Kammergericht Berlin
Az: 12 U 216/09
Beschluss vom 20.09.2010
In dem Rechtsstreit hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin beschlossen:
Der Senat erteilt den Parteien folgende Hinweise und schlägt ihnen einen Vergleich vor.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall.
Die Klägerin befuhr am 22. Juni 2007 um 14: 30 Uhr mit ihrem Fahrrad die Pestalozzistraße in 10627 Berlin in Richtung Krumme Straße. In Höhe der Hausnummer 84 wartete in Fahrtrichtung der Klägerin der von der Beklagten zu 2) gehaltene und bei der Beklagten zu 3) gegen Haftpflicht versicherte Pkw Ford Escort. Auf der rechten Fahrbahnseite standen in schräg nach vorn gerichteten Parkhäfen Fahrzeuge. Als die Klägerin mit ihrem Fahrrad rechts an dem Beklagtenfahrzeug vorbeifuhr, öffnete der Beklagte zu 1) die Beifahrertür weit und zügig, woraufhin die Klägerin zu Fall kam und sich verletzte.
Die Klägerin hat behauptet, zwischen dem Beklagtenfahrzeug und den rechts geparkten Kfz sein eine Lücke von ca. 1,5 m verblieben.
Sie hat gemeint, die Beklagten hafteten zu 100 % für den entstandenen Schaden. Sie verlangt ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von zumindest 7.500,00 EUR, worauf unstreitig schon 2.500,00 EUR gezahlt wurden, Schadensersatz in Höhe von insgesamt 289,70 EUR die Feststellung, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, der Klägerin allen künftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen sowie Ersatz der ihr außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten.
Die Beklagten haben behauptet, zwischen dem Beklagtenfahrzeug und den rechts geparkten Fahrzeugen habe nur ein Abstand von ca. 60 cm bestanden.
Das Landgericht hat nach Anhörung der Klägerin und des Beklagten zu 1), Vernehmung der Zeugen …………..sowie Einholung eines schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachtens der Klage überwiegend stattgegeben. Das Landgericht hat die Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 EUR und weitere 279,70 EUR nebst Zinsen zu zahlen, ferner festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 22. Juni 2007 zu zahlen und schließlich die Beklagten verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 775,65 EUR zu zahlen.
Zur Begründung hat das Landgericht – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klage sei überwiegend begründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagten Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 823 Abs. 1 BGB, 7, 17, 18 StVG, 115 VVG.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei das Gericht davon überzeugt, dass der Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1) 100 % betrage. Gegen ihn spreche der Anscheinsbeweis des § 14 Abs. 1 StVO. Stürze ein Radfahrer im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Öffnen der Tür, so spreche der Anscheinsbeweis für eine Verursachung durch das Tür öffnen. Soweit der Beklagte zu 1) und der Zeuge ……..angegeben hätten, der Beklagte zu 1) habe die Tür gar nicht geöffnet, bevor die Klägerin gestürzt sei, stehe dies in krassem Widerspruch zum bisherigen Vortrag und werde widerlegt durch die Aussage des unfallunbeteiligten Zeugen T####, den das Gericht für glaubhaft halte.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts ebenfalls fest, dass die Klägerin nicht gegen ihre Sorgfaltspflichten nach § 8 Abs. 5 StVO (gemeint ist:
§ 5 Abs. 8 StVO) verstoßen habe. Die Klägerin habe nur bei ausreichendem Platz, mit mäßiger Geschwindigkeit und besonderer Vorsicht rechts überholen dürfen. Die Klägerin habe angegeben, mit etwa 10 km/h gefahren zu sein, was einer mäßigen Geschwindigkeit entspreche. Ihre Angabe werde durch die Aussage des Zeugen …belegt, der ausgesagt habe, dass für ein Fahrrad ausreichend Platz auf der rechten Seite des Fahrzeugs gewesen sei und die Klägerin auch langsam, „wie Frauen halt fahren“, gefahren sei. Die gegenteiligen Angaben des Beklagten zu 1) und des Zeugen K### hätten das Gericht nicht überzeugt.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung, mit der sie eine Haftungsverteilung von 50 % zu 50 % erstreben. Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus:
Als Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Klägerin gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen habe. Dieser Verstoß werde nicht durch § 14 StVO und § 254 BGB mit der Folge einer Alleinhaftung der Beklagtenseite kompensiert.
Die Beklagten greifen die Beweiswürdigung des Landgerichts im Einzelnen an und halten sie teils für nicht überzeugend, teils für nicht hinreichend begründet. Der Aussage des Zeugen …hätte entnommen werden können, dass der Platz rechts neben der Fahrzeugseite denkbar gering gewesen sei. Jedem Radfahrer hätte es sich aufdrängen müssen, dass es gefahrbehaftet sei, eng an diesem Fahrzeug vorbeizufahren.
Unbeachtet habe das Landgericht gelassen, dass das Beklagtenfahrzeug nicht am rechten Fahrbahnrand, sondern links neben geparkten Fahrzeugen gestanden habe. Dort habe nicht unbedingt damit gerechnet werden müssen, dass sich neben dem Fahrzeug noch ein Fahrradfahrer hindurchzwängen würde.
Beim Vorbeifahren an einem Fahrzeug müsse jeder damit rechnen, dass eine Tür geöffnet werde. Es sei ein Seitenabstand von mindestens 1 m einzuhalten.
Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil.
II. Die Berufung hat teilweise Aussicht auf Erfolg.
1. Zu Recht ist das Landgericht von einer Haftung der Beklagten dem Grunde nach gemäß §§ 823, 254 BGB, §§ 7, 17, StVG, § 115 VVG ausgegangen.
a) Das Landgericht hat nämlich festgestellt, dass der Beklagte zu 1) beim Öffnen der Beifahrertür die auf dem Fahrrad rechts an dem Beklagtenfahrzeug vorbeifahrende Klägerin zu Fall gebracht habe. Hieran ist der Senat gebunden.
Denn nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.
Dies ist nicht der Fall, wenn sich das Gericht des ersten Rechtszuges bei der Tatsachenfeststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht, vom Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen (Senat, NJOZ 2008, 782, 784).
§ 286 ZPO fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze sowie an Erfahrungssätze und ausnahmsweise gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. So darf er beispielsweise einer Partei mehr glauben als einem beeideten Zeugen oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung feststellen (Greger in Zöller, ZPO, 28. Auflage, § 286, Rn. 13).
Das Landgericht ist diesen Grundsätzen gerecht geworden. Es hat seine Überzeugung, dass zuerst die Tür geöffnet worden und danach die Klägerin zu Fall gekommen sei, auf die Aussage des Zeugen …, die es für glaubhaft gehalten hat, gestützt. Die Angaben des Beklagten zu 1) und des Zeugen ……… hat es für Schutzbehauptungen gehalten. Diese Beweiswürdigung lässt Fehler nicht erkennen.
Insbesondere hat das Landgericht seine Einschätzung, die Angaben des Beklagten zu 1) und des Zeugen ……..vor Gericht seien Schutzbehauptungen, überzeugend mit dem Widerspruch zum Inhalt der Zeugenaussage des Zeugen……… gegenüber der Polizei begründet. Der Zeuge …..hat dort nämlich angegeben: „Beifahrer wollte aussteigen (…) er öffnete die Tür nur ein bisschen und es hat geknallt.“ (Bl. 25 der Ermittlungsakte). Diese Angabe stützt nicht nur die Annahme, der Beklagte zu 1) und der Zeuge ……hätten die Unwahrzeit gesagt, sondern spricht auch für die Richtigkeit der Behauptung der Klägerin. Ob der Zeuge T#### darüber hinaus wirklich gesehen hat, dass die Autotür die Klägerin berührt habe, kann letztlich offen bleiben. Der Senat tritt der Würdigung des Landgerichts im Ergebnis jedenfalls bei.
b) Der Beklagte zu 1) hat durch das Öffnen der Beifahrertür gegen § 14 Abs. 1 StVO verstoßen. Denn danach muss sich jemand, der ein- oder aussteigt, so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Das ist hier offensichtlich nicht geschehen, weil der Beklagte zu 1) die auf dem Fahrrad vorbeifahrende Klägerin übersehen und die Tür trotzdem geöffnet hat.
2. Nicht gefolgt werden kann dem Landgericht allerdings in der Einschätzung, dass ein Sorgfaltspflichtverstoß der Klägerin nicht festgestellt werden könne. Denn schon aus dem Vorbringen der Klägerin selbst ergibt sich ein solcher Verstoß.
a) Anders als das Landgericht angenommen hat, ist das Verhalten der Klägerin nicht an § 5 Abs. 8 StVO zu messen.
§ 5 Abs. 8 StVO erlaubt Fahrradfahrern als Ausnahme zu § 5 Abs. 1 StVO, wonach links zu überholen ist, unter bestimmten Umständen auf dem rechten Fahrstreifen wartende Fahrzeuge rechts zu überholen. Hier lag jedoch kein Überholen i. S. d. § 5 StVO vor.
„Überholen“ wird definiert als der tatsächliche absichtslose Vorgang des Vorbeifahrens auf demselben Straßenteil an einem anderen Verkehrsteilnehmer, der sich in derselben Richtung bewegt oder verkehrsbedingt (Weisung, Anordnung, Lichtzeichen, Verkehrslage) wartet (Senat, NZV 1998, 376, 377 [KG Berlin 12.02.1998 – 12 U 5603/96]; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage, § 5 StVO, Rn. 16). Das Beklagtenfahrzeug hielt aber nicht verkehrsbedingt, also mit Rücksicht auf die Verkehrslage (vgl. Heß in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Auflage, § 5 StVO, Rn. 2), sondern um Insassen aussteigen zu lassen. Es wurde von der Klägerin daher im Rechtssinne nicht „überholt“ im Sinne des § 5 StVO.
An nicht verkehrsbedingt wartenden Verkehrsteilnehmern wird lediglich vorbeigefahren (König in: Hentschel/König/Dauer, aaO., § 5 StVO, Rn. 18).
b) Die Klägerin hat die für das Vorbeifahren geltenden Sorgfaltspflichten gemäß § 1 Abs. 2 StVO nicht beachtet, weil sie rechts an dem Beklagtenfahrzeug vorbeigefahren ist, obwohl der vorhandene Raum nicht ausreichte, um den erforderlichen Sicherheitsabstand einzuhalten.
aa) Die Klägerin war verpflichtet, bei der Vorbeifahrt an dem Beklagtenfahrzeug einen ausreichenden Sicherheitsabstand einzuhalten.
Das auf der Straße haltende Beklagtenfahrzeug stellte sich für die Klägerin als Hindernis dar. Denn als Hindernis i. S. d. § 6 StVO gelten neben Absperrungen und sonstigen Hindernissen auch haltende Fahrzeuge (König in Hentschel/König/Dauer, aaO., § 6 StVO, Rn. 3). Grundsätzlich muss zwar aufgrund des gemäß § 2 Abs. 2 StVO geltenden Rechtsfahrgebotes an einem Hindernis rechts vorbeigefahren werden, aber nur, wenn dies möglich (vgl. Heinrich, SVR 2006, 441, 442) und wegen des seitlichen Sicherheitsabstandes vertretbar ist (Zieres in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 25. Auflage, Kap. 27, Rn. 200). Letzteres ergibt sich aus § 1 Abs. 2 StVO.
Denn die zu beachtenden Pflichten des Vorbeifahrenden gegenüber dem haltenden Verkehrsteilnehmer folgen aus § 1 StVO (Heß in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, aaO., § 6 StVO, Rn. 1). Gemäß § 1 Abs. 2 StVO hat sich jeder Verkehrsteilnehmer u. a. so zu verhalten, dass kein anderer gefährdet wird. Daher ist gemäß § 1 Abs. 2 StVO bei der Vorbeifahrt an haltenden oder geparkten Fahrzeugen immer der erforderliche Sicherheitsabstand einzuhalten (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 11. Mai 2005 – I-1 U 158/03, Juris-Rn. 62 u. 69).
bb) Anders als das Landgericht angenommen hat, reichte der von der Klägerin eingehaltene Sicherheitsabstand schon nach ihrem eigenen Vorbringen nicht aus.
Der bei dem Vorbeifahren an haltenden Fahrzeugen einzuhaltende ausreichende Sicherheitsabstand beträgt – anders als von den Beklagten mit der Berufung geltend gemacht – zwar nicht stets mindestens 1 m, sondern lediglich im Grundsatz; er hängt im Zweifel von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere den Straßenverhältnissen ab (vgl. Senat, 12 U 480/94, VersR 1997, 73 = VRS 91, 465 ff; Heß in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, aaO., § 6, Rn. 6).
Die Klägerin macht hier geltend, die Lücke zwischen dem nahezu auf der Straßenmitte haltenden Beklagtenfahrzeug und den schräg in den Parkhäfen stehenden Fahrzeugen habe ca. 1,5 m betragen. Ob sich Personen in dem Beklagtenfahrzeug befunden hätten, habe sie nicht erkennen können, weil die Sonne geblendet habe. Das Fahrzeug habe nicht geblinkt.
Aus den geschilderten Umständen ergibt sich, dass die Klägerin mit Insassen im Beklagtenfahrzeug rechnen musste, auch wenn sie in dem mitten auf der Straße haltenden Fahrzeug wegen des blendenden Lichts nicht zu sehen waren. Es ergibt sich ferner, dass die Klägerin nicht wusste, wie sie sich im nächsten Moment verhalten würden. Denn die Klägerin konnte den Grund für das Halten des Kfz nicht erkennen. Es befand sich offenbar in einer Warteposition, weil ein verkehrsbedingter Grund für das Halten nicht zu erkennen war und mit dem Parken mitten auf der Straße ebenfalls nicht gerechnet werden konnte. Auch Anhaltspunkte für eine Fahrzeugpanne ergaben sich für die Klägerin nicht. Sie musste daher sowohl mit einem plötzlichen Fahrmanöver (etwa zum Einparken) als auch mit dem Aussteigen von Personen rechnen. Der nach Behauptung der Klägerin relativ große Abstand zu den rechts geparkten Fahrzeugen legte vor allen Dingen ein bevorstehendes Aussteigen nach rechts nahe, weil der Abstand zu den rechts parkenden Fahrzeugen gerade deshalb so groß gewählt sein konnte, um das Öffnen der Türen zu erleichtern. Diese Unsicherheit über das weitere Verhalten der Fahrzeuginsassen verlangte von der Klägerin eine besonders große Vorsicht bei dem Vorbeifahren an dem Beklagtenfahrzeug und hätte daher einen besonders großen Sicherheitsabstand zu diesem erfordert.
Zwar trifft die unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des OLG Hamm (NZV 2000, 126) vertretene Ansicht des Landgerichts generell zu, dass ein Radfahrer, der an einer Fahrzeugkolonne vorbeifährt, mit einem grob verkehrswidrigen Verstoß gegen § 14 StVO, nämlich dem völlig überraschenden Öffnen der Tür in unmittelbarer Nähe des Fahrrades, nicht rechnen müsse (ähnlich BGH, DAR 1981, 148, 149 bei der Vorbeifahrt an einem parkenden Fahrzeug). In diesen Fällen darf der Fahrradfahrer aber keine Anhaltspunkte dafür haben, dass mit einem Türöffnen zu rechnen ist, weil es sich für ihn sonst nicht um ein überraschendes Türöffnen handelt. Der Fall hier stellt sich anders dar. Die Klägerin fuhr nicht an einer Fahrzeugkolonne vorbei, sondern an einem ohne verkehrsbedingte Notwendigkeit mitten auf der Straße haltenden Kfz. Daher musste sie – wenn nicht mit einem Fahrmanöver nach rechts – jedoch mit dem Aussteigen von Personen nach rechts rechnen und dies bei der Bemessung des Sicherheitsabstands berücksichtigen.
Zudem musste auch ein ausreichender Abstand zu den rechts parkenden Fahrzeugen gehalten werden, weil ein Ausparken nach schräg hinten, also in Richtung auf die links an den parkenden Fahrzeugen vorbeifahrende Klägerin, in Betracht gezogen werden musste.
Die Klägerin hatte daher bei ihrer Vorbeifahrt an dem Beklagtenfahrzeug Gefahren aus zwei Richtungen in Rechnung zu stellen und den Sicherheitsabstand zu beiden Seiten genügend groß zu wählen.
Nimmt man an, dass die Klägerin selbst auf ihrem Fahrrad ca. 0,6 m des Fahrstreifens einnimmt, so verbliebe nach links und rechts jeweils nur eine Sicherheitsabstand von ca. 0,45 m, was keinesfalls einen noch ausreichenden Sicherheitsabstand darstellte (vgl. Senat, 12 U 3780/84, VersR 1986, 1123 [KG Berlin 09.05.1985 – 12 U 3780/84]; 12 U 78/09, VM 1990, 58 Nr. 78); denn schon ein geringfügiges Öffnen der Tür, mit dem der fließende Verkehr und mithin auch Fahrradfahrer ohnehin immer zu rechnen haben (BGH, DAR 1981, 148, 149), hätte die Klägerin in Bedrängnis gebracht. Dabei muss noch weiter berücksichtigt werden, dass die Klägerin nach eigenen Angaben mit einer relativ geringen Geschwindigkeit an dem Beklagtenfahrzeug vorbei gefahren sein will (ungefähr 10 km/h, Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21. April 2009), was zusätzlich die Gefahr einer schwankenden Fahrweise begründet. Zusammen betrachtet reichte der insgesamt vorhandene Zwischenraum von ca. 1,5 m für eine gefahrlose Vorbeifahrt an dem in Warteposition befindlichen Beklagtenfahrzeug nicht aus.
3. Im Rahmen der Abwägung der jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensanteile gemäß § 254 BGB überwiegt der Verstoß gegen § 14 Abs. 1 StVO.
Die Fahrzeugtür durfte, auch wenn das Beklagtenfahrzeug wesentlich näher an den geparkten Kfz gestanden haben sollte, nicht ohne Rücksicht auf sonstige Verkehrsteilnehmer geöffnet werden. Auch nach dem Vortrag der Beklagten passte ein Fahrradfahrer noch durch die verbleibende Lücke zu den rechts geparkten Kfz. Dann war dort auch mit vorbeifahrenden Fahrradfahrern zu rechnen.
Wegen der gemäß § 14 Abs. 1 StVO gesteigerten Sorgfaltspflicht überwiegt der Verstoß gegen § 14 Abs. 1 StVO durch plötzliches Öffnen der Tür in jedem Fall den Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO durch einen zu gering gewählten Abstand beim Vorbeifahren. Auf der Grundlage des von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalts nimmt der Senat eine Haftung von 75 % zu 25 % zu Gunsten der Klägerin an.
Einen geringeren Abstand haben die Beklagten nicht beweisen können. Die Aussage des Zeugen …….ist insoweit zu unbestimmt und die Beklagten zu 1) sowie der Zeuge …sind aus den bereits oben erörterten Gründen unglaubwürdig.
III. Der Senat schlägt den Parteien den folgenden Vergleich vor:
1. Die Beklagten verpflichten sich als Gesamtschuldner, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von weiteren 3.125,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28. März 2008 zu zahlen.
2. Die Beklagten verpflichten sich als Gesamtschuldner, an die Klägerin 209,77 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. August 2008 zu zahlen.
3. Die Beklagten verpflichten sich als Gesamtschuldner, der Klägerin dem Grunde nach 75 % sämtlicher zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfallereignis vom 22. Juni 2007 um 14:30 Uhr auf der Pestalozzistraße in 10627 Berlin zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen.
4. Die Beklagten verpflichten sich als Gesamtschuldner, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 587,68 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. August 2008 zu zahlen.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits und dieses Vergleichs trägt die Klägerin 25 % und tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 75 %.