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Reisepreisminderung und Schadensersatz wegen Reisegepäckverlust

AG Köln, Az.: 142 C 114/14, Urteil vom 18.04.2016

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.350,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.10.2013 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites tragen die Klägerin zu 67 % und die Beklagte zu 33 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für die Klägerin nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils aufgrund des Urteiles vorläufig vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.

Tatbestand

Reisepreisminderung und Schadensersatz wegen Reisegepäckverlust
Symbolfoto: smolaw/Bigstock

Die Klägerin nimmt die Beklagte, eine Reiseveranstalterin, aus eigenem und abgetretenem Recht auf Schadenersatz, Reisepreisminderung und Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude in Anspruch.

Die Klägerin buchte bei der Beklagten für sich, ihren Ehemann, dem Zeugen S. A. K., drei Kindern und für ihre Mutter, der Zeugin St., eine nach Tunesien in das Hotel … (Monastir) in dem Zeitraum vom 21.06.2013 bis 12.07.2013. Der Gesamtpreis belief sich auf 4.289,00 Euro. Vertraglich vereinbart war u.a. auch die Flug-/Personenbeförderungen und Gepäckbeförderung sowie der Transfer vom Flughafen zum gebuchten Hotel und zurück. Am Ende der Reise begaben sich die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann, ihren drei Kindern und ihrer Mutter am 12.07.2013 gegen Mitternacht mit ihren 5 Reisegepäckstücken zur Hotelrezeption. Der Ansprechpartner der Beklagten vor Ort, Herr M. A., teilte der Klägerin und ihrer Familie mit, ihre Reisegepäckstücke in die Obhut des Busfahrers zu geben, der sie zum Flughafen befördern würde. Sie wurden sodann zum Flughafen gefahren. Nach Ankunft am Flughafen erläuterte Herr M. A., allen Reisenden das weitere Vorgehen bezüglich des Rückfluges und des Check-Ins. Als die Klägerin und ihr Ehemann aus dem Bus ausstiegen, sicherte einer der beiden zwei Reisegepäckstücke. Zwei weitere Reisegepäckstücke befanden sich auf der anderen Seite des Busses. Die Klägerin und ihre Familie stellten sodann fest, dass ein schwarzer Koffer, 77 cm hoch, 50 cm breit und 38 cm tief, ihres Reisegepäcks fehlte. Sie suchten das fehlende Reisegepäckstücks und zeigten dem Ansprechpartner vor Ort, Herrn M. A., das Fehlen des Reisegepäckstücks an. Dieser erkundigte sich beim Busfahrer; ob sich das fehlende Reisegepäckstück noch im Bus befindet. Nachdem der Busfahrer den Bus durchsuchte und mitteilte, das fehlende Reisegepäckstück nicht gefunden zu haben, teilte Herr M. A. zwei anwesenden Polizisten den Verlust mit.

Nach Reiseende machte die Klägerin Ansprüche bei der Beklagten wegen des Verlustes des Koffers geltend. Am 16.09.2013 trat der Ehemann der Klägerin, Herr S. A. K., seine Ansprüche an die Klägerin ab. Die Klägerin forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 16.09.2013 erneut zum Ausgleich der Forderung auf und machte weiter Reisepreisminderung geltend. Die Beklagte wies Ansprüche der Klägerin unter dem 17.10.2013 zurück.

Die Klägerin behauptet, der Busfahrer habe die Laderaumklappen des Busses während der Erläuterungen des Herrn M. A. geöffnet. Es hätten sich bereits Kofferträger an dem Reisegepäck zu schaffen gemacht, bevor es ihnen möglich gewesen sei, selbst nach dem Gepäck zu schauen. Nach Verlassen des Busses habe man festgestellt, dass ein Koffer fehlte. Die Klägerin behauptet, den verlorenen Koffer gemeinsam mit ihrem Ehemann für die Rückreise am 12.07.2013 mit folgenden Sachen gepackt zu haben:

1. Fünfzehn Büstenhalter á 20,00 €, insgesamt 300,00 €

2. Sieben Polo-Shirts der Marke „Jack Wolfskind“ á € 45,00, insgesamt 315,00 €

3. Sieben Sommerkleider á 50,00 €, insgesamt 350,00 €

4. Ein Badeboot im Wert von 20,00 €

5. Einundzwanzig Slips á 5,00 €, insgesamt 105,00 €

6. Ein Nagel-Schmink-Set im Wert von 50,00 €

7. Eine Kinder- und eine Erwachsenen-Nagelschere á 20,00 €, insgesamt 40,00 €

8. Jeweils zwanzig Paar Damen- und Herrensocken á 4,00 €, insgesamt € 160,00

9. Zwei Badeanzüge im Wert von jeweils 20,00 €, insgesamt 40,00 €

10. Fünf Badetücher im Wert von jeweils 20,00 €, insgesamt 100,00 €

11. Einundzwanzig Herrenslips á 5 €, insgesamt 105,00 €

12. Sieben Herren T-Shirts á € 45,00, insgesamt 315,00 €

13. Zehn Herren-Polo-Shirts á € 45,00, insgesamt 450,00 €

14. Sieben Hemden á 50,00 €, insgesamt 350,00 €

15. Zwei Paar Damen-Turnschuhe á € 60,00, insgesamt 120,00 €

16. Zwei Herren-Jeans á € 32,50, insgesamt 65,00 €

17. Zwei Damen-Jeans á € 80,00, mithin insgesamt 160,00 €

18. Zwei kurze Herren-Hosen á 50,00 €, insgesamt 100,00 €

19. Eine Waschtasche mit Inhalt im Wert von 50,00 €

20. Herren- und Damen-Parfum im Wert von insgesamt 80,00 €

21. Einen elektrischen Rasierapparat im Wert von 35,00 €

22. Ein Nass-Rasierer-Set im Wert von 15,00 €

23. Eine maßangefertigte Lederjacke im Wert von 350,00 €

24. Zwei Paar Leder-Hausschuhe á 15,00, insgesamt 30,00 €

25. Und eine Base-Cap im Wert von 10,00 €.

Der Koffer habe einen Zeitwert von 80,00 Euro gehabt. Weiter behauptet die Klägerin, die Anziehsachen seien maximal 1 Jahr alt, da sie innerhalb des letzten Jahres 16 kg abgenommen habe und ihr Mann kräftiger geworden sei. Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr neben dem Schaden durch den Verlust des Koffers nebst Sachen in Höhe von 3.950,00 Euro ein Anspruch auf Reisepreisminderung in Höhe von 185,50 Euro und ein Anspruch auf Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude in Höhe von 185,50 Euro zustehen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.135,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.10.2013 zu zahlen.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 492,54 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.10.2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass ihr ein etwaiger Diebstahl des Koffers durch Dritte nicht zuzurechnen sei. Sie ist weiter der Ansicht, dass die Klägerin ein Mitverschulden treffe, weil diese kein Namensschild außen am Koffer angebracht habe. Die Beklagte ist sodann der Ansicht, es bestehe eine Haftungsbegrenzung nach dem Montrealer Übereinkommen analog in Höhe von 1.300 Euro.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 18.08.2014 (Bl. 77 f d.A.) durch schriftliche Vernehmung der Zeugen T. und N. H. und Vernehmung der Zeugen K. und St. im Wege der Rechtshilfe. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf die schriftliche Aussage der Zeugen H. Bl. 115 d.A.) sowie die Protokolle der nichtöffentlichen Sitzungen des AG Königs-Wusterhausen vom 10.11.2014 (Bl. 106 ff d.A.) des AG Schöneberg vom 25.02.2015 (Bl. 127 ff d.A.). Des Weiteren hat das Gericht Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 08.06.2015 (Bl. 149 f d.A.) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachten. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme insoweit wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. V. vom 05.10.2015 verwiesen (Bl. 166 ff d.A.).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Klägerin steht aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemannes, des Zeugen K., aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Reisevertrag ein Anspruch auf Schadenersatz gemäß § 651 f Abs. 1 BGB in Höhe von 1.350,00 Euro wegen anlässlich der Rückreise verloren gegangener Gegenstände zu.

I.

Die bei der Beklagten gebuchte Reise war mit einem Reisemangel gemäß § 651 c BGB behaftet, da bei dem Transfer zum Flughafen am Rückreisetag, dem 12.07.2013, ein Koffer der Klägerin und des Zeuge K. verlorenging und dieser Verlust auf eine Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten zurückzuführen ist, da sie beim Ausladen des Gepäcks aus dem Transferbus keine ausreichenden Vorkehrungen traf, dass jeder Reisende sein Gepäck erhält.

Der Reiseveranstalter schuldet dem Reisenden die ordnungsgemäße Erbringung der geschuldeten Reiseleistungen. Bei einer Pauschalreise trifft den Reiseveranstalter die Pflicht, die Koffer der Reiseteilnehmer bis zum Zielort zu transportieren. Hierzu gehört es nicht nur, dass das dem Reiseveranstalter anvertraute Gepäck ordnungsgemäß befördert wird sondern auch, dass es zu einem geordneten Übergang des Gewahrsams an dem Gepäck zwischen den Leistungsträgern des Reiseveranstalters, seinen Erfüllungsgehilfen, und dem Reisenden kommt. Seiner Verantwortung für das Gepäck wird der Veranstalter erst dann entbunden, wenn der einzelne Reisende das ihm gehörende Gepäckstück in Empfang genommen hat. Die entsprechenden Abläufe sind von dem Reiseveranstalter so zu organisieren, dass zu jedem Zeitpunkt entweder der Leistungsträger oder der Dritte Kontrolle über das Gepäck hat. Konkret muss daher bei einem Bustransfer sichergestellt sein, dass an den Busfahrer übergebenes Gepäck von diesem auch an den Reisenden wieder ausgehändigt wird. Die Verletzung dieser Pflicht stellt einen Mangel nach § 651 c BGB dar. Zwar trägt der Reisende die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Reisemangels. In Hinblick auf den Gepäcktransport ist es indes zunächst ausreichend darzulegen und zu beweisen, dass die Gepäckstücke den von dem Veranstalter als Leistungsträger eingesetzten Transportunternehmen übergeben wurden und am Zielort von diesem nicht ausgehändigt wurden. Es ist sodann Aufgabe des Reiseveranstalters im Wege der sekundären Darlegungslast vorzutragen, was mit den Gepäckstücken geschehen ist und warum den Veranstalter ggfs. keine Verantwortung für einen Verlust trifft, weil sich z.B. ein allgemeines Diebstahlrisiko verwirklichte, für das auch der Veranstalter nicht einzustehen hat. Kommt der Reiseveranstalter dieser Darlegungslast nicht in ausreichendem Umfang noch ist die Behauptung des Reisenden, dass der Gepäckverlust auf eine Sorgfaltspflichtverletzung des Veranstalters zurückzuführen ist, als zugestanden zu behandeln, ohne dass es darauf ankäme was konkret mit dem Gepäck geschah (Diebstahl, Vertauschen oder Vergessen).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichtes zunächst fest, dass die Klägerin das streitgegenständliche Gepäckstück dem Busfahrer übergab, es aber von diesem nicht mehr zurückerhielt.

Der Zeuge K. hat bekundet, dass man am Abreisetag um 1:30 Uhr abgeholt wurde und die Gepäckstücke in den Laderaum des Busses verbracht wurden. Der Bus fuhr weitere Hotels an. Der Zeuge hat weiter ausgesagt, dass am Flughafen ein Mitarbeiter der Beklagten den Bus betrat und Anweisungen gab. Währenddessen wurden die Ladeklappen bereits geöffnet und als man den Bus verließ, lagen die Gepäckstücke bereits auf dem Bürgersteig und er versuchte, die Gepäckstücke der Familie zusammen zu sammeln. Von den Sachen der Familie fehlten dann zwei Taschen und ein Koffer aus einem dreiteiligen Kofferset. Der Zeuge hat weiter erinnert, dass die Klägerin sah, wie eine Tasche zu der anderen Seite des Busses durchgereicht wurde. Der Kläger fand dann die beiden Taschen dort vor, nicht aber den streitgegenständlichen Koffer. Welcher Koffer das aus dem Set weg war – der große oder der mittelgroße – wusste der Zeuge nicht sicher. Die Zeugin St., die Mutter der Klägerin, hat ausgesagt, dass man vier Koffer bei der Abreise hatte und diese bei der Abreise in dem Bus verladen wurden. Am Flughafen sagte die Reiseleitung verschiedene Dinge an, während die Kofferklappe bereits auf war. Nach dem Aussteigen stellte man fest, dass der große schwarze Koffer der Klägerin und des Zeugen K. fehlte. Die Aussagen der Zeugen sind glaubhaft, sie stimmen in dem Ablauf des Geschehens überein ohne identisch zu sein. Insbesondere bei dem Geschehen am Flughafen haben die beiden Zeugen widerspruchsfrei bekundet, dass die Gäste noch nicht aussteigen konnten, als die Gepäckstücke schon ausgeladen wurden und dann auf dem Bürgersteig standen. Alleine der Umstand, dass der Zeuge K. und die Zeugin St. zu der Familie der Klägerin gehören, genügen nicht um Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu begründen. Unergiebig waren indes die Aussagen der Zeugen H., da sich diese auf ein anderes Rückreisedatum als das der Klägerin beziehen. Die Angaben der Zeugen K. und St. decken sich mit dem Inhalt des seitens der Klägerin gefertigten Gedächtnisprotokolls Bl. 28 ff d.A. Soweit in diesem weitere von den Zeugen nicht bekundete Einzelheiten, wie der Umstand, dass der Busfahrer im Bus blieb oder dass die Koffer von Kofferträgern rausgenommen wurden, erwähnt werden, steht das Auslassen dieser Details der Glaubhaftigkeit der Aussagen nicht entgegen, da insoweit der Zeitablauf zwischen dem Vorfall und der Vernehmung der Zeugen zu berücksichtigen ist. Auch der Umstand, dass die Zeugin St. nur von vier Koffern berichtet hat, begründet keine Zweifel; denn dass es sich um drei Koffer und zwei Taschen Gepäck handelte wie seitens der Klägerin vorgetragen und dem Zeugen K. bekundet, ergibt sich auch aus den von der Klägerin vorgelegten 5 Gepäckabschnitten auf den Hinflug und den 4 Gepäckabschnitten auf dem Rückflug (Bl. 72/73 d.A.).

Ist aber vorliegend der Nachweis einer Übergabe des Gepäcks an den Busfahrer bzw. eines Einladen in das Gepäckfach des Busses bei Abholung am Hotel geführt und weiter der Beweis erbracht, dass die Klägerin bei Ankunft am Flughafen ein Koffern nicht erhielt, ist der Vortrag der Kläger, dass der Verlust des Gepäckes auf eine Sorgfaltswidrigkeit der Beklagten zurückzuführen ist, als zugestanden zu behandeln (§ 138 Abs. 3 ZPO).

Die Beklagte ist aufgrund der ihr insoweit obliegenden sekundären Darlegungslast verpflichtet vorzutragen, was mit dem Gepäck der Klägerin zwischen Übernahme durch den Busfahrer als ihrem Leistungsträger und der Übergabe an die Klägerin konkret geschah. Insbesondere muss sie darlegen, dass das im Gewahrsam des Leistungsträgers befindliche Gepäck durchgehend unter seiner Kontrolle stand. Konkreter Vortrag dazu fehlt. Die Beklagte kann daher auch nicht damit gehört werden, dass ihr der Verlust nicht zuzurechnen ist, wenn es sich um einen Diebstahl handelt; denn es sind gerade keine Tatsachen dargetan, dass vorliegend als einzige überwiegend wahrscheinliche Ursache des Verlustes ein auch von der Beklagten nicht beherrschbarer Diebstahl am Flughafen in Betracht zu ziehen ist.

Das Verschulden der Beklagten für den Verlust des Koffers wird nach § 651 f Abs. 1 BGB vermutet. Die Beklagte entlastende Tatsachen hat sie nicht vorgetragen. Ein nach § 254 BGB zu berücksichtigende Mitverschulden der Klägerin bei der Entstehung des Schadens liegt nicht vor. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin an oder in dem Gepäckstück ein Namenschild anbrachte. Ein Namensschild an einem Gepäckstück dient dazu, bei Verlust eine Identifizierung des Besitzers zu ermöglichen und diesem sein Gepäck wieder zuzuleiten. Indes ist vorliegend bereits seitens der Beklagten nicht dargetan, dass der – endgültige – Verlust des Koffers der Klägerin darauf zurückzuführen ist, dass ein im Gewahrsam eines Leistungsträgers der Beklagten aufgefundenes Gepäckstück der Klägerin nicht zugeordnet werden konnte, weil diese kein Namensschild hatte.

Der Klägerin, die unstreitig ihrer Pflicht zur Anzeige des in Gestalt des Kofferverlustes eingetretenen Mangels bei der Reiseleitung der Beklagten nach § 651 d Abs. 2 BGB nachkam, ist ein von der Beklagten zu ersetzender Vermögensschaden in Höhe von 1.350,00 Euro für in Verlust geratene Damen- und Herrenkleidung entstanden.

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Erfasst werden von der Schadenersatzpflicht neben dem Koffer selbst 15 BH’s, 4 Polo Shirts Marke Jack Wolfskin, 7 Sommerkleider, 21 Damenslips, 21 Herrenslips, 20 Paar Damen Socken, 20 Paar Herren Socken, 2 Badeanzüge, 5 Badetücher, 7 T-Shirts Herren, 7 Hemden, 2 Jeans Damen, 2 kurze Hosen Herren, 2 Jeans Herren und ein elektrischer Rasierapparat. Nur in Hinblick auf diese Gegenstände konnte sich das Gericht iVm § 287 ZPO die erforderliche Überzeugung verschaffen, dass sie sich entsprechend der Behauptung der Klägerin in dem verloren gegangenen Koffer befanden.

Der Reisende ist bei einem Gepäckverlust für den Inhalt des verloren gegangenen Gepäcks und die Schadenshöhe darlegungs- und beweisbelastet. Eine sekundäre Darlegungslast des Reiseveranstalters besteht hier nicht, da dem Veranstalter der Inhalt des Gepäcks unbekannt ist. Indes ist die Darlegungs- und Beweislast des Reisenden nach § 287 Abs. 1 ZPO hinsichtlich der Frage der Höhe erleichtert. Es genügt, wenn greifbare Anhaltspunkte nach § 286 ZPO für den Eintritt eines bestimmten Schadens bewiesen sind, auf deren Grundlage nach § 287 ZPO die Schätzung zumindest eines Mindestschadens möglich ist. Dies gilt auch für die Schadensbemessung bei Reisegepäck (OLG Frankfurt, NJW-RR 2003, 22-23).

Auf dieser Grundlage konnte sich das Gericht nur betreffend der genannten Gegenstände die notwendige Überzeugung verschaffen, dass sie sich in dem verloren gegangenen Koffer befanden. Nur insoweit ergeben sich nach der durchgeführten Beweisaufnahme ausreichend konkrete Anknüpfungstatsachen hinsichtlich des konkreten Kofferinhaltes. Die Zeugin St. hat bekundet, dass sie zu dem Inhalt des verloren gegangenen Koffers nichts sagen kann, da sie beim Packen nicht zugegen war. Der Zeuge K. hat ausgesagt, dass er beim Packen des Koffers seine Sachen hinlegte, für das Packen selbst war seine Frau zuständig gewesen. Sie packte ein, was er für 21 Tage an Unterwäsche und Socken brauchte, er legte Hygieneartikel und Rasierer hinzu. Zu dem konkreten Inhalt der Koffer auf dem Hinflug hat der Zeuge keine Erinnerung gehabt. Er hat bekundet, dass er davon ausgehe, dass ein Koffer für seine Frau und ein Koffer für ihn waren. Auf dem Rückflug dürfte viel benutzte Wäsche von beiden zusammen gekommen sein, so dass diese in einen Koffer kam. Was konkret von der Klägerin und der Zeugin St. in den Koffer kam, hat der Zeuge nicht erinnert. Die in dem Verfahren vorgelegte Liste habe die Klägerin nach der Reise erstellt und er habe auf fehlende Sachen hingewiesen. Für die genaue Anzahl etwa der aufgelisteten Polo Shirts der Marke Jack Wolfskin könne er nicht die Hand ins Feuer legen. Die Aussage des Zeugen K. ist glaubhaft. Seine Angaben erweisen sich als nachvollziehbar, insbesondere soweit er einräumt beim Packen der Koffer selbst nicht beteiligt gewesen zu sein, sondern nur vor der Reise seine Sachen herausgelegt zu haben. Es ist auch lebensnah, dass eine auf der Hinreise vorhandene Trennung des Reisegepäcks der Klägerin und des Zeugen auf der Rückreise aufgegeben wurde und ein Koffer mit gemeinsamer Wäsche gepackt wurde. Die Aussage genügt indes nicht, um sich ausreichend Gewissheit darüber zu verschaffen, dass alle von der Klägerin behaupteten Gegenstände in dem verloren gegangenen Koffer waren. Zum einen widersprechen die Aussage des Zeugen K. und der Zeugin St. ihrem Vortrag, wonach sie die Koffer vor der Rückreise zusammen mit den Zeugen gepackt hat. Dies haben weder der Zeuge K. noch die Zeugin St. bestätigt. Zum anderen hat der Zeuge K. nur in Bezug auf Unterwäsche, Socken, einen Elektrorasierer sowie vier Jack Wolfskin Polo – Hemden (zwei braun, eins blau, eins noch dunkler) positiv bestätigt, dass er sie mit hatte. Offen blieben aber die der Klägerin zuzurechnenden Gegenstände. Unsicherheit verbleibt auch bei den Gegenständen, die nicht zu den gebrauchten in einem Koffer zusammengepackten Wäsche zu rechnen ist, wie Badeboot, Nagel Schmink Set, Nagelscheren, Turnschuhe, Waschtasche, Herren- und Damen Parfum, Nass- Rasierer, Lederjacke, Leder Hausschuhe und Base Cap. Insoweit stellt sich die Frage, welche Gegenstände noch in dem zweiten der Klägerin und dem Zeugen zuzurechnenden Koffer bzw. dem Handgepäck waren, die nicht verloren gingen. In Hinblick auf die ebenfalls angegebenen verlorengegangenen sieben Polo Shirts Jack Wolfskin und 10 weiteren Polo Shirts des Zeugen K. konnte sich das Gericht aufgrund der Aussage des Zeugen nur davon überzeugen, dass die vier von ihm auch farblich beschriebenen Polo Shirts mit waren, während der Zeuge von 10 weiteren, markenlosen Polo Shirts nichts sagte. Diese Anzahl Oberbekleidung lässt sich auch nicht mehr mit der Reisedauer von 21 Tagen in Übereinstimmung bringen. Auch die vorgelegte Quittung Bl. 175 d.A. enthält nur 5 Shirts. Im Übrigen lässt sich mit der notwendigen Sicherheit feststellen, dass in dem für die „Schmutzwäsche“ einer 21-tägigen Reise vorgesehenen Koffer folgende Anziehsachen waren: 15 BH’s, 7 Sommerkleider, jeweils 21 Damen und Herren Slips, jeweils 20 Paar Damen- und Herren Socken, 2 Badeanzüge, 5 Badetücher, 7 T-Shirts Herren, 7 Hemden, 2 Jeans Damen, 2 kurze Hosen Herren und 2 Jeans Herren. Hinzu kommt der elektrische Rasierapparat, an den sich der Zeuge K. konkret erinnerte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Gegenstände gemäß der Liste der Klägerin in den in Verlust geratenen Koffer passen; denn hieraus ergibt sich kein Nachweis, dass sie sich auch tatsächlich in dem Koffer befanden.

Der Höhe nach schätzt das Gericht den eingetretenen Schaden gemäß § 287 ZPO auf 1.140,00 Euro. Diese Schätzung beruht auf den noch mit Schriftsatz vom dem Gutachten des Sachverständigen V. vom 05.10.2015 (Bl. 166 ff d.A.), den Angaben der Klägerin in der von ihr gefertigten Liste (Bl. 163 – 165 d.A.) und den seitens der Klägerin zur Verfügung gestellten Quittungen (Bl. 174 – 177 d.A.). Der Sachverständige hat dabei jeweils den Zeitwert ermittelt, d.h. den Wert, den die Sache ausgehend von einer Wiederbeschaffung zum Schadenstag unter Berücksichtigung von Alter, Abnutzung und Gebrauch bei Zugrundlegung der durchschnittlich zu erwartenden Lebensdauer hatte. Konkreter konnte der Zeitwert nur bei den Gegenständen bestimmt werden, bei denen Anschaffungsbelege vorlagen. Bei diesen Gegenständen wurde von dem Sachverständigen ein Wert von 90 % des Neuwertes zugrunde gelegt. In Hinblick auf die Unterwäsche und die Alltagsbekleidung hat der Sachverständige ausgeführt, dass es hierfür keinen Markt gibt und von einem Wertverlust auszugehen ist.

Danach ergeben sich folgende Werte: 15 BH’s 150,00 Euro, 4 Polo Shirts Marke Jack Wolfskin 72,00 Euro (4 x 18,00 Euro), 7 Sommerkleidern 315,00 Euro, 21 Slips 42,00 Euro, 21 Herrenslips 42,00 Euro, 20 Paar Damen Socken 40,00 Euro, 20 Paar Herren Socken 60,00 Euro, 2 Badeanzüge 60,00 Euro, 5 Badetücher 60,00 Euro, 7 T-Shirts Herren 84,00 Euro, 7 Hemden 140,00 Euro, 2 Jeans Damen 80,00 Euro, 2 kurze Hosen 40,00 Euro, 2 Jeans Herren 70,00 Euro, einen elektrischen Rasierapparat zu 35,00 Euro und den verlorenen Koffer zu 60 Euro, insgesamt 1350,00 Euro.

Auf eine Haftungsbegrenzung kann sich die Beklagte nicht berufen. Die in dem Montrealer Übereinkommen für Luftbeförderungen vereinbarte Haftungsbegrenzung nach Art. 22 Abs. 2 MÜ auf 1131 Sonderziehungsrechte ist auf den Anwendungsbereich der §§ 651 a ff BGB nicht entsprechend anwendbar. Insoweit fehlt es an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Lücke im Gesetz, da § 651 h Abs. 1 BGB eine Haftungsbeschränkung maximal auf den dreifachen Reisepreis zulässt.

Minderungsansprüche gemäß § 651 d Abs. 1 BGB sowie Ansprüche wegen entgangener Urlaubsfreude gemäß § 651 f Abs. 2 BGB sind unbegründet. Insoweit fehlt es an der erforderlichen Beeinträchtigung der Reise durch den Mangel, da der Verlust am Ende der Reise kurz vor dem Rückflug eintrat, während der Reise selbst aber die verloren gegangenen Gegenstände vorlagen. Zudem ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin solche Ansprüche innerhalb der Monatsfrist des § 651 g BGB anmeldete.

II.

Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 286, 288 BGB ab dem Zeitpunkt des Schreibens der Beklagten vom 17.10.2013, mit dem sie Ansprüche der Klägerin zurückwies.

Vorgerichtliche Anwaltskosten kann die Klägerin nicht beanspruchen. Ein Anspruch aus § 286 BGB besteht nicht. Die Beauftragung des Rechtsanwaltes erfolgte ausweislich des anwaltlichen Schreibens vom 16.09.2013 vor Verzugseintritt und ist nicht Verzugsfolge. Auch ein Anspruch aus § 651 f BGB besteht nicht. Vor Verzugseintritt erweist sich die Beauftragung eines Anwaltes in reisevertragsrechtlichen Angelegenheiten weder als erforderlich noch als zweckentsprechend. In einem solch frühen Stadium einer Auseinandersetzung ist der Reisende noch unschwer selbst in der Lage Ansprüche geltend zu machen. darauf dass er sie nach § 651 g BGB innerhalb eines Monates geltend machen muss und wo er sie geltend machen kann, wird er zudem nach Art. 6 BGB Info VO hingewiesen. Schließlich ist festzustellen, dass auch die Aktivlegitimation der Klägerin fraglich ist, da hinter ihr eine Rechtschutzversicherung steht und im Fall der Begleichung vorgerichtlicher Anwaltskosten durch diese, die materiell-rechtlichen Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte auf die Versicherung übergegangen sind.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 709 ZPO.

Streitwert: 4.135,50 Euro

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