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Regress – Kfz-Haftpflichtversicherung bei Unfallflucht

AG Nettetal

Az: 17 C 65/08

Unfall vom 25.02.2009


Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.01.2008 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin ist der Haftpflichtversicherer des PKWs mit dem amtlichen Kennzeichen VIE-…. Halter dieses Fahrzeuges ist Herr …, …, ….

Am 16.03.2006 gegen 7.45 Uhr lenkte die Beklagte den vorbezeichneten PKW auf der B straße in Nettetal. Dabei fuhr sie rückwärts aus einer auf der B …straße befindlichen Parklücke heraus. Hierbei kollidierte sie mit dem Fahrzeug der Zeugin … mit dem amtlichen Kennzeichen VIE-…. Die Beklagte stieß mit der hinteren linken Seite ihres Fahrzeugs gegen die hintere linke Seite des Fahrzeugs der Frau … Bei dieser Kollision entstand ein für die Beklagte hörbares kratzendes Geräusch.

Die Beklagte fuhr ohne auszusteigen weiter. Die Zeugin … informierte die Polizeikommissarin …, die in der Nähe mit einem Streifenwagen stand. Während dessen wartete die Zeugin …, die neben der Beklagten geparkt hatte, an der Unfallstelle. Kurze Zeit später kehrte die Beklagte an die Unfallstelle zurück, wobei die genauen Umstände der Rückkehr zwischen den Parteien streitig sind. Der Verkehrsunfall wurde sodann von den herbeigerufenen Beamten der Polizei Nettetal aufgenommen.

Am 10.06.2006 wurde gegen die Beklagte mit Strafbefehl des Amtsgerichts Nettetal eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen sowie eine Geldbuße in Höhe von 40,00 Euro wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 Abs. 1 StGB festgesetzt (Aktenzeichen: 3 Cs 12 Js 717/06 (394/06)). Ferner wurde gegen die Beklagte ein Fahrverbot von 3 Monaten verhängt. Den Einspruch gegen den Strafbefehl nahm die Beklagte zurück.

Durch den Verkehrsunfall ist der Zeugin … ein Sachschaden in Höhe von 3.106,53 Euro entstanden. Der Schaden wurde von der Klägerin reguliert.

Mit Schreiben vom 12.06.2007 wandte sich die Klägerin an die Beklagte unter Berufung auf § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 Satz 1 und 2 AKB und forderte im Wege des Regresses einen Betrag in Höhe von 2.500,00 Euro und setzte fruchtlos eine Zahlungsfrist von 4 Wochen ab Erhalt des Schreibens.

Die Klägerseite behauptet, die Beklagte habe objektiv und subjektiv den Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort verwirklicht.

Sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Zustellung des Mahnbescheides sowie 10,00 Euro Mahnkosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet, das kratzende Geräusch mit einem Verkehrsunfall in Verbindung gebracht zu haben. Sie habe kurzzeitig befürchtet, sie habe ein Kind berührt. Da sie aber dort nicht habe stehen bleiben können, sei sie weiter gefahren in der Absicht, später zu drehen und dann zurück zu kommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen …, … und …. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 10.12.2008, Bl. 45 ff, und 04.02.2009, Bl. 49 ff d. A., verwiesen. Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zu den Akten gereichten Schriftstücke nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerseite hat einen Regressanspruch in Höhe von 2.500,00 Euro gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 Satz 1 und 2 der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB).

1.

Die Beklagte hat eine Obliegenheitsverletzung im Sinne des § 7 AKB dadurch begangen, dass sie den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 142 StGB erfüllt hat. Dies stellt eine Obliegenheitsverletzung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 2 AKB dar, da der Versicherungsnehmer danach verpflichtet ist, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann. Ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort im Sinne des § 142 StGB erfüllt in jedem Fall diese Voraussetzungen. Dabei trägt die Versicherung die Beweislast für die Erfüllung des Tatbestandes.

Dass ein Verkehrsunfall stattgefunden hat, der zu einem Sachschaden in Höhe von 3.106,53 Euro geführt hat, ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagtenseite hat das hilfsweise Bestreiten der Höhe des Schadens nach Vorlage der Reparaturrechnung nicht weiter aufrecht erhalten. Ebenso ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte zunächst den Unfallort verlassen hat.

Die Beklagte hat eine Verkehrsunfallflucht im Sinne des § 142 StGB begangen. Im Rahmen des § 142 StGB ist nämlich ein bedingter Vorsatz ausreichend. Dass die Beklagte einen Unfall für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung der Angaben der Beklagten und der erhobenen Beweise.

Zunächst bestreitet die Beklagte selbst nicht, zum streitigen Zeitpunkt ein kratzendes Geräusch wahrgenommen zu haben. Sie habe noch gedacht, dass sie hoffentlich kein Kind erwischt habe. Sie habe aber Drehen und dann wieder zurückkommen wollen.

Nach dieser Aussage steht jedenfalls fest, dass die Beklagte ein kratzendes Geräusch wahrgenommen hat. Die weitere Aussage der Beklagten ist nach Auffassung des Gerichts in sich nicht schlüssig, so dass das Gericht ihr keinen Glauben schenkt. Wie ein kratzendes Geräusch dadurch zu Stande kommen soll, dass ein Fahrzeug in Berührung mit einem Kind kommt, ist bereits nicht ersichtlich. Ebenso hätte die Beklagte, wenn sie doch befürchtete, ein Kind berührt zu haben, in jedem Fall aus dem Auto aussteigen und sich versichern müssen, dass nichts passiert ist. Denn auch dies hätte einen Verkehrsunfall im Sinne des § 142 StGB dargestellt, der zum Verweilen am Unfallort verpflichtet. Bereits daraus ergibt sich der bedingte Vorsatz der Beklagten.

Ferner ist nicht verständlich, warum die Beklagte laut ihrer eigenen Aussage beabsichtigte, zu drehen und an den Unfallort zurückzukehren. Wenn sie tatsächlich davon ausgegangen wäre, dass letztlich nichts passiert ist, hätte sie einfach weiter fahren können. Ebenso ist nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte nicht einfach 2 m nach vorne in die Parklücke gefahren ist. Unter diesen Umständen war es überflüssig Wegzufahren und dann ein Wendemanöver durchzuführen.

Die Überzeugung des Gerichts wird ferner gestützt durch die Zeugenaussagen. Denn die Zeugin …, die Fahrerin des geschädigten Fahrzeuges, hat ausgesagt, es habe einen Rums gegeben, der so laut gewesen sei, dass sie trotz Musik im Auto und den anwesenden Kindern es gehört habe. Ihr sei dabei sofort klar gewesen, dass es sich um einen Unfall gehandelt habe. Danach steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass jedenfalls die andere Unfallbeteiligte der Unfall taktil und akustisch trotz aller Geräusche im Umfeld wahrgenommen hat.

Die Zeugin hat im übrigen auch der Aussage der Beklagten widersprochen, sie habe an den Ort zurückkehren wollen. Laut Aussage der Zeugin … hat die Beklagte gesagt, sie sei nur zurückgekommen, weil sie etwas in der Stadt vergessen habe.

Die Aussage der Zeugin … wird unterstützt durch die Aussage der Zeugin …. Diese stand zum streiterheblichen Zeitpunkt direkt neben dem Fahrzeug der Beklagten. Sie hat ein lautes „Blechgetümmer“ gehört, das nach ihrer Auffassung laut genug war, jedenfalls so laut, dass sich alle auf der Straße Umstehenden umgeschaut hätten. Allerdings hat die Zeugin auch bestätigt, dass die Beklagte beim Anhaltevorgang sehr verdutzt gewesen ist. Danach steht zur Überzeugung des Gerichts aber auch fest, dass jedenfalls außerhalb des Fahrzeuges der Beklagten in unmittelbarer Nähe das Unfallereignis in erheblicher Lautstärke hörbar war. Dass die Beklagte selbst ein Geräusch wahrgenommen hat, bestreitet sie auch nicht. Sie bestreitet nur, dies mit einem Unfall in Verbindung gebracht zu haben. Das Gericht hält diese Darlegung aber wie oben gesagt aufgrund der fehlenden Nachvollziehbarkeit für nicht glaubhaft.

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Ferner ist zu berücksichtigten, dass am Fahrzeug der Unfallgegnerin ein ganz erheblicher Sachschaden entstanden. Insbesondere ist nach Aussage der Zeugin … die Seitentür und der hintere Teil eingedrückt gewesen. Dies ergibt sich auch aus den vorgelegten Rechnungen. Um Eindellungen dieser Art hervorzurufen, muss aber eine erhebliche Berührung mit entsprechend eindeutigen Geräuschen stattgefunden haben.

Die Aussage der Zeugin … war unergiebig.

An der Verwirklichung des § 142 StGB ändert auch die Tatsache nichts, dass die Beklagte kurze Zeit später wieder am Unfallort war und die Daten aufgenommen werden konnten. Zum einen ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass die Beklagte von sich aus zum Unfallort zurückkehren wollte. Ihre Angaben dazu sind bereits nicht nachvollziehbar. Sie hätte an der Stelle stehen bleiben oder in die Parklücke zurückfahren können. Warum sie zurückfahren wollte, obwohl sie gar nicht von einem Unfall ausging, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Zuletzt hat die Zeugin … bestätigt, dass sie die Beklagte anhalten musste und diese nicht von alleine stehen blieb. Dessen ungeachtet schadet eine Entfernung von der Unfallstelle im Rahmen des § 7 AKB auch dann, wenn sich der Versicherungsnehmer später der Polizei stellt (vergleiche § 7 AKB Randnummer 17 in Pröls/Martin).

Die Beklagte hat die Obliegenheitsverletzung vorsätzlich begangen. Denn die Verpflichtung, sich nicht vom Unfallort zu entfernen, musste sich der Beklagten als Kraftfahrerin aufdrängen. Denn der Tatbestand der Unfallflucht ist eine elementare, allgemein bestehende und bekannte Pflicht, die keine rein speziellen versicherungsrechtlichen Grundlagen hat. In diesen Fällen ist es nicht erforderlich, dass sich der Versicherungsnehmer, also die Beklagte, bewusst ist, auch eine Aufklärungspflicht gegenüber der Versicherung zu verletzen (vergleiche Pröls/Martin, § 7 AKB, § 52 ff).

Dem Beweisantrag von Beklagtenseite zu der Behauptung, dass die Beklagte den Unfall weder visuell noch taktil wahrgenommen bzw. mit dem Verkehrsunfall in Verbindung gebracht hat durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, musste das Gericht nicht nachgehen. Denn zum einen steht nach Überzeugung des Gerichts bereits fest, dass die Beklagte den Unfall als solchen akustisch wahrgenommen hat. Dies reicht zur Verwirklichung des § 142 StGB aus, selbst dann, wenn sie den Unfall weder visuell noch taktil wahrgenommen hat. Dessen ungeachtet hätte ein Sachverständigengutachten nur die visuelle und taktile Wahrnehmbarkeit klären können. Die Frage der Zuordnung zu einem bestimmten Ereignis ist eine subjektive Feststellung, die durch ein Sachverständigengutachten nicht getroffen werden kann. Dazu hat das Gericht oben aufgrund der Beweisaufnahme Feststellungen getroffen.

Auf die sogenannte Relevanzsprechung kommt es im Rahmen der Haftpflichtversicherung in Anbetracht der Höhe der hier konkret geltend gemachten Regressforderung von 2.500,00 Euro nicht an. Denn bei einem vorsätzlichen Verstoß besteht die Leistungsfreiheit unabhängig von der Kausalität. Seitdem diese auf 2.500,00 Euro begrenzt ist, gilt die Rechtssprechung zur versicherungsrechtlichen Relevanz nicht mehr (vergleiche Pröls/Martin § 7 AKB, Randnummer 66 mit weiteren Nachweisen). Denn es besteht aufgrund der Begrenzung hier kein nicht mehr hinzunehmendes Missverhältnis zwischen der Obliegenheitsverletzung und ihren Folgen.

2.

Der Zinsanspruch der Beklagten folgt aus §§ 291, 288 BGB.

3.

Mahnkosten kann die Klägerseite nicht ersetzt verlangen, da sie nicht dargelegt hat, wie und wann eine Mahnung der Beklagten stattgefunden haben soll.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Streitwert: 2.500,00 Euro.

 

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