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Rechtsanwaltsvergütung für Antragstellung von Prozesskostenhilfe

LG Duisburg – Az.: 3 O 59/13 – Urteil vom 12.02.2020

1. Das Versäumnisurteil der Kammer vom 25.2.2015 wird hinsichtlich Ziffer 1. und 2. des Tenors aufrechterhalten.

2. Die Widerklage des Beklagten über einen Betrag von 31.348,71 EUR wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

4. Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 25.2.2015 darf nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden.

Tatbestand

Mit der Klage begehrt die Klägerin von dem Beklagten die Zahlung einer Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 3.767,54 EUR gemäß Rechnung vom 27.4.2009 (Anlage K 13, Bl. 60 GA). Der Beklagte beansprucht mit der Widerklage Zahlung eines Betrags von 31.348,71 EUR wegen behaupteter anwaltlicher Pflichtverletzung.

Der Beklagte wandte sich mit Schreiben vom 1.12.2007 mit dem Betreff „Anwaltshaftungssache gegen Herrn S2 E H (Anlage K 1, Bl. 23 f. GA) erstmals an S3 E I aus der Kanzlei der Klägerin. Unter dem 27.5.2008 (Anlage K 5, Bl. 28 GA) stellte die Klägerin für die bis dahin von S3 E I  erbrachte Tätigkeit 249,00 EUR in Rechnung. Die Rechnung ist unbezahlt, aber nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

Am 28.7.2008 kam es zu einer Besprechung zwischen S3 E I, dem Beklagten und dessen Ehefrau in der Kanzlei der Klägerin. Gegenstand der Besprechung waren die Tätigkeit des zuvor für den Beklagten als Verteidiger tätigen (zwischenzeitlich verstorbenen) S3 E E H und etwaige Ansprüche des Beklagten gegen S3 E E H. Bei dieser Gelegenheit unterschrieb der Beklagte eine auf den Vortag datierte Vollmacht für die Kanzlei der Klägerin (Anlage K 7, Bl. 31 GA).

Der zwischenzeitliche Angestellte der Klägerin, S3 S4, reichte in der Folgezeit beim Landgericht Duisburg einen Prozesskostenhilfeantrag vom 30.12.2008 (Eingang beim Landgericht per Fax am 31.12.2008) für eine beabsichtigte Klage des hiesigen Beklagten gegen S3 E E H ein, wonach gegen S3 E E H mit einem Klageantrag zu 1. Zahlung eines Betrags von 504.561,23 EUR und mit einem Klageantrag zu 2. Zahlung eines Betrags von 8.913,86 EUR (entsprechend 17.434,00 DM) geltend gemacht wurden. Das Verfahren wurde beim Landgericht Duisburg unter dem Aktenzeichen 11 O 125/08 geführt.

Da S3 E E H wegen des gleichen Lebenssachverhalts ein (über eine andere Anwaltskanzlei) vom Beklagten beantragter Mahnbescheid zugestellt worden war, nahm S3 S4 im Verfahren 11 O 125/08 mit Schriftsatz vom 20.3.2009 den angekündigten Klageantrag zu 1. wegen doppelter Rechtshängigkeit zurück (Bl. 130 der Akte 11 O 125/08). Mit Schriftsatz vom 20.5.2009 legte die hiesige Klägerin das Mandat für den Beklagten »mit sofortiger Wirkung« nieder (Bl. 139 der Akte 11 O 125/08). Mit Beschluss vom 4.6.2009 (Bl. 38 ff. im PKH-Heft zum Verfahren 11 O 125/08) wies das Landgericht Duisburg den (nur noch offenen) PKH-Antrag für den angekündigten Klageantrag zu 2. mit der Begründung zurück, dass der Anspruch jedenfalls verjährt sei. Die vom Beklagten persönlich eingelegte sofortige Beschwerde gegen den PKH- Beschluss wies das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 25.09.2009 (Bl. 77 ff. im PKH-Heft zum Verfahren 11 O 125/08) zurück und führte zur Begründung u. a. aus, dass der geltend gemachte Anspruch (auf Auszahlung eines von S3 E E H im Oktober 2000 vereinnahmten Entschädigungsbetrages für eine Untersuchungshaft des Beklagten) jedenfalls seit Ablauf des 31.12.2004 gemäß § 195 BGB verjährt sei.

Das Verfahren, in dem der Beklagte gegen S3 E E H einen Mahnbescheid hatte beantragen lassen, wurde im streitigen Verfahren beim Landgericht Duisburg zum Aktenzeichen 8 O 102/09 geführt. In dem Verfahren wurde ein vom Beklagten gestellter PKH- Antrag mit Beschluss des Landgerichts vom 29.04.2009 (Abschrift Bl. 56 im Verfahren 8 O 102/09) ebenfalls wegen Verjährung des geltend gemachten Anspruchs zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde hiergegen wies das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 13.10.2009 (Abschrift Bl. 116 im Verfahren 8 O 102/09) zurück und führte zur Begründung u. a. aus, dass Ansprüche des Beklagten verjährt seien.

Im Hinblick auf den Streitwert von 3.767,54 EUR hat die Klägerin die Klage im vorliegenden Rechtsstreit zunächst beim Amtsgericht Oberhausen erhoben. Der Beklagte hat für die Rechtsverteidigung gegen die Klage und auch für eine (beabsichtigte) Widerklage – in der Hauptsache gerichtet auf Verurteilung der Klägerin auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 504.561,63 EUR – wegen behaupteter anwaltlicher Pflichtverletzung zunächst vor dem Amtsgericht Oberhausen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Das Amtsgericht Oberhausen hat den Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten für die Widerklage mit Beschluss vom 26.6.2012 (Bl. 3 im PKH Heft zum vorliegenden Rechtsstreit) wegen sachlicher Unzuständigkeit mangels Verweisungsantrags des Beklagten zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde verbunden mit einem Verweisungsantrag des Beklagten vom 13.12.2012 wurde der vorliegende Rechtsstreit an das Landgericht Duisburg verwiesen.

Die Kammer hat den Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten durch Beschluss vom 28.10.2013 (Bl. 39 ff. im PKH Heft zum vorliegenden Rechtsstreit) mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg seiner Verteidigung gegen die Klageforderung und seiner Rechtsverfolgung hinsichtlich der Widerklage über 504.561,63 EUR zurückgewiesen. Dabei ging die Kammer davon aus (was im Rechtsstreit unwidersprochen geblieben ist), dass der Beklagte mit seiner Widerklage über 504.561,63 EUR von der Klägerin den Betrag ersetzt verlangte, den er von der Kanzlei der Klägerin im Verfahren 11 O 125/08 gegenüber S3 E E H mit dem dortigen Klageantrag zu 1. hatte geltend machen lassen. Ihre ablehnende Entscheidung begründete die Kammer im Wesentlichen damit, dass ein solcher Schadensersatzanspruch des Beklagten gegen die Klägerin vorausgesetzt hätte, dass die Klägerin eine an sich begründete Klage gegen S3 E E H nur wegen anwaltlicher Pflichtverletzung(en) »verloren« hätte. Die Kammer führte weiter aus, dass die Klage gegen S3 E E H aber gerade nicht begründet war, weil die gegen ihn geltend gemachte Schadensersatzanforderung in Höhe von 504.561,63 EUR in jedem Falle verjährt gewesen sei. Die gegen den ablehnenden PKH-Beschluss der Kammer eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten hat das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 8.12.2014 (Bl. 21 ff. im PKH Heft zum vorliegenden Rechtsstreit) mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg zurückgewiesen.

Ein Antrag des Beklagten auf Bestellung eines Notanwalts gemäß § 78b ZPO wurde seitens der Kammer mit Beschluss vom 23.02.2015 zurückgewiesen (Bl. 284 f. GA).

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 25.02.2015 erschienenen für die Klägerin S3 E I und der Beklagte persönlich. Seine Widerklage über 504.561,63 EUR hatte der Beklagte zu diesem Zeitpunkt noch nicht zurückgenommen. Im Termin am 25.02.2015 wurde von der Kammer ein Versäumnisurteil mit folgendem Inhalt verkündet:

1.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.767,54 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 15.7.2009 zu zahlen.

2.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 402,82 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 8.3.2012 zu zahlen.

3.

Die Widerklage wird abgewiesen.

4.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte ließ gegen das Versäumnisurteil durch die S5 T Einspruch einlegen.

Rechtsanwaltsvergütung für Antragstellung von Prozesskostenhilfe
(Symbolfoto: PanuShot/Shutterstock.com)

Mit Schriftsatz vom 15.5.2015 (Bl. 232 ff. GA) bestellten sich die S5 I2 anstelle der S5 T für den Beklagten und machten geltend, dem Beklagten stünde gegenüber der Klägerin ein Schadensersatzanspruch von 31.348,71 EUR zu. Gegenüber der Klageforderung erklärte der Beklagte in dem anwaltlichen Schriftsatz hilfsweise die Aufrechnung mit einem Anspruch in entsprechender Höhe.

Mit Schriftsatz vom 03.09.2015 ließ der Beklagte vortragen, »dass die Widerklage, soweit sie betragsmäßig über den Antrag vom 05.05.2015 hinaus  geht, zurückgenommen wird.  Es wird sich daher auf einen Betrag Höhe von  31.348,71 EUR beschränkt«. Mit Schriftsatz vom 01.10.2015 teilten die Klägervertreter mit, dass sie einer Klagerücknahme (mit Kostenantrag) gegebenenfalls zustimmen würden. Dem Hinweis der Kammer in der gerichtlichen Verfügung vom 20.5.2019, dass gerichtlicherseits davon ausgegangen werde, dass die Klägerin der Rücknahme der Widerklage über 504.561,63 EUR zugestimmt habe, ist die Klägerin nicht entgegen getreten.

Mit Schriftsatz vom 15.09.2017 (Bl. 789 GA) legten die S5 I2 das Mandat für den Beklagten nieder. Mit Schriftsatz vom 13.12.2017 (Bl. 853 GA) bestellten sich die jetzigen Beklagtenvertreter für den Beklagten.

Die Klägerin verfolgt ihren Anspruch auf  Zahlung ihrer Vergütung in Höhe von 3.767,54 EUR gemäß Rechnung vom 27.4.2009 weiter. Sie macht geltend, dieser Anspruch stünde ihr für die Vertretung des Beklagten im Prozesskostenhilfe- und Klageverfahren vor dem Landgericht Duisburg zum Aktenzeichen 11 O 125/08 zu. Sie behauptet, die für sie tätigen S5 hätten den Beklagten auf die möglichen Probleme und Risiken bei der Geltendmachung von Klageansprüchen gegen seinen früheren S3 E E H – insbesondere auch die Verjährungsproblematik – im Vorfeld hingewiesen. Der Beklagte habe die Ansprüche trotzdem geltend gemacht wissen wollen.

Die Klägerin beantragt nunmehr, das Versäumnisurteil vom 25.02.2015 aufrechtzuerhalten und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, soweit die Widerklage zurückgenommen worden ist.

Der Beklagte beantragt,  das Versäumnisurteil vom 25.02.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragt der Beklagte,  die Klägerin zu verurteilen, an ihn 31.348,71 EUR zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,  die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin dürfe für die Tätigkeit ihres Rechtsanwalts im Zusammenhang mit dem eingereichten Prozesskostenhilfeantrag (im Verfahren 11 O 125/08) lediglich eine Beratungsgebühr abrechnen. Die Parteien seien im Hinblick auf die Rechnung der Klägerin vom 27.5.2008 davon ausgegangen, dass die Beratung bezüglich der Anwaltshaftung gegen S3 E E H abgeschlossen gewesen sei. Für den Antrag auf Prozesskostenhilfe fehle es  im Hinblick auf die Beendigung des Mandats an einer Beauftragung der Klägerin. Zudem habe es sich schon nach dem eigenen Vortrag der Klägerin um einen willkürlichen Antrag ohne Aussicht auf Erfolg in der konkreten Höhe gehandelt. Er sei zu keinem Zeitpunkt darüber informiert worden, dass die beantragte Summe überzogen sei, noch sei er darauf hingewiesen worden, dass er die Kosten für »diesen Antrag« zahlen müsse. Letzteres stelle eine Verletzung der Hinweispflicht der Klägerin dar, weshalb ihm ein Schadensersatzanspruch in Höhe der Klageforderung zustehe, mit dem er hilfsweise die Aufrechnung erklärt habe.

Zur Begründung der nunmehrigen Widerklage über 31.348,71 EUR behauptet der Beklagte, die S5 der Klägerin hätten ihm suggeriert, dass sein Antrag auf Prozesskostenhilfe (im Verfahren11 O 125/08) Aussicht auf Erfolg habe. Wenn die Anwälte der Klägerin ihm dies nicht suggeriert oder ihn informiert hätten, dass der PKH- Antrag ein »Schuss ins Blaue« war, hätte er im vorliegenden Rechtsstreit nicht seinen Widerklageantrag über 504.561,63 EUR gestellt. Durch die Pflichtverletzung der Klägerin sei ihm ein Schaden in Höhe der Kosten dieses Verfahrens von insgesamt 31.205,44 EUR entstanden, nämlich die Kosten für die Klägerin und seine anwaltliche Vertretung, je berechnet nach dem Streitwert der Widerklage von 504.561,63 EUR (je 10.028,72 EUR) zzgl. Gerichtsgebühren von 11.148 EUR. Ihm sei außerdem ein weiterer Schaden in Höhe von 8.914,23 EUR (entsprechend 17.434,71 DM) entstanden, der sich aus folgendem ergebe: Sein früherer S3 E E H habe sich die Auszahlung einer ihm (dem Beklagten) zustehenden Entschädigung nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz erschlichen. Da es sich insoweit um eine Unterschlagung seitens seines früheren Rechtsanwalts gehandelt habe, habe ihm ein Schadensersatzanspruch gegenüber S3 E E H in entsprechender Höhe zugestanden. Dieser Anspruch sei nicht verjährt gewesen. Dadurch, dass der für ihn tätige S3 der Klägerin diesen Anspruch nicht gegenüber S3 E E H geltend gemacht habe, sei ihm (dem Beklagten) ein Schaden von 8.914,23 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.9.1992 (gemäß Zinsberechnung in der Anl. B3, Bl. 358 GA), mithin in Höhe eines Betrags von 20.200,71 EUR bis zum 15.5.2015, entstanden. Zusammen mit dem Schaden aufgrund »dieses Prozesses« von 11.148 EUR errechneten sich 31.348,71 EUR. Sofern sich das Gericht der früheren Auffassung der Klägerin anschließe, dass das Prozesskostenhilfeverfahren im Verfahren 11 O 125/08 Aussicht auf Erfolg gehabt habe und ihm der dort beantragte Schadensersatzbetrag zuerkannt worden wäre, hafte die Klägerin in Höhe dieser Summe und die Widerklage sei begründet, mindestens hafte die Klägerin aber in Höhe von 31.348,71 EUR.

Die Klägerin widerspricht einer Zulassung der geänderten Widerklage. Sie erhebt gegenüber den mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüchen die Einrede der Verjährung und ist überdies der Ansicht, der mit der Widerklage geltend gemachte Schadensersatzanspruch (der sich nach Ansicht des Beklagten daraus ergeben solle, dass ihm durch die Erhebung der Widerklage und die antizipierte Abweisung derselben Kosten in Höhe der Rechtsanwalts- und Gerichtskosten entstanden seien), könne nur eintreten, wenn über die Widerklage mit der ursprünglichen Anspruchsbegründung zu ihren (der Klägerin) Gunsten eine juristische Sekunde vor der Widerklage mit der letzten Anspruchsbegründung entschieden würde. Dies sei allerdings prozessual ausgeschlossen, da über die Widerklage nur einmal entschieden werde.

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Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten anwaltlichen Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.

Die Akten 11 O 125/08 und 8 O 102/09 (inklusive Prozesskostenhilfehefte), jeweils Landgericht Duisburg, waren Gegenstand der Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Aufgrund des (durch die S5 T unbeschränkt eingelegten) Einspruchs des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 25.2.2015 ist der Rechtsstreit nach § 342 ZPO in die Lage vor dessen Säumnis zurückversetzt worden. Der Einspruch ist zulässig; er ist statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne der §§ 338 ff ZPO eingelegt worden. In der Sache bleibt er jedoch ohne Erfolg.

Die Klage ist zulässig und begründet. Das Versäumnisurteil vom 25.2.2015 ist deshalb hinsichtlich des Tenors zu Ziffer 1. und 2. aufrechtzuerhalten.

Die ursprünglich über einen Betrag von 504.561,63 EUR erhobene Widerklage ist mit anwaltlichem Schriftsatz (der S5 I2) zurückgenommen worden, soweit sie über den Betrag von 31.348,71 EUR hinausgeht. Zur Begründung des mit seiner Widerklage (nur noch) geltend gemachten Betrags von 31.348,71 EUR stützt sich der Beklagte allerdings nach seinem Einspruch gegen das Versäumnisurteil auch auf weitere neue Klagegründe. Da die Widerklage (mit Einwilligung der Klägerin) mit der bis zum Erlass des Versäumnisurteils vorgetragenen Klagebegründung zurückgenommen worden ist, ist das Versäumnisurteil vom 25.2.2015 mit dem Ausspruch zu Ziffer 3. des Tenors nicht aufrechtzuerhalten. Soweit die Widerklage nach Einspruch gegen das Versäumnisurteil auf weitere Klagegründe gestützt wird, stellt sie sich als unzulässige Teilklage dar und ist bereits aus diesem Grund abzuweisen.

I.

Der mit der Klage geltend gemachte Vergütungsanspruch steht der Klägerin aus §§ 675, 611 BGB aufgrund des mit dem Beklagten geschlossenen Anwaltsvertrags über dessen Vertretung im Prozesskostenhilfeverfahren zum Az. 11 O 125/08 (LG Duisburg) zu.

Soweit der Beklagte sich gegen die Klageforderung mit der Begründung wehrt, für den Antrag auf Prozesskostenhilfe habe es im Hinblick auf die Beendigung des Mandats an einer Beauftragung der Klägerin gefehlt, steht diese Behauptung im Widerspruch zum weiteren Vorbringen des Beklagten und ist damit unbeachtlich. Denn zur Begründung der Widerklage über 31.348,71 EUR behauptet der Beklagte, die S5 der Klägerin hätten ihm suggeriert, dass sein Antrag auf Prozesskostenhilfe (im Verfahren11 O 125/08) Aussicht auf Erfolg habe. Dieses Vorbringen macht ersichtlich nur Sinn, wenn der Beklagte die S5 der Klägerin entsprechend mandatiert hat. Auch die Begründung, auf die der Beklagte seine Hilfsaufrechnung gegenüber der Klageforderung stützt (- er sei »vor Mandatserteilung nicht von den Klägern darauf hingewiesen [worden], dass sich ihre Gebühren nach dem Gegenstandswert richten und auch Kosten bei einem abgelehnten Prozesskostenhilfeantrag anfallen« -), belegt, dass der Beklagte selbst von einem entsprechenden Mandat an die Klägerin ausgeht. Im Rechtsstreit war auch zunächst unstreitig, dass der Beklagte bei fehlender Deckungszusage seiner Rechtsschutzversicherung die Beantragung von Prozesskostenhilfe durch die Klägerin gewünscht hat (vgl. in diesem Zusammenhang Begründung des Beschlusses des OLG Düsseldorf vom 08.12.2014).

Der Einwand des Beklagten, dass er vor Mandatserteilung durch den für die Klägerin tätigen S3 nicht darauf hingewiesen worden sei, dass sich die Gebühren der Klägerin nach dem Gegenstandswert richten und auch Kosten bei einem abgelehnten Prozesskostenhilfeantrag anfallen, greift nicht durch. Der Beklagte kann deshalb auch nicht etwa mit Erfolg mit einem ihm vermeintlich zustehenden Schadensersatzanspruch wegen insoweit fehlerhafter anwaltlicher Beratung aufrechnen.

Dass S3 E I oder (der damals bei der Klägerin angestellte) S3 S4 für den Fall der Ablehnung der Prozesskostenhilfe unentgeltlich arbeiten würde, konnte der Beklagte nicht erwarten. Der S3 muss seinen Mandanten in der Regel nicht ungefragt über die Vergütungspflichtigkeit seiner anwaltlichen Tätigkeit und die Höhe des Honorars unterrichten. Das beruht darauf, dass der rechtliche Beratung suchende Mandant weiß oder jedenfalls wissen muss, dass der S3 seinen Beruf zur Bestreitung seines Lebensunterhalts ausübt und deshalb nicht honorarfrei tätig wird. Über die Honorarhöhe muss der S3 in der Regel nicht aufklären, weil der Rechtsanwaltsdienstvertrag ohne besondere Absprachen stets zu den Bedingungen der gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zustande kommt, die typischerweise als angemessen gelten (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.7.2007 – I-24 U 46/06, juris, Rn. 42 m.w.N).

Selbst wenn ausnahmsweise nach Treu und Glauben im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse des Beklagten gesondert über die voraussichtliche Höhe der Vergütung aufzuklären gewesen wäre, würde die Verletzung einer solchen Pflicht – ebenso wenig wie die Verletzung der Pflicht, vor Übernahme des Auftrags darauf hinzuweisen, dass sich die zu erhebenden Rechtsanwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert richten – den Vergütungsanspruch der Klägerin nicht entfallen lassen (vgl. in diesem Zusammenhang BGH, Urteil vom 24.5.2007 – IX ZR 89/06 -, juris, Rn.9 und 16).Der Beklagte kann dem Vergütungsanspruch der Klägerin auch nicht mit Erfolg anwaltliche Pflichtverletzungen entgegenhalten. Grundsätzlich gilt: Der Auftraggeber kann den aus dem Dienstvertrag herrührenden Vergütungsanspruch mangels im Dienstvertragsrecht enthaltener Gewährleistungsvorschriften nicht kraft Gesetzes wegen mangelhafter Dienstleistung kürzen (BGH, Urteil vom 4.2.2010 – IX ZR 18/09 -, juris, Rn 55). Eine Minderung der vereinbarten Vergütung ist bei einem Dienstvertrag ausgeschlossen, so dass ein S3 trotz Schlechterfüllung eines Anwaltsdienstvertrages grundsätzlich die ihm geschuldeten Gebühren verlangen kann (BGH, a.a.O., m.w.N.) Die Verpflichtung eines Auftraggebers zur Zahlung der Gebühren kann nur dann entfallen, wenn die Belastung mit der Honorarverbindlichkeit Bestandteil des aus einer Verletzung vertraglicher Pflichten resultierenden Schadens ist (BGH, a.a.O., Rn. 56 m.w.N.). Ein solcher Schadensersatzanspruch gehört daher zur Prüfung der vom Beklagten (im vorliegenden Rechtsstreit u. a. mit dieser Begründung) verfolgten Widerklage.

Der Anspruch der Klägerin ist auch der Höhe nach berechtigt. Für die Tätigkeit im Verfahren um die Gewährung von Prozesskostenhilfe erhält der Anwalt eine 1,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 3335 VV RVG aus dem Wert des beabsichtigten Hauptsacheverfahrens, der unstreitig 504.561,23 EUR betrug. Unter Berücksichtigung einer 1,0 Verfahrensgebühr nach § 13 Abs. 1 RVG (in der vom 01.01.2008 bis 31.01.2009 geltenden Fassung) von 3.146 EUR zzgl. der Pauschale für Post-und Telekommunikationsdienstleistungen gemäß Nr. 7002 VV von 20 EUR und der Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV (hier: 19 %) errechnet sich der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch von 3.767,54 EUR, der ihr im Versäumnisurteil zu Ziffer 1. zuerkannt worden ist. Die auf diesen Betrag im Versäumnisurteil zuerkannten Zinsen stehen der Klägerin als Verzugszinsen aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Spätestens nach Zugang des Antrags der Klägerin vom 01.07.2009 im Verfahren 11 O 125/08 auf Festsetzung ihrer Gebühren in Höhe der Klageforderung von 3.767,54 EUR (vom Landgericht Duisburg im genannten Verfahren am 08.07.2009 an den Beklagten abgesandt) kam der Beklagte in Zahlungsverzug. Der Verzugsschaden der Klägerin umfasst auch den zu Ziffer 2. im Versäumnisurteil zuerkannten und zutreffend berechneten Betrag für die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 402,82 EUR (1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV nach einem Streitwert von 3.767,54 EUR i.H.v. 318,50 EUR nach § 13 Abs. 1 RVG in der vom 01.01.2008 bis 31.01.2009 geltenden Fassung zuzüglich Pauschale von 20 EUR zuzüglich Umsatzsteuer). Die auf den Betrag 402,82 EUR zuerkannten Zinsen stehen der Klägerin als Rechtshängigkeitszinsen aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB zu.

II.

Die Widerklage ist – soweit sie noch Gegenstand des Rechtsstreits ist – unzulässig.

Zum einen handelt es sich (worauf die Kammer bereits mit Verfügung vom 30.09.2015 hingewiesen hat) bei der Widerklage über 31.348,71 EUR um eine unzulässige Teilklage: Der Beklagte legt dem geltend gemachten Zahlungsanspruch Einzelforderungen zugrunde, die den eingeklagten Betrag von 31.348,71 EUR in jedem Falle überschreiten. Allein die im Tatbestand beim streitigen Vortrag des Beklagten unterstrichenen beiden Beträge ergeben eine Summe von 40.119,67 EUR. Zudem hat der Beklagte zu Begründung der Widerklage über 31.348,71 EUR vortragen lassen, dass die Widerklage auch in Höhe des Betrags begründet sei, der im Prozesskostenhilfeverfahren 11 O 125/08 als Schadensersatzbetrag beansprucht worden sei, sofern sich Kammer seiner Auffassung anschließe, dass das damalige Prozesskostenhilfeverfahren Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Die vom Beklagten in dem Prozesskostenhilfeverfahren 11 O 125/08 beim Landgericht Duisburg geltend gemachten Beträge von 504.561,23 EUR und 8.913,86 EUR überschreiten in der Summe den Betrag der Widerklage von 31.348,71 EUR ebenfalls.

Bei einer (wie hier gegebenen) Teilklage, mit der mehrere selbstständige Ansprüche nur zum Teil geltend gemacht werden, muss der (Wider-) Kläger den Teilbetrag auf die einzelnen Ansprüche ziffernmäßig verteilen. Wird die fehlende Zuordnung nicht nachgeholt, ist die (Wider-) Klage als unzulässig abzuweisen. Denn ein dennoch ergehendes Sachurteil wäre der materiellen Rechtskraft nicht fähig (Saenger, Zivilprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 253 Rn. 21 m. w. N., beck online).

Trotz des Hinweises in der Verfügung vom 30.09.2015 und des nochmaligen Hinweises in der Verfügung vom 20.05.2019 hat der Beklagte nicht vorgetragen, wie sich der Betrag der Widerklage von 31.348,71 EUR zusammensetzen soll. Er hat also nicht deutlich gemacht, in welcher Reihenfolge und in welcher Höhe die geltend gemachten, den Betrag von 31.348,71 EUR in der Summe überschreitenden Ansprüche ganz oder teilweise Gegenstand der Widerklage sein sollen. Seine Teilklage ist damit unzulässig, weil der Gegenstand der Rechtskraft (§ 322 Abs.1 ZPO) des Urteils nicht hinreichend bestimmt wäre, falls die Widerklage ganz oder teilweise Erfolg gehabt hätte.

[Ohne dass es darauf ankommt, sei dieser Stelle angemerkt, dass die Klägerin im Verfahren 11 O 125/08 den Betrag der StrEG-Entschädigung  von 17.434,71 DM – umgerechnet in den Euro- Betrag – unter Hinweis auf eine Veruntreuung des Betrages durch S3 E E H sehr wohl im Rahmen des dortigen Klageantrags zu 2. geltend gemacht hat.]

Zum anderen stützt der Beklagte die Widerklage über 31.348,71 EUR gemäß Schriftsatz vom 15.05.2015 (auch) auf neue Anspruchsgründe, sodass – worauf die Kammer ebenfalls in der Verfügung vom 30.09.2015 hingewiesen hat – eine Klageänderung vorliegt, die unzulässig ist (argumentum e contrario § 263 ZPO). Die Klägerin hat der Änderung der Widerklage ausdrücklich widersprochen; die Kammer erachtet sie für nicht sachdienlich. Sachdienlich ist die (Wider-) Klageänderung bereits deshalb nicht, weil sie aus den soeben genannten Gründen eine unzulässige Teilklage darstellt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO und § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 bis 3 ZPO.

IV.

Streitwert:

bis zum 03.04.2012              3.767,54 EUR (Klage: Gebührenstufe bis 4.000 EUR)

vom 05.04.2012 bis 02.09.2015          3.767,54 EUR (Klage)

504.561,63 EUR (Widerklage)508.329,17 EUR (Gebührenstufe bis 550.000 EUR*)

ab 03.09.2015    3.767,54 EUR (Klage) 31.348,71 EUR (Widerklage) 35.116,25 EUR (Gebührenstufe bis 40.000 EUR)

(* Die Hilfsaufrechnung des Beklagten gegenüber der Klageforderung  i.H.v. 3.767,54 EUR wirkt sich auf den Gebührenrahmen nicht aus, ist aber wegen wirtschaftlicher Identität ohnehin nicht streitwerterhöhend, vgl. in diesem Zusammenhang OLG Nürnberg , Beschluss vom 18.7.2018 – 11 W 1094/18 in: BeckRS 2018, 21446, beck online.)

 

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