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Reisebürohaftung für Ausfall einer vermittelten Flugreise

AG Hamburg-Wandsbek – Az.: 714 C 134/19 – Urteil vom 14.11.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Der Streitwert wird auf 1.324,42 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche geltend.

Die Klägerin buchte am 13.02.2019 bei der Beklagten, die ein Reisebüro betreibt, einen Hinflug von Hamburg nach Indien und einen Rückflug in umgekehrte Richtung für sich und ihren Bruder zu einem Preis von je € 488,03 oder insgesamt € 976,06. Der Hinflug sollte am 25. März 2019 erfolgen, der Rückflug am 15. April 2019. Die Flüge sollten von Hamburg über Amsterdam nach Neu Delhi führen, wobei mit Ausnahme des Fluges von Neu Delhi nach Amsterdam, die Flüge von der niederländischem Fluglinie KLM durchgeführt werden sollten. Der Flug vom Neu Delhi nach Amsterdam sollte durch die indische Airline J. A. erfolgen. (Anlage zur Klage, Bl. 13, 14 d.A.)

Am 09.01.2019 hatte der Onlinedienst aero Telegraph einen Artikel unter der Überschrift veröffentlicht: „Indiens Regierung will J. A. nicht helfen“. Aus dem Artikel ließ sich entnehmen, dass die Airline finanzielle Probleme hatte und der indische Staat nicht einspringen würde. Es würde allerdings Aussichten geben, dass die State Bank of India einen weiteren Kredit bewilligen würde bei einem Gespräch am 08.01.2019. (Anlage zur Klage Bl. 27, 28 d.A.)

Ebenfalls am 09.01.2019 war in der Online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen ein Artikel unter Überschrift: „Lufthansa-Partner J. A. stemmt sich gegen die Pleite“ veröffentlicht. Danach hätte die State Bank of India einen Rettungsplan für die Fluglinie vorgestellt, wonach die E.

Airways aus den Vereinigten Arabischen Emiraten einen größeren Anteil an der J. A. übernehmen sollte und gemeinsam mit dem weiteren Eigentümer frisches Kapital aufbringen sollte und die Banken ihre Kredite auf längere Laufzeiten und niedrigere Zinsen umstellen würden.

Der Hinflug der Klägerin und ihres Bruders nach Indien erfolgte problemlos.

Am 12.04.2019 teilte Wallstreet online unter der Überschrift „Indische Fluglinie J. A. storniert internationale Flüge“ mit, dass Flüge von der indischen Hauptstadt Neu Delhi nach London und Amsterdam ausfallen würden. (Anlage zur Klage, Bl. 26 d.A.)

Ebenfalls am 12.04.2019 meldete der Onlinedienst aero, dass J. A. einen Großteil ihrer internationalen Flüge storniert habe. Nur Flüge u.a. nach Amsterdam seien seit Donnerstagabend ausgefallen. Darüber hinaus wurde berichtet, dass nach neuen Investoren gesucht werde, um die Airline zu retten, wobei die Bieterfrist am 12.04.2019 ablaufe und Investoren bis zum 30.04.2019 ein verbindliches Angebot einreichen sollten (Anlage B 1, Bl. 51 d.A.).

Am 12.04.2019 um 17:00 Uhr erhielt die Beklagte über den Online-Anbieter … per E-Mail eine Information zur Insolvenz der J. A., wonach empfohlen wurde, bereits ausgestellte Flugscheine, die von den Streckeneinstellungen betroffen seien, vorsorglich zeitnah zum Refund einzureichen. (Anlage zur Klage, Bl. 29 d.A.)

Die Klägerin wurde von der Beklagten nicht über einen Flugausfall informiert.

Reisebürohaftung für Ausfall einer vermittelten Flugreise
(Symbolfoto: New Africa /Shutterstock.com)

Die Klägerin legte eine Fahrkarte für eine Busfahrt von Jalandhar nach Neu Delhi vom 16.04.2019 und vom 13.04.2019 auf den 14.04.2019 vor.

Sie buchte per E-Ticket am 17.04.2019 Rückflüge für den 18.04.2019 mit Aeroflot über Moskau nach Hamburg für € 724,97 das Ticket (Anlage zur Klage Bl. 8,9 d.A.)

Der Flugbetrieb der J. A. wurde am 17.04.2019 weitestgehend eingestellt und am 20.06.2019 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet (Anlage B 3, Bl. 74 d.A.).

Die Beklagte hat für einen Refund der Tickets der Klägerin gesorgt. Sie hat die Flugscheine mit einem Antrag auf Rückerstattung der erstattungsfähigen Gebühren bei der … GmbH eingereicht. Nach Abschluss des IATA-BSP-Verfahrens wurden für ungenutzte Gebühren und Steuern pro Ticket ein Betrag in Höhe von € 189,72 oder € 379,44 insgesamt erstattet, die die Beklagte der Klägerin nach Auszahlung des Betrages am 11.09.2019 überwies.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 25.04.2019 forderte die Klägerin von der Beklagten vergeblich die Leistung von Schadensersatz.

Mit ihrer bei Gericht am 02.07.2019 eingegangenen und der Beklagten am 02.08.2019 zugestellten Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Die Klägerin behauptet, die Fluggesellschaft J. A. sie bereits im Jahr 2018 tief in die roten Zahlen geraten und ab Januar 2019, also bereits bei Buchung der Flüge am 13.02.2019, sei eine Insolvenz und damit Flugausfälle abzusehen gewesen. Die Beklagte hätte die Klägerin daher über das erhebliche Ausfallrisiko informieren müssen, da es für die Beklagte abzusehen gewesen sei, aber sie es zumindest habe erkennen müssen. Da sie das nicht getan habe, habe sie der Klägerin den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Eine ernsthafte Diskussion über die Möglichkeit einer Insolvenz stelle bereits ein erhebliches Risiko für das Gelingen eines Fluges dar und wäre daher erwähnenswert gewesen, unabhängig davon, ob eine Mehrzahl der Berichte nun optimistisch oder pessimistisch seien. Da nach der Gesetzeslage eine Pflicht für eine Insolvenzversicherung für Fluggesellschaften nicht bestehe, habe die Klägerin ein großes Interesse daran gehabt, nicht mit einer insolventen Fluggesellschaft zu fliegen und am Ende rechtlos und mit einem erheblichen Schaden dazustehen. Vor diesen Hintergrund hätte die Beklagte, die eine Kenntnis über die Insolvenzgefahr nicht bestreite, die Klägerin informieren müssen. Die Klägerin hätte dann ggf. bewusst ein Risiko eingehen oder möglicherweise zu einem höheren Preis mit einer liquideren Airline fliegen können.

Die Klägerin sei erstmals mit dem Bus vom 13.04.2019 bis zum 14.04.2019 nach Neu Delhi zum Flughafen gefahren. Während dieser Fahrt habe ihr Sohn im Internet den Check-In durchgeführt. Es habe sich für einen Laien nicht zwangsläufig ermitteln lassen, dass der Flug ausfalle, da die Webseiten der Airline noch funktioniert hätten.

Die Klägerin habe ihre Zeit in Indien bei ihrer Familie in Jalandhar, einer Stadt 400 km von Neu Delhi entfernt verbracht. Sie habe für die Fahrt von Jalandhar bis zum Flughafen in Neu Delhi am 15.04.2019 11:30 Stunden mit dem Bus benötigt, die 6.500 Rupien oder z.Zt. € 83,45 für eine Fahrkarte gekostet habe. Sie sei auch persönlich am Flughafen gewesen. Weder von der Airline am Flughafen noch von der Beklagten sei wegen des Flugausfalles eine Unterstützung angeboten worden. Nachdem die Klägerin von dem Flugausfall erfahren habe, habe sie zunächst mit dem Bus nach Jalandhar und dann wieder zurück nach Neu Delhi fahren müssen. Dafür seien insgesamt 23 Stunden Busfahrt und für 6.500 Rupien bzw. 83,45 angefallen. Sie sei zurück zu ihrer Familie gefahren, da noch nicht klar gewesen sei, wann sie zurück nach Hamburg würde fliegen können. Aufgrund der Flugausfälle der J. A. habe Chaos geherrscht und es sein nicht abzusehen gewesen, welche Flüge zurück nach Europa verfügbar waren und zu welchem Preis. Hotels am Flughafen seien ausgebucht gewesen. In Jalandhar habe sie bzw. ihr Sohn in Deutschland dann den Rückflug gebucht. Zudem wäre eine Übernachtung in Delhi nicht für 6.500 Rupien zu bekommen gewesen.

Da sie am Mittwoch, den 17.04.2019 in Deutschland wieder habe arbeiten müssen, habe sie bis zum 19.04.2019, also 3 Tage Urlaub nehmen müssen, wofür pro Tag einen Schaden in Höhe von € 72,00 entstanden sei.

Der Klägerin sei ein Gesamtschaden in Höhe von € 1.024,422 entstanden und zwar für den Ersatzflug in Höhe von € 724,97, eine zusätzliche Busfahrt für € 83,45 und für 3 Tage Extraurlaub à € 72,00.

Darüber hinaus erscheine ein Schmerzensgeld für den 3 Tage längeren Aufenthalt in Indien und davon 23 Stunden Busfahrt in Höhe von mindestens € 300,00 als angemessen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 1.024,42 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 201,71 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizuhalten.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen

Sie ist der Auffassung keine Pflicht aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag der Parteien verletzt zu haben.

Es sei bereits fraglich, ob die Beklagte überhaupt Prüfungs- und Überwachungspflichten getroffen hätten, um festzustellen, inwieweit eine Fluggesellschaft tatsächlich vor der Insolvenz gestanden habe.

Am 13.02.2019 sei auch nicht abzusehen gewesen, dass die Jet Airways insolvent werden würde. Dies sei auch den vorgelegten Berichten nicht zu entnehmen. Vielmehr vermittelten diese Artikel einen optimistischen Eindruck über die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen. Eine Pflicht über etwaige in Zeitungsartikeln dargestellte Finanzierungprobleme der Fluggesellschaft zu informieren habe nicht bestanden. Da beide Zeitungsartikel den Eindruck vermittelten, dass eine Lösung der Probleme der J. A. unmittelbar bevorstand, habe die Beklagte bei der Flugvermittlung an die Klägerin davon ausgehen könne, dass die Fluggesellschaft saniert werde.

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Nach der Buchung der Flüge durch die Klägerin habe keine Pflicht der Beklagten bestanden, sich über den konkreten finanziellen Zustand der J. A. zu informieren.

So sei aus den vorliegenden Berichten vom 12.04.2019 nicht zu entnehmen, dass J. A. seinen Flugbetrieb bereits am 11.04.2019 eingestellt hätte und es zwingend zu einem Ausfall des Fluges der Klägerin und ihres Bruders kommen würde. Eine Hinweispflicht habe daher nicht bestanden. Diejenigen Informationen, die sie erhalten habe, habe sie an die Klägerin weitergeleitet, so die E-Mail der … GmbH vom 12.04.2019.

Die Beklagte habe nach dem Ausfall des Fluges Unterstützung angeboten. Auf die Anfrage des Sohnes der Klägerin am 15.04.2019 über den Flugausfall habe die Mitarbeiterin der Beklagten, Frau …, im System versucht nachzuvollziehen, was geschehen sein könnte. Die Streichung war dort nicht vermerkt, obgleich der Flug nach der Zeitdifferenz mit Indien am 14.04.2019 nach deutscher Zeit hätte starten müssen. Telefonisch habe die Beklagte den Sohn der Klägerin darüber informiert, dass der Antrag auf Erstattung der Fluggebühren zeitnah eingereicht würde. Der Sohn der Klägerin habe bei dem Telefonat nicht um Hilfestellung oder Unterstützung bei dem weiteren Vorgehen um den Rückflug gebeten, es sei ausschließlich um den Flug von J. A. gegangen. Erst am 16.04.2019 habe sich der Sohn der Klägerin nach der Erstattung von durch den Flugausfall verursachten Kosten und Schäden per E-Mail erkundigt. Daraufhin habe die Beklagte ihn informiert, dass die Klägerin versuchen könne, ihre Rechte nach der sog. Fluggastrechte-Verordnung gegen die Fluggesellschaft mithilfe des Unternehmens Flightright durchzusetzen.

Sie habe dem Sohn der Klägerin allerdings mitgeteilt, dass der Klägerin aufgrund des stornierten Fluges bestimmte Kosten zurückerstattet werden könnten, die Höhe dieser Kosten jedoch erst nach Durchführung eines IATA-BSP-Verfahrens festgestellt werden könne.

Es sei auch nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin selbst darüber informiert habe, ob ihr Flug ordnungsgemäß stattfinde. Zu überprüfen, ob es zu Verspätungen, Ausfällen oder Veränderungen am eigenen Flug komme sei Aufgabe des Reisenden.

Es sei weiter nicht ersichtlich, dass die von der Klägerin behaupteten Busreisen von Jalandhar nach Delhi und zurück am 15.04.2019 tatsächlich stattgefunden und tatsächlich 6.500 Rupien pro Fahrt gekostet hätten. Es erschließe sich auch nicht, weshalb die Klägerin, wenn sie nach ihrer Behauptung zwei Extrafahrten mit dem Bus von Neu Delhi bis Jalandhar und zurück habe machen müssen, nur die Kosten für eine Fahrt ersetzt verlange. Es sei außerdem nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin die enorme Reisebelastung durch mehrere Busfahrten von je 11:30 Stunden innerhalb weniger Tage auf sich genommen habe und nicht in Neu Delhi in einer Unterkunft bis zu ihrem Abflug nach Hamburg geblieben sei, die sie für 13.000 Rupien auch hätte finden können.

Es sei auch weder ersichtlich, dass sich die Klägerin in einem Arbeitsverhältnis befunden habe, noch für 3 Tage habe Urlaub nehmen müssen.

Unerheblich sei auch, ob und inwieweit J. A. der Klägerin eine Unterstützung am Flughafen angeboten habe, denn die Klägerin mache Ansprüche gegen die Beklagte geltend.

Schließlich habe sich die Beklagte mit keiner Leistung im Verzug befunden. Sie habe sich bereit gezeigt, die Klägerin bei der Durchführung des IATA-BSP-Verfahrens zu unterstützen. Gleichwohl habe die Klägerin einen Rechtsanwalt eingeschaltet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung des geltend gemachten Betrages.

Die Beklagte hat weder eine Reise i.S.v. § 651v BGB vermittelt, noch zwei verbundene Reiseleistungen oder eine Pauschalreise i.S.v. § 651a Abs. 1 und 2 BGB angeboten und ist schließlich auch kein Reiseveranstalter i.S.v. § 651b BGB, so dass das Reisvertragsrecht der §§ 651a ff BGB keine Anwendung im Verhältnis der Parteien findet.

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte ergibt sich auch nicht aus der EU-Fluggastrechte-Verordnung Nr. 261/2004, da die nur zwischen einer Fluggesellschaft und einem Reisenden Anwendung findet. Die Beklagte ist aber ein Reisebüro.

Die Klägerin hat auch keinem Anspruch gegen die Beklagte wegen der Verletzung ihrer Pflichten aus dem zwischen den Parteien gem. §§ 675ff BGB bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrag aus § 280 Abs. 1 BGB.

Die Beklagte hat keine Pflicht i.S.v. § 280 Abs. 1 BGB aus dem zwischen den Parteien bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrag vor der Buchung des Fluges durch die Klägerin verletzt. Zwar hatte die Beklagte im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB eine Pflicht aus dem Vertragsverhältnis zwischen den Parteien in Form einer Aufklärungs- und Beratungspflicht. Das Reisebüro trifft aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag die Pflicht, den Vertragspartner bei der Auswahl eines Fluges zu beraten und aufzuklären. Die Auswahlberatung umfasst vor dem Hintergrund der Insolvenz verschiedener Fluggesellschaften und Reiseveranstalter in jüngerer Vergangenheit auch die Frage, ob in nächster Zeit bei einem der Anbieter oder Fluggesellschaften ein Insolvenzrisiko zu erwarten ist, denn diese Information ist für die Entscheidung des Kunden von erheblicher Bedeutung, bevor er sich für eine konkrete Reisemöglichkeit entscheidet. Eine solche Beratung ist für den Reisenden von einer solchen Erheblichkeit, dass sie auch dann nicht unterbleiben darf, wenn der Reisende dieses Thema selbst nicht anspricht. Allerdings setzt eine derartige Information konkrete Anhaltspunkte für eine Zahlungsunfähigkeit des jeweiligen Anbieters von Reiseleistungen voraus. Dies ist anzunehmen, wenn konkrete, d. h. ernsthafte und greifbare Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass eine Fluggesellschaft von einer Insolvenz bedroht ist. Das Reisebüro muss danach alle ihm erkennbaren oder bekannten insolvenzgefahrindizierenden tatsächlichen und rechtlichen Umstände im Zusammenhang mit der Bonität einer Fluggesellschaft ungefragt offenlegen. Ein konkreter Anlass zu einem Warnhinweis an den Kunden wird angenommen, wenn das Reisebüro negative Erfahrungen mit einzelnen Fluggesellschaften gemacht hat, etwa im Bezug auf eine schwankende Bonität die sich in einem veränderten Abbuchungsverhalten der Fluggesellschaft niederschlägt. (vgl. dazu insgesamt z.B. Harke in Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, beck-online. Grosskommentar, Stand 01.08.2019, § 651a BGB Rn 292, 292.1 m.w.N.)

Dass die Beklagte aber solche Erfahrungen mit der J. A. gehabt hätte ist weder vorgetragen, noch ersichtlich.

Das Gleiche gilt bei einschlägigen Informationen über eine negative Geschäftslage, die etwa in branchenspezifischen Quellen (wie Fachzeitschriften und Verbandsmitteilungen) kursieren oder gar durch die Tagespresse publik gemacht werden (vgl. Harke, a.a.O., § 651a BGB Rn 292.2 m.w.N.). Hier hat es in Online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen und vom Onlinedienst aero Telegraph am 09.01.2019 zwar Berichte über finanzielle Schwierigkeiten gegeben. Beiden vorliegenden Artikeln ist jedoch zu entnehmen, dass zwar der indische Staat eine Garantie für die Zahlungsverbindlichkeiten der Airline ablehnte, aber die State Bank of India einen Rettungsplan erarbeitet hätte, in dessen Rahmen die E. Airways aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, eine bekanntermaßen finanziell sehr gut ausgestattete Airline, einen größeren Anteil an der J. A. übernehmen würde und die Banken die Kredite verlängern und niedrigere Zinsen verlangen wollten. Nach diesen Berichten war die finanzielle Schieflage der Airline gerade behoben worden und es deutete nichts auf ein bestehendes Insolvenzrisiko hin, zumal beiden Artikeln keinerlei Flugausfälle aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten zu entnehmen waren. Aufgrund der genannten Artikel und der Tatsache, die von der Klägerin gewünschten Flüge nur wenige Monate nach dem Erscheinen der Artikel erfolgen sollten, ist eine Pflicht der Beklagten, die Klägerin über ein mögliches Insolvenzrisiko der J. A. aufzuklären nicht ersichtlich.

Eigene Nachforschungen hat das Reisebüro darüber hinaus aber nicht anzustellen, da es lediglich als Vermittler tätig wird. Deshalb dürfen seine Informationspflichten nicht derart ausgeweitet werden, dass sie zu einer Garantiehaftung für die Zahlungsfähigkeit von Fluggesellschaften führen (vgl. Harke, a.a.O., § 651a BGB Rn. 292.3 m.w.N.).

Die Beklagte war auch nicht unmittelbar vor dem Rückflug der Klägerin verpflichtet, die Klägerin über eine Flugannullierung zu informieren. Die vertraglichen Beratungspflichten eines Reisbüros aus einem Geschäftsbesorgungsvertrag über die Buchung von Flügen enden mit dem Zeitpunkt, in dem die Auswahlberatung abgeschlossen ist und der Kunde sich für eine bestimmte Flugbuchung entscheidet und ein Beförderungsvertrag geschlossen wird (vgl. z.B. BGH NJW 2006, 2321, 2322). Ab diesem Zeitpunkt greifen Pflichten aus dem Beförderungsvertrag ein, der mit dem Beförderungsunternehmen geschlossen wird. Hier tritt das Reisebüro als Vertreter des Beförderungsunternehmens auf. (vgl. AG Hamburg, Urt. v. 21.10.2008, Az.: 14 C 391/07, VuR 2009, 236, beck-online). Danach gehört zu den aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag resultierenden Pflichten eines Reisebüros nur noch die sorgfältige Weiterleitung von Informationen und die Erteilung notwendiger Auskünfte (AG Baden-Baden, Urteil vom 09. Juni 2011 – 16 C 46/10 -, Rn. 32, juris). Die Beklagte verfügte vor der Annullierung des Rückfluges der Klägerin allerdings nicht über eine konkrete Information, dass dieser Flug nicht stattfinden würde. Nach dem Vorbringen der Parteien war aber gerade bis zur Annullierung des Fluges am 15.04.2019 nach indischer Ortszeit noch nicht klar, dass dieser Flug nicht stattfinden würde. Wie die Klägerin vorträgt war noch per Internet ein Check-In möglich, ohne dass es Hinweise auf einen Ausfall des Fluges gegeben hätte. Die Beklagte trägt vor, dass noch bei dem Anruf des Sohnes der Klägerin am 15.04.2019 zu deutscher Ortszeit, also lange nach dem geplanten Start der Maschine, in ihrem Computersystem der Ausfall des Fluges nicht angegeben war. Eine Informationspflicht der Beklagten ergibt sich auch nicht aus der E-Mail vom 12.04.2019 über den Online-Anbieter …, wonach Flugtickets von Flügen von Streckeneinstellungen vorsorglich zum Refund angemeldet werden sollten, da diese Mitteilung keine konkreten Flüge benannte und so nicht abzusehen war, ob der Flug der Klägerin betroffen sein würde.

Die Beklagte war auch nicht nach. § 666 BGB verpflichtet, die Klägerin nach der Annullierung des Rückfluges über anderweitige Reisemöglichkeiten aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages, von sich aus zu beraten. Da die Beratungspflichten eines Reisebüros – wie oben ausgeführt – mit der Entscheidung des Reisenden für einen konkreten Flug enden, ist eine Beratungspflicht der Beklagten ohne Aufforderung durch die Klägerin nach dem Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen den Parteien nicht ersichtlich. Eine Pflichtverletzung der Beklagten liegt daher nicht vor.

Die Beklagte ist ihren vertraglichen Sorgfaltspflichten nach der Annullierung des Fluges aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Klägerin nachgekommen, als sie für die Klägerin das IATA-BSP-Verfahren durchführte und jedenfalls eine teilweise Rückerstattung der Kosten für die Flüge erreichte.

Da die Klägerin keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte hat, hat sie auch weder einen Anspruch auf Erstattung von Verzugszinsen noch auf den Ausgleich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

Bei der Streitwertfestsetzung waren gem. § 5 ZPO die Werte von Zahlungsantrag und Feststellungsantrag zusammenzurechnen, wobei der Feststellungsantrag mit € 300,00 zu bewerten war.

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