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Restschuldbefreiung und unrichtige Angaben im Verfahren

Bundesgerichtshof

Az: IX ZB 284/08

Beschluss vom 17.09.2009


Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. September 2009 beschlossen:

Der Schuldnerin wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für das Rechtsbeschwerdeverfahren gewährt und Rechtsanwalt Dr. Schott beigeordnet.

Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin werden der Beschluss des Amtsgerichts Hanau vom 16. Oktober 2008 und der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 7. November 2008 aufgehoben.

Der Antrag des Gläubigers auf Versagung der Restschuldbefreiung wird abgelehnt.

Der Gläubiger trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.

Der Gegenstandswert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Auf den mit einem Restschuldbefreiungsgesuch verbundenen Eigenantrag wurde am 23. Mai 2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und Rechtsanwalt R. zum Insolvenzverwalter bestellt.

Das von der Schuldnerin gefertigte, dem Eröffnungsantrag beigefügte Gläubiger- und Forderungsverzeichnis wies die F. G. mbH (nachfolgend: F. GmbH) als Inhaberin einer durch ein Versäumnisurteil titulierten Forderung über 9.904,34 EUR aus. Mit Schreiben vom 28. Dezember 2006 setzte die Schuldnerin den Insolvenzverwalter durch Übermittlung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses davon in Kenntnis, dass der Beteiligte zu 1 und nicht die F. GmbH Inhaber der vorbezeichneten Forderung ist. Der Beteiligte zu 1 berief sich gegenüber dem Amtsgericht durch Schreiben vom 31. März 2008 auf seine Gläubigerstellung. Außerdem beantragte er mit Schreiben vom 17. Mai 2008, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen. Das Amtsgericht ordnete am 20. Mai 2008 das schriftliche Verfahren an und setzte für die Stellung von Anträgen auf Versagung der Restschuldbefreiung eine Frist bis zum 27. Juni 2008.

Auf den Antrag vom 17. Mai 2008 hat das Amtsgericht der Schuldnerin die Restschuldbefreiung versagt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihr Begehren weiter.

II.

Das Landgericht hat ausgeführt, es liege der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO vor, weil die Schuldnerin als Gläubiger einer Forderung eine Person bezeichnet habe, der die Forderung tatsächlich nicht zustehe. Die Schuldnerin habe mindestens grob fahrlässig gehandelt, weil ihr die wahre Gläubigerstellung erkennbar gewesen sei. Die Schuldnerin habe überdies Zahlungsaufforderungen des wahren Gläubigers nicht zum Anlass genommen, das Amtsgericht über die tatsächlichen Verhältnisse zu unterrichten.

III.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) Rechtsbeschwerde ist begründet.

1.

Eine Versagung der Restschuldbefreiung scheidet aus, weil es bereits an dem zulässigen Antrag eines Gläubigers fehlt.

a)

Gemäß § 290 Abs. 1 InsO ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn einer der in dieser Vorschrift genannten Versagungsgründe vorliegt und die Versagung von einem Insolvenzgläubiger im Schlusstermin beantragt worden ist. Die Entscheidung über den Antrag auf Restschuldbefreiung soll nach der Gesetzesbegründung deshalb erst nach Anhörung der Insolvenzgläubiger und des Insolvenzverwalters im Schlusstermin erfolgen, damit für die gesamte Verfahrensdauer festgestellt werden kann, ob der Schuldner seinen Auskunftsund Mitwirkungspflichten genügt hat. Beantragt ein Gläubiger vorher die Versagung der Restschuldbefreiung, so handelt es sich lediglich um die Ankündigung eines Antrages nach § 290 Abs. 1 InsO, der noch nicht zur Versagung der Restschuldbefreiung führen kann (BGH, Beschl. v. 20. März 2003 – IX ZB 388/02, ZInsO 2003, 413, 414 m.w.N.). Wird anstelle des Schlusstermins das schriftliche Verfahren angeordnet und eine Frist zur Stellung von Anträgen auf Versagung der Restschuldbefreiung gesetzt, so muss der Antrag innerhalb der Frist gestellt werden (BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2008 – IX ZB 53/08, ZInsO 2008, 1272 Rn. 9).

b)

Im Streitfall fehlt es – worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend hinweist – am Erfordernis eines innerhalb der von dem Amtsgericht gesetzten Frist gestellten Versagungsantrags. Der Gläubiger hat seinen bereits am 17. Mai 2008 gestellten Versagungsantrag nicht innerhalb der durch Beschluss vom 20. Mai 2008 bis zum 27. Juni 2008 bestimmten Frist erneuert. Bei dieser Sachlage fehlt es bereits an einem wirksamen Antrag als Voraussetzung für die Versagung der Restschuldbefreiung.

2.

Überdies haben die Vordergerichte nicht beachtet, dass infolge der von der Schuldnerin vorgenommenen Berichtigung mit Rücksicht auf den Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (vgl. BGH, Beschl. v. 20. März 2003, aaO) eine die Versagung der Restschuldbefreiung tragende Pflichtverletzung (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO) nicht anzunehmen ist.

a)

Es bestehen bereits Bedenken, ob der Verstoß als grob fahrlässig zu bewerten ist, weil die F. GmbH tatsächlich von dem Beteiligten zu 1 in der Vergangenheit mit der Beitreibung von Mietforderungen betraut worden war und der Irrtum der Schuldnerin vor diesem Hintergrund schwerlich auf einer auch subjektiv schlechthin unentschuldbaren Pflichtverletzung (vgl. BGH, Beschl. v. 9. Februar 2006 – IX ZB 218/04, WM 2006, 1438 Rn. 10; v. 27. September 2007 – IX ZB 243/06, NZI 2007, 733, 734 Rn. 9; Beschl. v. 19. März 2009 – IX ZB 212/08, ZInsO 2009, 786, 787 Rn. 7) beruht.

b)

Dieser Verstoß wiegt jedenfalls gering. Denn die Schuldnerin hat im Streitfall nicht etwa die Forderung eines Gläubigers verschwiegen (vgl. BGH, Beschl. v. 9. Oktober 2008 – IX ZB 212/07, ZInsO 2008, 1278), sondern die Forderung tatsächlich angegeben, aber lediglich einer falschen Person zugeordnet. Schließlich hat die Schuldnerin bereits am 28. Dezember 2006 und somit lange, bevor am 17. Mai 2008 der unzulässige Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gestellt wurde, ihre Angaben korrigiert und den wahren Gläubiger benannt (vgl. BGH, Beschl. v. 20. März 2003, aaO; v. 17. Juli 2008 – IX ZB 183/07,ZInsO 2008, 920, 921 Rn. 13). Damit konnte dem Beteiligten zu 1 aus der fehlerhaften Gläubigerbezeichnung ein Nachteil nicht erwachsen. Bei dieser Sachlage scheidet eine die Versagung der Restschuldbefreiung rechtfertigende Pflichtverletzung aus.

3.

Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, kann der Senat in der Sache entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO).

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