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Verletzung an einem Regal im Kaufhaus – Schmerzensgeldanspruch?


Oberlandesgericht Köln

Az.: 13 U 141/89

Urteil vom 06.12.1989


Tenor

In dem Rechtsstreit der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 1989 für Recht erkannt.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der. 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 18. April 1989 – 10 O 19/89 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Klägerin 4.436,63 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 8. Februar 1989 zu zahlen.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 25 % und die Beklagte zu 75 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Gründe

Die form.- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß §§ 823 Abs. 1, 847 BGB ein Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes zu, da sie sich in der D-Filiale der Beklagten an einer unsachgemäß aufgestellten Regalwand verletzt hat.

Die Beklagte hat gegen eine ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verstoßen, indem sie im Eingangsbereich ihres Kaufhauses längs der Hauptgehrichtung zum Innenbereich der Verkaufsräume ein sich nach oben hin verjüngendes Verkaufsregal aufstellen ließ, ohne ausreichende Vorsorge dafür getroffen zu haben, daß niemand gegen die untere Kante des Regals stieß. Wie die Zeugin E anhand der von der Beklagten zur Akte gereichten Fotos bekundete, war der Bereich unmittelbar neben dem rechten seitlichen Abschluß des Regals frei und man konnte – vom Eingang her gesehen – ungehindert auf dessen Stirnseite zugehen. Dadurch aber war für einen Kaufhausbesucher eine objektiv gefährliche Situation geschaffen. Wer sich beim Weg durch die Geschäftsräume vornehmlich in Augenhöhe die ausgestellten Waren ansah und sich beim Vorbeigehen hinsichtlich des Abstandhaltens an den oberen Fächern orientieren wollte, konnte leicht die im unteren Bereich breiteren Ablagen übersehen und folglich auch dagegenstoßen. Mit einem solchen Käuferverhalten mußte insbesondere deshalb gerechnet werden, da bei dichtem Kundenandrang eine freie Sicht auf das gesamte Ausmaß des Regals nur eingeschränkt möglich war. Die Beklagte hätte der Gefahr eines Anstoßens vorbeugen können, indem sie entweder den Beginn der unteren Ablage deutlich kenntlich gemacht oder aber einen bündigen Abschluß zwischen den hervorragenden unteren Einlagen und einem anderen deutlich zu erkennenden Einrichtungsgegenstand hergestellt hätte. Der Senat hat keinen Zweifel daran, daß die Zeugin T den Zustand der Örtlichkeit im Zeitpunkt des Unfalls zutreffend wiedergegeben hat. Die Aussage der Zeugin steht im Einklang mit den von der Beklagten selbst vorgelegten Fotos, auf welchen die aufgezeigte Gefahrensituation an der hervortretenden unteren Regalhälfte erkennbar ist. Auch hat der von der Beklagten benannte Zeuge P bestätigt, daß selbst heute noch kein bündiger Abschluß des Regals mit einem anderen Möbelteil hergestellt ist.

Die Klägerin hat sich an der beschriebenen Stelle aufgrund des hervorstehenden Regalunterteils im unteren Beinbereich verletzt. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der Aussage der Zeugin E fest. Die Zeugin bekundete hierzu, daß sich die Klägerin, die vor ihr hergegangen sei, an dem Regal gestoßen habe. Zu diesem Zeitpunkt habe es wenig Platz gegeben und andere Leute seien ihnen entgegengekommen. Die Wunde am Bein sei in einer nahegelegenen Apotheke vorläufig versorgt worden. Anschließend habe sie die Klägerin zur weiteren Behandlung in das Krankenhaus gefahren. Der Zeugin ist auch bezüglich dieser Aussage Glauben zu schenken. Sie machte eine schlüssige und in sich widerspruchsfreie Angabe zur Sache. Ihre Schilderung entspricht einem durchaus möglichen Unfallgeschehen. Nicht zuletzt aufgrund des Persönlichen Eindrucks von der Zeugin kommt der Senat zu dem Ergebnis, daß eine wahrheitsgemäße Schilderung über den Unfallhergang abgegeben wurde. Ihrer Aussage steht zwar die Bekundung der Zeugin A insoweit entgegen, als diese zusammen mit der Zeugin E der Klägerin vorangegannen sein will. Es ist aber durchaus denkbar, daß die Zeugin ohne Begleitung ihrer Mutter allein vorgegangen war, was im allgemeinen bei Jugendlichen keineswegs einem unüblichen Verhalten entspricht.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes war als wichtigstes Kriterium die Art und Weise der Verletzung zu berücksichtigen. Die Klägerin hat deren genaueren Umfang durch die ärztlichen Bescheinigungen des Krankenhausarztes Dr. E vom 13.01.1989 und des Hausarztes Dr. K vom 13.07.1983 belegt. Danach erlitt die Klägerin eine 5 x 2 cm lange Ablederungswunde an der Lateralseite des rechten Unterschenkels, welche genäht werden mußte. Der Heilungsprozeß verlief nicht komplikationsfrei. In einem Teilbereich trat ein länger anhaltendes Ödem auf, begleitet von zeitweise starken Schmerzen im Ruhezustand als auch bei Belastung. Im Oktober 1988 war die Verletzung endgültig verheilt.

Für die Bestimmung der Schmerzensgeldhöhe war das Verschulden der Beklagten nicht all zu hoch zu bewerten. Das Verkaufsregal ist ein genormter Einrichtungsgegenstand, von dem eine besondere Gefährligkeit nicht ausgeht. Auch waren die Ecken des Regals, wie der Zeuge P glaubhaft bekundete, abgerundet und sollte der Vorbeugung von Unfällen dienen. Allein die nicht sorgfältig durchdachte falsche Plazierung des Regals im Eingangshereich ist daher als schuldhaftes \/erhalten festzustellen.

Schließlich muß sich die Klägerin auch ein gewisses eioenes Mitverschulden anrechnen lassen. Die Klägerin hätte bei sorgfältiger Beachtung ihres Weges erkennen können, daß sich die Regaleinlagen auch schon in Kopfhöhe nach unten hin imner weiter verbreiterten. Bei hinreichender Vorsicht wäre ihr daher auch die Gefährlichkeit des Regals aufgefallen und sie hätte durch ein größeres Abstandhalten die Verletzung vermeiden können. Das Mitverschulden der Klägerin kann gleichwohl nicht als schwerwiegend bezeichnet werden. Möglicherweise war nämlich die genaue Größe des Regals wegen der vorhandenen anderen Kaufhausbesucher nur relativ spät erkennbar.

Unter Berücksichtigung aller aufgezeigten Umstände hält der Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,00 DM für angemessen.

Die Beklagte ist gemäß §§ 823, 249 BGB auch verpflichtet, der Klägerin den ihr aus dem Unfallgeschehen entstandenen materiellen Schaden zu ersetzen. Hierzu hat die Klägerin unbestritten vorgetragen, daß die Beihilfe der Stadt D für die Behandlungskosten nur dann aufkommt, wenn die Klägerin einen anderweitigen Ersatz der Unfallkosten nicht erlangen kann. Die Behandlungskosten selbst sind durch die Rechnungen des Marienhospitals in D vom 10.05., 19.05. und 20.05.1988 in Höhe von 115,30 DM, 27,18 DM und 58,– DM sowie durch die Rechnung des behandelnden Hausarztes vom 01.10.1988 in Höhe von 526,05 DM belegt. Diese Kosten hat die Krankenkasse der Klägerin bis auf einen verbleibenden Restbetrag in Höhe von 405,51 DM ausgeglichen. Bei Zugrundelegung eines Mitverschuldens, welches nach Ansicht des Senats mit 1/4 zu berücksichtigen ist, verbleibt ein Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 304,13 DM.

Schließlich kann die Klägerin auch Ersatz für notwendigen Pflegeaufwand verlangen. Durch das von der Klägerin vorgelegte Attest des Hausarztes Dr. K vom 06.10.1988 wird ausgewiesen, daß die Klägerin in der Zeit vom 23.04.1988 bis zum 30.06.1988 voll und in der Zeit vom 01.07.1988 bis zun 04.10.1988 teilweise pflegebedürftig war. Die erforderlichen Pflegekosten kann die Klägerin ungeachtet des Umstandes ersetzt verlangen, ob hierfür tatsächlich Entgelte aufgebracht worden sind oder nicht. Der Senat schätzt den Pflegebedarf gemäß § 287 ZPO auf täglich 2 Stunden für die Dauer der vollen Pflegebedürftigkeit und danach bis zur vollständigen Genesung auf 1 Stunde pro Tag. Unter Zugrundelegung einer angemessenen Entlohnung für eine Pflegekraft von 15,– DM ergibt dies einen Gesamtbetrag von 3.510,00 DM (69 Tage á 2 Stunden = 2.070,– DM und 96 Tage á 1 Stunde = 1.440,00 DM). Hiervon kann die Klägerin 3/4 = 2.532,50 DM erstattet verlangen.

Der Klägerin steht nach alledem ein Gesamtzahlungsanspruch in Höhe von 4.436,63 DM zu. Der Zinsanspruch folgt aus 288, 291 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 92, 97, 708 Nr. 10 und 713 ZPO.

Streitwert der Berufung: 5.915,51 DM (3.510,– DM + 405,51 DM + 2.000,– DM).

Beschwer der Klägerin: 1478,88 DM

Beschwer der Beklagten: 4.436,83 DM.


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