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Reisepreis: Stornopauschale 50 Prozent bei Rücktritt bis 30 Tage vor Reisebeginn?

AG Bad Homburg – Az.: 2 C 2142/17 (28) – Urteil vom 25.01.2019

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in der Höhe von 644,– € nebst Zinsen hieraus in der Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18. Januar 2018 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird außerdem verurteilt, den Kläger von Honoraransprüchen seines Prozessbevollmächtigten für die vorgerichtliche Tätigkeit in der Höhe von 255,85 € freizustellen.

3. Die Widerklage wird abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, eine Vollstreckung durch den Kläger gegen eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in der Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vorläufig vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung eine Sicherheit oder Hinterlegung in der Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um reiserechtliche Ansprüche nach der Stornierung einer von dem Kläger gebuchten Reise.

Der Kläger schloss Anfang Januar 2017 mit der Beklagten einen Reisevertrag über eine vierzehntägige Reise nach Porto Santo. Zum genauen Inhalt der von dem Kläger geplanten Reise wird auf die Reisebestätigung/Rechnung der Beklagten (Anlage zur Klage, Bl. 8/9 d. A.) Bezug genommen. Für die Reise sollte der Kläger einen Betrag in der Höhe von insgesamt 3.218,92 € zahlen.

Als Anzahlung auf die Reise entrichtete der Kläger der Beklagten einen Betrag in der Höhe von 644,– €. Mit einem Schreiben vom 20. Juni 2017 stornierte der Kläger die bei der Beklagten gebuchte Reise. Die Beklagte erstellte daraufhin eine Storno-Rechnung, zu deren Inhalt im Einzelnen auf die Rechnung vom 21. Juni 2017 (Anlage zur Klage, Bl. 10 d. A.) verwiesen wird. Insoweit forderte die Beklagte von dem Kläger einen Betrag in der Höhe von 1.609,46 €.

Der Kläger wandte sich an seinen Prozessbevollmächtigten. Dieser forderte die Beklagte mit einem Schreiben im August 2017 zur Rückzahlung der geleisteten Anzahlung sowie ebenfalls zu einer Erklärung auf, dass die überschießende Forderung aus der Stornorechnung nicht weiter verfolgt werde. Zum genauen Inhalt des Forderungsschreibens des Prozessbevollmächtigten des Klägers wird auf das Schreiben vom 22. August 2017 (Anlage zur Klage, Bl. 11/12 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte musste die streitgegenständlichen Flüge gegenüber der Fluggesellschaft stornieren. Ob der Beklagten insoweit ein konkreter Schaden in der Höhe von 1.163,20 € entstand, ist zwischen den Parteien streitig. Zum genauen Inhalt des von der Beklagten vorgetragenen Schadens wird auf die Storno-Bestätigung vom 13. Februar 2018 (Anlage zur Klageerwiderung, Bl. 23/24 d. A.) verwiesen.

Der Kläger verfolgt mit der vorliegenden Klage seinen Rückforderungsanspruch weiter. Demgegenüber hat die Beklagte eine Widerklage erhoben, welche sich auf die Differenz zwischen der von dem Kläger geleisteten Anzahlung und dem von der Beklagten vorgetragenen Schaden von 1.163,20 € bezieht.

Der Kläger behauptet, die in den allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten festgelegte Quote von 50 %, welchen die Beklagte als pauschale Entschädigung bei einer Stornierung der Reise geltend mache, sei unwirksam. Eine konkrete Berechnung der Höhe der Stornoforderung habe die Beklagte nicht vorgenommen.

Der Kläger hat mit seiner der Beklagten am 18. Januar 2018 zugestellten Klage beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 644,- € nebst Zinsen in der Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu bezahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von Honoraransprüchen seines Prozessbevollmächtigten für die vorgerichtliche Tätigkeit in der Höhe von 255,85 € freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Im Wege der Widerklage hat die Beklagte beantragt, den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte einen Betrag in der Höhe von 519,20 € zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, durch die Stornierung der Flüge sei ihr unter Berücksichtigung der ersparten Aufwendungen in Form von Steuern und Gebühren ein Schaden in der Höhe von 1.163,20 € entstanden. Eine anderweitige Verwendung der Flugleistung habe nicht erfolgen können, weil es sich nicht um Kontingentflüge, sondern um Flüge im Einzelplatzverkauf gehandelt habe. Der innerhalb der Rechnung der Fluggesellschaft aufgeführte Betrag sei im Oktober im Rahmen einer Sammelabrechnung bezahlt worden.

Das Gericht hat aufgrund eines Beweisbeschlusses vom 19. Juni 2018 (Bl. 38 d. A.) Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der von der Beklagten benannten Zeugin P. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift des Amtsgerichts Bochum vom 5. Oktober 2018 (Bl. 61 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet. Demgegenüber hält das Gericht die von der Beklagten erhobene Widerklage für unbegründet.

Der Kläger hat einen Rückforderungsanspruch gegen die Beklagte, welcher sich auf § 812 Abs. 1 Satz 2 Erste Alternative BGB stützen lässt. Denn der rechtliche Grund für die Anzahlung des Klägers auf den Reisepreis ist später weggefallen. Ein Rechtsgrund für die von der Beklagten begehrte Zahlung von Rücktrittskosten besteht nicht.

Soweit sich die Beklagte zur Begründung der Stornoforderung auf ihre allgemeinen Reisebedingungen bezogen hat, geht der unterzeichnende Richter davon aus, dass diese allgemeinen Reisebedingungen tatsächlich Bestandteil des Vertrages der Parteien geworden sind. Denn nach dem unstreitig gebliebenen Vortrag der Beklagten im Rahmen der Widerklage vom 26. Februar 2018 erfolgte der Abschluss des Reisevertrages über eine Internetbuchung. Insoweit war es erforderlich, dass der Kläger vor dem Absenden der Buchungsmaske einen Haken zur Akzeptanz der Reisebedingungen gesetzt hat. Das Absenden der Buchungsmaske ohne ein Setzen dieses Hakens ist technisch nach dem unstreitig gebliebenen Vortrag der Beklagten nicht möglich (vgl. die Seite 1 der Widerklage vom 26. Februar 2018, Bl. 19 d. A.). Diesem Vortrag ist der Kläger in der Folgezeit überhaupt nicht entgegengetreten, so dass er als unstreitig zugrunde zu legen ist.

Ungeachtet dessen kann sich die Beklagte allerdings nicht auf die in ihren AGB’s geregelten Rücktrittsgebühren stützen. Denn die unter der Ziffer 5.3.1 allgemein vereinbarten Rücktrittsgebühren hält der unterzeichnende Richter für unwirksam. Im vorliegenden Falle sollte bei einem Rücktritt bis zu 30 Tage vor Reisebeginn, der hier erklärt worden ist, eine Stornopauschale von 50 % des Reisepreises eingreifen (vgl. die Seite 2 der Widerklage, Bl. 20 d. A.). Dementsprechend hat die Beklagte dem Kläger zunächst auch eine Rücktrittsgebühr in der Höhe von 1.609,46 € in Rechnung gestellt. Eine solche Gebühr wiederspricht dem § 309 Ziffer 5 a BGB.

Denn die mit 50 % pauschalierten Rücktrittskosten übersteigen den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden. Der Reiseveranstalter kann grundsätzlich mit dem Reisenden vertraglich eine Pauschalierung einer angemessenen Entschädigung für den Fall der Stornierung vereinbaren (§ 651 i Abs. 3 BGB). Dabei kann als Stornogebühr für jede Reiseart unter Berücksichtigung der gewöhnlich ersparten Aufwendungen und des durch anderweitige Verwendung der Reiseleistung gewöhnlich möglichen Erwerbs ein Vomhundertsatz des Reisepreises als Entschädigung festgesetzt werden. Solche formularmäßigen Stornoklauseln unterliegen nach herrschender Meinung der AGB-Kontrolle nach den §§ 307, 309 BGB, insbesondere nach § 309 Ziffer 5 a BGB. Der Reiseveranstalter als Verwender der AGB muss darlegen und nachweisen, dass er die Stornopauschale unter Beachtung der Kriterien des Gesetzes berechnet hat, mithin die Pauschale dem typischen Schadensumfang entspricht.

Welche Anknüpfungspunkte insoweit zugrunde zu legen sind, hat der BGH in der Entscheidung vom 3. November 2015 (NJW 2016, 1508) beschrieben. Die Tarife müssen, ebenso wie die Entschädigungspauschale bei unterschiedlichen Reisearten, so differenziert werden und die bei einem bestimmten Tarif als gewöhnlich erspart berücksichtigten Aufwendungen und der bei diesem Tarif als gewöhnlich möglich berücksichtigte anderweitige Erwerb so bemessen werden, dass es zumindest in der Regel ausgeschlossen ist, dass die Entschädigung überschritten wird, die nach § 651 i Abs. 2 BGB zu zahlen wäre (vgl. hierzu BGH, NJW 2016, 1508; BGHZ 203, 335; BGH, NJW 2015, 1444, 1448). An die sachliche Rechtfertigung des verlangten Vomhundertsatzes des Reisepreises für die konkrete Reise, zu dessen Zahlung der Reisende, der von seinem gesetzlichen Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht hat, verpflichtet sein soll, dürfen insoweit nach der Rechtsprechung des BGH nicht zu geringe Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH, NJW 2016, 1508, BGHZ 203, 335; BGH, NJW 2015, 1444, 1448).

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Den Anknüpfungspunkt für die Ermittlung der gewöhnlichen Möglichkeit anderweitiger Verwendung von Reiseleistungen, die Gegenstand stornierter Reiseverträge waren, bilden Erfahrungswerte, die hinreichend verlässlich Auskunft darüber geben, wie sich die typische Nachfrage nach einer dieser Reiseleistungen umfassenden Reise darstellt. Dabei widerspräche es dem Sinn einer Entschädigungspauschale, jede einzelne Reise für sich zu betrachten. Die Erfahrungswerte müssen vielmehr repräsentativ für die Gesamtheit der Reisen sein, die der Reiseveranstalter in der jeweiligen Kategorie oder Preisklasse anbietet (vgl. hierzu BGH, NJW 2016, 1508, 1509; BGHZ 203, 335). Die Anforderungen an ein repräsentatives Reiseprofil lassen sich dabei nicht abstrakt definieren, sondern sind im Einzelfall vom Tatrichter unter Berücksichtigung des Interesses des Reiseveranstalters an einem praktisch handhabbaren Maßstab und des Interesses des Reisenden, nicht mit einer für die von ihm gebuchte Reise nicht angemessenen Pauschale belastet zu werden, zu bestimmen.

Zu hohe Pauschalen benachteiligen den Reisenden in besonders gravierender Weise und sind ggf. geeignet, sein gesetzliches Rücktrittsrecht nach § 651 i Abs. 1 BGB auszuhöhlen (vgl. Amtsgericht Hannover, Urteil vom 3. Januar 2017, Aktenzeichen: 418 C 6538/16). Denn der Reiseveranstalter kann sich zwar vorbehalten, im Einzelfall eine die Pauschale übersteigende angemessene Entschädigung nach § 651 i Abs. 2 BGB geltend zu machen, dem Reisenden ist der Einwand aber nicht eröffnet, im Einzelfall sei mehr als die gewöhnlich zu ersparenden Aufwendungen erspart oder ein gewöhnlich nicht möglicher anderweitiger Erwerb erzielt worden (vgl. hierzu BGH, NJW 2015, 1444, 1447). Insoweit hat der Reiseveranstalter im Streitfall darzulegen und nachzuweisen, dass er die Entschädigungspauschale unter Beachtung der gesetzlichen Kriterien berechnet hat.

Gemessen an diesen Anforderungen kann die Vereinbarung einer Stornopauschale von 50 % nicht wirksam sein. Denn die Beklagte stützt sich zur Begründung dieser hohen Stornopauschale lediglich darauf, dass die streitgegenständliche Reise nach dem Prinzip des sogenannten „Packaging“ zusammengestellt worden sei. Insoweit würden Sondertarife der Leistungsträger, z. B. der Fluggesellschaften und Hotels verwendet, die von diesen bei Rücktritt grundsätzlich nicht erstattet werden würden. Aus diesem Grund fänden bei einer solchen gebuchten Reise besondere Rücktrittspauschalen Anwendung (vgl. den Vortrag der Beklagten auf der Seite 2 der Widerklage, Bl. 20 d. A.).

Mit diesem nach der Einschätzung des unterzeichnenden Richters pauschalen Vortrag ist eine Überprüfung der Stornopauschale nicht möglich. Denn es fehlt an der Darlegung, welche Aufwendungen die Beklagte gewöhnlich erspart und welche anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten der Reiseleistungen in diesem Fall gewöhnlicherweise bestehen. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr gewöhnlich ein Schaden in einer Höhe entsteht, der die von ihr festgelegte Rücktrittspauschale rechtfertigt. Konkret fehlt jeder Vortrag, in welchem Umfang die einzelnen Reiseleistungen an der Zusammensetzung der Pauschale Anteil haben, noch nennt die Beklagte nachvollziehbare Zahlen, die ihren Schaden belegen oder weist nach, in welchem Umfang sie tatsächlich Aufwendungen erspart bzw. was sie anderweitig durch Weiterverwendung der Reiseleistungen erwirbt und wie sie diese Beträge aus ihrer Kalkulation herausgerechnet hat. Im Übrigen fehlen auch Angaben dazu, in welcher Höhe sie Aufwendungen aufgrund der Erstattung von Steuern und Gebühren erspart und ob bzw. in welchem Umfang dieser Umstand bei der Berechnung der Pauschale Berücksichtigung gefunden hat. Somit kann das Gericht nicht feststellen, ob sich die Beklagte bei der Festlegung des Vomhundertsatzes an dem gesetzlichen Maßstab des § 651 i Abs. 3 BGB orientiert hat. Denn welche Sondertarife im vorliegenden Fall Anwendung gefunden haben sollen, weiß der unterzeichnende Richter nicht. Es wird lediglich gänzlich pauschal behauptet, dass die Beklagte entsprechende Sondertarife vereinbart habe. Dies ist in keinster Weise überprüf- bzw. nachvollziehbar.

Darüber hinaus fehlt auch jeglicher konkrete Vortrag, wie bei solchen „Packaging-Reisen“ die gewöhnlich ersparten berücksichtigten Aufwendungen und der bei diesem Tarif als gewöhnlich möglich berücksichtigte anderweitige Erwerb bemessen werden soll. Aus der streitgegenständlichen Reisebestätigung/Rechnung der Beklagten ist ebenso wenig wie aus der Stornorechnung der Beklagten ein konkreter Hinweis auf gesonderte Leistungstarife einzelner Leistungsträger zu entnehmen.

Auch mit der Darstellung der Zeugin P. kann der unterzeichnende Richter im entsprechenden Zusammenhang nicht viel anfangen. Die Zeugin hat zwar die Darstellung der Beklagten bestätigt, dass die Buchung für die konkreten Reisegäste „personalisiert“, also mit Namen eingekauft worden sei. Ansonsten könne die Zeugin P. hierzu aber keine weiteren Angaben machen (Seite 2 der Zeugenvernehmung, Bl. 61 Rückseite d. A.).

Dieser Vortrag, aus dem lediglich ergänzend zu entnehmen ist, dass die streitgegenständlichen Flugplätze von der Beklagten personalisiert eingekauft worden sind, hilft dem unterzeichnenden Richter bei der Beurteilung der Stornoentschädigungspauschale nicht weiter. Denn auch insoweit bleibt es dabei, dass die Beklagte mit keinem Wort konkret vorgetragen hat, wie die gewöhnlich ersparten berücksichtigten Aufwendungen bei personalisierten Flugtickets so seien. Insoweit ist dem unterzeichnenden Richter nach wie vor eine konkrete Überprüfung der Stornoentschädigungspauschale nicht möglich.

Der Beklagten hilft auch der Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 25. Juli 2017 (NJW 2017, 3297) nicht entscheidend weiter. Denn dort hat der BGH keineswegs entschieden, dass die vereinbarte Pauschale auch im Hinblick auf die gegenständliche Reiseart angemessen sei. Ganz im Gegenteil hat sich der BGH in der fraglichen Entscheidung mit einer pauschalen Entschädigungsquote von 40 % des gezahlten Reisepreises auseinandergesetzt.

Insoweit hat der BGH zum Ausdruck gebracht, dass bei Reiseverträgen grundsätzlich eine Anzahlungsquote in der Höhe von 20 % des Reisepreises als zulässig angesehen werde. Eine solche Quote trage in pauschalierter Form dem Umstand Rechnung, dass der Reiseveranstalter einerseits ein anerkennenswertes Interesse daran habe, dass der Reisende durch eine gewisse Anzahlung die Ernsthaftigkeit seines Reisewunsches und seine Fähigkeit und Bereitschaft dokumentiere, seine Vertragspflichten zu erfüllen, und andererseits typischerweise zumindest in gewissem Umfang Kosten aufwenden müsse, um das Leistungsangebot bereitzustellen und bereitzuhalten, aus dem der Reisende seine Auswahl getroffen habe und das er selbst oder durch ihm vertraglich verbundene Leistungsträger zum vereinbarten Reisezeitpunkt erbringen müsse (vgl. BGH, NJW 2017, 3297). Da aufgrund der Sicherstellung der Rückzahlung des Reisepreises im Insolvenzfall den Reisenden kein Ausfallrisiko treffe, sei es also gerechtfertigt, eine 20 % des Reisepreises nicht übersteigende Anzahlung als angemessen anzusehen (vgl. hierzu BGH, NJW 2017, 3297, 3298).

Eine darüber hinausgehende Anzahlungsverpflichtung ist nach der Auffassung des BGH nicht ausgeschlossen, bedürfe aber einer weitgehenden Rechtfertigung. Angesichts des Umstands, dass die Absicherung des Reisenden gegen das Risiko der Insolvenz des Reiseveranstalters sichergestellt ist und der Reisende, wenn er jedenfalls kurz vor Reiseantritt den gesamten Reisepreis entrichten müsse, dass ihm unabhängig von der Insolvenzsicherung zustehende Leistungsverweigerungsrecht (§ 320 BGB) vor Reiseantritt in aller Regel ohnehin nicht ausüben könne, sei hierfür in erster Linie der Gesichtspunkt leitend, dem Reisenden keinen ungerechtfertigten Liquiditätsnachteil abzuverlangen. Bei einer Anzahlung von mehr als 20 % des Reisepreises erhalte der Reiseveranstalter einen erheblichen Liquiditätsvorteil auf Kosten des Reisenden, der eben diesen Vorteil verliere, weil er einen erheblichen Teil des Reisepreises bereits längere Zeit vor Reisebeginn zahlen müsse. Dies sei regelmäßig nur dann der beiderseitigen Interessenlage angemessen, wenn der sofort fällige Anteil des Reisepreises dem Veranstalter nicht als Teil seiner liquiden Mittel verbleibe, sondern zur Deckung von Kosten der Reise benötigt werde, die bei dem Veranstalter bereits bei oder vor dem Vertragsschluss mit dem Reisenden und vor Durchführung der Reise anfallen. Der Reiseveranstalter könne deshalb eine Anzahlung von mehr als 20 % des Reisepreises nur dann verlangen, wenn er bei den Reisenden derjenigen Kategorie, für welche er eine höhere Anzahlung verlange, in Höhe eines dem verlangten Anteil des Reisepreises entsprechenden Betrags seinerseits eigene Aufwendungen erbringen und fällige Forderungen der Leistungsträger erfüllen müsse, deren er sich zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Reisevertrag bediene (vgl. hierzu BGH, NJW 2017, 3297, 3298).

Insoweit hat der BGH in der angesprochenen Entscheidung lediglich zum Ausdruck gebracht, dass trotz einer Bandbreite im Einzelfall unterschiedlich hoher Vorleistungen eine dem Durchschnitt dieser Vorleistungen entsprechende Anzahlungsquote als repräsentativ und damit als angemessen anzusehen sein könne, wenn kein sachlicher Zusammenhang zwischen Art, Umfang und Qualität der vertraglich versprochenen Reiseleistungen und den unterschiedlich hohen Vorleistungen bestehe (vgl. den Leitsatz 2 der Entscheidung des BGH in NJW 2017, 3297). Eine Einschätzung dahingehend, dass die im vorliegenden Fall vereinbarte Pauschale im Hinblick auf die gegenständliche Reiseart angemessen sei, ist also der angemessenen Entscheidung des BGH mit keinem Wort zu entnehmen. Insoweit ist der Hinweis des Prozessbevollmächtigten des Beklagten auf die angesprochene Entscheidung des BGH nicht nachvollziehbar.

Zusammenfassend bleibt der unterzeichnende Richter dabei, dass die im vorliegenden Fall vereinbarte Pauschale von 50 % der kompletten Reisekosten nicht angemessen sein kann. Denn eine solch hohe Entschädigungspauschale widerspricht den gewöhnlich ersparten berücksichtigten Aufwendungen und der bei diesem Tarif als gewöhnlich möglich berücksichtigten anderweitigen Erwerb. Insoweit wird die Entschädigung überschritten, die gemäß § 651 i Abs. 2 BGB regelmäßig zu zahlen wäre. Im Übrigen ist die Beklagte ihrer konkreten Darlegungspflicht in Bezug auf die Angemessenheit der vereinbarten Entschädigungspauschale nicht nachgekommen (vgl. hierzu auch Führich, Reiserecht, 7. Aufl., § 14, Rz. 23 m.w.N.; BGH, NJW 2015, 1444, 1447; BGH, NJW 2016, 1508, 1509).

Der unterzeichnende Richter hat auch allein durch den Umstand, dass hinsichtlich des von der Beklagten vorgetragenen konkreten Schadens Beweis erhoben worden ist, hinreichend darauf aufmerksam gemacht, dass er die von der Beklagten vorgetragene pauschale Rücktrittsentschädigung für unwirksam erachtet. Denn andernfalls hätte es keine Notwendigkeit gegeben, über den von der Beklagten behaupteten Schaden Beweis zu erheben.

Es kann allerdings auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagten tatsächlich ein konkreter Schaden in der Höhe von 1.163,20 € entstanden ist. Selbst wenn sich der Vortrag der Beklagten als richtig herausgestellt hätte, dass die Beklagte die Flugleistung nicht anderweitig habe verwerten können, ist von der Entstehung eines konkreten Schadens in der dargestellten Höhe für die Beklagte nicht auszugehen. Denn die Beklagte konnte nicht konkret nachweisen, den behaupteten Schaden überhaupt erlitten zu haben.

Soweit die Beklagte vorgetragen hat, den innerhalb der Storno-Bestätigung der Fluggesellschaft genannten Betrag in der Höhe von 1.163,20 € habe sie schon im Oktober 2017 im Rahmen einer Sammelabrechnung bezahlt, kann das Gericht von der Richtigkeit dieser Darstellung der Beklagten nicht ausgehen. Zwar hat die Zeugin P. ausgesagt, die genannte Darstellung der Beklagten so bestätigen zu können (Seite 2 der Zeugenvernehmung, Bl. 61 Rückseite d. A.). Die Zeugin sprach insoweit davon, den Vorgang selbst nicht bearbeitet zu haben. Sie habe lediglich die Stornobestätigung an die Rechtsabteilung weitergeleitet. Sie selbst sitze im Servicecenter der Beklagten, habe sich allerdings bei der Buchhaltung über den Vorgang informiert. Die konkrete Zahlung laufe über „Cash-Pooling“, dies sei „im Prinzip“ eine Überweisung, die die Beklagte an die Firma C. gezahlt habe. Mehr könne die Zeugin zu dem Vorgang nicht mehr sagen (Seite 2 der Zeugenvernehmung, Bl. 61 Rückseite d. A.).

Diese Darstellung der Zeugin genügt dem Gericht nicht als Nachweis dafür, dass die Beklagte einen konkreten Schaden in der Höhe von 1.163,20 € erlitten hat. Denn die Zeugin sprach lediglich davon, dass die Zahlung „im Prinzip“ wie bei einer Überweisung ablaufe. Dies kann nicht genügen. Denn entweder hat die Beklagte den fraglichen Betrag an die Firma C. gezahlt oder eben nicht. Genau dies hat die Beklagte allerdings behauptet, indem sie davon gesprochen hat, der fragliche Betrag sei schon im Oktober 2017 (!) an die Firma C. gezahlt worden (vgl. den Vortrag der Beklagten im Rahmen des Schriftsatzes vom 28. Mai 2018, Bl. 36 a d. A.). Einen entsprechenden Zahlungsnachweis hat die Beklagte allerdings dem Gericht nicht vorgelegt.

Im Übrigen zieht das Gericht die behauptete Zahlung auch noch aus einem anderen Gesichtspunkt heraus in Zweifel. Denn die fragliche Storno-Bestätigung ist von der Firma C. erst im Februar 2018 an die Beklagte ausgestellt worden (vgl. die Storno-Bestätigung, Anlage zur Klageerwiderung, Bl. 23/24 d. A.). Demgegenüber behauptet die Beklagte allerdings, die fragliche Zahlung sei schon im Oktober 2017, also schon weit vor der Erstellung der Storno-Bestätigung an die Firma C. gezahlt worden. Dies kann richtig sein, muss es aber nicht. Einen entsprechenden Zahlungsnachweis hat die Beklagte – wie schon ausgeführt – zu keinem Zeitpunkt vorgelegt. Berücksichtigt man weiter, dass sowohl die … GmbH als auch die C. GmbH zum selben Konzernverbund zählen, kann allein die bloße Behauptung, es sei eine interne Zahlung vorgenommen worden, als Zahlungsnachweis bzw. als Nachweis des Schadens nicht ausreichen.

Eigene Erkenntnisse bzw. Wahrnehmungen der Zeugin P. im Hinblick auf den Geschehensablauf hat sie nicht dargelegt. Die Zeugin hat sich bei der Schilderung, wonach sie von der Entstehung eines Schadens ausgehe, lediglich an den Angaben der Buchhaltung orientiert. Konkrete Nachweise insoweit haben allerdings weder die Zeugin noch die Beklagte dem Gericht zur Verfügung gestellt. Nicht einmal ein Überweisungsträger in Bezug auf die behauptete Zahlung ist vorgelegt worden. Deshalb kann das Gericht schlicht und einfach nicht von der Entstehung eines Schadens auf der Seite der Beklagten ausgehen.

Mangels eines konkreten Schadens der Beklagten steht ihr weder eine pauschale Entschädigungszahlung noch ein konkreter Schaden zu. Ganz im Gegenteil ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger den gezahlten Betrag in der Höhe von 644,– € zurückzuerstatten (§ 812 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 BGB).

Der ausgeurteilte Zinsanspruch folgt in der Höhe des gesetzlichen Zinssatzes als Rechtshängigkeitszins aus den §§ 288, 291 BGB. Rechtshängigkeit trat mit der Zustellung der Klage bei der Beklagten am 18. Januar 2018 ein.

Ebenfalls unter Verzugsgesichtspunkten ist die Beklagte verpflichtet, den Kläger von den vorgerichtlichen Anwaltskosten freizustellen. Der Kläger hat unstreitig vorgetragen, die Beklagte schon im Zusammenhang mit dem Rücktritt von der Reise am 20. Juni 2017 zur Rückzahlung geleisteter Zahlungen aufgefordert zu haben (Seite 2 der Klage, Bl. 2 d. A.). Insoweit war der Kläger berechtigt, sich zur Durchsetzung seiner Rückzahlungsforderung anwaltlicher Hilfe zu bedienen. Der Freistellungsanspruch des Klägers stützt sich insoweit auf den § 280 Abs. 1 BGB.

Zur Berechnung der anwaltlichen Gebührenforderung ist tatsächlich ein Gegenstandswert in der Höhe von 1.609,46 € zugrunde zu legen. Denn der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit seinem Forderungsschreiben vom 22. August 2017 nicht nur eine Rückzahlung der genannten 644,– € verlangt, sondern darüber hinaus auch die Feststellung begehrt, dass die Beklagte keine weiteren Forderungen aus der Stornorechnung vom 21. Juni 2017 erhielt. Insoweit kann es nach der Einschätzung des Gerichts nicht beanstandet werden, wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine anwaltlichen Gebühren aus einem Gegenstandswert in der Höhe von 1.609,46 € errechnet hat. Erstattungsfähig ist eine Anwaltsgebühr im Umfang von 1,3 zuzüglich der üblichen Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer.

Die gemäß § 33 ZPO zulässige Widerklage war abzuweisen. Denn von der Entstehung eines konkreten Schadens zugunsten der Beklagten in der Höhe von 1.163,20 € geht der unterzeichnende Richter nach den vorstehenden Ausführungen nicht aus. Die Darlegungen der Zeugin P. können hierfür nicht ausreichen. Dementsprechend war die Widerklage als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten, die im Rechtsstreit vollständig unterliegt, folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Rechtsgrundlage der Entscheidung der Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit sind die §§ 708 Ziffer 11 und 711 ZPO.

 

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