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Reiserücktrittsversicherung – Rückflug aus gesundheitlichen Gründen

LG Hagen (Westfalen)

Az.: 10 O 195/11

Urteil vom 25.01.2012


Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 3.933,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.05.2011 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger nehmen die Beklagte, eine Reiseversicherung, auf Erstattung von Unterkunftskosten in Anspruch.

Die Kläger sind jeweils Inhaber einer Mastercard „Lufthansa Miles & More“. Am 15.11.2010 buchten die Kläger bei der Firma B of U GmbH einen Urlaubsaufenthalt auf den Malediven für die Zeit vom 28.02. bis 09.03.2011, wobei sie den Preis in Höhe von 4.601,00 € pro Person jeweils mit ihrer eigenen Kreditkarte bezahlten.

Ferner buchte der Kläger für sich und die Klägerin bei der Fluggesellschaft Emirates einen Hinflug für den 27.02.2011 von Düsseldorf über Dubai nach Male sowie einen Rückflug für den 09.03.2011 von Male über Dubai nach Düsseldorf und bezahlte die Flüge mit seiner Kreditkarte.

Durch die Bezahlung mit der Kreditkarte wird der jeweilige Karteninhaber versicherte Person eines zwischen der Beklagten und der Kreditkartenausgeberin geschlossenen Versicherungsvertrages. Dem Vertragsverhältnis liegen die Versicherungsbedingungen der Kreditkartenausgeberin zugrunde.

Unter § 7 der Versicherungsbedingungen heißt es auszugsweise wie folgt:

“ 1. Der Versicherer leistet Entschädigung:

a. bei Nichtantritt der Reise für die dem Reiseunternehmen oder einem anderen vom Versicherten vertraglich geschuldeten Rücktrittskosten/Stornokosten;

b. bei Abbruch der Reise für die nachweislich entstandenen zusätzlichen Rückreisekosten und die hierdurch unmittelbar verursachten sonstigen Mehrkosten des Versicherten, vorausgesetzt, dass An- und Abreise in dem versicherten Arrangement enthalten sind; dies gilt auch im Falle nachträglicher Rückkehr….“

Unter § 9 heißt es wie folgt:

1. Der Versicherer haftet bis zur Höhe der Versicherungssumme abzüglich Selbstbehalt. Die Höchstversicherungssumme je Reise-/ Mietvertrag beträgt 5.000,00 € (Stornokosten) für alle versicherten Personen zusammen je Reise. Sollten nachweislich zusätzliche Rückreisekosten entstehen, gelten diese im Rahmen eines Schadensfalles als mitversichert, sofern die Höchstversicherungssumme abzüglich Selbstbehalt nicht überschritten wird.

2. Bei jedem Versicherungsfall trägt der Versicherte einen Selbstbehalt in Höhe von 10 % mind. 100 EUR.“

Wegen der weiteren Einzelheiten der Versicherungsbedingungen wird auf deren Ablichtung (Blätter 21 ff. der Akten) verwiesen.

Als die Kläger am 27.02.2011 in Dubai landeten, erlitt die Klägerin einen Kreislaufkollaps, welcher sich später als Herzrhythmusstörung erwies. Die Kläger traten aufgrund dessen am nächsten Tag die Rückreise an.

Es entstanden zusätzliche Rückreisekosten sowie für die Nichtinanspruchnahme der Unterkunft Stornokosten in Höhe von 4.371,00 € pro Person.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.04.2011 forderten die Kläger die Beklagte zur Erstattung der zusätzlichen Rückreisekosten sowie der Kosten für die Nichtinanspruchnahme der Unterkunft abzüglich eines Selbstbehalts in Höhe von 10 % in Höhe von 3.933,90 € pro Person auf. Die Beklagte erstattete die Rückreisekosten, lehnte jedoch mit Schreiben vom 31.05.2011 die Erstattung der Kosten für die Nichtinanspruchnahme der Unterkunft ab, welche die Kläger nunmehr klageweise geltend machen.

Die Kläger sind der Ansicht, sie hätten vollständige unabhängige Leistungen gebucht. Dies ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass unterschiedliche Vertragspartner für die Flüge und die Unterkunft vorhanden seien. Es seien insgesamt drei Reiseversicherungsverträge geschlossen worden, da nach den Versicherungsbedingungen durch die Bezahlung einer Reiseleistung jeweils ein unabhängiger Versicherungsvertrag begründet werde. Es liege ein Reiserücktritt im Sinne von § 7 Nr. 1 a der Versicherungsbedingungen vor.

Die Kläger beantragen, an den Kläger zu 1) 3.933,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 31.05.2011 zu zahlen; an die Klägerin zu 2) 3.933,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.05.2011 zu zahlen; an die Kläger außergerichtliche Kosten in Höhe von 808,25 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, es bestünden bei dem vorliegenden Sachverhalt nur Ansprüche aus der Reiseabbruchversicherung, da die Reise zum Zeitpunkt des Eintritts des versicherten Ereignisses bereits angetreten gewesen sei. Die Reise der Kläger habe aus den Flügen und dem Aufenthalt auf den Malediven bestanden. Es handele sich nicht um drei Reisen, sondern um eine einheitliche Reise. Die Reise sei mit dem Flug nach Dubai angetreten worden, so dass der Kreislaufkollaps sich nach Reiseantritt ereignet habe. Zu einer Reise würden sowohl nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, als auch in der Reiseversicherung alle Einzelreiseleistungen zählen, die örtlich und zeitlich aufeinander abgestimmt würden, auch wenn es sich nicht um eine Pauschalreise handele. Bei Zugrundelegung der klägerischen Argumentation bestünden keine Ansprüche aus der Reiseabbruchversicherung, da der Flug nach Dubai dann abgeschlossen gewesen sei. Sie ist ferner der Ansicht, die Höchstversicherungssumme betrage je Reise für alle versicherten Personen nach § 9 Nr. 1 der Versicherungsbedingungen 5.000,00 €, so dass ein Fall der Unterversicherung vorliege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist größtenteils begründet.

Den Klägern steht jeweils ein Anspruch auf Zahlung von 3.933,90 € aus dem zugunsten der Kläger zwischen der Kartenausgeberin und der Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrag i.V.m. § 7 Nr. 1 a der Versicherungsbedingungen zu.

Die Kosten für die Nichtinanspruchnahme der Unterkunft sind im vorliegenden Fall nach § 7 Nr. 1 a der Versicherungsbedingungen ersatzfähig. Danach leistet der Versicherer bei Nichtantritt der Reise Entschädigung „für die dem Reiseunternehmen oder einem anderen vom Versicherten vertraglich geschuldeten Rücktrittskosten/Stornokosten.“

Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich vorliegend im Hinblick auf die gebuchte Unterkunft um einen „Nichtantritt der Reise“ und nicht um einen Reiseabbruch. Die Kläger sind dadurch, dass sie von Dubai die Rückreise angetreten haben, im Hinblick auf die gebuchte Unterkunft von der Reise zurückgetreten.

Unter einer Reise im Sinne der Versicherungsbedingungen ist jede konkret gebuchte Reiseleistung zu verstehen (vgl. Führich, Reiserecht, § 30, Rn. 801). Unter Zugrundelegung dessen sind der gebuchte Flug und die Unterkunft jeweils als eine Reise im Sinne der Versicherungsbedingungen anzusehen, denn die Kläger haben Flug und Unterkunft separat gebucht und auch separat bezahlt. So haben die Kläger die Unterkunft jeweils mit ihrer eigenen Kreditkarte bezahlt, während die Kosten für die Flüge durch den Kläger allein bezahlt worden sind.

Zwar wird in der Rechtsprechung das Vorliegen einer einheitlichen Reise bei verschiedenen Teilleistungen oftmals angenommen; diese Fälle sind jedoch mit dem hier vorliegenden Fall nicht vergleichbar.

Als Indizien für das Vorliegen einer einheitlichen Reise werden das Vorliegen eines Gesamtpreises, welcher sich deutlich von der Summe der Preise für beide Reiseteile unterscheidet, die Buchung bei demselben Reiseveranstalter sowie der Umstand, dass eine einheitliche Buchungsbestätigung vorliegt, angesehen (vgl. Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil v. 14.04.2009 – 5 U 885/98-76 in NVersZ 2000, 381 ff.; Amtsgericht München Urteil v. 05.06.2007 – 281 C #####/####, zitiert nach juris; Amtsgericht C, Urteil v. 30.06.1998 – 16 C 72/98 in VersR 1999, 1491 ff.).

Sämtliche Indizien sind vorliegend nicht gegeben.

Die Kläger haben Flug und Übernachtung nicht bei demselben Veranstalter gebucht, vielmehr wurden die Verträge mit verschiedenen Vertragspartnern geschlossen. Auch war die Höhe des Preises von der Buchung der jeweils anderen Leistung unabhängig. Weiterhin lag auch keine einheitliche Buchungsbestätigung vor. Bei dem gebuchten Flug und der Unterkunft handelt es sich um zwei völlig separate Leistungen, zwischen denen kein innerer Zusammenhang besteht. Der Zusammenhang der beiden Leistungen ist allein durch die Kläger hergestellt, indem sie den Flug und die Unterkunft zeitlich und örtlich aufeinander abgestimmt haben. Angesichts dessen müssen Flug und Übernachtung im vorliegenden Fall als zwei Reisen im Sinne der Versicherungsbedingungen angesehen werden.

Dem steht nicht entgegen, dass nach dem allgemeinen Sprachgebrauch unter einer Reise die unterschiedliche Zwecke verfolgende und unterschiedliche Verkehrsmittel nutzende Fahrt zu einem entfernten Ort einschließlich einer gewissen Dauer des Fortbleibens, die die Zeitspanne vom Aufbruch bis zur Rückkehr umfasst, zu verstehen ist (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O.). Denn der Begriff der Reise nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist mit dem Begriff der Reise nach den Versicherungsbedingungen nicht identisch. Der Begriff der „Reise“ wird vielmehr für das Versicherungsrecht gesondert definiert und ist daher für die vorliegende Beurteilung maßgeblich.

Auch kann der Ansicht der Beklagten, es könnten, wenn man im Hinblick auf die Unterkunft einen Reiserücktritt annehmen würde, keine Ansprüche wegen Reiseabbruchs geltend gemacht werden, und durch die Landung in Dubai sei insoweit die erste „Reise“ abgeschlossen, nicht gefolgt werden. Bei dem gebuchten Flug handelt es sich insgesamt um „eine Reise“ im Sinne der Versicherungsbedingungen, auch wenn dieser Flug über das Zwischenziel Dubai erfolgte. Eine Aufspaltung dahingehend, dass der Flug nach Dubai und dann nach Male als zwei Reisen anzusehen ist, ist fernliegend und auch nicht mit dem versicherungsrechtlichen Begriff der Reise vereinbar. Die konkret gebuchte Reise ist der Flug von Düsseldorf nach Male über das Zwischenziel Dubai.

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Die geltend gemachten Forderungen sind auch der Höhe nach berechtigt. Insbesondere kann der Ansicht der Beklagten, es liege ein Fall der Unterversicherung vor, nicht gefolgt werden. Gemäß § 9 Nr. 1 der Versicherungsbedingungen haftet der Versicherer bis zur Höhe der Versicherungssumme abzüglich Selbstbehalts. Die Höchstversicherungssumme je Reise-/ Mietvertrag beträgt 5.000,00 € für alle versicherten Personen zusammen je Reise. Versicherte Person waren die Kläger jeweils für die von ihnen vorgenommene Buchung der Unterkunft, denn sie haben jeder selbst mit ihrer Kreditkarte bezahlt. Angesichts dessen war die Höchstversicherungssumme von 5.000,00 € nicht erreicht.

Die Zinsansprüche ergeben sich aus §§ 286, 288 BGB.

Den Klägern steht kein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 808,25 € aus §§ 280, 286 BGB zu, denn die Beklagte wurde erst durch das anwaltliche Schreiben vom 26.04.2011 in Verzug gesetzt. Da zu diesem Zeitpunkt die Anwälte bereits beauftragt waren, handelt es sich nicht um einen kausalen Verzugsschaden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

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