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Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten – Arbeitnehmereigenschaft

LAG Berlin-Brandenburg

Az.: 10 Ta 1906/12

Beschluss vom 27.12.2012


1. Die (sofortige) Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 19.9.2012 – 39 Ca 11999/12 – wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1.

Die Parteien streiten über die Beendigung eines oder mehrerer Vertragsverhältnisse des Klägers durch die Kündigung des Insolvenzverwalters über das Vermögen der L. für Menschen mit .., der……….

Unter dem 1.1.2006 schloss der Kläger einen Dienstvertrag mit der L. für Menschen mit B. gGmbH. Diese gründete verschiedene Tochterunternehmen, zumindest die L…………….., bei denen der Kläger ebenfalls zum Geschäftsführer bestellt wurde. Schriftliche Verträge dazu oder andere schriftliche Verträge zwischen dem Kläger und den Tochtergesellschaften wurden nicht geschlossen.

Der Kläger behauptet, er habe mit der ……… jeweils mündlich eigenständige Arbeitsverträge zeitlich vor und unabhängig von seiner dortigen Geschäftsführerbestellung geschlossen. Die inhaltlichen Regelungen des Dienstvertrages mit der L. für Menschen mit B. gGmbH hätten auch für die mündlich mit den Tochtergesellschaften geschlossenen Arbeitsverträge gegolten.

Mit Beschluss vom 19.9.2012 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Berlin verwiesen. In der Begründung hat das Arbeitsgericht wesentlich darauf abgestellt, dass aufgrund der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG unabhängig von der Frage, wie welches Rechtsverhältnis zu qualifizieren sei, die Gerichte für Arbeitssachen nicht zuständig seien, da die streitigen Rechtsverhältnisse keine weitere Rechtsbeziehung betroffen hätten, sondern jeweils der Geschäftsführerbestellung zugrunde gelegen hätten. Entsprechendes gelte für das Verhältnis des Klägers zu den drei hier in Rede stehenden Tochtergesellschaften. Obwohl der Kläger insoweit den Abschluss mündlicher Arbeitsverträge behauptet habe. Denn auch diese Verträge seien wiederum alleinige vertragliche Basis zum jeweiligen Unternehmen und zugleich Grundlage der Geschäftsführerbestellung.

Gegen diesen dem Klägervertreter am 24.9.2012 zugestellten Beschluss hat dieser unter dem 3.10.2012 (sofortige) Beschwerde erhoben. Der Kläger hat behauptet, dass die Geschäftsführerbestellung in den Tochtergesellschaften nicht auf der Grundlage des Dienstvertrages vom 1.1.2006 erfolgt sei und die abgeschlossenen Verträge zwar unter Verstoß gegen das Nachweisgesetz, aber als Arbeitsverträge zustande gekommen seien. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG greife insoweit nicht. Die Bestellung zum Geschäftsführer der Tochtergesellschaften sei später erfolgt. Diese habe lediglich zu einem Ruhen der Arbeitsverhältnisse geführt. Die Abberufung als Geschäftsführer sei unter dem 19.6.2012 erfolgt, die Kündigung erst am 10.7.2012. Damit seien in der Zwischenzeit die ruhenden Arbeitsverträge wieder aufgelebt. Schließlich habe das Arbeitsgericht im Lichte des Verstoßes gegen das Nachweisgesetz auch die Darlegungs- und Beweislast zum Bestehen der Arbeitsverhältnisse verkannt.

Auf einen Hinweis des Beschwerdegerichts, dass der Kläger bislang keine Tatsachen vorgetragen habe, die die Annahme eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen würden, hat der Kläger lediglich angemerkt, dass das tatsächliche Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses nicht im Rahmen des Verfahrens über die Rechtswegbestimmung zu prüfen sei. Hierbei sei nur die Schlüssigkeit des klägerischen Vorbringens zugrunde zu legen.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Mit Beschluss vom 21.11.2012 hat es ausgeführt, dass die behauptete Tatsache, dass der Kläger auch mündliche Arbeitsverträge mit den drei Tochtergesellschaften gehabt habe, nicht dazu führe, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet sei. Es sei vielmehr zu vermuten, dass die Geschäftsführertätigkeit der vertraglichen Übereinkunft entsprochen habe. Ein anderer Vertragsinhalt könne dem klägerischen Vorbringen nicht entnommen werden. Es fehle an der erforderlichen weiteren Rechtsbeziehung der Vertragsparteien.

Die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung zur Unzulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen bezüglich der Tätigkeit des Klägers bei der L. für Menschen mit B. gGmbH sowie die diesbezügliche Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Berlin hat der Kläger am 7.12.2012 zurückgenommen.

2.

Damit war nur noch über den Rechtsweg hinsichtlich der Kündigung des Insolvenzverwalters über das Vermögen der ……. zu entscheiden.

2.1

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sind Arbeitnehmer Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten jedoch in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind. Für einen Rechtsstreit zwischen dem Vertretungsorgan und der juristischen Person sind nach dieser gesetzlichen Fiktion die Gerichte für Arbeitssachen nicht berufen. Die Fiktion der Norm gilt auch für das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis. Sie greift unabhängig davon ein, ob das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist (vgl. zuletzt BAG, Beschluss vom 26.10.2012 – 10 AZB 60/12). Auch wenn ein Anstellungsverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Mitglied des Vertretungsorgans wegen dessen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist und deshalb materielles Arbeitsrecht zur Anwendung kommt, sind zur Entscheidung eines Rechtsstreits aus dieser Rechtsbeziehung die ordentlichen Gerichte berufen (BAG Beschlüsse vom 29.5.2012 – 10 AZB 3/12, vom 23.8.2012 – 10 AZB 51/10, vom 15.3.2011 – 10 AZB 32/10). An der Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte ändert es nichts, wenn zwischen den Prozessparteien streitig ist, wie das Anstellungsverhältnis zu qualifizieren ist (BAG, Beschluss vom 6.5.1999 – 5 AZB 22/98). Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG soll sicherstellen, dass die Mitglieder der Vertretungsorgane mit der juristischen Person selbst dann keinen Rechtsstreit im „Arbeitgeberlager“ vor dem Arbeitsgericht führen, wenn die der Organstellung zugrunde liegende Beziehung als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist (BAG, Beschluss vom 20.8.2003 – 5 AZB 79/02). Für Ansprüche der Klagepartei aus dem der Geschäftsführertätigkeit zugrunde liegenden Vertrag sind deshalb die ordentlichen Gerichte ohne weiteres zuständig (vgl. BAG, Beschluss vom 20.5.1998 – 5 AZB 3/98).

Anders kann es jedoch dann liegen, wenn und soweit der Rechtsstreit nicht das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis betrifft, sondern eine weitere Rechtsbeziehung besteht. Insoweit greift die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht ein (BAG, Beschlüsse vom 26.10.2012 – 10 AZB 60/12, vom 23.8.2011 – 10 AZB 51/10, vom 15.3.2011 – 10 AZB 32/10). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Organvertreter Rechte auch mit der Begründung geltend macht, nach der Abberufung als Geschäftsführer sei das nicht gekündigte Anstellungsverhältnis wieder aufgelebt.

Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte kann ferner dann gegeben sein, wenn die Klagepartei Ansprüche aus einem auch während der Zeit als Geschäftsführer nicht aufgehobenen Arbeitsverhältnis nach Abberufung als Organmitglied geltend macht. Zwar liegt der Berufung eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer einer GmbH eine vertragliche Abrede zugrunde, die regelmäßig als ein Geschäftsführer-Dienstvertrag zu qualifizieren ist und mit der das Arbeitsverhältnis grundsätzlich aufgehoben wird (vgl. zuletzt BAG, Beschluss vom 26.10.2012 – 10 AZB 60/12 m.w.N.). Zwingend ist dies aber nicht. Zum einen kann die Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH auch auf einem Arbeitsvertrag beruhen. Zum anderen bleibt der Arbeitsvertrag bestehen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer formlosen Abrede zum Geschäftsführer der GmbH bestellt wird, da eine wirksame Aufhebung des früheren Arbeitsverhältnisses die Einhaltung der Schriftform des § 623 BGB voraussetzt (vgl. etwa BAG, Beschluss vom 15.3.2011 – 10 AZB 32/10). Ansprüche aus diesem Arbeitsvertrag können dann nach Abberufung aus der Organschaft und damit nach dem Wegfall der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG vor den Gerichten für Arbeitssachen geltend gemacht werden.

2.2

Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten hier dennoch ausnahmsweise nicht eröffnet, wie das Arbeitsgericht richtig erkannt hat. Der Kläger macht mit seinen Feststellungsanträgen den Fortbestand der seiner Auffassung nach begründeten und weiter bestehenden Arbeitsverhältnisse mit den drei Tochtergesellschaften der L. für Menschen mit B. gGmbH geltend.

Es handelt sich zwar um Anträge, die nur dann begründet sein können, wenn das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist und nach wirksamer Beendigung der Organstellung als solches fortbestand oder wieder auflebte. In diesen Fällen (sic-non-Fälle) eröffnet aber entgegen der Ansicht des Klägers die bloße Rechtsansicht der Klagepartei, es handele sich um ein Arbeitsverhältnis, noch nicht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten. Denn allein die Behauptung einer Rechtsansicht ersetzt noch keinen schlüssigen Vortrag. Es bedarf vielmehr insoweit zumindest einer (streitigen) Tatsachengrundlage (BAG, Beschluss vom 26.10.2012 – 10 AZB 60/12 m.w.N.). Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen würden, dass die Parteien unabhängig von der Bestellung zum Geschäftsführer ein Arbeitsverhältnis geschlossen hätten, hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen. Bereits unter dem 10.10.2012 hatte das Landesarbeitsgericht in einem Hinweis an die Parteien ausgeführt:

Allerdings trägt der Kläger bisher keine entsprechenden Tatsachen vor. Die insoweit pauschale Behauptung des Klägers wurde vom Beklagten im Schriftsatz vom 15.8.2012 bestritten. Weder ist dem Vortrag des Klägers bislang zu entnehmen, wann er mit wem die jeweiligen Arbeitsverträge geschlossen hat, noch dass er in irgendeiner Form konkrete Weisungen hinsichtlich Zeit, Ort oder Inhalt der Tätigkeiten erhalten hat. Allein die vom Kläger im Schriftsatz vom 28.8.2012 dargestellte Frage, wie er ohne Weisungsgebundenheit etwaige Interessenkollisionen hätte auflösen können, dürfte einen diesbezüglichen Tatsachenvortrag wohl nicht ersetzen.

Dennoch hat der Kläger auch danach keinerlei entsprechende Tatsachen vorgetragen. Er hat sich vielmehr ausdrücklich darauf zurückgezogen, dass er keinerlei Tatsachen benennen müsse, sondern allein die behauptete Rechtsansicht ausreichend sei. Dem steht jedoch die jüngste Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entgegen.

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Deshalb war der sofortigen Beschwerde der Erfolg zu versagen. Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen verneint und den Rechtsstreit an das Landgericht Berlin verwiesen.

3.

Ein Grund, der die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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