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5-Tägige Busreise im halben Doppelzimmer gewonnen – Verstoß gegen das UWG?

Saarländisches Oberlandesgericht

Az.: 1 U 498/99-128

Verkündet am 27.09.1999

Vorinstanz: LG Saarbrücken – Az.: 7 I O 28/99


Leitsatz vom Verfasser (nicht amtlich):

1. 5-Tägige Urlaubsreise im halben Doppelzimmer gewonnen mit der Möglichkeit weitere vom Gewinner geworbene Reiseteilnehmer gegen Zahlung des vollen Reisepreises von 498,– DM hinzuzubuchen. Dies stellt eine sittenwidrige Form der „Laienwerbung“ dar, weil die Gewinner der Busreise in unlauterer Weise zur Anwerbung weiterer Reiseteilnehmer aus ihrem Verwandten- und Bekanntenkreis veranlasst werden.

2. Auch die Möglichkeit durch Zuzahlung des Einzelzimmerzuschlages in Höhe von 171,– DM ein Einzelzimmer zu erhalten, stellt eine psychologische Zwangslage dar, welche gegen § 1 UWG verstößt.


Wegen einstweiliger Verfügung auf Unterlassung unlauteren Wettbewerbs hat der 1. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 1999 für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 12. Mai 1999 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts in Saarbrücken – Az.: 7 I O 28/99 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Verfügungsbeklagten zur Last.

3. Das Urteil ist vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

A.

Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs gehört. Die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) betreibt ein Reiseunternehmen, das überwiegend Flug- und Busreisen veranstaltet. Die Beklagte veranstaltete im Januar 1999 in Zusammenarbeit mit der Nachrichten-Verlags-GmbH ein Gewinnspiel, bei dem neben zwei Flugreisen für jeweils zwei Personen als den Hauptgewinnen 500 Preise ausgelobt wurden, die in der Teilnahme an einer von der Beklagten veranstalteten 5-tägigen Busreise an den Gardasee bestanden. In der entsprechenden Werbung wies die Beklagte darauf hin, dass die Gewinner dieser Busreisen „im halben Doppelzimmer“ untergebracht würden. Die Zubuchung von Begleitpersonen im Doppelzimmer koste 498,– DM; für eine Unterbringung im Einzelzimmer sei vom Gewinner ein Zuschlag von 171,– DM zu leisten.

Den jeweiligen Gewinnern wurde eine Gewinnbenachrichtigung übermittelt, der ein nicht übertragbarer Gutschein („Reisescheck im Wert von 498,– DM“) für eine Reise an den Gardasee mit Unterbringung im halben Doppelzimmer beigefügt war. Sie wurden von der Beklagten erneut auf dis Möglichkeiten einer Einzelzimmerunterbringung gegen Zuzahlung von 171,– DM sowie der Zubuchung von Begleitpersonen im Doppelzimmer zum Preis von 498,– DM hingewiesen.

Die Klägerin hat diese Gewinnspielwerbung als wettbewerbswidrig beanstandet und die Beklagte nach erfolgloser Abmahnung im Verfahren der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs selbst oder durch Dritte, insbesondere Zeitungsverlage, in der an Letztverbraucher gerichteten Werbung im Rahmen eines Gewinnspieles anzukündigen, dass als Preis Gutscheine über eine Reise bei Unterbringung im halben Doppelzimmer ausgesetzt sind und dass die Zubuchung einer weiteren Person im Doppelzimmer und/oder die Einbuchung in ein Einzelzimmer gegen ein Zusatzentgelt angeboten wird und/oder ein derart angekündigtes Gewinnspiel durchzuführen.

Gegen dieses Urteil richtet sich dis Berufung der Beklagten, die weiterhin die Zurückweisung des klägerischen Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nachsucht. B.

Die form- und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemäß begründete Berufung der Beklagten ist zulässig.

Dem Rechtsmittel muss jedoch in der Sache der Erfolg versagt bleiben, weil in Übereinstimmung mit dem Landgericht davon auszugehen ist, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem von der Klägerin erstrebten Regelungsinhalt gegeben sind.

I.

Der klägerische Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist gemäß §§ 935, 940 ZPO; 25 UWG zulässig.

Des Weiteren ist nach der Rechtsauffassung des erkennenden Senats davon auszugehen, dass das Verfügungsbegehren der Klägerin eilbedürftig ist und deshalb ein Verfügungsgrund besteht. Die zu fordernde Eilbedürftigkeit des Verfügungsbegehrens folgt bereits aus dem Umstand, dass mit diesem die Untersagung einer Werbemaßnahme der Beklagten angestrebt wird, die die Klägerin als wettbewerbswidrig ansieht.

Nach § 25 UWG ist die Dringlichkeit eines Rechtsschutzgesuchs zu vermuten, dass auf die Unterbindung unlauterer Wettbewerbshandlungen gerichtet ist (vgl. Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Aufl., Rn. 11 zu § 25 UWG; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 2. Aufl., Rn. 159; v. Gamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2. Aufl., Rn. 2 zu § 25 UWG; Pastor, Der Wettbewerbsprozess, 3. Aufl., S. 251). Allerdings ist ungeachtet dieser gesetzlichen Vermutung die Frage der Dringlichkeit des geltend gemachten Unterlassungsbegehrens von Amts wegen zu prüfen, und diese Prüfung kann durchaus ergeben, dass aus dem eigenen Verhalten der Verfügungsklägerin eine „Selbstwiderlegung“ der Dringlichkeitsvermutung folgt (vgl. Baumbach-Hefermehl, a.a.O., Rn. 9, 11 ff. zu § 25 UWG; v. Gamm a.a.O.; Pastor a.a.O.; Senatsentscheidung im OLG-Report 1997, 104, 105). Dies ist dann anzunehmen, wenn sich aus den tatsächlichen Umständen insbesondere aus dem Verhalten der Verfügungsklägerin selbst ergibt, dass eine Eilbedürftigkeit des nachgesuchten Rechtsschutzes nicht oder nicht mehr angenommen werden kann. Der dem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch allgemein innewohnende Dringlichkeitsfaktor ist dann für sich allein nicht mehr ausreichend (vgl. Baumbach-Hefermehl a.a.O., Rn. 11 bis 17 zu § 25 UWG; Melullis a.a.O., Rn. 165 ff.; Pastor a.a.O.; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Senatsentscheidungen vom 28.4.1999 in der Sache 1 U 59/99-14- und vom 18.12.1996 in OLG Report 1997, 104 ff., 105; weitere Nachweise zur einschlägigen Senatsrechtsprechung bei Traub, Wettbewerbsrechtliche Verfahrenspraxis, 2. Aufl., S. 352-353 unter Ziffern 3.7.1. und 3.7.3.). Von einer derartigen Sachlage aber kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden.

Die Klägerin hat substantiiert dargetan, die beanstandeten Werbeunterlagen seien ihr erstmals am 5.2.1999 zu Händen ihrer Zweigstelle Niedersachsen/Sachsen-Anhalt vorgelegt worden. Diese Sachdarstellung der Klägerin, die durch eine eidesstattliche Versicherung des Rechtsanwalts S glaubhaft gemacht wurde, hat die Beklagte nicht widerlegt. Hiernach aber kann nicht angenommen werden, dass die Klägerin nach der Kenntniserlangung von der beanstandeten Werbung mit der Einreichung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung so lange zugewartet hat, dass eine Eilbedürftigkeit der Angelegenheit schon deshalb nicht mehr angenommen werden kann. Die Klägerin hat nämlich die Beklagte mit Schreiben vom 15.2.1999 unter Fristsetzung bis zum 23.2.1999 abgemahnt und nach ergebnislosem Ablauf dieser Frist am 10.3.1999 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt. Zwischen der Kenntniserlangung von der beanstandeten Werbung und dem gerichtlichen Vorgehen hiergegen liegt somit ein Zeitraum von knapp fünf Wochen, innerhalb dessen die Klägerin die Beklagte abgemahnt hat. Dieser Zeitraum kann nicht als so lange angesehen werden, dass der Schluss gerechtfertigt wäre, die Klägerin habe auf den ihr bekannt gewordenen Wettbewerbsverstoß so lange zugewartet, dass die von ihr geltend gemachte Eilbedürftigkeit der Angelegenheit

nicht mehr angenommen werden könne. Die Grenze für den Wegfall der Dringlichkeitsvermutung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zwar deutlich vor dem Ablauf von drei Monaten, jedoch jedenfalls jenseits von sechs Wochen (vgl. die Nachweise zur Senatsrechtsprechung bei Traub, Wettbewerbsrechtliche Verfahrenspraxis, 2. Aufl., S. 352 unter Ziffer 3.7.1 a.E.; vgl. ferner Senatsentscheidung vom 28.4.1999 in der Sache 1 U 59/99-14-).

II.

Die Klagebefugnis und die Aktivlegitimation der Klägerin hinsichtlich des von ihr verfolgten Unterlassungsanspruchs ergeben sich aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG.

Bei der Klägerin handelt es sich um einen rechtsfähigen Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Bekämpfung unlauterer Wettbewerbshandlungen gehört. Es wird allgemein anerkannt, dass die Klägerin, der u.a. alle Industrie- und Handelskammern des Bundesgebietes angehören, auch nach der Neufassung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG aufgrund ihrer Mitgliederstruktur und ihrer Ausstattung eine umfassende Verbandsklagebefugnis für das gesamte Bundesgebiet besitzt, aufgrund deren sie Unterlassungsansprüche nach § 1 UWG verfolgen kann (vgl. Baumbach-Hefermehl, a.a.O., Rn. 36 der Einleitung UWG; BGH GRUR 1995, 122 -„Laienwerbung für Augenoptiker“; Senatsentscheidung vom 21.10.1998 in der Sache 1 U 949/97-182-).

Des Weiteren betrifft der vorliegend geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch ein Verhalten, das geeignet ist, den Wettbewerb auf dem einschlägigen Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Das beanstandete Gewinnspiel ist durch die Art und den Wert der ausgelobten Gewinne in besonderer Weise geeignet, die Gewinner dazu zu veranlassen, entweder ihnen persönlich gut bekannte Personen als weitere den vollen Preis zahlende Reiseteilnehmer zu werben, um die Unterbringung „in einem halben Doppelzimmer“ zusammen mit einer unbekannten Person zu vermeiden, oder den Einzelzimmerzuschlag von 171,– DM zu entrichten. In beiden Fällen wird entgeltlichen Leistungsangeboten der Beklagten der Vorzug vor denjenigen anderer Reiseveranstalter gegeben und werden die Interessen der Wettbewerber der Beklagten dadurch in erheblichem Maße beeinträchtigt. Des Weiteren ist zu erwarten, dass sich ggf. zukünftig weitere Reiseveranstalter der Praxis der Beklagten anschließen würden. Hiernach aber würden, die Wettbewerbswidrigkeit des Handelns der Beklagten unterstellt, die gleichfalls zu berücksichtigen den Interessen der Allgemeinheit an der Beachtung der geltenden wettbewerbsrechtlichen Regelungen nachhaltig tangiert.

III.

Der von der Klägerin verfolgte Unterlassungsanspruch ist auch materiell-rechtlich begründet, da die Beklagte durch die Ankündigung und die Durchführung des beanstandeten Gewinnspiels gegen § 1 UWG verstoßen hat, und die Gefahr einer Wiederholung besteht.

Zwar ist es wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn ein Reiseveranstalter zu Werbezwecken Gewinnspiele veranstaltet, bei denen die Teilnehmer werthaltige Reisen gewinnen können. Des Weiteren ist es einem Reiseveranstalter unbenommen, im Rahmen eines derartigen Gewinnspiels auch Reisen als Preise auszuloben, bei denen die Unterbringung „im halben Doppelzimmer“ zusammen mit einer zunächst unbekannten Person erfolgt, sofern auf diesen Umstand von Anfang an hingewiesen wird und dem Gewinner nur die Möglichkeiten eröffnet werden, entweder diese Art der Unterbringung zu akzeptieren oder auf die gewonnene Reise zu verzichten.

Eine andere wettbewerbsrechtliche Beurteilung ist jedoch dann geboten, wenn dem Gewinner wie im vorliegenden Fall ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet wird, die Unterbringung in einem Doppelzimmer mit einem ihm völlig unbekannten Reiseteilnehmer dadurch zu vermeiden, dass er eine nahestehende Person dazu veranlasst, als ein den vollen Reisepreis zahlender Begleiter an der Reiseveranstaltung teilzunehmen. Durch die Eröffnung dieser Möglichkeit wird ein psychologischer Zwang auf den Gewinner oder Gewinninteressenten ausgeübt, sich als Laienwerber für die Beklagte zu betätigen. Ihm wird nahegelegt, sich als Verkaufshelfer der Beklagten zu betätigen.

Jeder Teilnehmer an dem Gewinnspiel handelt in der Hoffnung, dass er zu den Gewinnern gehören wird. Gewinnt er dann eine der ausgelobten Reisen im Wert von immerhin 498,– DM, so wird er bestrebt sein, diesen Gewinn tatsächlich zu nutzen und hierdurch seinen wirtschaftlichen Wert zu realisieren. Andererseits wird jedoch die Werthaltigkeit der gewonnenen Reise aus Sicht des Gewinners dadurch erheblich beeinträchtigt, dass die Unterbringung in einem Doppelzimmer zusammen mit einer unbekannten Person erfolgen soll. Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, wird es von einer Vielzahl der ausgelosten Gewinner als störend und unangenehm, wenn nicht gar als inakzeptabel empfunden, ein Doppelzimmer unter Einschluss der sanitären Einrichtungen mit einem weiteren unbekannten Reiseteilnehmer teilen zu müssen, auf dessen Auswahl kein Einfluss besteht. Ein erheblicher Teil der Gewinner wird daher nach der Lebenserfahrung versuchen, die mit der in Aussicht gestellten Unterbringung „im halben Doppelzimmer“ verbundenen Nachteile und Beeinträchtigungen dadurch zu beschränken oder aufzuheben, dass Verwandte oder gute Bekannte als Mitreisende geworben werden. Damit aber stellt sich das in Rede stehende Gewinnspiel, bei dem Reisen „im halben Dopppelzimmer“ mit der Möglichkeit verlost werden, weitere vom Gewinner geworbene Reiseteilnehmer gegen Zahlung des vollen Reisepreises von 498,– DM hinzuzubuchen, als sittenwidrige Form der Laienwerbung dar, weil die Beklagte die Gewinner der Busreisen in unlauterer Weise zur Anwerbung weiterer Reiseteilnehmer aus ihrem Verwandten- und Bekanntenkreis veranlasst.

Von einer Laienwerbung im wettbewerbsrechtlichen Sinne ist stets auszugehen, wenn Personen als Werber eingesetzt werden, die keine professionellen Werber sind und insbesondere keine berufsmäßige Vertretertätigkeit ausüben, sondern nur nebenbei gegen Gewährung einer Belohnung oder sonstigen Vergütung für die Waren oder Leistungen eines bestimmten Unternehmens werben (vgl. Baumbach-Hefermehl a.a.O., Rn. 200 – 201 zu § 1 UWG; v. Gamm a.a.O., Kap. 25, Rn. 42, S. 475 – 476; BGH GRUR 1981, 655, 656 -„Laienwerbung“). Es kann daher keinem Zweifel begegnen, dass die beanstandete Werbemaßnahme eine Laienwerbung bezweckt und initiiert, da die Gewinner ihrerseits dazu veranlasst werden, weitere Reiseteilnehmer und damit zahlende Kunden für die Beklagte zu werben.

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Allerdings sind Formen der Laienwerbung nicht schon deshalb unzulässig, weil die eingespannten Personen keine berufsmäßigen Werber sind. Auch ist der Einsatz von Laienwerbern nicht in jedem Falle rechtswidrig, in dem diesen eine Prämie oder Belohnung gewährt wird (vgl. BGH GRUR 181, 655, 656 -„Laienwerbung“; BGH GRUR 1959, 285, 286 -„Bienenhonig“; Senatsentscheidung in WRP 1994, 840, 842 -„Gastgeber-Gewinnspiel “ Baumbach-Hefermehl a.a.O., Rn. 201 f . zu § 1 UWG; v. Gamm a.a.O.). Es kommt vielmehr auch bei den Formen der Laienwerbung immer auf die Umstände des Einzelfalles an. Von besonderer Bedeutung ist dabei, welcher Art die beworbene Ware oder Leistung ist, welchen Preis sie hat, welche Werbeprämie gewährt wird und in welchem Verhältnis der Preis der Leistung und die Mühewaltung des Werbers zu der diesem gewährten Prämie stehen (BGH a.a.O.; OLG Karlsruhe GRUR 1970, 144 f., 145; Senatsentscheidung a.a.O.). Darüber hinaus sind die Auswirkungen der beanstandeten Werbung auf die angesprochenen Personenkreise, die Belange der Allgemeinheit und das zukünftige Werbeverhalten der Konkurrenten zu prüfen, wobei eine strenge Beurteilung geboten ist, wenn wie bei dem beanstandeten Gewinnspiel der Beklagten Laienwerber gegen Gewährung aus ihrer Sicht erheblicher Vorteile eingespannt werden, um ihre Privatsphäre und die zu dieser gehörenden persönlichen Beziehungen zu Werbezwecken zu nutzen (vgl. BGH a.a.O.; Baumbach-Hefermehl, a.a.O.; v. Gamm a.a.O.).

Unter Berücksichtigung dieser Beurteilungskriterien ergibt sich im vorliegenden Fall, dass die beanstandete Werbeaktion der Beklagten gleich in mehrfacher Hinsicht als wettbewerbswidrig qualifiziert werden muss, und zwar zum einen unter dem Aspekt eines übertriebenen Anlockens von Laienwerbern und unter dem Gesichtspunkt einer übermäßigen Belastung der Privatsphäre, zum anderen aber auch aus Gründen der Vorbeugung gegen die Gefahr einer Verwilderung der Wettbewerbssitten.

1. Durch die beanstandete Ausgestaltung des Gewinnspieles der Beklagten werden die als Gewinner ausgelosten Laien unter Begründung eines psychologischen Zwanges in übertriebener Weise angelockt, als Laienwerber für die Beklagte tätig zu werden.

Die Beklagte gewährt den Gewinnern einen für sie interessanten und zugleich wertvollen Vorteil in Gestalt einer kostenlosen mehrtägigen Reise, verbindet diesen Vorteil jedoch mit der für die weitaus meisten Personen unangenehmen Aussicht, mehrere Tage lang mit einer unbekannten Person ein Doppelzimmer teilen zu müssen. Zugleich eröffnet sie die Möglichkeit, diesen Nachteil durch die Zahlung eines nicht unbeträchtlichen Einzelzimmerzuschlages oder dadurch zu vermeiden, dass eine den vollen Reisepreis zahlende Begleitperson aus dem Kreis der Verwandten oder guten Bekannten des Gewinners angeworben wird. Diese Verknüpfung eines Gewinnes, den sich kaum jemand ohne weiteres wird entgehen lassen, mit einem

die Freude an der Reise schmälernden Begleitumstand, der durch die erfolgreiche Anwerbung eines genehmen Mitreisenden abgewendet werden kann, übt einen so erheblichen psychologischen Druck auf die jeweiligen Gewinner aus, eine ihnen vertraute Person zur entgeltlichen Buchung der selben Reise zu überreden, dass die Grenze der Unlauterkeit als überschritten angesehen werden muss.

2. Um die mit einer Unterbringung „im halben Doppelzimmer“ verbundenen Unannehmlichkeiten und Nachteile zu beseitigen oder zu minimieren und um die Zahlung des nicht unerheblichen Einzelzimmerzuschlages zu vermeiden, werden die Gewinner versuchen, einen ihnen sympathischen weiteren Reiseteilnehmer aus dem Kreis ihrer Verwandten, Freunde und guten Bekannten zu werben. Diese Ausnutzung von privaten, persönlichen Beziehungen entspricht dem Grundgedanken der beanstandeten Werbeaktion und ist zugleich ihr offenkundiger Zweck. Hierin liegt im Übrigen ein wesentlicher Unterschied zu dem üblichen ambulanten Gewerbe und Hausbesuchen von Vertretern, denn der in einem „privaten“ Gespräch von einem Verwandten oder Freund zur Mitreise gedrängte Reiseinteressent fühlt sich bei seinem Entschluss, ob er an der in Rede stehenden Reiseveranstaltung der Beklagten teilnimmt, bei weitem nicht mehr so frei, wie wenn ein Fremder, Unbekannter bei ihm für die Teilnahme an einer Reise wirbt (vgl. OLG Karlsruhe, GRUR 1970, 144 ff., 145; Senatsentscheidung in WRP 1994, 840, 843 -„Gastgeber-Gewinnspiel“). während der umworbene Kunde einen Fremden ohne weiteres abweisen kann und wird, ist es für ihn ungleich schwieriger, die Einladung eines Verwandten oder Freundes zur Mitreise abzulehnen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der werbende Verwandte oder Freund wie im vorliegenden Fall bei einer Ablehnung des Mitreiseangebots Nachteile in Gestalt der gemeinsamen Unterbringung mit einer unbekannten Person bzw. einer nicht unerheblichen Zuzahlung zu gewärtigen hat, oder seitens des Gewinners gar der Vorschlag unterbreitet wird, einen Teil der Reisekosten des Begleiters zu übernehmen und diesen so an dem Gewinn partizipieren zu lassen. Gerade diese Inanspruchnahme der Privatsphäre und ihrer besonderen psychologischen Bedingungen stellt ein weiteres Element dar, das die beanstandete Ausgestaltung des Gewinnspiels anstößig erscheinen lässt.

3. Letztlich ist zu berücksichtigen, dass die Zulassung von Werbeaktionen der hier in Rede stehenden Art die Gefahr der Nachahmung durch Konkurrenten der Beklagten begründen würde. Die Folge davon wäre ein massenhafter Einsatz von Laienwerbung für Reiseveranstaltungen, bei dem eine allgemeine Verwilderung der Wettbewerbssituation auf diesem Markt eintreten würde (vgl. BGH GRUR 1959, 285, 287 -„Bienenhonig“; v. Gamm a.a.O.). Auch dieser Gefahr ist entsprechend dem Zweck des § 1 UWG zu begegnen.

IV.

Der von der Klägerin verfolgte Verfügungsanspruch ist insbesondere auch insoweit gemäß § 1 UWG begründet, als er sich auf die Einräumung der Möglichkeit bezieht, durch Zuzahlung eines Betrages von 171,– DM die Unterbringung in einem Einzelzimmer zu erreichen.

Ein Gewinner, der keinen ihm genehmen Mitreisenden zur gemeinsamen Unterbringung im Doppelzimmer werben kann oder will, sich aber gleichwohl den Genuss der gewonnenen Reise nicht entgehen lassen will, wird regelmäßig den Einzelzimmerzuschlag zahlen, um kein Doppelzimmer mit einer fremden Person teilen zu müssen. Für denjenigen, der nicht auf den Gewinn verzichten möchte, aber die Teilung eines Doppelzimmers mit einer fremden Person als sehr unangenehm empfindet, entsteht eine psychologische Zwangslage, in der er sich typischerweise für die Zahlung des Einzelzimmerzuschlages von 171,– DM entscheiden wird. Diese psychologische Zwangslage sucht die Beklagte für ihre Zwecke zu nutzen, um wenigstens eine Zuzahlung von 171,– DM zu erlangen, wenn schon kein zahlender Mitreisender von dem Gewinner geworben wird. Die gezielte Begründung und Ausnutzung einer derartigen psychologischen Zwangslage aber verstößt gegen § 1 UWG (vgl. Baumbach-Hefermehl a.a.O., Rn. 157 zu § 1 UWG m.w.N.).

V.

Die erfolgte Androhung von Ordnungsmitteln entspricht § 890 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus §§ 545 Abs. 2 Satz 1; 704 Abs. 1; 705 Satz 1 ZPO.

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