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Reiserücktritt wegen Transplantation


LG Heidelberg

Az.: 2 S 10/11

Urteil vom 11.08.2011


1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 15.02.2011 – Az.: 30 C 332/10 – im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 544 ZPO. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

Auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils wird in vollem Umfang Bezug genommen.

Die Parteien streiten um Kosten, die dem Kläger durch die Stornierung einer Reise entstanden sind. Der Kläger und seine Ehefrau haben am 06.03.2010 eine Flugpauschalreise nach Fuerteventura zum Gesamtpreis von 2.658,00 € gebucht. Hierin war auch eine Reiserücktrittskostenversicherung für 92,00 € enthalten. Bereits am 06.10.2009 wurde beim Kläger Leberkrebs diagnostiziert, weswegen er auf eine Organspende angewiesen war. Am 31.03.2010 wurde dem Kläger eine Lebertransplantation angeboten, die noch am selben Tag durchgeführt wurde. Am 01.04.2010 stornierte die Ehefrau des Klägers daraufhin die geplante Reise. Dem Kläger und seiner Ehefrau wurden für die Stornierung der Reise 606,00 € in Rechnung gestellt

Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 606,00 € nebst Zinsen und vorgerichtliche Kosten antragsgemäß durch Urteil vom 15.02.2011 verurteilt.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen das Urteil des Amtsgerichts.

Sie macht geltend, in der Organtransplantation sei kein Versicherungsfall zu sehen. Diese sei insbesondere keine unerwartete schwere Erkrankung im Sinne von A § 2 Ziffer 1 lit. a) der Besonderen Versicherungsbedingungen. Das Amtsgericht habe die Besonderen Versicherungsbedingungen für die Reisekrankenversicherung in D § 4 b der Allgemeinen Versicherungsbedingungen angewendet.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg – Az.: 30 C 332/10 – vom 15.02.2011 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er macht geltend, die unaufschiebbare Transplantation stelle eine unerwartete schwere Erkrankung dar und deswegen müsse die Reiserücktrittskostenversicherung für die Stornokosten aufkommen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die Stornokosten in Höhe von 606,00 Euro.

Entscheidungserheblich sind hierbei die in den besonderen Bestimmungen enthaltenen Vorschriften über die Reise-Rücktrittskosten-Versicherung (Anlage B 1, II. A. § 2; AS. 145), unerheblich sind hingegen die Versicherungsbedingungen über die Reisekrankenversicherung (Anlage K 6 AS. 29 bzw. Anlage B 1 AS. 147).

Nach § 2 Ziffer 1 lit. a) der besonderen Bestimmungen über die Reise-Rücktrittskosten- Versicherung besteht Versicherungsschutz, wenn die planmäßige Durchführung der Reise nicht zumutbar ist, weil die versicherte Person selbst oder eine Risikoperson während der Dauer des Versicherungsschutzes von einer unerwarteten schweren Erkrankung betroffen wird. Entscheidend ist also, ob die Lebertransplantation als unerwartete schwere Erkrankung anzusehen ist.

Auf den Leberkrebs, der schon am 06.10.2009 diagnostiziert worden ist, ist nicht abzustellen da diese Krankheit dem Kläger bereits bei Buchung der Reise bekannt und mithin nicht unerwartet war. Nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist eine nicht erwartete Möglichkeit einer Transplantation keine Krankheit im Sinne des § 2 Ziffer 1 lit. a) der Versicherungsbedingungen (Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage, VB-Reiserücktritt 2008, § 2 Rn. 3; AG Hamburg, Urteil vom 20,06.2006, Az.: 4 C/0, RUS 2007,384; AG München, Urteil vom 15.04.2001, Az. 241 C 3377/0, zitiert nach juris).

Eine Transplantation als solche ist keine Erkrankung sondern nur die Folge einer solchen. Daher ist es auch rechtlich unerheblich, ob die Operation „unerwartet“ oder „nicht vorhersehbar“ war; denn mit dem Merkmal „unerwartet“ ist gemeint, dass die Krankheit nicht vorhersehbar gewesen sein darf.

Die vom Kläger zitierten Gerichtsentscheidungen stehen dieser Rechtsprechung nicht entgegen:

Im vom OLG Koblenz am 22.01.2010 (Az.: 10 U 613/09) entschiedenen Fall litt der Versicherungsnehmer schon vor der Buchung an Rückenschmerzen. Ihm wurde aber – anders als dem Kläger im vorliegenden Fall – erst nach Reisebuchung bekannt, dass eine Operation nötig war. Der Kläger wusste vorliegend hingegen, dass eine Operation, also die Transplantation, nötig war, nur der Termin war ihm unbekannt.

Im vom OLG Karlsruhe am 17.09.2009 (Az.: 12 U 155/09) entschiedenen Fall kam es nach einer Operation zu postoperativen Komplikationen, die vom Gericht als eigenständige Erkrankung eingeordnet wurden. Die Erkrankung wurde hier jedoch nicht in der Operation an sich, sondern in den Komplikationen gesehen. Diese standen zwar mit der Grunderkrankung in Zusammenhang, wiesen jedoch eine Schwere auf, die nicht zu erwarten war, sodass von einer unerwarteten Erkrankung ausgegangen werden konnte. Der Fall ist mit dem vorliegenden insoweit nicht vergleichbar, als der Kläger nicht an Komplikationen, sondern an (normalen) Folgeerscheinungen der Operation litt.

Das AG Hamburg hat am 10.12.2008 (Az.: 17A C 187/08) entschieden, dass Metastasen in der Lendenwirbelsäule und im Gehirn ein selbstständiger Krankheitswert zukommt, wenn im Zeitpunkt der Reisebuchung lediglich Darmkrebs diagnostiziert war. Dieser Fall ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, da sich beim Kläger die Krankheit nicht unerwartet ausgebreitet hat, sondern die Transplantation der Bekämpfung der Krankheit diente.

Der Meinung, dass eine Transplantation nicht als unerwartete schwere Erkrankung anzusehen ist, ist zu folgen. Die Transplantation dient vielmehr der Linderung einer Erkrankung, stellt aber bei gewöhnlichem Verlauf nicht selbst eine unerwartete Erkrankung dar. Die Transplantation ist eine Therapie, nicht aber eine eigenständige Erkrankung. Daher führt auch die Tatsache, dass der Kläger von der Transplantation bei Abschluss der Versicherung nichts wusste, nicht zu einer anderen Beurteilung. Es kommt gerade nicht darauf an, dass der Reisende sich im Zeitpunkt der Buchung in einem reisefähigen Zustand befindet; vielmehr ist entscheidend, ob dieser reisefähige Zustand durch einen in den besonderen Bedingungen genannten Versicherungsfall entfällt.

Die Beklagte war nicht verpflichtet bei Abschluss der Reiserücktrittsversicherung beim Kläger nachzufragen, ob bei ihm Vorerkrankungen vorlagen. Selbst wenn man eine solche Pflicht bejahte, stünde dem Kläger kein Schadensersatzanspruch zu, weil es sich bei der Transplantation um keine Erkrankung handelt, wie oben ausgeführt wurde.

Auf die Höhe des Stornoschadens und der vorgerichtlichen Anwaltsgebühren kommt es nicht mehr an, da die Beklagte dem Grunde nach nicht zu einer Versicherungsleistung verpflichtet ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.

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