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Rechtsschutz gegen schulische Ordnungsmaßnahme

VG Berlin – Az.: 3 K 500.10 – Beschluss vom 17.12.2010

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.

Gründe

Der Antrag der 15-jährigen Klägerin, ihr für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, mit dem sie sich gegen eine ihr gegenüber ergangene Ordnungsmaßnahme wendet, war abzulehnen, weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 166 VwGO, 114 ZPO).

Die Klage richtet sich gegen den durch Widerspruchsbescheid der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung vom 29. Juli 2010 bestätigten Bescheid der O.-Schule (Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe) vom 20. Mai 2010, mit dem der Klägerin wegen verschiedener Regelverstöße während einer vom 24. April bis 8. Mai 2010 durchgeführten Schülerfahrt in die Türkei ein schriftlicher Verweis erteilt und ihr das Halten eines Referats sowie die Ableistung einer sozialen Arbeit in der Schule aufgegeben wurden. Diese Maßnahmen hatte der Jahrgangsausschuss der O.-Schule in einer Konferenz vom 18. Mai 2010 nach Anhörung der Klägerin und ihrer Mutter beschlossen. Im Wesentlichen lag dieser Entscheidung der – von der Klägerin nicht bestrittene – Vorwurf zugrunde, sie habe die an einem Tag der Schülerreise bis 20.00 Uhr gewährte Freizeit um zwei Stunden überzogen und sich in einem Nachbarort tätowieren lassen.

Rechtsschutz gegen schulische Ordnungsmaßnahme
(Symbolfoto: Von Just dance/Shutterstock.com)

Nach der im vorliegenden Verfahren nur gebotenen und möglichen summarischen Prüfung bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die mit der Klage angegriffene Maßnahme. Bei dem Verweis handelt es sich um eine Ordnungsmaßnahme nach § 63 Abs. 2 Nr. 1 SchulG, die verhängt werden kann, soweit Erziehungsmaßnahmen nach § 62 SchulG nicht zu einer Konfliktlösung geführt haben oder keine Aussicht auf Erfolg versprechen. Die weiteren Maßnahmen sind Erziehungsmaßnahmen gemäß § 62 Abs. 2 SchulG, die dort nicht abschließend aufgeführt sind.

Entgegen der Ansicht der Klägerin war der hier unter Vorsitz der Schulleiterin, Frau H., tagende Jahrgangsausschuss zuständig; denn bei der von der Klägerin besuchten Schule handelt es sich um eine Gesamtschule, bei der die Aufgaben der Klassenkonferenz (zu denen gemäß § 63 Abs. 5 Satz 1 auch die Verhängung einer Ordnungsmaßnahme der hier vorliegenden Art gehört) durch die Jahrgangskonferenz oder die Semesterkonferenz wahrgenommen werden, die jeweils Ausschüsse bilden können, wobei der Schulleiter den Vorsitz führt (§ 81 Abs. 2 Satz 1 SchulG). Schüler- und die Elternvertretung waren gemäß § 82 Abs. 5 Satz 2, 1. Halbsatz SchulG nicht zu beteiligen. Da sich die Wahrnehmung des Vorsitzes aus § 81 Abs. 2 SchulG ergibt und keine Wahl voraussetzt, geht der Einwand der Klägerin, die Wahl des Vorsitzes sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, ins Leere.

Die nach § 63 Abs. 4 SchulG erforderliche Anhörung der Klägerin und ihrer Erziehungsberechtigten wurde gewährleistet. Dazu reicht es aus, dass den Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung zu der in Betracht gezogenen Maßnahme und deren entscheidungserheblichen Grundlagen gegeben wird. Zu der Konferenz vom 18. Mai 2010 wurden die Eltern der Klägerin mit einem an „Fam. Voigt“ adressierten Schreiben geladen. Als Anlass wurde darin genannt: „Gehäufte Regelverstöße auf der Türkeifahrt“ sowie „Tätowieren während der Fahrt“. Anwesend waren auf der Konferenz die Klägerin, ihre Mutter sowie deren Lebensgefährte. Abgesehen davon, dass eine schriftliche Einladung nicht geboten war, zeigt die Klägerin einen relevanten Anhörungsmangel nicht dadurch auf, dass sie den Zugang des Einladungsschreibens bestreitet; denn sie und ihre Mutter wurden offensichtlich zuverlässig über die bevorstehende Konferenz und die dabei gewünschte Anwesenheit unterrichtet. An einer Entscheidung war der Jahrgangsausschuss auch nicht dadurch gehindert, dass der leibliche Vater der Klägerin der Einladung nicht gefolgt war; denn es konnte davon ausgegangen werden, dass er ebenso wie deren Mutter entsprechend unterrichtet war, von der Möglichkeit der Teilnahme jedoch keinen Gebrauch machen wollte. Dafür spricht, dass nach einem Vermerk der Kerngruppenleiterin vom 24. Juni 2010 eine Zusammenarbeit mit den Eltern der Klägerin in der Vergangenheit stets unproblematisch war, weil diese gegenüber der Schule immer wieder versichert hatten, sich untereinander zu verständigen und über die schulischen Belange der Klägerin zu unterrichten. Anspruch auf Teilnahme eines Rechtsbeistandes an der Konferenz hatte die Klägerin nicht. Dies ergibt sich daraus, dass § 14 VwVfG, der es einem Beteiligten erlaubt, zu Verhandlungen und Besprechungen mit einem Beistand zu erscheinen (Abs. 4), gemäß § 2 Abs. 2 VwVfG Bln für den Bildungsbereich nicht gilt, der gemäß § 2 Abs. 1 VwVfG Bln auch den Bereich des Schulwesens umfasst (vgl. hierzu bereits Beschluss der Kammer vom 11. März 2004 – VG 3 A 155.04 -).

Nicht durchzudringen vermag die Klägerin mit dem Einwand, sie sei mit den gegen sie erhobenen Vorwürfen vor Erlass der Maßnahme nicht näher konfrontiert worden. Bereits das Einladungsschreiben zu der Konferenz kündigte an, dass neben dem Vorfall des Tätowierens weitere gehäufte Regelverstöße Gegenstand der Ausschusssitzung sein würden. Allein mit dem unsubstantiierten Bestreiten des Zugangs dieses Schreibens kann die Klägerin nicht belegen, insoweit im Unklaren gelassen worden zu sein. Auch in dem Protokoll der Konferenz wurde festgehalten, dass neben dem Vorfall des Tätowierens weitere Regelverstöße, wie (Un-)Pünktlichkeit und Rauchen sowie massives Zuspätkommen Beratungsgegenstand waren. Erforderlich ist nicht, dass diese Vorfälle noch detaillierter in dem Protokoll hätten festgehalten werden müssen, zumal die Klägerin sie auch der Sache nach nicht bestritten hat. Selbst wenn diese Vorwürfe erstmals im Widerspruchsbescheid hinsichtlich Tag und Uhrzeit präzisiert und hinsichtlich eines Vorfalls ergänzt wurden, bei dem die Klägerin zu einer Wanderung während der Türkeifahrt verspätet und ohne ausreichenden Wasservorrat erschienen sei, ändert dies nichts daran, dass die angefochtenen Maßnahmen sich maßgeblich darauf stützen, dass die Klägerin eigenmächtig länger als ihr erlaubt worden war der Gruppe fern blieb und, ohne eine Einwilligung ihrer Eltern vorweisen zu können, sich tätowieren ließ.

Der der Klägerin erteilte Verweis und die in diesem Zusammenhang gegen sie verhängten Erziehungsmaßnahmen erscheinen hierdurch gerechtfertigt, insbesondere kann von einer Unverhältnismäßigkeit nicht die Rede sein. Ausweislich des Schülerbogens war die Klägerin bereits seit dem Jahre 2007 durch wiederholte Disziplinverstöße aufgefallen und entsprechend abgemahnt worden. Dies betraf Verstöße gegen das Rauchverbot, unentschuldigtes Fehlen, zahlreiche Verspätungen, unzureichende Vorbereitung auf den Unterricht, nicht mitgebrachte Arbeitsmaterialien, verweigerte Mitarbeit und gezielte Störung im Unterricht, Verstoß gegen das Verbot der Benutzung eines Handys. Allein hierin zeigt sich, dass die Einschätzung des Jahresgangsausschusses, dass bloße weitere Erziehungsmaßnahmen zu keiner Verhaltensänderung führen würden, nicht zu beanstanden ist. Damit hat der Jahrgangsausschuss erkennbar der Tatsache Rechnung getragen, dass Regelverstöße von Schülern während einer schulischen Veranstaltung wie einer Klassenfahrt schwerer wiegen und konsequenter zu ahnden sind; denn es liegt auf der Hand, dass es bei einer solchen schulischen Veranstaltung in ganz besonderem Maße darauf ankommt, dass die hier – zumal im Ausland erhöhten Aufsichtspflichten und nur begrenzten – weil schwerer als im normalen Schulbetrieb durchsetzbaren – Einwirkungsmöglichkeiten der die Schüler begleitenden Lehrpersonen nicht durch undiszipliniertes und die Autorität dieser Lehrpersonen missachtendes Verhalten einzelner Schüler konterkariert werden und damit der Erfolg der Klassenreise gefährdet wird. Ausweislich eines Vermerks der Schulleiterin war es zu Überlegungen der die Schüler begleitenden Lehrkräfte gekommen, wegen des erwähnten Vorfalls die Fahrt abzubrechen.

Insbesondere der gegen die Klägerin erhobene Vorwurf, die Situation der Klassenfahrt ausgenutzt zu haben, um sich eigenmächtig tätowieren zu lassen, ließ eine Ordnungsmaßnahme notwendig erscheinen. Die Klägerin war während der Klassenfahrt der Obhut der die Schüler begleitenden Lehrkräfte anvertraut und daher in besonderem Maße verpflichtet, es nicht zu Konflikten kommen zu lassen, die den Vorwurf einer Verletzung der Aufsichtspflicht nahelegen könnten. Dadurch, dass sich die Klägerin während der Klassenreise tätowieren ließ und sich damit ohne Einwilligung ihrer Eltern einem Eingriff in ihre körperliche Integrität unterzog, der durchaus mit nicht unerheblichen Risiken behaftet war (Gefahr von Infektion und Narbenbildung) beschädigte sie das für den Erfolg der Reise unverzichtbare Vertrauensverhältnis zwischen Schülern und Lehrern derart, dass es angemessen erscheint, es nicht zuletzt auch aus generalpräventiven Erwägungen nicht bei einer Erziehungsmaßnahme bewenden zu lassen.

Der Beklagte hat darüber hinaus zutreffend dargelegt, dass die vorgesehene Aufnahme des Verweises in das Zeugnis zulässig und nicht unverhältnismäßig ist, zumal es sich nicht um ein Abgangs- oder Abschlusszeugnis handelt.

Soweit sich die Klägerin gegen die ihr auferlegte Pflicht, ein Referat über die mögliche gesundheitliche Gefährdung beim Tätowieren zu halten und nach Absprache mit der Kerngruppenleitung eine soziale Arbeit in der Schule zu verrichten, begehrt sie ohne Aussicht auf Erfolg feststellen zu lassen, dass sie dazu nicht habe verpflichtet werden dürfen. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist das Vorgehen der Schule auch insoweit nicht rechtswidrig, etwa weil es – so die Klägerin – an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung fehle. Um Ordnungsmaßnahmen im Sinne des § 63 SchulG handelt es sich insoweit nicht. Die in § 62 SchulG für Erziehungsmaßnahmen vorgesehene Rechtsgrundlage ist insoweit ausreichend.

 

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