbaren Krankheit zu verhindern und zudem das für die betreffende Person mildeste Mittel darstellt, sodass die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin hinsichtlich der Art und Weise der Unterbringung nicht zu beanstanden sein dürfte.

Gleiches dürfte auch für die 21-tägige Dauer der angeordneten häuslichen Absonderung gelten. Es ist aller Voraussicht nach insbesondere ermessensfehlerfrei, wenn die Antragsgegnerin von einer Verkürzung der regelmäßigen Absonderungsdauer aufgrund der Impfung des Antragstellers gegen Affenpocken am 27. Juli 2022 abgesehen hat. Die unzureichende Datenlage zur Wirksamkeit der Impfung gegen Affenpocken einerseits und die bestehende Gefährdung für die Gesundheit vulnerabler Bevölkerungsgruppen bei einer Verbreitung der Affenpocken andererseits dürfte die Ausschöpfung der regelmäßig vorgesehenen Quarantänedauer von 21 Tagen rechtfertigen.

Die Dauer der angeordneten Quarantäne entspricht den Empfehlungen des RKI für das Management von Kontaktpersonen zu einer an Affenpocken erkrankten Person. Für Kontaktpersonen der Expositionskategorie 3 mit ungeschütztem direkten Kontakt oder indirektem Hochrisiko-Kontakt geht das RKI von einem hohen Infektionsrisiko aus. Diese Kontaktpersonen sollen bis 21 Tage nach letztem Kontakt in häuslicher Umgebung abgesondert werden.

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/A/Affenpocken/Kontaktpersonen_PDF.pdf?__blob=publicationFile; abgerufen am 9. August 2022.

Der letzte Kontakt des Antragstellers mit seinem Ehemann war am 24. Juli 2022. Die angeordnete Quarantäne endet am 14. August 2022 und beträgt mithin 21 Tage.

Ein Einfluss der postexpositionellen Impfung auf die Quarantänezeit ist den Empfehlungen des RKI nicht zu entnehmen. Zwar wird basierend auf Erkenntnissen aus der Pockenimpfära angenommen, dass bis zu vier Tage nach Exposition durch die Impfung eine Infektion wahrscheinlich verhindert werden kann. Ferner ist davon auszugehen, dass ein guter Basisschutz gegenüber Affenpocken bereits ab 14 Tagen nach Verabreichung der ersten Impfstoffdosis besteht.

https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Affenpocken/FAQ-Liste_Affenpocken_Impfung.html;jsessionid=5504A9CC82EE26B559AA30DA86B7C024.internet102?nn=16732866; abgerufen am 9. August 2022.

Auch empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) Personen nach Affenpockenexposition eine postexpositionelle Prophylaxe mit dem Impfstoff Imvanex/Jynneos, mit dem der Antragsteller geimpft wurde.

Jedoch kann bei einer Impfung bis zu vier Tage nach Exposition – wie es hier der Fall war – eine Infektion nur „wahrscheinlich“ verhindert werden.

https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Affenpocken/FAQ-Liste_Affenpocken_Impfung.html;jsessionid=488070E94AAE3CDD8D8F7CAD1629C0DF.internet111?nn=2375548; abgerufen am 9. August 2022.

Zudem beruht die Vermutung, mithilfe der Impfung könne eine Infektion mit Affenpocken wahrscheinlich verhindert werden, allein auf Erkenntnissen aus der Pockenimpfära. Soweit aus Untersuchungen in Afrika, wo das Affenpockenvirus endemisch vorkommt, bekannt ist, dass herkömmlicher Pockenimpfstoff zum Schutz vor Affenpocken eine Wirksamkeit von mindestens 85 % gegenüber einer Affenpockeninfektion hat,

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https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Materialien/Downloads-Affenpocken/Aufklaerungsbogen-de.pdf?__blob=publicationFile; abgerufen am 9. August 2022,

lassen sich diese Erkenntnisse nicht ohne weiteres auf die Impfstoffe Imvanex/Jynneos übertragen. Denn dieser Impfstoff ist kein herkömmlicher Pockenimpfstoff, sondern ein sogenannter MVA-Impfstoff, der auf einem abgeschwächten Virus, dem modifizierten Vaccinia-Virus Ankara beruht.

https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Materialien/Downloads-Affenpocken/Aufklaerungsbogen-de.pdf?__blob=publicationFile; abgerufen am 9. August 2022.

Bezüglich der Wirksamkeit dieses Impfstoffs gegen Affenpocken liegen keine öffentlichen Daten vor. Die Schutzwirkung von Imvanex/Jynneos gegen Pocken- und Affenpocken-Infektionen und Erkrankungen wurde nicht untersucht. Es ist möglich, dass nicht bei allen Impflingen eine vollständige protektive Immunantwort hervorgerufen wird.

https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/arzneimittel/fachinformation-jynneos-imvanex.pdf?__blob=publicationFile&v=9; abgerufen am 9. August 2022.

Darüber hinaus handelt es sich bei Imvanex/Jynneos um Impfstoffe, die ursprünglich zur Anwendung gegen die klassischen Pocken entwickelt wurden. Imvanex wurde dazu im Jahr 2013 in der Europäischen Union für Personen ab 18 Jahren zugelassen. Zur Anwendung gegen Affenpocken ist der Impfstoff in der Europäischen Union im Gegensatz zu den USA hingegen derzeit noch nicht zugelassen.

https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Materialien/Downloads-Affenpocken/Aufklaerungsbogen-de.pdf?__blob=publicationFile; abgerufen am 9. August 2022.

Auf der Grundlage der aktuell vorhandenen Erkenntnisse liegt eine Infektion des Antragstellers mit Affenpocken trotz seiner Impfung danach weiterhin im Bereich des Möglichen und kann erst nach Ablauf der maximalen Inkubationszeit von 21 Tagen sicher ausgeschlossen werden.

Gleichzeitig liegt ein Ausbruchsgeschehen von Affenpocken vor, das seit Mai 2022 viele Länder weltweit, insbesondere Europa, betrifft. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat den internationalen Affenpocken-Ausbruch am 23. Juli 2022 zur „Gesundheitlichen Notlage mit internationaler Tragweite“ (Public Health Emergency of International Concern, PHEIC) erklärt und Empfehlungen zur Eindämmung und Kontrolle des Ausbruchsgeschehens ausgesprochen.

https://www.who.int/news/item/23-07-2022-second-meeting-of-the-international-health-regulations-(2005)-(ihr)-emergency-committee-regarding-the-multi-country-outbreak-of-monkeypox.

Mit Stand 9. August 2022 gibt es in Deutschland 2982 bestätigte Fälle von Affenpocken.

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/A/Affenpocken/Ausbruch-2022-Situation-Deutschland.html.

Das Besondere an den seit Mai 2022 in verschiedenen Ländern außerhalb Afrikas, darunter auch in Deutschland, registrierten Fällen von Affenpocken ist, dass die Betroffenen zuvor nicht – wie sonst bei Erkrankungsfällen in der Vergangenheit – in afrikanische Länder gereist waren, in denen das Virus endemisch ist, und dass viele Übertragungen offenbar im Rahmen von sexuellen Aktivitäten erfolgt sind.

https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Affenpocken/affenpocken_gesamt.html;jsessionid=F2D63C79C90D2F9E6DFE5BC3CBD771C8.internet052?nn=16732866; abgerufen am 9. August 2022.

Eine Gefährdung für die Gesundheit der breiten Bevölkerung in Deutschland schätzt das RKI nach derzeitigen Erkenntnissen als gering ein. Dennoch soll eine weitere Verbreitung der Affenpocken nach den Empfehlungen des RKI jetzt so gut wie möglich verhindert werden – einerseits, um Krankheitsfälle und gegebenenfalls auch schwere Verläufe in der aktuellen Situation zu vermeiden, andererseits, um zu verhindern, dass sich Affenpocken als Infektionskrankheit in Deutschland etablieren. Sollte dies passieren, wäre mittelfristig auch mit Fällen in besonders gefährdeten Gruppen zu rechnen. Außerdem besteht immer ein gewisses Risiko, dass sich das Virus verändert und möglicherweise auch krankmachender werden könnte.

https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Affenpocken/affenpocken_gesamt.html;jsessionid=F2D63C79C90D2F9E6DFE5BC3CBD771C8.internet052?nn=16732866; abgerufen am 9. August 2022.

Im Gegensatz zu den seit 1980 ausgerotteten Menschenpocken verlaufen Affenpocken in der Regel zwar deutlich milder. Bei einigen Betroffenen können jedoch schwere Verläufe auftreten. Insbesondere Neugeborene, Kinder, Schwangere, alte Menschen und Menschen mit zugrunde liegenden Immunschwächen können schwer an den Affenpocken erkranken. Gesundheitspersonal ist aufgrund der längeren Virusexposition ebenfalls einem höheren Risiko ausgesetzt. Bei einigen Personen können Affenpocken zu medizinischen Komplikationen und sogar zum Tod führen. Zu den Komplikationen schwerer Fälle von Affenpocken gehören Hautinfektionen, Lungenentzündung, Verwirrtheit und Augeninfektionen, die zu Sehverlust führen können.

https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Affenpocken/affenpocken_gesamt.html;jsessionid=F2D63C79C90D2F9E6DFE5BC3CBD771C8.internet052?nn=16732866; abgerufen am 9. August 2022.

Vor diesem Hintergrund dürfte die Anordnung einer 21-tägigen Quarantäne des Antragstellers trotz seiner Impfung zur gebotenen Verhinderung der Verbreitung der Affenpocken erforderlich sein.

Aber selbst wenn man den Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache als offen ansehen wollte, führt eine allgemeine Interessenabwägung zu einem klaren Überwiegen des öffentlichen Interesses an dem Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung und der Sicherung des Gesundheitssystems gegenüber dem kurzfristigen Eingriff in das Grundrecht des Antragstellers auf Freiheit seiner Person gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 2 Grundgesetz. Würde der Vollzug der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung vom 27. Juli 2022 wie beantragt jedenfalls ab dem 10. August 2022 ausgesetzt und erwiese sich diese später als rechtmäßig, so könnten aufgrund der möglichen schweren Verläufe bis hin zu Todesfällen bei einer Infektion mit dem Affenpockenvirus erhebliche und möglicherweise irreversible Gesundheitsschäden jedenfalls bei den vulnerablen Bevölkerungsgruppen eintreten. Erwiese sich die Ordnungsverfügung in der Hauptsache hingegen als rechtswidrig, wäre die Freiheit des Antragstellers zwar kurzfristig eingeschränkt. Der Schutz der menschlichen Gesundheit wäre aber jedenfalls im vorläufigen Rechtsschutz als höherrangig einzustufen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Die Kammer sieht von einer Reduzierung des Streitwertes auf die Hälfte des in der Hauptsache maßgeblichen Streitwertes entsprechend Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2013, Beilage 2/2013,57 ff., ab, da die angeordnete häusliche Absonderung am 14. August 2022 endet und der Antrag somit inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache zielt.

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