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Reiserücktrittsversicherung – Tod des Ehemanns


Reiserücktritt

Zusammenfassung:

Ist eine Reiserücktrittsversicherung eintrittspflichtig, wenn einige Tage vor einer Reise der Ehepartner verstirbt und der andere Ehepartner daraufhin von einer Reise absehen möchte? Ist die schwere und auf dem Tod des Ehemannes basierende Trauer ein Grund im Sinne der Versicherungsbedingungen, der die Reiserücktrittsversicherung zum Eintritt verpflichtet?


Amtsgericht München

Az: 233 C 26770/14

Urteil vom 20.08.2015


Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.


Tatbestand

Die Klägerin fordert Zahlung aus einer Reiserücktrittskostenversicherung.

Die Klägerin buchte am 05.12.2013 eine Reise für sich und ihren Ehemann zum Preis von 5.736,00 Euro für den Zeitraum 07.06.2014 bis 17.06.2014. Am 30.04.2014 beantragte sie bei der Beklagten den Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung, wobei sie selbst, ihr Ehemann und zwei weitere Personen versichert werden sollten. In der Nacht vom 30.04.2014 auf den 01.05.2014 starb der Ehemann der Klägerin. Die Beklagte nahm den Antrag der Klägerin in Unkenntnis des Todes des Mannes unter Einbeziehung der Versicherungsbedingungen – im Folgenden: AVB – (Anlage B 1) am 07.05.2014 an. Die Klägerin stornierte die Reise am 20.05.2014 und der Reiseveranstalter berechnete Stornogebühren in Höhe von 3.441,60 Euro. Die Beklagte verweigert den Ersatz dieser Kosten.

Die Klägerin behauptet, infolge des Todes ihres Ehemannes an einer schweren psychosozialen Belastungsreaktion gelitten zu haben (ärztliche Atteste, unbezifferte Klageanlagen) und der Reiseantritt sei deshalb unmöglich gewesen. Dies stelle eine unerwartet schwere Erkrankung im Sinne der Versicherungsbedingungen dar.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.411,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszins ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt:

Klageabweisung.

Die Beklagte behauptet, das Ereignis sei nicht versichert, da der Schaden bei Abschluss des Vertrages am 07.05.2014 vorhersehbar gewesen sei. Die Beklagte habe den Antrag der Klägerin nur angenommen, weil sie keine Kenntnis vom Tod des Mannes erhalten hatte. Es liege eine Obliegenheitspflichtverletzung gemäß Art. 6 Nr. 2a AVB vor, da keine unverzügliche Schadensanzeige erfolgt sei. Ein fachärztliches Attest im Sinne des Art. 7 Nr. 1g AVB sei nicht vorgelegt worden. Die ärztlicherseits gestellte Diagnose entspreche im Übrigen keiner schwere Erkrankung, sondern sei lediglich eine Umschreibung für die Trauer der Klägerin. Auch die Obliegenheit zur unverzüglichen Stornierung sei verletzt worden.

Zur Ergänzung wird verwiesen auf die Schriftsätze der Parteien und den übrigen Akteninhalt nebst Anlagen.


Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dahingestehen kann, welche Rechtsfolgen sich vorliegend aus der Nichtanzeige des Todes des Ehemannes zwischen Antragstellung und Annahme ergeben – was wohl in §§ 23 ff. VVG abschließend normiert ist, denn die Beklagte ist ohnehin nicht zur Leistung verpflichtet:

1.)

Soweit der Tod des Ehemannes als versichertes Ereignis gemäß A. § 1 Ziffer 1 a) AVB angesehen wird, so hat die Klägerin insoweit die Obliegenheit zur unverzüglichen Stornierung und Anzeige gemäß Art. 6 Ziffer 1 a) und b) AVB verletzt. Der Verstoß ist – auch unter Berücksichtigung der verständlichen Trauer der Klägerin – als vorsätzlich anzusehen. Die Beklagte ist daher von der Verpflichtung zur Leistung frei (Art. 6 Ziffer 2 a) AVB).

2.)

Die Trauer der Klägerin ist keine unerwartet schwere Erkrankung im Sinne von A. § 1 Ziffer 1 b) AVB. Krankheit definiert sich versicherungsrechtlich als regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf und/oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (BSG, Urteil vom 19.01.2004, Az. B 1 KR 3/03 R). Die ärztlicherseits diagnostizierte schwere psychosoziale Belastungsreaktion stellt eine Umschreibung einer Phase der Trauer, d. h. eines emotionalen Zustandes der Klägerin bei der Verarbeitung des Todes des Ehemannes, dar. Die Klägerin zeigte nachvollziehbarerweise eine akute Belastungsreaktion – mithin einen psychischen Schock. Dies ist jedoch keine psychische Störung im Sinne eines regelwidrigen Zustandes. Die (schwere) Trauer ist vielmehr als ganz normale Folge des Versterbens eines nahen Angehörigen zu sehen. Letztlich trägt die Klägerin auch nicht vor, dass sie infolge ihrer Trauer ärztlicher Behandlung bedurft hätte. Aus dem Schreiben des Dr. med. … vom 17.09.2014 (unbezifferte Klageanlage) ergibt sich vielmehr, dass ihr nach einem stützenden Gespräch geraten worden sei, auf den Faktor Zeit zu setzen. Medikamentöse Therapiemaßnahmen seien nicht eingeleitet worden.

II.

Die Kostenentscheidung und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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