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Quotenvorrecht des Versicherungsnehmers: nur unmittelbarer Sachschaden kein Sachfolgeschaden

Oberlandesgericht Celle
Az.: 14 U 36/06
Urteil vom 08.08.2006
Vorinstanz: Landgericht Hannover – Az.: 11 O 315/05


In dem Rechtsstreit hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2006 für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 25. Januar 2006 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und neu gefasst wie folgt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Vollkasko
versicherung des Klägers, die …Versicherung, …, SchadensNr.: …, 2.617,70 EUR zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner weiter verurteilt, an den Kläger 793,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2005 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 35 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 65 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 5.304,59 EUR.

G r ü n d e (abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 Abs. 1 Satz 2 ZPO):

Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Schadensersatz in dem durch den Tenor zuerkannten Umfang aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG, 3 PflVG; entsprechend war das angefochtene Urteil des Land
gerichts abzuändern.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil (Bl. 73 d. A.).

1. Die Klage ist zulässig.

a) Insbesondere fehlt es nicht an einer Prozessführungsbefugnis des Klägers für den Antrag zu 1, mit dem die Verurteilung der Beklagten begehrt wird, an die Vollkaskoversicherung des Klägers zu zahlen. Der Kläger kann hier ein fremdes Recht, nämlich das der Vollkaskoversicherung, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung im Prozesswege verfolgen, weil er hieran ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat. Mit Schreiben vom 24. März 2005 (Bl. 10 d. A.) hat die Vollkaskoversicherung des Klägers diesem angeboten, den Schaden „zurückzukaufen“, um dadurch eine Aufhebung der Rückstufung in der Schadensfreiheitsrabattklasse zu erreichen. Dazu müsste der geforderte Betrag auf das Konto der Vollkaskoversicherung gezahlt werden. Dies kann nur dahin verstanden werden, dass die Versicherung sich damit einverstanden erklärt hat, dass der Kläger auf eigene Rechnung im eigenen Namen versucht, eine Ausgleichszahlung auf das Konto der Versicherung zu erreichen.

b) Darüber hinaus ist auch das für eine zulässige „gewillkürte Prozessstandschaft“ geforderte rechtliche Eigeninteresse des Klägers an der Durchsetzung des fremden Rechts zu bejahen. Aufgrund der unfallbedingten Rückstufung hat der Kläger bei Fortbestand der gegebenen Lage künftig mit erheblichem Beitragsmehraufwand zu rechnen (vgl. dazu die Bescheinigung der Vollkaskoversicherung des Klägers vom 3. Mai 2006, Bl. 118 d. A.). Im Hinblick auf die künftige Fortdauer und Ausgestaltung seines Versicherungsvertrages ist dem Kläger jedoch zu Recht daran gelegen, seinen Vertrag nach Möglichkeit „schadensfrei“ zu halten. Es kann auch die eigene Rechtslage des Klägers als Versicherungsnehmer im Rahmen des Versicherungsverhältnisses durch die angestrebte gerichtliche Entscheidung für die Zukunft maßgeblich beeinflusst werden. Das reicht zur Bejahung des Eigeninteresses an der gewillkürten Prozessstandschaft aus (ebenso OLG Köln, NJWRR 1994, 27).

2. Die Klage und damit die Berufung ist überwiegend begründet.

a) Im Gegensatz zur Ansicht des Landgerichts kann sich der Kläger auf das Vorfahrtsrecht gemäß § 8 Abs. 1 StVO berufen. Zum einen war für den (Messe) Parkplatz, auf dem es zu dem Unfall zwischen dem Pkw des Klägers und der Beklagten gekommen ist, ausdrücklich die Geltung der StVO angeordnet (vgl. die
unstreitig – für den Parkplatz geltenden Anordnungen auf den Hinweisschildern, Lichtbilder Bl. 6 d. A.). Zum anderen trifft die – nicht näher begründete – Ansicht des Landgerichts, die Vorfahrtsregelung gem. § 8 Abs. 1 StVO finde auf öffentlichen Parkplätzen wie hier keine Anwendung, nicht zu. Diese Meinung lässt sich insbesondere nicht mit der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung des BGH begründen. Danach soll der Verkehr auf dem Gelände eines städtischen Großmarktes nur dann nicht öffentlich sein, wenn tatsächlich nur konkret (durch Ausweis der Verwaltung) bestimmte Benutzer Zutritt haben. Der Grundsatz „rechts vor links“ soll auf einem solchen Gelände – also einem nichtöffentlichen Parkplatz – zudem nur dann keine Geltung haben, wenn dort Schrittgeschwindigkeit und allgemeine Rücksichtnahme ausdrücklich vorgeschrieben worden sind, weil darin eine den besonderen Erfordernissen des Marktes angepasste geschlossene Regelung liege (vgl. BGH NJW 1963, 152).

Im vorliegenden Fall war der Parkplatz jedoch öffentlich und nicht nur für einen bestimmten ausgewiesenen Personenkreis zugänglich. Darüber hinaus wurde hier nicht eine gesonderte „geschlossene“ Verkehrsregelung angeordnet, sondern ausdrücklich auf die zumindest sinngemäße Geltung der StVO verwiesen. Dann aber muss es bei dem allgemeinen Grundsatz „rechts vor links“ im Sinne von § 8 StVO verbleiben. Daran ändert auch die Breite der jeweils benutzten Straße nichts. Die Regelung, dass an Kreuzungen und Einmündungen die Vorfahrt der
jenige hat, der von rechts kommt, wird nicht dadurch eingeschränkt, weil die von rechts einmündende oder kreuzende Straße schmaler ist (hier: 2,50 m gegenüber 4,20 m Breite).

b) Unter diesem Blickwinkel trifft die Beklagte zu 2 das weit überwiegende Verschulden an dem Verkehrsunfall. Sie näherte sich einer Kreuzung – der späteren Kollisionsstelle – auf einer Straße, in die von rechts eine andere Straße einmündete, auf der sich das Fahrzeug des Klägers befand. Die – unstreitigen (LGU 2, 2. Abs. a. E.) – Anstoßpunkte der beteiligten Pkw zeigen, dass die Beklagte zu 2 im Bereich der linken Seite (Fahrertür) in den Pkw des Klägers hineingefahren ist, so dass die Ehefrau des Klägers – die Fahrerin des KlägerPkw –
zunächst nicht mehr hat aussteigen können (vgl. dazu auch die Skizze und den Vermerk auf Bl. 4 der Beiakte Landeshauptstadt Hannover 588.29.035490.8).

c) Demgegenüber ist ein Verstoß gegen die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung und hier insbesondere das allgemeine Gebot der Rücksichtnahme gemäß § 1 Abs. 2 StVO auf Seiten des Klägers nicht festzustellen. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass der Pkw des Klägers sich nicht mit überhöhter Geschwindigkeit der Kreuzung genähert hat (LGU 4). Diese Würdigung wird vor allem getragen von den Wahrnehmungen des „objektiven“ Zeugen S. (vgl. Bl. 53 d. A. sowie Bl. 34 der Beiakte). Danach näherten sich beide beteiligten Fahrzeuge mit einer „für einen Parkplatz angemessenen Geschwindigkeit von ca. 20 bis 30 km/h“ der Kreuzung. Die Beklagte zu 2 hätte unter diesen Umständen dem Gebot, Vorfahrt zu gewähren, entsprechen und vor der Kreuzung anhalten müssen, um das bevorrechtigte Fahrzeug des Klägers passieren zu lassen. Das hat sie nicht getan.

3. Nach Abwägung der beiderseitigen Verursachungs und Verschuldensbeiträge gemäß § 17 Abs. 1 StVG hält der Senat eine Haftungsquote von 80 : 20 zum Nachteil der Beklagten für angemessen. Der Kläger muss sich die Betriebsgefahr seines Pkw anrechnen lassen. Die Unfallumstände rechtfertigen nicht eine derart überwiegende Haftung der Beklagten, dass demgegenüber eine Haftung für die Betriebsgefahr des KlägerPkw zurückzutreten hätte. Der Unfall war für die Ehefrau des Klägers nicht im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG unabwendbar. Sie hätte den Unfall – unabhängig von ihrem Vorfahrtsrecht – bei den gefahrenen Geschwindigkeiten aller Voraussicht nach gefahrlos schon durch eine Bremsung verhindern können. Jedenfalls hat der Kläger den ihm obliegenden Nachweis einer Unabwendbarkeit nicht geführt.

4. Der dem Kläger zustehende Schadensersatzanspruch ist wie folgt abzurechnen:

a) Von der Vollkaskoversicherung des Klägers erfasster unmittelbarer Sachschaden:
9.370,31 EUR Reparaturkosten
zzgl. 750,00 EUR Wertminderung
= 10.120,31 EUR Gesamtsachschaden.

Hiervon abzuziehen ist der von der Vollkaskoversicherung des Klägers gezahlte Betrag in Höhe von 4.511,39 EUR (Bl. 9 d. A.). Somit verbleibt dem Kläger ein Schadensrest in Höhe von 5.608,92 EUR. Auf die Kaskoversicherung des Klägers übergegangen sind 2.487,33 EUR.

Der Kläger hat gegen die Beklagten Anspruch auf Ersatz von 80 % des Gesamtschadens von 10.120,31 EUR, d. h. 8.096,25 EUR. Von diesem Teilbetrag aus dem Gesamtanspruch müssen dem Kläger aufgrund seines Quotenvorrechts die genannten 5.608,92 EUR verbleiben. Denn nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. schon MDR 1958, 329 und vor allem BGHZ 82, 338 = NJW 1982, 827) bezieht sich das Quotenvorrecht nur auf den unmittelbaren Sachschaden und nicht die Sachfolgeschäden, so dass nur hinsichtlich dieses eigentlichen Sachschadens ein gesetzlicher Forderungsübergang in Betracht kommt. In diesem Rahmen kommt es allerdings nicht entscheidend darauf an, welche Schäden der Versicherer nach dem Versicherungsvertrag und den diesen ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung tatsächlich erstattet hat oder zu erstatten verpflichtet ist. Maßgeblich ist nur, ob der in Betracht kommende Schaden unmittelbar die Substanz des betroffenen Fahrzeugs berührt, dessen Wert mindert, oder in der Notwendigkeit besteht, Geldmittel zur Beseitigung der Beschädigung im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB aufzuwenden. In diesem Sinne stellt der durch den Unfall ver
ursachte und auch trotz völliger Beseitigung aller technischen und ästhetischen Schäden nicht zu vermeidende sog. „merkantile Minderwert“ einen unmittelbaren Schaden an der von der Kaskoversicherung erfassten Substanz des versicherten Objekts dar, weil der „Unfallwagen“ durch den Unfall eine nicht mehr zu beseitigende Eigenschaft erlangt hat, die die Wertbemessung dauernd negativ beeinflusst und somit einen objektivierbaren Schaden darstellt, auch wenn dieser evtl. erst später im Rahmen einer Verwertung spürbar wird (vgl. BGH a. a. O.).

Dementsprechend war hier die Wertminderung von 750 EUR neben den Reparaturkosten in den von der Vollkaskoversicherung des Klägers erfassten Gesamtschaden mit aufzunehmen.

b) Der Kläger hat darüber hinaus auch Anspruch auf anteiligen Ersatz der Sachfolgeschäden:

Darunter fallen Mitwagenkosten in Höhe von 191,96 EUR,
die allgemeine Kostenpauschale in Höhe von 25,00 EUR,
insgesamt also Sachfolgeschäden in Höhe von 216,96 EUR.

Hiervon haben die Beklagten dem Kläger aufgrund der vorgenannten Haftungsquote 80 % zu erstatten, das sind 173,57 EUR.

Die Sachverständigenkosten in Höhe von 619,44 EUR sind bei dieser Kalkulation außer Betracht geblieben, weil sie ausweislich der Schadensaufstellung der Beklagten zu 1 vom 1. Februar 2005, die der Kläger selbst vorgelegt hat, abgetreten worden sind (Bl. 7 d. A.). Dem Kläger steht also insoweit kein Recht zu, diese
Position von den Beklagten einzufordern.

c) Der Kläger hat danach zunächst einen Gesamtanspruch in Höhe von
5.608,92 EUR
zzgl. 173,57 EUR,
zusammen also in Höhe von 5.782,49 EUR.

Hierauf hat die Beklagte zu 1 gezahlt: 4.858,92 EUR (Bl. 7 d. A.).

Für den Kläger verbleiben danach 923,57 EUR.

d) Der Kläger könnte demnach – rechnerisch – eine Zahlung von 2.487,33 EUR an seine Vollkaskoversicherung und darüber hinaus weiterer 923,57 EUR an sich verlangen, insgesamt also von 3.410,90 EUR. Mit dem Antrag zu 2 begehrt er allerdings nur eine Zahlung in Höhe von 793,20 EUR an sich (Bl. 98 d. A.). Damit war diesem Antrag insgesamt stattzugeben.

Die von dem Gesamtbetrag von 3.410,90 EUR noch verbleibenden 2.617,70 EUR haben die Beklagten als Gesamtschuldner an die Vollkaskoversicherung des Klägers im Rahmen des Schadensausgleiches zu erstatten (Antrag zu 1).

Zur abschließenden Verdeutlichung und „Kontrolle“: Der vom Kläger geltend gemachte Gesamtschaden beträgt 10.956,71 EUR (Bl. 7 d. A.). Abzüglich der darin enthaltenen, hier jedoch nicht anzusetzenden Sachverständigenkosten von 619,44 EUR ergibt sich ein ersatzfähiger Schaden von 10.377,27 EUR. Hiervon sind nach der o. a. Haftungsquote 80 % zu erstatten, d. h. 8.269,82 EUR (davon 8.096,25 EUR auf die Sachschäden und 173,57 EUR auf die Sachfolgeschäden). Die Beklagte zu 1 hat bereits 4.858,92 EUR gezahlt. Es verbleiben 3.410,90 EUR.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

 

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