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Räumungsvollstreckung – Verwirkung eines Räumungstitels – Verzicht auf Vollstreckung

LG Bonn – Az.: 6 S 38/17 – Beschluss vom 30.05.2017

Die Kammer weist nach Beratung darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 8.03.2017 (203 C 254/16) gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

Auf den Verlust der Möglichkeit einer kostenmindernden Rücknahme bei einer förmlichen Entscheidung gemäß Ziffer 1222 Anlage zum GKG wird vorsorglich hingewiesen.

Gründe

Die Berufung der Kläger hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Das Amtsgericht hat die Vollstreckungsgegenklage, mit der sich die Kläger gegen die Zwangsvollstreckung aus dem Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Bonn vom 29.06.2004 wenden, zu Recht vollumfänglich abgewiesen. Auch die Ausführungen in der Berufungsbegründung vom 11.05.2017 führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsache eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Denn die Kläger haben keine Einwendungen dargelegt, die die von dem Beklagten initiierte Räumungsvollstreckung als unzulässig erscheinen lassen.

Vergeblich berufen sich die Kläger mit der Berufungsbegründung darauf, dass die eingeleitete Räumungsvollstreckung rechtsmissbräuchlich sei. Insoweit haben die darlegungs- und beweispflichtigen Kläger keinen Verwirkungstatbestand gem. § 242 BGB dargetan. Nach der Rechtsprechung des BGH setzt die Annahme einer Verwirkung neben dem Zeitablauf das Vorliegen besonderer, ein solches Vertrauen des Verpflichteten begründender Umstände voraus (BGH, NJW 2011, 445, 447).

Schon an das Zeitmoment sind besonders strenge Anforderungen zu stellen, wenn es um die Verwirkung von Forderungen aus rechtskräftigen Vollstreckungstiteln geht, die wie die hier zugrunde liegende Forderung aus dem Anerkenntnisurteil vom 29.06.2004, einer 30jährigen Verjährungsfrist unterliegen, § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB (OLG Köln, Urteil vom 21.07.2004, 13 U 168/03, BeckRS 2004, 11541). Ob es sich bei dem streitgegenständlichen Zeitraum von 12 Jahren um eine ausreichend lange Zeitspanne handelt, bei der eine Anspruchsverwirkung grundsätzlich in Betracht kommt, bedarf im Ergebnis keiner Entscheidung, weil jedenfalls die Voraussetzungen für die Bejahung des Umstandsmoments im vorliegenden Fall nicht gegeben sind.

Zu dem reinen Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (BGH, NJW 2003, 824).

Räumungsvollstreckung - Verwirkung eines Räumungstitels - Verzicht auf Vollstreckung
(Symbolfoto: Von Red Vector/Shutterstock.com)

Vorliegend durften die Kläger dem Verhalten des Beklagten bei objektiver Beurteilung nicht entnehmen, dass dieser seine Rechte aus dem Anerkenntnisurteil vom 29.06.2004 nicht mehr werde geltend machen. Aufgrund des vor Erlass des Anerkenntnisurteils zwischen den Parteien abgeschlossenem Vergleiches, nach dem der Beklagte auf eine Zwangsvollstreckung verzichtete, solange sich die Kläger nicht mit mehr als zwei Monatsmieten mehr als 15 Tage in Verzug befand, konnte der Beklagte erst zu dem Zeitpunkt aus dem Anerkenntnisurteil vollstrecken, zu dem die Voraussetzungen des Vergleiches vorlagen. Da den Klägern der Vergleich bekannt war, konnten sie nicht darauf vertrauen, aus dem Anerkenntnisurteil nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Vor diesem Hintergrund mussten die Kläger vielmehr damit rechnen, dass sie in Anspruch genommen werden, wenn die Vollstreckungsvoraussetzungen des Vergleiches vorliegen.

Vergeblich berufen sich die Kläger auch darauf, dass trotz des Anerkenntnisurteils und der wirksamen Beendigung des ursprünglichen Wohnungsmietvertrages konkludent ein neuer Mietvertrag begründet worden sei. Dass der Beklagte die Kläger auch nach dem Anerkenntnisurteil als „Mieter“ bezeichnet hat, ist insoweit unschädlich, wie auch bereits das Amtsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt hat. Entscheidend ist hierfür, ob sich bei dem Schuldner aufgrund einer Besserung seines Zahlungsverhaltens ein Vertrauen hat bilden können, dass die Gläubiger mit einer Neubegründung des Mietverhältnisses einverstanden sind (vgl. AG Hamburg, Urteil vom 8.07.2008, 48 C 421/07, Beck RS 2008, 21944). Davon kann vorliegend gerade nicht ausgegangen werden. Wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat, war das Mietverhältnis der Parteien spätestens ab dem Jahr 2008 belastet und der Beklagte musste die Kläger wiederholt zur Zahlung von Miete sowie Nebenkosten auffordern. Aufgrund dieses Zahlungsverhaltens konnten die Kläger nicht davon ausgehen, dass dass der Beklagte nicht mehr aus dem Anerkenntnisurteil vollstrecken werde.

Die Kläger können in diesem Zusammenhang auch nicht geltend machen, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen gar nicht vorgelegen haben, da sich die Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung vom 12.04.2016 und der Einleitung der Zwangsvollstreckung nicht mehr im Verzug mit zwei Monatsmieten befunden haben. Anhaltspunkte für eine Anwendung des Rechtsgedanken des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB aufgrund einer ergänzungsbedürftigen Regelungslücke des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vergleiches liegen nicht vor. Zwar haben die Parteien diesen Fall, dass der eingetretene Verzug aufgrund von Zahlung wieder wegfällt, nicht geregelt. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der Vergleich insoweit eine ergänzungsbedürftige Regelungslücke enthält. Der Beklagte ist den Klägern durch seinen Vollstreckungsverzicht, solange diese sich nicht mit zwei Monatsmieten in Verzug befinden, bereits entgegengekommen. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte noch weitere, den Klägern günstige Regelungen treffen wollte, sind nicht ersichtlich.

Die durch die Kombination von Anerkenntnisurteil und Vollstreckungsvereinbarung eingetretene Situation führt auch nicht zu einer Treu und Glauben widersprechenden unzumutbaren Belastung der Kläger, die ohne den Vergleich sofort hätten ausziehen müssen.

 

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