AG Westerstede, Az.: 22 C 614/09
Beschluss vom 30.06.2009
1) Dem Antragsgegner wird aufgegeben, es zu unterlassen, öfter als zweimal im Monat, beschränkt auf zehnmal im Jahr, mit seinem an der Grundstücksgrenze zur Antragstellerin befindlichen Grillkamin zu grillen.
2.) Dem Antragsgegner wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 5.000,00 € oder Ordnungshaft bis zu einem Monat angedroht.
3.) Die darüber hinausgehenden Anträge werden zurückgewiesen.
4.) Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
5.) Der Streitwert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
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Gründe
Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner auf Unterlassung zu häufigen Grillens in Anspruch.
Der Antragsgegner nutze seinen Grillkamin häufiger als dreimal im Monat, dabei entwickelte sich starker Qualm mit Grillgeruch, der das Schlafzimmer der Antragstellerin im dritten Stock des nur 9 m vom Grillkamin entfernten Mehrfamilienhauses erheblich verräuchere.
Sie beantragt: Dem Antragsgegner wird aufgegeben, es zu unterlassen, öfter als 1 Mal im Monat, beschränkt auf 5 Mal im Jahr, mit seinem an der Grundstücksgrenze zur Antragstellerin befindlichen Grillkamin zu grillen.
Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die Absicht zu grillen der Antragstellerin jeweils 48 Stunden vorher bekanntzugeben.
Ihm wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 5.000,00 € oder Ordnungshaft bis zu 1 Monat gegen Ihn festgesetzt wird.
Der Antrag ist zum Teil begründet.
Der Antragstellerin steht gegen den Antragsgegner gemäß §§ 935, 940, 937 ZPO, §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Unterlassung entsprechend des vorstehenden Entscheidungstenors im Wege der einstweiligen Verfügung zu. Sie wird durch eine häufigere Nutzung des Grillkamins zumindest in ihrem Besitzrecht an ihrer Wohnung i. S. d. §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB nachhaltig gestört. Wegen Dringlichkeit – die Grillsaison dauert an – war durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Die ergangene Entscheidung ist dabei von den gestellten Anträgen der Antragstellerin auch vollumfänglich gedeckt. Denn sie stellt gegenüber dem Verlangen der Antragstellerin eine geringere Beeinträchtigung des Antragsgegners dar.
Die Antragstellerin hat durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung, eines Fotos, einer Skizze und insbesondere des beigefügten Antwortschreibens des Antragsgegners vom 04. Juni 2009 an die Gemeinde …, Herrn …, Verfügungsanspruch und die Dringlichkeit glaubhaft gemacht. Es ist lebensnah, dass aufsteigender starker Qualm mit Grillgeruch in das Schlafzimmer der Antragstellerin im dritten Stock direkt oberhalb des Grillkamins (was das Foto belegt) des nur 9 m vom Grill entfernten Mehrfamilienhauses (diese Entfernung ergibt sich auch aus Schreiben des Antragsgegners) bei geöffnetem Fenster eindringt – jedenfalls bei der gegebenen Verwendung von Holz oder Holzkohle und entsprechender Windrichtung. Die räumlichen Verhältnisse sind beengt. Die Häufigkeit der Nutzung des Grills wird bestätigt durch die Ausführungen des Antragsgegners in seinem vorgelegten Antwortschreiben. Darin hat er denen des Herrn … vom 25.05.2009, er betreibe den Grillkamin annähernd an jedem zweiten Abend bei entsprechend gutem Wetter, nicht widersprochen. Vielmehr ergeben seine sonstigen Angaben in dem Schreiben, dass er diesen häufig nutzt und dies auch weiterhin ohne Rücksicht auf die Antragstellerin – und weitere Hausbewohner des Mehrparteienhauses – zu tun gedenkt, so dass auch die Wiederholungsgefahr i. S. d. §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB gegeben ist.
Grillen ist zwar in den Sommermonaten durchaus üblich und muss, wenn nicht die Wesentlichkeitsgrenze überschritten wird, als sozialadäquat grundsätzlich geduldet werden. Maßstab ist hierfür das Empfinden eines Durchschnittsbenutzers des betroffenen Grundstücks und nicht das subjektive Empfinden des Einzelnen (vgl. a. OLG Oldenburg v. 29.07.2002, Az.: 13 U 53/02; LG München I vom 12.01.2004, WuM 2004, 368). Diese Wesentlichkeitsgrenze, die Grenze des Zumutbaren, wird nach den glaubhaft gemachten Darlegungen der Antragstellerin jedoch deutlich überschritten. Die unzumutbare Beeinträchtigung der Antragstellerin durch Rauch, Ruß und Geruch liegt danach auf der Hand. So hat der Senat für Bußgeldsachen des OLG Düsseldorf (WuM 1996, 56) in einem vergleichbaren Fall den Tatbestand einer erheblichen Belästigung der Nachbarschaft durch das Verbrennen oder Abbrennen von Gegenständen gem. § 7 LImmSchG NW bejaht, wenn in der Nähe eines Mehrfamilienhauses (dort in dessen Garten) der beim Grillen entstehende Qualm in konzentrierter Weise in Wohn- und Schlafzimmer unbeteiligter Nachbarn eindringt.
Das Amtsgericht Bonn hat in seinem häufig zitierten Urteil vom 29.04.1997 (Az.: 6 C 545/96) für Mieter von Mehrfamilienhäusern in der Zeit von April bis September das Grillen unter Verwendung von Holzkohle nur einmal monatlich auf Balkon oder Terrasse zugelassen und dem grillenden Mieter noch aufgegeben, die Mieter im Haus, deren Belästigung durch Rauchgase unvermeidlich ist, 48 Stunden vorher darüber zu informieren – wie dies auch von der Antragstellerin begehrt wird.
Die Abstände im streitgegenständlichen Fall (immerhin 9 m allein zum Haus) sind allerdings nicht so gering wie zwischen den Balkonen eines Mehrfamilienhauses, so dass bereits deshalb dem Gericht eine Beschränkung auf ein einmaliges Grillen im Monat als zu restriktiv erscheint. Es sind die widerstreitenden Rechte der Betroffenen, die dem Grundgesetz zu entnehmende allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) des grillenden Nachbarn einerseits und das Recht auf einen ungestörten Gebrauch der Wohnung, also des Besitzes bzw. Eigentums (vgl. §§ 854 ff. BGB, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 14 GG), andererseits, im jeweils zu beurteilenden Einzelfall abzuwägen und angemessen ins Verhältnis zu setzen. Nach der vorstehend tenorierten Lastenverteilung wird einerseits das Grillen nicht untersagt, sondern nur auf immerhin zwei Male im Monat während der Sommermonate eines Kalenderjahres – i. d. R. von Mai bis September -, also insgesamt 10mal pro Kalenderjahr beschränkt. Andererseits müssten Nachbarn maximal nur diesen beiden Male – je nach Windrichtung – (auch) in den warmen Sommermonaten hinnehmen, zum Schutz vor Rauch- und Geruchsbelästigungen Fenster und Türen geschlossen halten zu müssen und ihren Balkon nur eingeschränkt nutzen zu können. Da üblicherweise nicht über Stunden gegrillt wird und der intensivste Rauch regelmäßig während der Anheizphase entsteht, dürfte sich aber auch die Beeinträchtigung der Balkonnutzung der Nachbarn auf ein vertretbares Maß reduzieren – zumal nach der Entscheidung des OLG Oldenburg vom 29.07.2002 (Az.: 13 U 53/02) das Grillen zur Nachtzeit, also über 22:00 Uhr hinaus (bis maximal 24:00 Uhr) nur in „Einzelfällen“ an bis zu vier Abenden im Kalenderjahr zulässig ist.
Eine darüber hinausgehende Verpflichtung, die Absicht zu Grillen (weit) vorher anzuzeigen, ist nach hiesiger Ansicht – jedenfalls im konkreten Fall – zu weitgehend und nicht praktikabel. Dem naturgemäß witterungsabhängigen Grillen würde damit die diesem innewohnende Spontanität weitgehend genommen. Müsste der Antragsgegner hier doch quasi sämtliche Parteien des Mehrparteienhauses stets (weit) vorher bei ständiger Beobachtung der Wetterprognose in ggfs. auch nachweisbarer Form informieren. Zudem dient die vorherige Ankündigung primär dem Schutz vor Rauchbeeinträchtigungen bei in Abwesenheit geöffneten Fenstern und Türen; in Abwesenheit sind allerdings regelmäßig auch bereits aus versicherungstechnischen Gründen Fenster und Türen geschlossen zu halten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.