Bundesgerichtshof
Az: 5 StR 124/13
Urteil vom 11.06.2013
Anmerkung des Bearbeiters
Die entscheidungserhebliche Norm lautet:
§ 306b StGB – Besonders schwere Brandstiftung.
(1) Wer durch eine Brandstiftung nach § 306 oder § 306a eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.
(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter in den Fällen des § 306a
1. einen anderen Menschen durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt,
2. in der Absicht handelt, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken oder
3. das Löschen des Brandes verhindert oder erschwert.
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 1. November 2012 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hier-durch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
– Von Rechts wegen –
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung (Tat 1) und schwerer Brandstiftung (Tat 2) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte, zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, wirksam auf die Tat 2 beschränkte, vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft zielt auf einen Schuldspruch auch wegen eines versuchten Tötungsdelikts ab, bleibt jedoch erfolglos.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte seit März 2011 etwa ein halbes Jahr bei einem Bekannten namens T. in dessen Wohnung im dritten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses gewohnt. Danach hatte sich ihr Verhältnis verschlechtert, weil der Angeklagte den ihm zur Verfügung gestellten Wohnungsschlüssel nicht zurückgegeben hatte. Ferner hatte es ihm nach der Trennung von seiner Freundin missfallen, dass T. dieser bei Behördengängen und Wohnungsrenovierung behilflich gewesen war. Das Verhältnis hatte sich weiter abgekühlt, nachdem der Angeklagte am 4. Februar 2012 T. nochmals in dessen Wohnung aufgesucht, ihm einen Faustschlag ins Gesicht oder eine „Kopfnuss“ versetzt und hierdurch starkes Nasenbluten verursacht hatte (Tat 1).
Am 11. März 2012 stellte der Angeklagte zwischen 23.00 und 23.45 Uhr zwei türlose, etwa 80 bis 90 cm hohe und mit Regalbrettern versehene Holzschränke vor die Eingangstür zu T. s Wohnung, in der zu dieser Zeit auch ein gemeinsamer Bekannter namens L. wohnte. Zwischen die Schränke und die Tür legte er Zeitungen, Werbeprospekte sowie eine mit Papiertüchern gefüllte Kunststofftragetasche und entzündete diese Gegenstände (Tat 2). Dadurch wurden Verkohlungen an der Türschwelle und im unteren Teil des Türblattes verursacht. Der Angeklagte hatte dies für möglich gehalten und gebilligt, hingegen nicht, dass Menschen verletzt werden oder gar zu Tode kommen könnten. Tatsächlich führte der Brand weder bei T. noch bei L. zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Beide hatten zwar bereits geschlafen, waren aber durch den Alarm des – wie der Angeklagte wusste – im Wohnungsflur an der Decke installierten Rauchmelders geweckt worden und hatten mit Hilfe eines hinzu geeilten Nachbarn das Feuer schnell löschen können. Vor dem Brandlegen hatte der Angeklagte von einem weiteren, im Hausflur montierten Rauchmelder Batterie und Alarmmechanismus entfernt, um noch unentdeckt den Tatort verlassen zu können.
2. Aufgrund dieser Feststellungen hat das Landgericht einen bedingten Brandstiftungsvorsatz des Angeklagten, der zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen geschwiegen hat, angenommen und ihn daher der schweren Brandstiftung (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB) schuldig gesprochen.
Hingegen hat es sich nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte zudem mit auch nur bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hat. Für die diesbezügliche Bewertung hat das Landgericht insbesondere herangezogen, dass kein Brandbeschleuniger festgestellt werden konnte, die Wohnungseingangstür nach innen zu öffnen und deren „Blockade“ durch die weniger als einen Meter hohen Schränke ohne große Schwierigkeiten zu beseitigen war (UA S. 19) und der Angeklagte keinen „nachvollziehbaren Anlass für die Tötung eines anderen oder gar mehrerer“ hatte (UA S. 20). Vor allem ist es „zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen …, dass diesem aufgrund seines mehrmonatigen Aufenthaltes in der Wohnung“ T. s „bewusst war, dass sich unmittelbar hinter der Eingangstür … ein weiterer Rauchmelder befand, von dem zu erwarten war, dass dieser nach der Ausbreitung des Feuers zügig einen Alarm auslösen würde“ (UA S. 19 f.). Im Übrigen hat das Landgericht angenommen, der Angeklagte habe den im Hausflur montierten Rauchmelder außer Funktion gesetzt, um sich „rechtzeitig unentdeckt vom Tatort … entfernen“ zu können (UA S. 21).
Angesichts dessen hat das Landgericht darüber hinaus in Betracht kommende Brandstiftungsdelikte (§ 306a Abs. 2, § 306b Abs. 1 und 2 Nr. 1, § 306c, § 22 StGB), insbesondere den Tatbestand des § 306b Abs. 2 Nr. 3 StGB verneint, da das dort vorgesehene Erschweren des Löschens des Brandes den erforderlichen Erheblichkeitsgrad nicht erreicht habe (UA S. 22).
3. Die Überprüfung des Schuld- und Strafausspruchs bezüglich der Tat 2 sowie der Gesamtstrafe hat Rechtsfehler zum Vor- oder Nachteil (§ 301 StPO) des Angeklagten nicht ergeben. Insbesondere halten die landgerichtliche Beweis- sowie die rechtliche Würdigung revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
a) Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Ihre revisionsgerichtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht namentlich der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2013 – 3 StR 37/13) oder zugunsten des Angeklagten eine Konstellation unterstellt wird, für die es keinen realen Anknüpfungspunkt gibt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2009 – 2 StR 576/08, NStZ 2009, 630 mwN). Ein derartiger Mangel ist dem angegriffenen Urteil nicht zu entnehmen.
aa) Das Landgericht hat in die gebotene Gesamtwürdigung alle für die Frage, ob der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hat, wesentlichen Gesichtspunkte einbezogen. Dabei hat es sich auch mit den Umständen befasst, die von der Revision als nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt bezeichnet werden. Es hat mit Blick auf die Gefährlichkeit der Tat insbesondere erörtert, inwieweit die Flucht aus der Wohnung durch die vor die Eingangstür geschobenen Schränke erschwert worden ist (UA S. 19). Es hat weiter geprüft, ob sich aus der Vorgeschichte der Tat ein Tötungsmotiv ergeben haben könnte (UA S. 20), und nicht aus den Augen verloren, dass der Angeklagte einen im Hausflur befindlichen Rauchmelder unbrauchbar gemacht hat (UA S. 20 f.).
Es begründet keinen Rechtsfehler, dass das Landgericht sich auf dieser Grundlage im Ergebnis nicht von einem auch nur bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten hat überzeugen können. Denn es ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO), die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- und entlastenden Indizien zu bewerten. Kann es auf der Grundlage einer Gesamtbewertung aller Umstände Zweifel an der subjektiven Tatseite nicht überwinden, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen, auch wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näher liegend gewesen wäre. Dabei brauchen die tatgerichtlichen Schlussfolgerungen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie – wie vorliegend – möglich sind.
bb) Auch ohne dass sich der schweigende Angeklagte hierauf berufen hat, durfte das Landgericht bei seiner Wertung in Anwendung des Zweifelssatzes davon ausgehen, dass dem Angeklagten bei der Tat „bewusst war, dass sich unmittelbar hinter der Eingangstür … ein weiterer Rauchmelder befand, von dem zu erwarten war, dass dieser … zügig einen Alarm auslösen würde“ (UA S. 19 f.). Denn entgegen der Ansicht der Revision erweist sich das vom Landgericht angenommene Vorstellungsbild des Angeklagten als hinreichend tatsachenfundiert. Dem Angeklagten war die Existenz des Rauchmelders infolge seines mehrmonatigen Aufenthalts in der Wohnung T. s, die er zumindest noch etwa fünf Wochen zuvor betreten hatte, bekannt. Im Gegenteil sprach nichts dafür, dass er in Betracht gezogen haben könnte, der Rauchmelder sei funktionsunfähig oder in der Zwischenzeit demontiert worden.
b) Die rechtliche Würdigung des Landgerichts ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
aa) Ein vollendetes Inbrandsetzen hat es zutreffend bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1954 – 1 StR 174/54, NJW 1954, 1335).
bb) Die Voraussetzungen des § 306b Abs. 2 Nr. 3 StGB hat das Landgericht rechtsfehlerfrei bestimmt und verneint. Es hat erkannt, dass der Tatbestand zwar auch erfüllt werden kann, indem ein Täter einen Rauchmelder unbrauchbar macht oder abschaltet (vgl. Wolff in LK, 12. Aufl., § 306b Rn. 27). Unter Hinweis auf den im Gesetz allein vorgesehenen Strafrahmen, der eine Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren androht und damit demjenigen des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) entspricht, hat es aber eine restriktive Auslegung des Tatbestandes für erforderlich gehalten. Im Anschluss an Stimmen in der Literatur (vgl. Heine in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 306b Rn. 18; Wolters in SK-StGB, 7. Aufl., § 306b Rn. 17) hat das Landgericht es deshalb zutreffend als notwendig erachtet, dass „die Erschwernis den Grad einer gewissen Erheblichkeit erreicht“.
Dem stimmt der Senat zu. Voraussetzung ist deshalb, dass die anderenfalls bestehenden Chancen auf ein erfolgreiches Löschen des Brandes nicht unerheblich verschlechtert worden sein müssen, insbesondere das Löschen zeitlich relevant verzögert worden ist. Es würde demgemäß etwa nicht genügen, wenn ein Täter eine von zwei Feuerwehrzufahrten zum Tatobjekt sperrt, die erforderlich gewordene Benutzung der verbliebenen Zufahrt jedoch keine Ausdehnung des Feuers bewirkt (vgl. Radtke, Die Dogmatik der Brandstiftungsdelikte, 1998, S. 357) oder es wie im vorliegenden Fall „schnell“ gelingt, „mit Hilfe … herbeigeschafften Wassers … den Brand zu löschen“ (UA S. 8). Denn bei einer derartigen Sachlage fehlt es an einer Schuld und Unrecht erhöhenden Steigerung der bereits durch das Grunddelikt erfassten Gefährlichkeit (vgl. Radtke in MüKo, StGB, 1. Aufl., § 306b Rn. 26 a.E.) sowie darüber hinaus an einem den übrigen Qualifikationen (§ 306b Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB) vergleichbaren Unwertgehalt der Tat.
Diese Grenze hat das Landgericht angesichts der konkreten Tatumstände zu Recht als nicht überschritten eingestuft (UA S. 22). Der Angeklagte hat diesen Qualifikationstatbestand somit weder vollendet noch versucht (§ 12 Abs. 1, § 23 Abs. 1 StGB); einen entsprechenden Tatentschluss hat das Landgericht nicht festgestellt.