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Regulierungsermessen der eigenen Kfz-Haftpflichtversicherung nach Verkehrsunfall

AG Düsseldorf

Az.: 38 C 7609/10

Urteil vom 10.11. 2010


Leitsatz (vom Verfasser – nicht amtlich): Nach einem Verkehrsunfall den man selbst verschuldet hat oder an dem man unter Umständen eine Mitschuld trägt, kann die eigene Kfz-Haftpflichtversicherung auch ohne die Einwilligung des jeweiligen Versicherungsnehmers regulieren. Die Kfz-Haftpflichtversicherung verfügt nach A 1.1 AKB 2008 bzw. § 10 Abs. 5 AKB 2007 über eine sog. Regulierungsvollmacht. Grundsätzlich ist die Regulierungsvollmacht desr Kfz-Haftpflichtversicherung gemäß den AKB (= Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung), im Namen der versicherten Person alle ihr im Rahmen der Schadensregulierung zweckmäßig erscheinenden Erklärungen abzugeben, nicht beschränkt. Diese Vollmacht gibt der Versicherung im Innenverhältnis zu ihrem Versicherungsnehmer die Befugnis, die Schadensregulierung nach eigenem pflichtgemäßem Ermessen und unabhängig von Weisungen des Versicherungsnehmers durchzuführen. Der Versicherungsnehmer kann der Versicherung kein Regulierungsverbot auferlegen. Die Pflicht der Versicherung aus dem Versicherungsvertrag ist nach Eintritt des Versicherungsfalles darauf gerichtet, begründete Schadensersatzansprüche im Rahmen des übernommenen Versicherungsrisikos zu befriedigen und unbegründete Ansprüche abzuwehren. Ob die eigene Kfz-Haftpflichtversicherung freiwillig zahlt, oder ob sie die Zahlung ablehnt und es darauf ankommen lässt, ob der geschädigte Dritte seine Ansprüche gerichtlich geltend macht, entscheidet sie grundsätzlich nach ihrem eigenen Ermessen. Diesem Ermessen sind lediglich dort Grenzen gesetzt, wo die Interessen des Versicherungsnehmers berührt werden und wo diese deshalb die Rücksichtnahme der Versicherung verlangen. Der Versicherer verletzt die sich aus dem Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag ergebende Pflicht, auf die Interessen seines Versicherungsnehmers Rücksicht zu nehmen, wenn er eine völlig unsachgemäße Schadensregulierung durchführt. Eine völlig unsachgemäße Schadensregulierung liegt vor, wenn die vom Unfallgegner geltend gemachten Ansprüche nach den gegebenen Beurteilungsgrundlagen eindeutig und leicht nachweisbar unbegründet sind. Bei der Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Versicherers über die Frage der Schadensregulierung abzustellen. Die Beweislast für eine schuldhafte Pflichtverletzung der eigenen Kfz-Haftpflichtversicherung trägt nach den allgemeinen im Zivilprozess geltenden Grundsätzen der Versicherungsnehmer, denn es handelt sich um eine ihm günstige – weil anspruchsbegründende – Tatsache (AG München, Urteil vom 04.09.2012, Az.: 333 C 4271/12 und AG Düsseldorf, Urteil vom 10.11.2010, Az.: 38 C 7609/10).


Das Amtsgericht Düsseldorf hat auf die mündliche Verhandlung vom 06.10.2010 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger streitet mit seiner Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung um die Rechtmäßigkeit einer Regulierungsentscheidung.

Das Fahrzeug des Klägers, ein Fiat X, war im Dezember 2007 bei der Beklagten haftpflichtversichert. Am 26.12.2007 wurde dieses Fahrzeug auf der BAB X in einen Verkehrsunfall mit einem Wohnmobil verwickelt. Dieser Unfall ereignete sich nach der Darstellung des Klägers dergestalt, dass das den rechten Fahrstreifen benutzenden Wohnmobil plötzlich und ohne Vorankündigung nach links auf die von dem Kläger benutzte Fahrspur zog und das klägerische Fahrzeug mit der Front auf das linksseitige Heck des Wohnmobils auffuhr. Für diesen Unfallhergang stand auf Seiten des Klägers seine Ehefrau als Zeugin zur Verfügung. Der Unfallgegner hingegen schilderte den Unfall dergestalt, dass der Spurwechsel bereits lange abgeschlossen war, als der Kläger infolge von Unachtsamkeit und überhöhter Geschwindigkeit von hinten auf das Wohnmobil auffuhr. Auf der gegnerischen Seite standen als Zeugen der Fahrer des Wohnmobils und dessen Ehefrau als Beifahrerin zur Verfügung. Nach dem Unfall führte der Kläger wegen der ihm an seinem PKW entstandenen Schäden in Höhe von 712,05 € einen Rechtsstreit vor dem Landgericht Hannover. Dieser endete nach einer Vernehmung der Ehefrau des Klägers als Zeugin schließlich aus prozessökonomischen Gründen zwecks Vermeidung der Einholung eines Sachverständigengutachtens durch Vergleich, in welchem die Beklagten sich zur Zahlung von 300,00 € verpflichteten. Mit Schreiben vom 28.1.2010 trat sodann der Unfallgegner des Klägers mit Schadensersatzansprüchen an die Beklagte heran. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, dass sie beabsichtige, den angemeldeten Schaden zu 50 % auszugleichen, wenn der Kläger nicht widerspreche. Der Kläger widersprach der Regulierung und vertrat dabei die Auffassung, der Gegenseite stehe kein Schadensersatzanspruch zu. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit, sie gehe von einem nicht aufklärbaren Schadensereignis aus und beabsichtige, 50 % zu regulieren, wenn nicht der Kläger selbst in die Regulierung eintrete. Der Kläger widersprach der Regulierung erneut. Die Beklagte zahlte an den Unfallgegner einen Betrag von 268,07 €; dies entspricht 50 % des geltend gemachten Gesamtschadens von 81,78 € für eine Notreparatur, 20,00 € Kostenpauschale und 434,35 € Reparaturkosten gemäß Kostenvoranschlag. Mit Schreiben vom 5.3.2010 setzte die Beklagte den Kläger über die Regulierung in Kenntnis und wies ihn auf die Möglichkeit des Schadensrückkaufs innerhalb von 6 Monaten hin. Von dieser Möglichkeit machte der Kläger keinen Gebrauch. Aufgrund der durchgeführten Regulierung wurde der Kläger in der Schadensfreiheitsklasse zurückgestuft. Für den Zeitraum 1.1.2009 bis 3.7.2009, in welchem der klägerische PKW bei einer anderen Versicherungsgesellschaft haftpflichtversichert war, entstanden dem Kläger aufgrund der Rückstufung Mehrkosten in Höhe von 94,95 €.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe das Regulierungsermessen verletzt. Eine Haftung des Klägers habe offensichtlich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vorgelegen, weswegen die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, den unbegründeten Anspruch abzuwehren.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von sämtlichen finanziellen Nachteilen, die ihm durch die unberechtigte Rückstufung des Schadensfreiheitsrabatts in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung aufgrund des Unfallereignisses vom 26.11.2007 erwachsen sind, freizustellen und die Rückstufung in der Schadensfreiheitsklasse zurückzunehmen sowie festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt war, Zahlungen an Dritte aufgrund des Unfallereignisses vom 26.12.2007 zu leisten.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, das Regulierungsermessen nicht überschritten zu haben.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB zu.

Grundsätzlich ist die Vollmacht des Kfz-Haftpflichtversicherers gemäß § 10 Abs. 5 AKB, im Namen der versicherten Person alle ihm im Rahmen der Schadensregulierung zweckmäßig erscheinenden Erklärungen abzugeben, nicht beschränkt. Diese Vollmacht gibt dem Versicherer im Innenverhältnis zu seinem Versicherungsnehmer die Befugnis, die Schadensregulierung nach eigenem pflichtgemäßem Ermessen und unabhängig von Weisungen des Versicherungsnehmers durchzuführen. Der Versicherungsnehmer kann dem Versicherer kein Regulierungsverbot auferlegen. Die Pflicht des Versicherers aus dem Versicherungsvertrag ist nach Eintritt des Versicherungsfalles darauf gerichtet, begründete Schadensersatzansprüche im Rahmen des übernommenen Risikos zu befriedigen und unbegründete Ansprüche abzuwehren. Bevor der Versicherer im Einzelfall an den geschädigten Dritten zahlt, wird er die Sach- und Rechtslage schon im eigenen Interesse sorgfältig prüfen. Im Allgemeinen wird er nur dann zahlen, wenn er zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Zahlung nach der Sach- und Rechtslage geboten ist. Ob der Versicherer freiwillig zahlt, oder ob er die Zahlung ablehnt und es darauf ankommen lässt, ob der geschädigte Dritte seine Ansprüche gerichtlich geltend macht, entscheidet er grundsätzlich nach seinem eigenen Ermessen. Diesem Ermessen sind lediglich dort Grenzen gesetzt, wo die Interessen des Versicherungsnehmers berührt werden und wo diese deshalb die Rücksichtnahme des Versicherers verlangen (grundlegend BGH, Urteil vom 20. November 1980, Az.: IVa ZR 25/80 in VersR 1981, 180 ff.) Der Versicherer verletzt die sich aus dem Versicherungsvertrag ergebende Pflicht, auf die Interessen seines Versicherungsnehmers Rücksicht zu nehmen, wenn er eine völlig unsachgemäße Schadensregulierung durchführt. Eine völlig unsachgemäße Schadensregulierung liegt vor, wenn die vom Unfallgegner geltend gemachten Ansprüche nach den gegebenen Beurteilungsgrundlagen eindeutig und leicht nachweisbar unbegründet sind. Bei der Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Versicherers über die Frage der Schadensregulierung abzustellen. Die Beweislast für eine schuldhafte Pflichtverletzung des Versicherers trägt nach den allgemeinen im Zivilprozess geltenden Grundsätzen der Versicherungsnehmer, denn es handelt sich um eine ihm günstige – weil anspruchsbegründende – Tatsache ( LG Düsseldorf, Urteil vom 6.11.2009, 22 S 160/09). In Anwendung dieser Grundsätze lässt sich eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten nicht feststellen. Bezüglich des Unfallhergangs lagen zum Zeitpunkt der Regulierungsentscheidungen zwei abweichende Sachverhaltsschilderungen vor. Unterstellt, die Behauptungen des Unfallgegners zum Unfallhergang wären zutreffend, so läge ein Verkehrsverstoß des Klägers jedenfalls gegen §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 1 StVO vor, welcher zu einer Haftung des Klägers gemäß § 7 StVG führen würde. Es war der Beklagten auch nicht möglich, einfach zu beweisen, dass die Unfallschilderung des Unfallgegners – wie es der Kläger behauptet – unzutreffend ist. Insoweit stehen der Aussage der Ehefrau des Klägers zum Unfallhergang im Prozess vor dem Amtsgericht Hannover die angekündigten Aussagen des Fahrers des Wohnmobils und der Beifahrerin entgegen. Es lag bereits eine schriftliche Unfallschilderung der Beifahrerin des Wohnmobils vor, die die Version des Unfallgegners bestätigte. Hiernach war aufgrund der Zeugenaussagen der Unfall nicht aufklärbar, geschweige denn ohne weiteres nachweisbar, dass dem Unfallgegner kein Anspruch zusteht. Zur Aufklärung des Unfallhergangs wäre vielmehr die Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens erforderlich gewesen. Dies allerdings stellt sich in Hinblick auf die relativ geringe Schadenssumme insgesamt 536,13 € als unwirtschaftlich dar. Dass die Beklagte unter diesen Voraussetzungen in die Regulierung eingetreten ist, ist nicht zu beanstanden. Der Kläger mag sich dabei vor Augen führen, dass auch er selbst in dem Rechtsstreit um seinen eigenen Schadensersatzanspruch, den er mit 712,05 € beziffert, aus ökonomischen Gründen von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen hat und das Gericht sich allein anhand der Zeugenaussagen nicht in der Lage sah, den Unfallhergang aufzuklären. Aus welchem Grund die Beklagte nun bei demselben Schadensfall mit noch geringeren Ansprüchen sich nicht von denselben ökonomischen Erwägungen leiten lassen dürfen soll wie sie offenbar der Kläger wegen seiner eigenen Ansprüche vorgenommen hat, erschließt sich nicht.

Soweit der Kläger im übrigen die Höhe der Regulierung angreift, so liegt auch hierin keine Pflichtverletzung der Beklagten. Das zugrundeliegende Abrechnungsschreiben vom 5.3.2010 war dem Kläger bekannt; er selbst hat es zur Akte gereicht, so dass ihm auch bekannt ist, wie sich der von der Gegenseite geltend gemachten Schadensbetrag der Höhe nach zusammensetzt. Ebenso wenig ist die Entscheidung, eine Quote von 50 % zu regulieren, ermessensfehlerhaft. Hierbei handelt es sich um die gängige Quote bei unaufklärbaren Unfallhergängen. Eine erhöhte Betriebsgefahr des Wohnmobils hätte sich – den Unfallhergang nach der Schilderung des Unfallgegners einmal unterstellt – nicht auf den konkreten Unfallhergang ausgewirkt. Denn wenn der Kläger auf das Wohnmobil aufgefahren sein sollte, hat sich hierdurch eine erhöhte Betriebsgefahr des Wohnmobils nicht ausgewirkt.

Davon abgesehen liegt auch ein Verstoß des Klägers gegen die Schadensminderungspflicht vor. Denn entgegen der im Schreiben vom 5.3.2010 aufgezeigten Möglichkeit hat der Kläger den Schaden nicht zurückgekauft. Hätte er dies getan, so wäre eine Rückstufung unterblieben, der Schaden hätte sich auf den Ausgleichsbetrag von 268,07 € beschränkt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr.11, 711 ZPO.

Streitwert: bis 1.000,00 €.

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