Eine Frau, die im Herbst ein paar Nüsse vom Feld sammelte, hat ein Jahr lang Staatsanwalt, Richter und Zeugen beschäftigt.
Amtsgericht Breisach:
Ein Strafverfahren, das vor dem Amtsgericht in Breisach stattfand, hat die ganze südbadische Justiz lächerlich gemacht. Es hat Anwälte, Richter und Zeugen fast ein Jahr lang beschäftigt, insgesamt rund 2.000 Mark Prozesskosten verschlungen und das alles für einen Streitwert von etwa 0,50 DM. So viel sind die ca. 200 Gramm Walnüsse wert, um die es hier geht.
Die Tat:
Auf einem Spaziergang im Breisgau an einem Oktobernachmittag in 1999 sah eine westfälische Urlauberin am Rand eines Feldes vom Baum gefallene Walnüsse liegen. Während sie die Nüsse in eine mitgebrachte Butterbrottüte sammelte, kam eine Polizeistreife vorbei. Die Ordnungshüter fühlten sich zur Pflicht gerufen, wiesen die Urlauberin darauf hin, dass sie da etwas Unerlaubtes tue und kündigten ihr eine Strafanzeige nach §§ 242, 248a StGB wegen Diebstahls geringwertiger Sachen an. Die Nüsse schütteten die Beamten unter dem Baum wieder aus.
Das Gerichtsverfahren:
Die Beamten verteidigten ihr Verhalten vor Gericht mit dem Argument, dass sie aufgrund einer dienstlichen Leitlinie, (Vorgänge in Wald und Flur, die wie Diebstähle aussehen, müssen hiernach verfolgt werden) verpflichtet seien einzuschreiten.
Es kam dann tatsächlich zu einer Strafanzeige. Die Staatsanwaltschaft Freiburg, bei der der Fall landete, bot der Urlauberin an, das Verfahren gegen eine Geldbuße von 50 DM einzustellen. Das lehnte die Urlauberin jedoch ab (sowohl die Schwarzwälder Touristikämter und die Bürgermeister der umliegenden Orte bestätigten ihr, dass es in der Region kein „Sammelverbot für Nüsse“ gebe).
Von diesem Zeitpunkt an wurde der Fall noch absurder. Die Staatsanwaltschaft beantragte beim Amtsgericht Breisach einen Strafbefehl, die Höhe der Strafe legte sie auf 400 DM fest. Die Touristin legte Einspruch gegen den Strafbefehl ein. Weil es um einen so geringen Streitwert ging, versuchte der Amtsrichter nochmals, die Angeklagte zu überreden, das Angebot zur Einstellung des Verfahrens gegen die Geldbuße anzunehmen, doch die Westfälin wollte die Sache bis zum Ende ausfechten.
Das Urteil:
Der Prozess vor dem Breisacher Amtsgericht endete mit einem Freispruch (60 „kichernde“ Zuschauer hatten ihre wahre Freude an diesem „Akt“). Die Staatsanwaltschaft Freiburg, die den Fall bis zuletzt mit einiger Akribie verfolgt hatte, hatte den Freispruch sogar selbst beantragt.
Der Grund dafür ist, dass am Vortag des Prozesses endlich der Eigentümer des Nussbaumes auftauchte. Nach diesem hatte bisher keiner gesucht. Angeblich waren die Felder zu schwer voneinander abzugrenzen. Der Landwirt und wichtigste Zeuge hat nun ausgesagt, dass er normalerweise die Nüsse privat für 2,50 DM das Kilo verkauft. Nach der Ernte, die „zur Tatzeit“ im Oktober schon vorbei war, lasse er die übrigen Nüsse die vom Baum fielen, aber liegen. „Solche Nüsse hätte die Urlauberin damals eingesammelt. Einen Grund für ein Verfahren wegen Diebstahls sehe er nicht!“.
Es stellt sich hier die Frage, ob so mancher in unserer Republik mittlerweile eine „Daseinsberechtigung“ braucht?!
Ein vermeintliches Urteil hätte übrigens einer Überprüfung in der nächsten Instanz niemals standgehalten!
Aber auch in Italien wird „so gearbeitet“.
Um ganze acht Pfennige rankt sich gegenwärtig ein aufwendiges juristisches Verfahren in Italien (Rom).
Ein Rentner hatte 1998 in einer römischen Bäckerei für 3600 Lire (ca. 3,60 Mark) „Pizza-Kekse“ gekauft. Vor dem Geschäft baten Steuerkontrolleure den 76-Jährigen, die Kekse in ihrem Beisein nochmals wiegen zu lassen. Statt 180 Gramm zeigte die Waage lediglich 176 Gramm an. Der Rentner hätte nicht 3600 sondern nur 3520 Lire bezahlen müssen. Der Verkäuferin wird deshalb Betrug um 80 Lire (oder acht Pfennige) vorgeworfen. Seit rund 900 Tagen wird nun wegen der 180 Gramm rustikaler Pizza-Kekse ermittelt, die Verfahrenskosten belaufen sich mittlerweile auf mehrere zehntausend Mark.
C. Kotz
(Ref. iur., Doktorand der Rechtswissenschaften)