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Ratenweiser Erwerb von Bruchteilseigentum an Feingold – Widerruf

AG Frankfurt – Az.: 32 C 3395/16 (27) – Urteil vom 06.03.2017

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 21.09.2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Ratenweiser Erwerb Feingold
Streit um den Widerruf und die Rückzahlung eines ratenweisen Erwerbs von Bruchteilseigentum an Feingold (Symbolfoto: Von Lisa-S/Shutterstock.com)

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Streitwert wird auf 1000,- € festgesetzt.

Tatbestand

Am 03.04.2012 schloss die Klägerin in ihrer Wohnung über einen Vermittler einen Vertrag über den ratenweisen Erwerb von Bruchteilseigentum an Feingold zum Preis von 50,- € monatlich, das auf Verlangen ausgehändigt wird. Nach dem Vertrag ist eine Einrichtungsgebühr in Höhe von 1600,- € geschuldet, die bei einer Einzahlung in Höhe von insgesamt mindestens 15.000 € in Gold rückerstattet wird. Die Klägerin leistete hierauf 1000,- €-. Der Klägerin wurden bei Vertragsschluss die allgemeinen Vertragsbedingungen nebst Widerrufsbelehrung übergeben. Eine Belehrung darüber, dass für den Beginn der Frist zum Widerruf erforderlich ist, dass dem Verbraucher eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt wird, unterblieb. Wegen der Einzelheiten des Vertrags und der Belehrung wird auf das Antragsformular und den Text dieser Dokumente (Bl. 4R und 5 d.A.) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 23.08.2016 erklärte die Klägerin per anwaltlichem Schriftsatz gegenüber der Beklagten den Widerruf und verlangte Rückzahlung. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 13.09.2016 eine Rückzahlung zurück.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 1000,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 21.09.2016, hilfsweise: Zug um Zug gegen Rückgabe der Eigentumsurkunde vom 13.04.2012, sowie weiter die Klägerin von außergerichtlichen Anwaltskosten iHv. 147,56 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Beklagte schuldet der Klägerin die Rückgewähr der geleisteten Zahlungen in Höhe von 1000,- € gem. § 357 Abs. 1, 355 Abs. 1, 312 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB.

Der Vertragsabschluss in der Wohnung der Klägerin stellte ein Haustürgeschäft i.S. § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB a.F. dar.

Für den Widerruf galt nach § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a.F. keine Widerrufsfrist, sodass der mit Schriftsatz vom 23.08.3016 formgerecht erklärte Widerruf wirksam ist. Die erteilte Widerrufsbelehrung enthält keinen Hinweis darauf, dass für den Beginn der Frist zum Widerruf erforderlich ist, dass dem Verbraucher eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt wird. Eine entsprechend vollständige Belehrung war aber nach § 360 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, 355 Abs. 3 S. 2 BGB a.F. geschuldet, denn der streitgegenständliche Vertrag unterliegt als Ratenlieferungsvertrag der gesetzlichen Schriftform des § 510 Abs. 2 S. 1 BGB und somit hinsichtlich des Fristbeginns den gesonderten Anforderungen nach § 355 Abs. 3 S. 2 BGB, was den Zusatzhinweis erfordert hätte.

Es handelt sich bei dem streitgegenständlichen Vertrag um einen Vertrag, der die regelmäßige, monatliche Lieferung von Sachen, nämlich Gold zum aktuellen Preis, zum Gegenstand hat (vgl. § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB). Dass keine unmittelbare Auslieferung stattfindet ist dabei unerheblich, weil nach dem Vertrag das Gold für den Kunden verwahrt wird und sogleich mit Erwerb ein Besitzmittlungsverhältnis entsteht. Die Beklagte muss sich an ihrer eigenen Formulierung in Ziff. 3 des Vertrags („Ratenkaufvertrag“), die nicht auslegungsfähig ist, festhalten lassen.

Selbst wenn man die unmittelbare Auslieferung für den Tatbestand des § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB verlangte, würde zudem der Auffangtatbestand des § 510 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BGB greifen. Soweit die Beklagte mit Sinn und Zweck des § 510 BGB argumentiert und einwendet, eine langdauernde Bezugsbindung bestehe nach dem Vertrag ausweislich dessen Ziff. 6 gerade nicht, übersieht die Beklagte, dass nach der Rspr. des BGH, die vom erkennenden Gericht geteilt wird, die jederzeitige Möglichkeit den Vertrag zu beenden der Anwendung des § 510 BGB nicht entgegensteht (vgl. BGH, Urteil vom 07. Juni 1990 – I ZR 207/88 -, juris). Darüber hinaus ergibt sich eine faktische Dauerbindung aus dem Umstand, dass der Kunde bei Beendigung des Vertrages vor Erreichen der „Sparsumme“ von 15.000 € den Anspruch auf Rückgewähr der Einrichtungsgebühr verliert.

Schließlich steht der Geltung des § 510 BGB nicht entgegen, dass der Vertrag auch Elemente eines Geschäftsbesorgungsvertrags aufweist, da der Erwerb von körperlichen Gegenständen nach dem gesamten Vertragsinhalt eindeutig den Kern des Vertrags bildet.

Das Widerrufsrecht ist auch nicht durch vollständige Leistungserbringung erloschen. Dem stehen die Ausführungen in der benannten BGH-Entscheidung zu § 8 VVG a.F. v. 16.10.2013 (vgl. BGH, Urt. v. 16.10.2013, IV ZR 52/12) nicht entgegen. Die in Bezug genommene Regelung des § 2 Haustürwiderrufsgesetz a.F. ist in die auf den Vertrag anzuwendende Fassung des § 312 BGB gerade nicht aufgenommen worden. Vielmehr bestand hinsichtlich der beiderseitigen Leistungserbringung nur die frühere Sonderregelung für Dienstleistungen im Rahmen von Fernabsatzgeschäften des § 312d Abs. 3 BGB a.F. aus der im Umkehrschluss zu schließen ist, dass die vollständige Leistungserbringung bei Warenlieferungsverträgen in Haustürsituationen nach dem abschließenden Regelungskonzept gerade nicht anwendbar war.

Anhaltspunkte für eine Verwirkung des Widerrufsrechts bestehen nicht, da es jedenfalls an dem verhaltensbezogenen Umstandsmoment auf Seiten der Klägerin fehlt und diese nicht längere Zeit nach der Kündigung untätig geblieben ist (vgl. zum Maßstab OLG Frankfurt, Urteil vom 26. August 2015 – 17 U 202/14 -, juris).

Schließlich steht dem Anspruch nicht die Einrede Zug-um-Zug entgegen. Ein entsprechender vertraglicher Anspruch auf Rückgabe der Eigentumsurkunde wurde zwischen den Parteien nicht vereinbart. Auch ein gesetzlicher Anspruch aus § 985, § 952 oder § 371 BGB besteht nicht. Im Kaufvertrag hat die Klägerin ausdrücklich auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet. Die Überlassung eines entsprechenden Dokuments war deshalb nicht geschuldet oder von der Klägerin bestellt worden. Es handelt sich um eine unbestellte Leistung i.S. § 241a BGB, die nicht herauszugeben ist.

Der Anspruch auf die Verzugszinsen ab dem 21.09.2016 folgt aus §§ 286, 288 BGB. Die Beklagte geriet durch die Leistungsablehnung vom 13.09.2016 in Verzug.

Der weitergehende Freistellungsantrag war abzuweisen, da ein früherer Verzugsbeginn nicht schlüssig dargelegt ist. Die Rechtsverfolgungskosten entstanden vor Verzugseintritt und sind daher nicht erstattungsfähig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 3 ff. ZPO, 4 GKG.

 

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