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Rechtsschutzversicherung – Deckung für Mehrvergleich

LG Wuppertal, Az.: 9 S 72/18, Urteil vom 11.10.2018

Gründe

I.

Die Klägerin unterhielt im streitgegenständlichen Zeitraum eine Rechtsschutzversicherung bei der Beklagten. In den einschlägigen „Allgemeinen Bedingungen … “ (Bl. 95 ff. d.A.) hieß es im Kap. 1 „Inhalt der Rechtsschutzversicherung“ u.a.§ 4 Voraussetzungen für den Anspruch auf Rechtsschutz (1) Anspruch auf Rechtsschutz besteht nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles … c) in allen anderen Fällen von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll. … § 5 Leistungsumfang (1) Der Versicherer … trägt a) bei Eintritt des Rechtsschutzfalles … die Vergütung … .,c) die Gerichtskosten … ,i) Kosten, die bei einer einverständlichen Erledigung entstanden sind, soweit sie dem Verhältnis des vom Versicherungsnehmer angestrebten Ergebnisses zum erzielten Ergebnis entsprechen, … Der Eintritt eines Rechtsschutzfalles ist auch bei mit erledigten Angelegenheiten erforderlich, … § 17 Verhalten bei und nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles (1) Wird die Wahrnehmung rechtlicher Interessen des Versicherungsnehmers nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles erforderlich, hat era) dem Versicherer den Rechtsschutzfall unverzüglich … anzuzeigen; … (6) Wird eine der in den Abs. 1 oder 5 genannten Obliegenheiten vorsätzlich verletzt, verliert der Versicherungsnehmer seinen Versicherungsschutz. Bei grob fahrlässiger Verletzung einer Obliegenheit ist der Versicherer für berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechend dem Verhältnis zu kürzen. … Im Jahre 2015 wollte die … das Arbeitsverhältnis mit der bei ihr beschäftigten Klägerin beenden. Sie drohte eine betriebsbedingte Kündigung an und bot einen Aufhebungsvertrag (Bl. 33 ff. d.A.) an. Die Klägerin beauftragte daraufhin ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten. Die Beklagte sagte Deckungsschutz für den Streit um den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu. Nach mehrwöchigen Verhandlungen kam ein Aufhebungsvertrag mit der Arbeitgeberin zu Stande, der Zusatzvereinbarungen enthielt (Bl. 49 ff. d.A.). Der Gegenstandswert des Streites über den Bestand des Arbeitsverhältnisses belief sich auf 17.349,75 EUR, während die der Klägerin unter dem 21.08.2015 erteilte anwaltliche Gebührenrechnung (Bl. 82 d.A.) über 6.773,48 EUR auf einem Gegenstandswert von 85.856,61 EUR beruhte. Ausgehend von dem erstgenannten Gegenstandswert zahlte die Beklagte 3.086,76 EUR. Die Klägerin, die zur Vorbereitung ihrer Replik eine Kopie der Versicherungsbedingungen erbeten hatte, hat unter Berücksichtigung eines im vorangegangenen Mahnverfahren zunächst außer Acht gelassenen Selbstbehaltes von 250 EUR Freistellung von der restlichen Gebührenforderung i.H.v. 3.436,72 EUR verlangt. Die Rechtsschutzversicherung müsse auch diejenigen Angelegenheiten umfassen, die mit der den Versicherungsfall begründenden Angelegenheit in einem engen Zusammenhang stehen würden. Entgegenstehende Versicherungsbedingungen seien unwirksam. Zumindest ein Teil der im Gesamtvergleich mit geregelten Angelegenheiten hätte seinerseits selbst einen Versicherungsfall ausgelöst.Das Amtsgericht hat der Klage ausgehend von einem anzusetzenden Gesamtstreitwert von 28.916,25 EUR nur i.H.v. 794,92 EUR stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Nicht verlangen könne die Klägerin solche Anwaltsgebühren, die im Zusammenhang mit der vergleichsweisen Erledigung nicht streitiger Ansprüche entstanden seien. Nach §§ 4 Abs. 1 c, 5 Abs. 1 i ARB sei ein Versicherungsfall nur dann eingetreten, wenn und soweit ein Verstoß gegen Rechtspflichten begangen worden sein solle. Diese Regelung sei auch nicht unwirksam. Die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des BGH habe sich auf ältere, hier nicht relevante Versicherungsbedingungen bezogen, die unklar gewesen seien, während die hiesige Formulierung unmissverständlich sei. Die Klausel sei auch nicht überraschend. Durch die Begrenzung der Versicherungsleistung werde die Brauchbarkeit des Vertrages für den Versicherungsnehmer nicht infrage gestellt, da es ihm letztlich freistehe, ob und inwieweit er eine vom Deckungsschutz erfasste Vereinbarung um solche Elemente ergänzen wolle, für die es keinen Versicherungsschutz gebe. Die Klausel benachteilige die Klägerin auch nicht unangemessen, da ein umfassenderer Versicherungsschutz notwendigerweise mit entsprechend höheren Prämien hätte einhergehen müssen.Hinsichtlich verschiedener, im Einzelnen vom Amtsgericht dargestellter Positionen sei kein Versicherungsfall eingetreten, da ein verletzter Rechtsanspruch der Klägerin von vornherein nicht in Betracht gekommen sei.Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. § 5 Abs. 1 i ARB sei überraschend, da sie von den üblichen allgemeinen Rechtsschutzbedingungen und der Rechtsprechung abweiche, womit der Versicherungsnehmer nicht rechnen müsse. Die Berücksichtigung der mitverglichenen Punkte sei essenziell für das Zustandekommen der vergleichsweisen Einigung. Zudem benachteilige die Klausel die Klägerin unangemessen. Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses sei ein komplexer Prozess, bei dem der Versicherungsnehmer im Bereich des Arbeitsrechtsschutzes darauf vertrauen dürfe, dass die anwaltlichen Tätigkeiten zum Abschluss eines solchen Aufhebungsvertrages auch einheitlich der Deckung unterliegen würden. Die Rechtsprechung des BGH sei nach wie vor einschlägig. Im Übrigen seien alle Positionen Angelegenheiten, die einen Versicherungsfall darstellen würden. Sie seien streitig verhandelt worden.In der mündlichen Verhandlung vom 11.10.2018 hat die Klägerin u.a. ausgeführt, die Arbeitgeberin habe schon dadurch Ansprüche der Klägerin abgelehnt, dass sie in ihrem Aufhebungsvertrag keine entsprechenden Regelungen vorgesehen habe.Im Übrigen wird von der Darstellung eines Tatbestandes gemäß §§ 540 II, 313a ZPO, 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO abgesehen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung; § 513 ZPO. Ein weitergehender Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag als vom Amtsgericht zuerkannt besteht nicht.Dabei ist schon sehr zweifelhaft, ob und inwieweit bei einem Mehrvergleich eine Streitwerterhöhung anzunehmen ist (vgl. LAG Schleswig-Holstein, 1 Ta 4/14; LAG Düsseldorf, 17 Ta 499/05; beide bei juris). Insbesondere das LAG Köln (4 Ta 132/16, juris) hat hierzu überzeugend ausgeführt: „Grundsätzlich gilt zum gebührenrelevanten Mehrwert eines Vergleichs, dass ein Vergleichsmehrwert nur anfällt, wenn durch den Vergleichsabschluss ein weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Streit erledigt und/oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt werden. Der Wert des Vergleichs erhöht sich nicht um den Wert dessen, was die Parteien durch den Vergleich erlangen oder wozu sie sich verpflichten (Streitwertkatalog vom 05.04.2016, I. 22.1). … Danach ergibt sich der Wert eines Vergleichs aus dem Wert der rechtshängigen und nichtrechtshängigen Ansprüche, die erledigt werden und nicht aus dem Wert dessen, was die Parteien aus dem Vergleich erlangen oder welche Leistungen sie zum Zwecke der Erledigung der Streitpunkte übernehmen. … Der Streitwert eines Vergleichs ist – anders ausgedrückt – gleichbedeutend mit dem Wert der Streitgegenstände, die durch den Vergleich beigelegt werden. Er ist nicht gleichbedeutend mit dem Wert der Leistungen, die sich die Parteien in dem Vergleich im Wege des gegenseitigen Nachgebens gegenseitig versprechen. … Dass auch eine sog. „Sprinterklausel“, durch die bei vorzeitigem Ausscheiden die Abfindung erhöht wird, nicht zu einem Vergleichsmehrwert führt, ist ebenfalls Gegenstand des Streitwertkataloges (I. 22.1.1.).“ Dies zugrunde gelegt, wäre die Berufung schon deshalb zurück zu weisen. Das bedarf aber keiner näheren Ausführungen, da die Berufung ohnehin ohne Erfolg bleibt.Versicherungsschutz besteht nämlich nach §§ 4 Abs. 1 c), 5 Abs. 1 a) und i) der Allgemeinen Bedingungen im Falle eines Mehrvergleichs nur für solche mit erledigten Angelegenheiten, bei denen selbst ein Rechtsschutzfall vorgelegen hatte. Diese Leistungseinschränkung ist wirksam und greift vorliegend auch ein.Die vom Kläger bemühte Entscheidung des BGH (IV ZR 145/04, bei juris) ist nicht behilflich. Der BGH hat dort eine Einschränkung des Versicherungsschutzes deshalb abgelehnt, weil die einschlägigen Bestimmungen eine solche nicht ausdrücklich vorsahen und ein Versicherungsnehmer nicht davon ausgehen müsse, dass hinsichtlich der weiteren in die Erledigung einbezogenen Gegenstände bereits ein konkreter Rechtsschutzanspruch gegeben sein müsste. Demgegenüber sehen die im Streitfall einschlägigen Versicherungsbedingungen ausdrücklich die Einschränkung vor, dass auch bei mit erledigten Angelegenheiten der Eintritt eines Rechtsschutzfalles erforderlich ist. Diese Regelung ist nicht überraschend oder mehrdeutig im Sinne von § 305 c BGB. So wie die Einschränkung formuliert ist, kann sie nur den Sinn haben, dass auch für die mit erledigten Angelegenheiten jeweils ein eigener Rechtsschutzfall vorliegen muss, da es neben diesen eine andere Angelegenheit geben muss, die zunächst oder hauptsächlich Gegenstand der Erledigung durch gütliche Einigung wird und die selbstverständlich einen Rechtsschutzfall darstellen muss.Die in Rede stehende Klausel hält auch der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB stand. Sie beinhaltet keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers. Wie notwendig eine Regelung zur Risikobegrenzung des Versicherers ist, zeigt vielmehr der im vorliegenden Streitfall auf ca. 500 % erhöhte Gegenstandswert für die gütliche Einigung im Vergleich zum Gegenstandswert des eigentlichen Rechtsschutzfalles. Im Ergebnis wird die Auffassung der Kammer z.B. auch vom OLG Schleswig-Holstein geteilt (16 U 97/17, anscheinend nicht veröffentlicht).Die Leistungseinschränkung ist im Streitfall auch maßgeblich. Der Kläger hat auch im Berufungsrechtszug nicht dargelegt, dass wegen der weiteren mit erledigten Gegenstände, welche vom Amtsgericht nicht streitwerterhöhend berücksichtigt worden sind, jeweils ein Rechtsschutzfall vorgelegen hatte. Ergänzend kann auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil zur Vermeidung bloßer Wiederholungen Bezug genommen werden. Ob das Vorbringen der Klägerin aus der mündlichen Verhandlung vom 11.10.2018 überhaupt i.S.v. § 531 ZPO zulässig ist, kann unterstellt werden, da es an der Beurteilung nichts ändert. Alleine dadurch, dass die Arbeitgeberin bestimmte Fragen in ihrem Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages nicht von sich aus angesprochen hatte, sind diese nicht streitig im Sinne der Versicherungsbedingungen geworden. Davon abgesehen hatte die Klägerin entgegen § 17 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen die nach ihrer Auffassung vorliegenden weiteren Rechtsschutzfälle gerade nicht der Beklagten unverzüglich angezeigt. Sie war zu dieser Zeit auch gegenüber der Beklagten anwaltlich vertreten. Ein vorsätzlicher Verstoß gegen die genannte Obliegenheit führt zum Verlust des Versicherungsschutzes. Hierauf ist die Klägerin am 11.10.2018 hingewiesen worden, wobei eine Protokollierung versehentlich unterblieb.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 3.000 EUR (§§ 43 I, 48 I GKG, 6 S. 1 ZPO)Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 I Nr. 1, II ZPO), bestand nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.Eine grundsätzliche Bedeutung ist nämlich nur dann zu bejahen, wenn die Entscheidung der Sache von einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt, die über den konkreten Rechtsstreit hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre oder den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist (BGH, IV ZR 543/15, bei juris). Anlass zur Fortbildung des Rechts durch Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze im Sinne von § 543 II 1 Nr. 2, 1. Alt. ZPO besteht nur dann, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (BGH, V ZR 291/02, bei juris).

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