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Rechtsschutz gegen infektionsschutzrechtliche Verordnung  – Shisha-Pfeifen zum Konsum

OVG Lüneburg 13. Senat – Az.: 13 MN 272/20 – Beschluss vom 27.07.2020

§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Niedersächsischen Verordnung zur Neuordnung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 – Niedersächsische Corona-Verordnung – vom 10. Juli 2020 (Nds. GVBl. S. 226), berichtigt am 15. Juli 2020 (Nds. GVBl. S. 257), wird vorläufig außer Vollzug gesetzt, soweit danach Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden, für den Publikumsverkehr und Besuche geschlossen sind.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Der sinngemäß gestellte Normenkontrolleilantrag der Antragstellerin,

§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der (6.) Niedersächsischen Verordnung zur Neuordnung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 – Niedersächsische Corona-Verordnung – vom 10. Juli 2020 (Nds. GVBl. S. 226), berichtigt am 15. Juli 2020 (Nds. GVBl. S. 257), gemäß § 47 Abs. 6 VwGO vorläufig außer Vollzug zu setzen, soweit danach Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden, für den Publikumsverkehr und Besuche geschlossen sind, hat Erfolg.

Der Antrag ist zulässig (1.) und begründet (2.). Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 – 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

1. Der Antrag ist zulässig.

Rechtsschutz gegen infektionsschutzrechtliche Verordnung  - Shisha-Pfeifen zum Konsum
Symbolfoto: Von nazarovsergey/Shutterstock.com

a) Er ist nach § 47 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 75 NJG statthaft. Die (6.) Niedersächsische Verordnung zur Neuordnung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 – Niedersächsische Corona-Verordnung – vom 10. Juli 2020 (Nds. GVBl. S. 226), berichtigt am 15. Juli 2020 (Nds. GVBl. S. 257), ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 75 NJG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: Senatsbeschl. v. 31.1.2019 – 13 KN 510/18 -, NdsRpfl. 2019, 130 f. – juris Rn. 16 ff.).

b) Die Antragstellerin, die in A-Stadt das Restaurant „C.“ betreibt, in welchem normalerweise auch ein Angebot von Shisha-Pfeifen zum Konsum erfolgt, ist antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da sie geltend machen kann, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Die in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der (6.) Verordnung verfügte Schließung von Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden, lässt es möglich erscheinen, dass die Antragstellerin in dem Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. zu dieser Qualifizierung des Eingriffs: Senatsbeschl. v. 16.4.2020 – 13 MN 77/20 -, juris Rn. 29) und auch in dem durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vermittelten allgemeinen Gleichheitsgrundrecht verletzt ist. Eine darüberhinausgehende Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als einer nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition dürfte hingegen nicht vorliegen. Denn dieser Schutz erfasst nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern; die hier durch die verordnete Beschränkung betroffenen bloßen Umsatz- und Gewinnchancen werden hingegen auch unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nicht von der Eigentumsgarantie erfasst (vgl. BVerfG, Urt. v. 6.12.2016 – 1 BvR 2821/11 -, BVerfGE 143, 246, 331 f. – juris Rn. 240; Beschl. v. 26.6.2002 – 1 BvR 558/91 -, BVerfGE 105, 252, 278 – juris Rn. 79 m.w.N.).

c) Der Antrag ist zutreffend gegen das Land Niedersachsen als normerlassende Körperschaft im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerichtet. Das Land Niedersachsen wird durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vertreten (vgl. Nr. II. des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien, Vertretung des Landes Niedersachsen, v. 12.7.2012 (Nds. MBl. S. 578), zuletzt geändert am 15.9.2017 (Nds. MBl. S. 1288), in Verbindung mit Nr. 4.22 des Beschlusses der Landesregierung, Geschäftsverteilung der Niedersächsischen Landesregierung, v. 17.7.2012 (Nds. MBl. S. 610), zuletzt geändert am 18.11.2019 (Nds. MBl. S. 1618)).

2. Der Antrag ist auch begründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. „Doppelhypothese“ die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 – BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 – 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 – 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 – 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).

Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der (6.) Niedersächsischen Verordnung zur Neuordnung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 vom 10. Juli 2020 (Nds. GVBl. S. 226), berichtigt am 15. Juli 2020 (Nds. GVBl. S. 257), Erfolg. In der Hauptsache bestehen hinreichende Erfolgsaussichten (a)). Bei Versagung der vorläufigen Außervollzugsetzung der angegriffenen Norm drohten gewichtige Nachteile für die Antragstellerin (b)).

a) Der von der Antragstellerin gegen die angegriffene Verordnungsbestimmung in der Hauptsache gestellte Normenkontrollantrag 13 KN 271/20 hat voraussichtlich Erfolg.

aa) Die in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der (6.) Verordnung bestimmte Schließung von Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden, wird darin aller Voraussicht nach wegen Rechtswidrigkeit dieser Schließungsanordnung und der damit einhergehenden Verletzung der Antragstellerin in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG für unwirksam zu erklären (§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO) sein.

(1) Zwar bestehen keine Zweifel daran, dass aufgrund der Ausbreitung des Corona-Virus ein staatliches Handeln noch immer geboten ist, denn die Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlage der als Eingriff in den Schutzbereich des genannten Freiheitsgrundrechts anzusehenden Verordnungsbestimmung, der §§ 32 Satz 1, 28 Abs. 1 IfSG, sind weiterhin erfüllt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit auf seine explizit zur Schließung von Shisha-Bars bzw. Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden (vgl. die vom 22.6.2020 bis zum 12.7.2020 existent gewesene Vorläuferregelung in § 1 Abs. 3 Nr. 1 der (5.) Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus v. 8.5.2020 in verschiedenen Änderungsfassungen), ergangenen Beschlüsse vom 1. Juli 2020 – 13 MN 246/20 – (juris Rn. 20 ff.) und vom 23. Juni 2020 – 13 MN 229/20 – (juris Rn. 17 f.) Bezug. In diesen Entscheidungen hat der Senat allerdings – mangels wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Auswirkung der Nutzung von Shisha-Pfeifen auf die Übertragung von Corona-Viren über die Atemluft, die noch immer fehlen – die von den Beteiligten des vorliegenden Normenkontrolleilverfahrens erneut kontrovers diskutierte Frage offen gelassen, ob die potentielle Infektionsgefahr durch Tröpfchen und Aerosole beim Ausstoß von Atemluft während des Konsums einer Shisha-Pfeife – insbesondere wegen höherer Ausatemvolumina, längerer Konsumdauer oder im Hinblick auf den heißen Wasserdampf – gegenüber einem Ausatmen etwa in Rauchergaststätten oder beim Besuch von Saunen oder Fitnessstudios – Einrichtungen, die inzwischen allesamt bereits während der Geltungsdauer der 5. Verordnung unter Hygiene- und sonstigen Schutzauflagen schrittweise wieder geöffnet worden sind – in relevanter Weise erhöht ist (bejahend: OVG Bremen, Beschl. v. 15.6.2020 – 1 B 176/20 -, juris Rn. 36; VG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2020 – 15 E 2321/20 -, veröff. unter www.justiz.hamburg.de, S. 12 f. m.w.N.; verneinend: OVG Saarland, Beschl. v. 23.6.2020 – 2 B 222/20 -, juris Rn. 19).

(2) Selbst wenn man aber diese Frage bejahte und eine erhöhte Infektionsgefahr unterstellte, bestünden gleichwohl erhebliche Zweifel auf der Rechtsfolgenseite der den Grundrechtseingriff allenfalls deckenden Rechtsgrundlage hinsichtlich Art und Umfang der vom Antragsgegner mit § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der (6.) Verordnung nunmehr bis zum Ablauf des 31. August 2020 fortgeschriebenen Maßnahme (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 1 der (6.) Verordnung). Wie der Senat in seinem auch die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens betreffenden Beschluss vom 1. Juli 2020 – 13 MN 246/20 – (juris Rn. 26) betont hat, hat der Antragsgegner insbesondere bei jeder weiteren Fortschreibung der Verordnung hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren relevanten Schließung zu untersuchen, ob es angesichts neuer Erkenntnisse etwa zu den Verbreitungswegen des Virus oder zur Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems verantwortet werden kann, die Schließung unter – gegebenenfalls strengen – Auflagen weiter zu lockern (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 -, juris Rn. 16). Der Antragsgegner kann sich dabei nicht darauf zurückziehen, dass sein „Stufenplan“ mit der jeweils aktuellen Änderung der Verordnung abgeschlossen ist und der jetzige Stand eine „neue Normalität“ darstellt (vgl. Presseinformation vom 19.6.2020, veröffentlicht unter: www.ms.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/neue-normalitat-aber-bekampfung-von-corona-bleibt-gesamtgesellschaftliche-aufgabe-land-niedersachsen-aktualisiert-corona-verordnung-189540.html, Stand: 19.6.2020). Dem ist der Antragsgegner im Hinblick auf die Fortschreibung der bis zum 12. Juli 2020 in § 1 Abs. 3 Nr. 1 der (5.) Verordnung geregelt gewesenen Schließungsanordnung für Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden, mit Wirkung vom 13. Juli 2020 nunmehr in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der (6.) Verordnung nicht gerecht geworden.

Aktuell spricht bei der im Normenkontrolleilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage Überwiegendes dafür, dass sich die Schließungsanordnung aus dieser Vorschrift mangels Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht (mehr) als eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG erweist.

Denn die vollständige Untersagung des Betriebs von Einrichtungen mit einem Angebot von Shisha-Pfeifen zum Konsum (z.B. Shisha-Bars, Shisha-Cafés oder Shisha-Restaurants), ist aller Voraussicht nach jedenfalls nicht (mehr) erforderlich, weil den zulässigen Regelungsadressaten, den Betreibern derartiger Einrichtungen, mildere Beschränkungen auferlegt werden können, die gleichermaßen zur Förderung des legitimen öffentlichen Zwecks „Gesundheitsschutz“ (eines auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelangs (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.7.2008 – 1 BvR 3262/07 u.a. -, BVerfGE 121, 317, 350 – juris Rn. 119 m.w.N.)) geeignet wären, und zwar etwa als zusätzliche spezielle Vorgaben zu Maßnahmen im Rahmen eines für die betroffenen Gastronomiebetriebe ohnehin nach § 10 Abs. 1 Satz 1 der (6.) Verordnung verpflichtenden Hygienekonzepts zur Minimierung der Infektionsgefahren im Sinne von § 3 der (6.) Verordnung. Als derartige Bestandteile kommen insbesondere eine Pflicht zur Begrenzung und Steuerung der Zahl der Besucher, Abstandsregeln, Vorgaben für eine regelmäßige Be- und Entlüftung der Räumlichkeiten, ein Verbot der gemeinsamen Benutzung ein und derselben Shisha durch mehrere Personen zum Rauchen, eine Pflicht zur Verwendung neuer (Einweg-)Mundstücke und -schläuche bei jedem Nutzer sowie zur Reinigung und Desinfektion jeder Shisha nach Ende des Gebrauchs durch einen Nutzer, flankiert durch die Kontaktdatenerhebungs- und -dokumentationspflicht nach § 4 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Satz 3 der (6.) Verordnung, in Betracht.

Für den Senat ist inzwischen nicht ersichtlich, dass die Anwendung derartiger – kumulativ ergriffener – Maßnahmen per se ungeeignet oder weniger gut als eine Schließung geeignet wäre, auch den – unterstellt erhöhten – Infektionsgefahren im Hinblick auf eine Verbreitung des Corona-Virus in Einrichtungen mit einem Angebot von Shisha-Pfeifen zum Konsum entgegenzuwirken.

(a) Der Senat teilt bei summarischer Prüfung insbesondere nicht die vom Antragsgegner pauschal erhobene Behauptung, die Verwendung von Einwegmundstücken und -schläuchen in Shishas (mit welcher das beim Konsum von Shisha-Pfeifen an sich üblicherweise anzutreffende Teilen einer Pfeife bzw. eines Mundstücks, vgl. hierzu den Senatsbeschl. v. 23.6.2020 – 13 MN 229/20 -, juris Rn. 44, verhindert würde) stelle kein gleichwirksames milderes Mittel im Vergleich zu einer Schließungsanordnung dar, weil hierbei jedenfalls ein Kontakt des aktuellen Nutzers der Shisha mit Ausatemaerosol

oder Restspeichelflüssigkeit des Vornutzers, die potentiell infektiös seien, nicht ausgeschlossen werden könne (vgl. Antragserwiderung v. 20.7.2020, Bl. 42 der GA). Diesem Bedenken kann nämlich durch die zusätzliche Vorgabe, die von einem Vornutzer benutzte Shisha vor Gebrauch durch einen weiteren Nutzer gründlich zu reinigen und zu desinfizieren, Rechnung getragen werden. Dass sich eine solche Reinigung und Desinfektion bewerkstelligen lässt, hat die Antragstellerin durch Vorlage einer Beschreibung spezieller Shisha-Spülmaschinen glaubhaft gemacht (vgl. Bl. 50 f. der GA).

(b) Soweit der Antragsgegner generell eine Einhaltung der genannten Vorgaben als nicht kontrollierbar erachtet (vgl. Antragserwiderung v. 20.7.2020, Bl. 42 der GA) und diesen deshalb per se die gleiche Wirksamkeit wie eine Schließungsanordnung abspricht, kann dem nicht gefolgt werden. Es dürfte sich vielmehr um realistischerweise einzuhaltende und überwachbare Vorgaben handeln. Festzuhalten gilt es in diesem Zusammenhang, dass § 3 Satz 3 der (6.) Verordnung die zur Erstellung eines Hygienekonzepts Verpflichteten (das heißt die Betreiber der betreffenden Einrichtungen) zur Einhaltung des Konzepts verpflichtet und dass nach § 3 Satz 4 der (6.) Verordnung das Gesundheitsamt die Vorlage des Konzepts und Auskunft zu dessen Umsetzung verlangen kann. Soweit im Rahmen dieser Überwachung Verstöße durch einzelne Betreiber von Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden, festgestellt werden sollten, kommt ein behördliches Einschreiten im Einzelfall nach Infektionsschutzrecht im Einzelfall oder nach Gaststättenrecht in Betracht.

(c) Schließlich ist zu berücksichtigen, dass aus den anderen Bundesländern, in denen insbesondere Shisha-Bars bereits seit Mai 2020 unter Hygieneauflagen wieder geöffnet sind, bislang keine Hinweise darauf bekannt geworden sind, dass Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden, sich als „Hotspots“ für die Verbreitung des Corona-Virus erwiesen hätten. Auch aus bisherigen Ereignissen in Niedersachsen lässt sich Gegenteiliges nicht ableiten. Die erstmalige Schaffung einer Schließungsanordnung für „Shisha-Bars“ in Niedersachsen zum 8. Juni 2020 durch Art. 1 der Verordnung zur Änderung der (5.) Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 5. Juni 2020 (Nds. GVBl. S. 147) und die nachfolgende Konkretisierung mit Wirkung vom 22. Juni 2020 auf „Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden,“ durch Art. 1 der Verordnung zur Änderung der (5.) Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 19. Juni 2020 (Nds. GVBl. S. 155), die der Senatsbeschluss vom 1. Juli 2020 – 13 MN 246/20 -, juris Rn. 21) chronologisch dargestellt hat, gingen zwar auf ein erhebliches Infektionsgeschehen in Göttingen, bei welchem einige der hiervon betroffenen Bewohner eines Hochhauses auch eine (damals illegal geöffnet gewesene) Shisha-Bar in Göttingen besucht hatten, zurück. Jedoch waren diese Besuche ersichtlich nicht unter den Bedingungen eines oben umrissenen speziellen Hygienekonzepts erfolgt.

bb) Darauf, ob in der Schließungsanordnung für Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden, zudem – etwa wegen der von der Antragstellerin u.a. geltend gemachten Ungleichbehandlung mit Saunen, Fitnessstudios sowie Gaststätten und sonstigen Gastronomiebetrieben, in denen geraucht werden darf – ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG liegt (bejahend für Letztere für die saarländische Rechtslage OVG Saarland, Beschl. v. 23.6.2020 – 2 B 222/20 -, juris Rn. 13 ff.) und die Antragstellerin daher in ihrem damit korrespondieren Gleichheitsgrundrecht verletzt ist, kommt es im vorliegenden Verfahren nicht mehr an.

b) Gewichtige Nachteile für die in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzte Antragstellerin bei einem Unterbleiben der begehrten Außervollzugsetzung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der (6.) Verordnung resultierten aus der nunmehr bereits seit dem 8. Juni 2020 und absehbar für einen längeren Zeitraum in der Zukunft – bis zum 31. August 2020 (§ 30 Abs. 1 Satz 1 der (6.) Verordnung) – geltenden Schließung ihres Restaurants „C.“ in A-Stadt in der ursprünglichen Form, die mit einem erheblichen Umsatzverlust und Gewinneinbruch einherginge.

Zwar erschöpft sich die Belastung weiterhin darin, dass die Antragstellerin rechtlich daran gehindert wird, Shisha-Pfeifen zum Konsum feilzuhalten; es ist ihr hingegen nicht untersagt, Speisen, Getränke und Begleitunterhaltung anzubieten (vgl. zum konkreten Regelungsinhalt der zuletzt mit § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der 6. Verordnung wortgleichen Vorgängerregelung in § 1 Abs. 3 Nr. 1 der 5. Verordnung den Senatsbeschl. v. 23.6.2020 – 13 MN 229/20 -, juris Rn. 8 f.).

Berücksichtigt man jedoch, dass das – derzeit weiterhin nicht realisierbare – Angebot eines Konsums von Shisha-Pfeifen einen prägenden Aspekt des unternehmerischen Konzepts und der wirtschaftlichen Tätigkeit der Antragstellerin sowie einen Kern ihrer Marke darstellt, der für die Nachfrage durch den speziellen Kundenkreis, auf den ihr Gaststättenbetrieb in der ursprünglichen Form abzielt, von großer Bedeutung ist (vgl. zu diesen Eigenheiten von Shisha-Bars Senatsbeschl. v. 27.5.2019 – 13 OA 134/19 -, juris Rn. 6), wie sich auch in dem durch eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin vom 14. Juli 2020 (Bl. 12/12R der GA) glaubhaft gemachten Umsatzrückgang auf 15% des ursprünglichen Umfangs zeigt, so ist der Senat angesichts der durch Soforthilfen in Höhe von 35.000 EUR allenfalls für knapp zwei Monate gedeckten Fixkosten (23.005 EUR monatlich) und nicht zuletzt im Hinblick auf das längere zeitliche Andauern der genannten Belastungswirkung nunmehr abweichend von der in seinem Beschluss vom 1. Juli 2020 – 13 MN 246/20 -, juris Rn. 25, getroffenen Bewertung der Auffassung, dass die beschriebenen Nachteile in der Gesamtschau als schwerwiegend zu erachten sind und damit jetzt eine vorläufige Außervollzugsetzung der angegriffenen Norm nach § 47 Abs. 6 VwGO gebieten.

3. Die einstweilige Außervollzugsetzung wirkt nicht nur zugunsten der Antragstellerin in diesem Verfahren; sie ist allgemeinverbindlich (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 611). Der Antragsgegner hat die hierauf bezogene Entscheidungsformel in entsprechender Anwendung des § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO unverzüglich im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 – 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. – juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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