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Regenfallrohr, Notleitungsrecht, Fensterschließung und Verjährung

Oberlandesgericht Köln

Az: 11 U 136/93

Urteil vom 24.11.1993

Vorinstanz: Landgericht Bonn – Az.: 19 O 154/92


Das OLG Köln hat auf die mündliche Verhandlung vom 24.11.1993 für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das am 24. März 1993 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Bonn – 19 0 154/92 – wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Berufung des Klägers, die insbesondere form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden ist, hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht das Klageverlangen als unbegründet erachtet.

Die geltend gemachten Ansprüche auf Entfernung des Regenfallrohres sowie auf Schließung der beiden Fenster am bzw. im Westgiebel des Hauses der Beklagten sind gemäß § 194 Abs. 1, 195 BGB verjährt, so daß die beklagtenseits erhobene Einrede der Verjährung nach § 222 Abs. 1 BGB durchgreift.

Zwar sind entgegen der Auffassung des Landgerichts die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1004 Abs. 1 BGB für das Beseitigungsverlangen des Klägers hinsichtlich Regenfallrohrs und Fenster erfüllt.

Seit der im Jahre 1929 erfolgten Installation des Regenfallrohres liegt eine Beeinträchtigung des heute im Eigentum des Klägers stehenden Grundstücks s. (Flurstrück) in s. vor. Wie das Landgericht aufgrund der durchgeführten Ortsbesichtigung und Inaugenscheinnahme überzeugend festgestellt hat, ragt das Fallrohr in den Luftraum des klägerischen Grundstücks hinein. Eine Duldungspflicht gemäß § 1004 Abs. 2 i. V. m. § 242 BGB besteht nicht. Der Beklagten steht nämlich nicht in analoger Anwendung des § 917 BGB ein Notleitungsrecht zu. Eine Entsorgung des Dachflächenwassers in den Kanal an der s. oder in die Drainage im vorderen Bereich vor dem Haus s. war und ist der Beklagten möglich. Nach Aussage der Beklagten in dem Ortstermin am 03.03.1993 wurde ihr Grundstück auf eigenen Wunsch hinsichtlich des Brauchwassers seit 1989 an den Kanal an der s. angeschlossen, der als Mischwasserkanal verlegt worden ist. Unabhängig davon, ob in Zukunft ein Anschlußzwang nach der anderen Seite des Hauses bestehen wird, wenn dort die geplante C. entlangeführt wird, hatte sie die Möglichkeit, zu diesem Zeitpunkt die Dachentwässerung ebenfalls an den Kanal an der s. anzuschließen. Ein von der Beklagten vorgetragenes Gegengefälle des Grundstücks stand dem nicht entgegen, denn dies war auch kein Hinderungsgrund für den Abfluß ihres Brauchwassers in den Kanal an der s.. Zudem wäre es der Beklagten auch ohne einen in Abwägung zur Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks durch das Regenfallrohr verhältnismäßig hohen Kostenaufwand zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen, ihr Dachflächenwasser, das nun über das streitige Regelfallrohr entwässert wird, genauso wie das Terrassenwasser über die Drainage im Vorplatzbereich des Hauses in die Grube im vorderen Grundstücksbereich versickern zu lassen. Wegen dieser anderen, der Beklagten durchaus zumutbaren Entwässerungsmöglichkeiten hinsichtlich des Dachflächenwassers stand der Beklagten kein Notleitungsrecht in analoger Anwendung des § 917 BGB zu.

Darüber hinaus ist der Tatbestand des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB hinsichtlich der ebenfalls im Jahre 1929 in die unmittelbar an der Grenze zum Grundstück s. (Flurstück ) verlaufende Westwand des Hauses der Beklagten ohne baubehördliche Genehmigung und unter Mißachtung der nachbarrechtlich vorgeschriebenen Grenzabstände installierten Fenster gegeben.

Im Einbau von Fenstern, die gegen nachbarrechtliche Bestimmungen verstoßen und für die keine Baugenehmigung vorliegt, in einer an der Nachbargrenze befindliche Hausmauer liegt eine fortdauernde Beeinträchtigung des Eigentums des Nachbarn gemäß § 1004 BGB (vgl. Palandt-Bassenge, BGB, 52. Aufl., § 903 Rdnr. 9; Soergel-Mühl, BGB , 12. Aufl., § 1004 Rdnr. 70; LG Bochum NJW 1962, 1255). Die Nichteinhaltung der entsprechenden nachbarrechtlichen und damit drittschützenden Grenzabstände durch den Einbau der Fenster in der Grenzwand beschränkt den Kläger als Nachbar unmittelbar in der Sachherrschaft über sein Grundstück gemäß § 903 BGB, denn ihm wäre es wiederum aufgrund nachbarrechtlicher Bestimmungen versagt, einen Anbau an das Haus der Beklagten insoweit vorzunehmen, als dadurch die Fenster verbaut würden. Der Kläger ist nicht zur Duldung gemäß § 1004 Abs. 2 BGB verpflichtet. Die Beklagte hat kein Lichtrecht gemäß Art. 690 des Rheinischen Code Zivil (im folgenden C.C.) ersessen. Es ist zwar zutreffend, daß sich die Frage, inwieweit Grenzabstände zu beurteilen sind, nach § 5 Ziff. d Nachbarrechtsgesetz Nordrhein-Westfalen nicht nach den Bestimmungen desselben Gesetzes richtet, wenn das Gebäude bei dessen Inkrafttreten am 01.07.1969 öffentlich-rechtlich genehmigt war und die Abstände dem bisherigen Recht entsprachen. Zutreffend ist auch, daß für das am 16.12.1930 baubehördlich abgenommene Haus der Beklagten gemäß Art. 124 EGBGB mangels einer entgegenstehenden Regelung im BGB die bis zum 01.07.1969 gültigen nachbarrechtlichen Vor-schriften fortgalten, demnach für das Gebiet der Stadt s. der C.C. Die streitgegenständlichen Fenster halten als Aussichtsfenster gemäß Art. 678 C.C. nicht den erforderlichen Grenzabstand von 1,90 m ein mit der Folge, daß dem Nachbarn nach dem C.C. ein negatorischer Beseitigungsanspruch zusteht, es sei denn, dem Fensterinhaber sei ein Lichtrecht erwachsen. Gemäß Art. 690 C.C. konnte die Beklagte allerdings ein Lichtrecht durch Ersitzung nicht erwerben. Das Lichtrecht stellt nach dem C.C. eine Dienstbarkeit dar (vgl. Dehner, Nachbbar-recht im Bundesgebiet, 6. Aufl., § 25 D II, S. 556, m. w. N.). Nach dem BGB kann eine Grunddienstbarkeit nur erworben werden (§§ 873, 1018 BGB), wenn eine dingliche Einigung vorliegt und die Grunddienstbarkeit ins Grundbuch eingetragen wird. Beides ist vorliegend nicht gegeben. Allerdings richtet sich der Erwerb einer Grunddienstbarkeit nach § 189 EGBG auch noch nach Inkrafttreten des BGB solange nach den bis dahin geltenden Gesetzen, bis das Grundbuch als angelegt anzusehen ist. Demgegenüber bedarf gemäß Art. 187 EGBGB eine Grunddienstbarkeit , die zu der Zeit, zu welcher das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, schon bestand, zur Erhaltung ihrer Wirksamkeit nicht der Eintragung.

Ein Lichtrecht der Beklagten bestand zum Zeitpunkt, zu dem das Grundbuch vorliegend als angelegt anzusehen ist, noch nicht so daß eine Eintragung des Lichtrechts als Grunddienstbarkeit zur Erhaltung der Wirksamkeit dieses Rechts notwendig war. Das Lichtrecht hätte die Beklagte nach Art. 690 C.C. mittels 30-jährigem offen-kundigen Besitzes frühestens im Jahre 1960 durch Ersitzung erworben. Zu diesem Zeitpunkt war das Grundbuch für das hier maßgebliche Gebiet bekanntermaßen längst angelegt.

Schließlich ist hinsichtlich des Regenfallrohres sowie der Fenster nicht davon auszugehen, daß über das bloße tatsächliche Dulden bzw. Nichteinschreiten der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks hinaus eine rechtsgeschäftliche Einwilligung oder Genehmigung erfolgte.

Die Beklagte selbst behauptet ausdrücklich nicht mehr, daß im Jahre 1929 im Zusammenhang mit der Installation des Regenfallrohres sowie des Einbaus der Fenster die Zustimmung der damaligen Grundstücksnachbarn eingeholt worden sei. Vielmehr beschränkt sich die Beklagte nunmehr auf die Behauptung, daß ca. 20 Jahre später während der Durchführung anderer Arbeiten es zu Gesprächen betreffend die Fenster sowie das seitliche Regenfallrohr gekommen sei, wobei die Eheleute Nicolin als damalige Grundstückseigentümer des betroffenen Nachbargrundstücks ausdrücklich ihre Genehmigung erteilt hätten. Indessen reicht dieser Sachvortrag der Beklagten nicht aus, um von einer über das bloße Dulden des bestehenden Zustandes hinausgehenden rechtsverbindlichen Zustimmungserklärung der betroffenen Grundstücksnachbarn auszugehen.

Der Kläger vermag seine Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 wegen eingetretener Verjährung, auf die sich die Beklagte einredeweise berufen hat, nicht mehr durchzusetzen.

Der Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB unterfällt nicht der Regelung des § 902 Abs. 1 BGB, sondern unterliegt gemäß den §§ 194, 195 BGB der 30-jährigen Verjährungsfrist (vgl. BGH NJW 90, 2555; BGHZ 60, 235, 239 ff.; Palandt-Bassenge a.a.0., § 1004 Rdn. 36). Die Verjährung trat vorliegend bereits im Jahre 1959 ein, denn es handelte sich um die Fortdauer einer Einwirkung durch ein und diesselbe Handlung (Installation des Regenfallrohrs und Einbau der Fenster) und nicht um die fortdauernde Einwirkung ständig neu entstehender Beeinträchtigungen des Betroffenen Grundstücks (vgl. Palandt-Bassenge a.a.0.; § 1004 Rdn. 36, m. w. N.; BGHZ 235, 240/241). Auch wirkte sich der im Jahre 1929 geschaffene Zustand durch Anbringung des Regenfallrohres und Einbaus der Fenster nicht erst durch eine Veränderung auf dem klägerischen Grundstück aus, so daß die Verjährung erst mit dieser Veränderung hätte beginnen können (Palandt-Bassenge, a.a.0., § 1004 Rdn. 36). Denn die Beeinträchtigungen infolge dieses Zustandes lagen von Beginn an vor, nur hat erst jetzt der Eigentümer des betroffenen Grundstücks ein (wirtschaftliches) Interesse an der Beseitigung der Beeinträchtigungen infolge der bevorstehenden Erschließung der rückwärtigen Grundstücksflächen. Deswegen verbleibt es beim Verjährungsfristbeginn mit Schaffung des beeinträchtigenden Zustandes im Jahre 1929.

Der Kläger muß die bereits seinen Rechtsvorgängern gegenüber eingetretene Verjährung des Beseitigungsanspruchs gegen sich gelten lassen. Bei einem schuld-rechtlichen Anspruch hat der Wechsel in der Person des Berechtigten keinen Einfluß auf den Lauf der Verjährung, da der Anspruch derselbe bleibt. Die Verjährung, die für den Anspruch zu laufen begonnen hat, setzt deshalb trotz der Rechtsnachfolge ihren Lauf fort. Im Ergebnis nicht anders verhält es sich bei einem Wechsel in der Person des Eigentümers eines beeinträchtigten Grundstücks hinsichtlich des Beseitigungsanspruchs des § 1004 BGB. Der dingliche Anspruch hat zwar im Gegensatz zum schuldrechtlichen seinen Grund nicht in einer Beziehung des Berechtigten zu einem bestimmten Verpflichteten, sondern in einem Recht unmittelbarer Herrschaft über eine Sache. Er ist aber mit dem dinglichen Recht insofern untrennbar verbunden, als er die Verwirklichung des diesem Recht entsprechenden Zustandes gegenüber demjenigen ermöglicht, der den gegenteiligen Zustand aufrechterhält. Daraus ergibt sich, daß er nicht selbständig übertragbar ist und andererseits mit dem Übergang des absoluten Rechts ohne weiteres auf den neuen Rechtsinhaber übergeht. Ist aber der Anspruch, der dem neuen Eigentümer zusteht, mit dem Anspruch des bisherigen Eigentümers identisch, so kann bei einem Eigentumswechsel auf seiten des Berechtigten keine neue Verjährungsfrist zu laufen beginnen (vgl. zu Vorstehendem BGHZ 60, 235, 240).

Unerheblich für den Verjährungsfristenlauf ist auch der Wechsel aufgrund Rechtsnachfolge auf seiten des Anspruchsverpflichteten.

Schließlich wurde der Verjährungsfristenlauf durch das tatsächliche Dulden des rechtswidrigen Zustandes durch die früheren Grundstückseigentümer nicht tangiert. Denn in diesem Verhalten lag ein bloßes Nichtgeltendmachen des Anspruchs nach § 1004 Abs. 1 BGB, ohne daß ein Unterbrechungs- oder Hemmungstatbestand im Hinblick auf die Verjährung erfüllt worden wäre. Deswegen hat für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits keine Relevanz, daß der Kläger sich den Sachvortrag der Beklagten zur „Genehmigung“ von Regenfallrohr und Fenstern durch die Eheleute N. hilfsweise zueigen gemacht hat.

Die im Berufungsverfahren geltend gemachten Hilfsanträge auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung bzw. auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten sind unbegründet. Da ein Notleitungsrecht der Beklagten nicht besteht, wie oben aufgezeigt wurde, scheidet schon deswegen ein Entschädigungsanspruch des Klägers aus. Das Feststellungsbegehren hat keinen Erfolg, weil es an einem Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte fehlt. Da der Kläger bzw. seine Rechtsvorgänger es jahrelang unterließen, die Beeinträchtigung aufgrund der Fenster geltend zu machen und es schließlich zur Verjährung des Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB kam, ist ein Haftungstatbestand, der die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet, nicht erfüllt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer des Klägers: 10.000,– DM.

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