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Reisemangel bzgl. Fluglinie – Sicherheitsstandard/unzumutbare Beförderungsbedingungen

LG Rostock – Az.: 1 S 29/19 – Urteil vom 18.10.2019

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Rostock vom 05.12.2018, Az. 47 C 284/18, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Rostock ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 4.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt die Erstattung der Kosten eines Fluges im Zusammenhang mit einer Kreuzfahrtreise.

Der Kläger buchte bei der Beklagten für sich und seine Familie eine Kreuzfahrtreise vom 07.10. bis 21.10.2018. Vertragsbestandteil war die An- und Abreise per Flug von Düsseldorf nach New York und zurück. Vom 06.02.2017 datiert die Reservierungsbestätigung der Beklagten (vgl. Anlage K 1 zur Klageschrift – Blatt 5 ff. d.A.). Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen. Der Reisevertrag nimmt auf die üblichen Reisevertragsbedingungen der Beklagten Bezug. Im Katalog der Beklagten wird unter der Überschrift An- und Abreise mit dem Flugzeug u.a. auf Folgendes hingewiesen:

„Genaue Angaben zu Ihren Flugdaten – wie z.B. Flugzeiten und Fluggesellschaften – erhalten Sie, sobald A. die Informationen vorliegen, spätestens mit den Reiseunterlagen. …. Änderungen des Flugplanes, wie z.B. der geplanten Flugstrecke und Flugzeiten sowie des Fluggeräts … sind vorbehalten.“

Später teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Flug mit der Fluggesellschaft … durchgeführt werden solle.

Nachdem … wegen Zahlungsschwierigkeiten den Flugbetrieb eingestellt hatte, teilte die Beklagte dem Kläger telefonisch mit, dass der Hin- und Rückflug nunmehr mit der Fluglinie … Airlines durchgeführt werden solle. Bei dieser Fluglinie handelt es sich um eine spanische Charterfluggesellschaft mit 4 Flugzeugen, die seit 2013 „am Markt“ ist.

Der Kläger ließ die Beklagte über sein Reisebüro mit Schreiben vom 02.10.2017 auffordern, eine Umbuchung ab/bis Frankfurt mit Lufthansa, Singapur Airlines etc. vorzunehmen bzw. die angebotenen Flüge zu stornieren bei gleichzeitiger eigenständiger Buchung der Flüge ab/bis Frankfurt. Hierauf reagierte die Beklagte nicht. Der Kläger buchte für sich und seine Familie einen Hin- und Rückflug mit der Fluglinie Lufthansa von Frankfurt nach New York und zurück zu einem Gesamtpreis von 3.961,64 € (inklusive Kosten für Sitzplätze in Höhe von 200,- €). Der vorgenannte Betrag ist Gegenstand der Klage.

Der Kläger ist der Ansicht, er habe die Umbuchung nicht hinnehmen müssen, weil es sich bei der ins Auge gefassten Fluglinie … Airlines nicht um eine renommierte, am Markt etablierte Fluglinie gehandelt habe. Ihm sei die Durchführung des Fluges mit der Fluglinie … zugesichert worden. Der Standard der Fluglinie … Airlines weiche weit vom Flugstandard der Fluglinie … oder anderer renommierter Fluglinien ab. Die Flugzeuge der Fluglinie … Airlines verfügten über eine schlechte Ausstattung. Der Service sei erheblich schlechter als üblich.

Das Amtsgericht Rostock hat die Klage abgewiesen. Auf das Urteil des Amtsgerichts vom 23.01.2019 wird Bezug genommen. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Klageantrag unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Die Beklagte verteidigt das amtsgerichtliche Urteil.

II.

Reisemangel bzgl. Fluglinie – Sicherheitsstandard/unzumutbare Beförderungsbedingungen
(Symbolfoto: Von Hananeko_Studio/Shutterstock.com)

Die zulässige Berufung ist unbegründet und zurückzuweisen.

Der Kläger kann seinen Anspruch nicht auf einen Reisemangel gem. § 651c Abs. 1 BGB a.F. gründen. Eine Reise ist „mangelhaft“, wenn sie nicht die zugesicherten Eigenschaften hat oder wenn sie mit einem Fehler behaftet ist, der ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufhebt oder mindert. Welche Eigenschaften der Reise zugesichert sind, ergibt sich vorrangig aus den vertraglichen Unterlagen, d.h. hier aus der Reservierungsbestätigung vom 06.02.2017. Darüber hinaus – worauf der Kläger zutreffend hinweist – sind etwaige Prospektangaben maßgeblich. Dies folgt aus § 4 Abs. 2 S. 1 BGB-InfoV, wonach

„die in dem Prospekt enthaltenen Angaben für den Reiseveranstalter bindend“

sind. Immer gilt es bei der Prüfung der Frage, ob ein Reisemangel anzunehmen ist, zu beachten, dass der Reiseveranstalter bei bloßen Unannehmlichkeiten nicht einstandspflichtig ist. Gewisse Unannehmlichkeiten und Unzulänglichkeiten, die dem Massencharakter des Reisevertragsgeschäfts immanent sind, muss ein Reisender in Kauf nehmen (allg. Ans.; vgl. u.a. MüKoBGB/Tonner, 7. Aufl. 2017, BGB § 651c Rn. 12).

Der Reservierungsbestätigung kann keine Zusicherung entnommen werden, dass für die geschuldete An- und Rückreise eine bestimmte Fluglinie hat geschuldet sein sollen. Die Behauptung des Klägers in seinem letzten Schriftsatz vom 15.10.2019, es sei eine „deutsche Fluglinie“ zugesichert gewesen, ist nicht nachvollziehbar. In den üblichen und der Kammer bekannten Prospekten werden lediglich beispielhaft – auch ausländische – Fluglinien genannt. Bestimmte Qualitätsmerkmale der dort genannten Fluglinien sind nicht beschrieben. Unter den genannten Fluglinien finden sich neben bekanntermaßen einen größeren Komfort versprechenden Fluglinien auch sog. Billigfluglinien mit einem geringeren Komfort. Der Zuschnitt des vom Kläger gebuchten Reisepakets lässt auch nicht zwingend darauf schließen, eine Beförderung mit einer einen größeren Komfort versprechenden Fluglinie sei von der Beklagten versprochen; hierfür vermag die ständig mit Reisevertragssachen befasste Kammer keine hinreichenden Anhaltspunkte zu erkennen. Folglich hat der Kläger lediglich Anspruch auf einen Hin- und Rückflug gehabt, der durchschnittlicher Art und Güte ist. Der Mitteilung der Beklagten, der Transport des Klägers und seiner Familie erfolge mittels der Fluglinie … misst die Kammer keine Zusicherung bei, sondern nur einen informatorischen Charakter. Es entspricht nicht der allgemeinen Verkehrserwartung, dass sich die Beklagte mit der Mitteilung der ins Auge gefassten Fluglinie hat binden wollen.

Die Kammer kann dahinstehen lassen, ob die von der Beklagten vorgesehene Ersatzfluglinie im Großen und Ganzen den Komfort versprochen hat, den auch eine Fluglinie mittlerer Art und Güte anbietet. Denn nicht jede nachteilige Abweichung rechtfertigt die vom Kläger vorgenommene Selbstabhilfe. Die Kammer vertritt die Ansicht, dass bei einer Selbstabhilfe, die einen wesentlichen – abtrennbaren – Reisevertragsinhalt betrifft und einer Teilkündigung nahekommt, ein Ersatzanspruch auf Erstattung von Kosten für eine Selbstabhilfe nur dann besteht, wenn der Reisende auch gemäß § 651e BGB a.F. hätte kündigen dürfen (LG Duisburg Urt. v. 20.12.2007 – 12 S 92/07, BeckRS 2008, 13774, beck-online). Geht es um einen Mangel, der zwar keine bloße Unannehmlichkeit darstellt, wohl aber nur eine Minderung im unteren Bereich zulassen würde, verbietet sich für den Reisenden dann eine Selbstabhilfe. Aus der vertraglichen Treuepflicht kann erwartet werden, dass er den Mangel hinnimmt und eine angemessene Minderung geltend macht. Aus diesem Grunde ist es dem Kläger verwehrt gewesen, wegen eines möglicherweise eingeschränkten Komforts auf dem Hin- und Rückflug auf einen Ersatzflug mit einer Fluglinie auszuweichen, die bekanntermaßen einen hohen Komfort bietet.

Anders liegt der Fall – selbstverständlich – dann, wenn dem Reisenden als Ersatzfluglinie eine solche angeboten wird, die nicht den gewohnten Sicherheitsstandard verspricht und schlicht unzumutbare Beförderungsbedingungen. Solches trägt der Kläger zwar vor, ohne dies aber näher durch Tatsachen belegen zu können. Die in Bezug genommenen „Kundenbewertungen“ sind ohne plausible Aussagekraft. Was es heißt, es habe sich um ein „altes Flugzeug gehandelt“ erschließt sich nicht. Dass das angebotene Flugzeug keine „Business Class“ aufgewiesen habe, ist unerheblich. Ob auch das für die Beförderung des Klägers vorgesehene Flugzeug derart beschaffen gewesen ist, steht nicht fest. Dass der Kläger Anspruch auf eine „Business Class“ gehabt hat, ergibt sich aus dem Reisevertrag nicht; dieser hat die „economy class“ vorgesehen. „Schreiende Kinder“ sind kein Mangel, soweit das in einer kinderfreundlichen Gesellschaft hinzunehmende übliche Maß nicht überschritten wird. Schlechte bzw. veraltete Bildschirme sind unerfreulich, können eine erhebliche Minderungsquote aber nicht rechtfertigen. Enge Sitzplätze sind „flugspezifisch“, wenn man nicht in der Luxusklasse fliegt. Was sich zwingend aus dem vorgelegten „Low Cost Monitor 1/2016“ ergeben soll, erschließt sich nicht. Da der Kläger auch keine hinreichenden Anknüpfungspunkte aufgezeigt hat, aus denen auf eine Unsicherheit des in Aussicht genommenen Flugzeugs geschlossen werden könnte, kommt eine weitere Aufklärung nicht in Betracht. Dem Kläger hätte zumindest abverlangt werden können, den – leicht zu ermittelnden – Flugzeugtyp zu nennen, der genutzt worden wäre und das konkret ins Auge gefasste Flugzeug.

Soweit der Kläger auf die Entscheidung des LG Kleve verweist (Urteil vom 17. 8. 2001 – 6 S 120/01, NJW-RR 2002, 1058, beck-online), verkennt er einen wesentlichen Umstand. In dem vom LG Kleve entschiedenen Fall ist nach dem zugrundezulegenden Sachverhalt davon auszugehen gewesen, dass die Beförderung mit einer bestimmten Fluglinie vereinbart gewesen sei. Eine solche Vereinbarung ist vorliegend nicht anzunehmen (s.o). Die Kammer erachtet in den Hinweisen zur Ausführung der Reise kein neues Vertragsangebot, das der Kläger konkludent hätte annehmen können (s.o.).

Im Übrigen wäre infolge der Turbulenzen, in die … gerichtsbekannt geraten ist, eine Vertragsgrundlage entfallen und hätte ohnedies eine – gem. Ziffer 4.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zulässige – Änderung erfolgen müssen und dürfen. Ziffer 4.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten lauten wie folgt:

4.2 Änderungen wesentlicher Reiseleistungen des vereinbarten Inhalts des Reisevertrags, die nach Vertragsabschluss notwendig werden und die von A. nicht wider Treu und Glauben herbeigeführt wurden, sind gestattet, soweit die Änderungen nicht erheblich sind und den Gesamtzuschnitt der Reise nicht beeinträchtigen.

Gegen die Wirksamkeit dieser Allgemeinen Geschäftsbedingung bestehen keine Bedenken.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 ZPO sind nicht gegeben.

 

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