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Reisevertrag – Rücktritt wegen kurzfristig angekündigter Corona-Maßnahmen

Geträumte Segelkreuzfahrt in der Karibik geplatzt: Kurz vor Reiseantritt verlangte der Veranstalter von einem Kunden die Erfüllung umfangreicher Corona-Auflagen. Als dieser den verlangten Maskentragen, Tests und Impfnachweisen nicht zustimmen wollte, kam es zum Streit vor Gericht. Nun entschied das Amtsgericht Halle, dass der Veranstalter die einseitig geänderten Reisebedingungen nicht aufzwingen durfte.

➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: 98 C 1005/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Hilfe anfordern


✔ Der Fall: Kurz und knapp

  • Der Kläger forderte Stornokosten für eine aufgrund der Pandemie abgesagte Segel-Kreuzfahrt.
  • Der Beklagte verlangte Rückzahlung seiner Anzahlung.
  • Die Reise wurde wegen Corona-Maßnahmen abgesagt und später umgebucht, aber es wurden neue, strenge Maßnahmen eingeführt.
  • Die Klägerin informierte über notwendige Versicherungen, Tests und Maskenpflicht an Bord.
  • Der Beklagte trat aufgrund der erschwerten Reisebedingungen vom Vertrag zurück.
  • Das Gericht entschied zugunsten des Beklagten, da die neuen Bedingungen eine erhebliche Vertragsänderung darstellten.
  • Der Beklagte musste die geänderten Bedingungen nicht akzeptieren und konnte daher zurücktreten.
  • Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den Reisepreis, aber auf die Kosten der Reiserücktrittsversicherung.
  • Das Urteil bestätigt, dass Reisebeschränkungen aufgrund von Pandemie-Maßnahmen erhebliche Vertragsänderungen sind.
  • Reisende können unter solchen Umständen ohne Stornokosten vom Reisevertrag zurücktreten.

Kurzfristige Corona-Auflagen führen zu berechtigtem Rücktritt vom Reisevertrag

Reiseplanungen können mitunter eine echte Herausforderung sein. Vor allem wenn es um unvorhergesehene Ereignisse geht, die unsere Pläne durcheinanderbringen können. Die Corona-Pandemie hat in den letzten zwei Jahren gezeigt, wie schnell sich die Situation ändern und Reisen erschweren kann. Viele Reisende standen plötzlich vor der Frage, ob ein Rücktritt vom Reisevertrag möglich ist, wenn Zielländer kurzfristig Beschränkungen einführen. Gerichte haben sich in solchen Fällen mit der Frage befasst, wann ein Rücktritt rechtmäßig ist und welche Rechte Verbraucher haben. Die Rechtslage ist hierbei nicht immer eindeutig, sodass es hilfreich sein kann, die Grundlagen zu kennen. Im Folgenden wird ein konkreter Fall erläutert, der Aufschluss darüber gibt, wie Gerichte in solch einer Situation entschieden haben.

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✔ Der Fall vor dem Amtsgericht Halle (Saale)


Segelkreuzfahrt in der Karibik fällt wegen kurzfristiger Corona-Maßnahmen ins Wasser

Rücktrittsrecht von Reiseverträgen
Reisender muss Corona-Auflagen nicht akzeptieren – Gericht entscheidet: Veranstalter verliert Anspruch auf Reisepreis. (Symbolfoto: Jaromir Chalabala /Shutterstock.com)

Der Fall: Am 20.01.2020 schloss der Beklagte mit der klagenden Reiseveranstalterin einen Vertrag über eine Segel-Kreuzfahrt in der Karibik zum Preis von 11.668,50 € inklusive Reiserücktrittsversicherung ab. Die Reise sollte ursprünglich vom 11.02.2021 bis 23.02.2021 stattfinden. Aufgrund der anhaltenden Pandemie-Auswirkungen sagte die Klägerin die Reise jedoch am 07.12.2020 ab und bot eine Umbuchung um ein Jahr an oder wahlweise die Rückerstattung des bisher angezahlten Betrags von 2.333,70 €. Der Beklagte entschied sich für eine Umbuchung auf den Zeitraum vom 24.02.2022 bis 08.03.2022.

In den Monaten vor Reiseantritt informierte die Klägerin den Beklagten per Schreiben über diverse Notwendigkeiten aufgrund der Corona-Situation: Reisekrankenversicherung inklusive Covid-Fälle, Impfnachweis, PCR-Tests vor Abreise und bei Einreise nach Barbados (Zusatzkosten 80-150 €/Person), Maskenpflicht an Bord und Nichtzulassung von Personen mit Symptomen oder Kontakt zu Infizierten in den letzten 14 Tagen. Zudem riet das Auswärtige Amt von Reisen in die Region ab.

Die Auseinandersetzung: Der Beklagte bat daraufhin um eine erneute Verschiebung, was die Klägerin ablehnte. Daraufhin trat der Beklagte am 09.02.2022 vom Vertrag zurück und forderte die Rückzahlung der Anzahlung binnen 14 Tagen. Die Klägerin berechnete jedoch Stornogebühren in Höhe von 45,27% des Reisepreises und verlangte noch eine Restzahlung von 3.286,10 €. Die Reise fand ohne den Beklagten statt.

Gerichtsentscheid: Rücktritt berechtigt – Reiseveranstalter verliert Anspruch auf Reisepreis

Das Gericht entschied zugunsten des Beklagten. Die Vorgaben bezüglich Impfung, Tests, Masken etc. stellten eine erhebliche Vertragsänderung gegenüber den ursprünglichen Reisebedingungen von Januar 2020 dar. Diese konnte die Klägerin nicht einseitig vornehmen.

Vielmehr hätte sie dem Beklagten die Wahl lassen müssen, die neuen Bedingungen zu akzeptieren oder vom Vertrag zurückzutreten. Tritt der Reisende in einem solchen Fall zurück, verliert der Veranstalter den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis und muss diesen binnen 14 Tagen zurückerstatten. Dies ergibt sich aus den AGB der Klägerin in Verbindung mit den gesetzlichen Bestimmungen in § 651g und § 651h BGB.

Kein Entschädigungsanspruch des Veranstalters: Eine angemessene Entschädigung des Reiseveranstalters kommt nur bei Rücktritten aus der Risikosphäre des Reisenden in Betracht. Hier hatte jedoch der Veranstalter selbst den Grund für den Rücktritt gesetzt, auch wenn er von Regelungen außerhalb seines Einflussbereichs dazu veranlasst wurde. Dies gehört zu seinem unternehmerischen Risiko.

Urteil: Klage abgewiesen, Widerklage überwiegend stattgegeben

In dem Urteil vom 23.02.2023 wies das Amtsgericht Halle (Saale) daher die Klage der Reiseveranstalterin auf Zahlung der Restsumme und Stornogebühren ab. Der Widerklage des Beklagten auf Rückzahlung seiner Anzahlung in Höhe von 2.333,70 € nebst Zinsen gab es hingegen ganz überwiegend statt. Lediglich hinsichtlich des bereits erfüllten Anspruchs auf die Kosten der Reiserücktrittsversicherung in Höhe von 398 € wies es die Widerklage ab.

Das Gericht ordnete zudem an, dass die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Das Urteil wurde für vorläufig vollstreckbar erklärt.

Fazit: Die kurzfristigen pandemiebedingten Änderungen der Reisebedingungen berechtigten den Reisenden zum kostenfreien Rücktritt. Der Veranstalter trägt das Risiko, wenn er die gebuchte Reise nicht wie ursprünglich vereinbart durchführen kann. Er darf dem Kunden geänderte Konditionen nicht einseitig aufzwingen.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Urteil stärkt die Rechte von Reisenden bei kurzfristigen, erheblichen Vertragsänderungen durch den Veranstalter. Wenn die Durchführung der Reise von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht wird, die bei Buchung nicht absehbar waren, hat der Kunde ein Rücktrittsrecht. Der Veranstalter kann dann weder auf Zahlung des Reisepreises noch auf eine Entschädigung bestehen, da er das Risiko einer pandemiebedingten Anpassung der Reisemodalitäten selbst zu tragen hat.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Das Thema: Rücktrittsrecht von Reiseverträgen wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.


Wann liegt eine erhebliche Vertragsänderung bei einer gebuchten Reise vor?

Nach deutschem Reiserecht liegt eine erhebliche Vertragsänderung bei einer gebuchten Reise vor, wenn die Änderungen des Pflichtenprogramms des Reiseveranstalters in erheblichem Maße wesentliche Eigenschaften der Reise betreffen. Die wesentlichen Eigenschaften der Reise sind im Gesetz abschließend aufgeführt und dem Reisenden mitzuteilen. Dazu gehören insbesondere die Reiseroute, die Beförderungsmittel, die Unterbringung, die Mahlzeiten, die Besichtigungen und die Sprache, in der die Reiseleistungen erbracht werden.

Eine erhebliche Vertragsänderung kann auch vorliegen, wenn besondere Vorgaben des Reisenden, die Vertragsbestandteil geworden sind, nicht erfüllt werden. Als Beispiel nennt die EU-Pauschalreiserichtlinie eine Änderung der vertraglich vereinbarten Anreise- oder Ankunftszeiten, die zu beträchtlichen Unannehmlichkeiten oder zusätzlichen Kosten für den Reisenden führen. Ein Wechsel des Hotels ist dagegen keine erhebliche Änderung, wenn die neue Unterkunft gleichwertig ist.

Ob eine Änderung erheblich ist, hängt auch vom Zeitpunkt der Mitteilung ab. Je näher der Reiseantritt rückt, desto eher wird man von einer Erheblichkeit ausgehen müssen. Der Reiseveranstalter muss dem Kunden erhebliche Vertragsänderungen unverzüglich nach Kenntnis mitteilen und ihm ein kostenloses Rücktrittsrecht einräumen.

Auch unerwartete Hygiene- und Gesundheitsauflagen aufgrund der Corona-Pandemie können eine erhebliche Vertragsänderung darstellen. Dies ist der Fall, wenn sie die Reise wesentlich beeinträchtigen, etwa durch umfangreiche Einschränkungen der Reisefreiheit oder Quarantänepflichten. Der EuGH hat entschieden, dass eine globale Gesundheitskrise wie die COVID-19-Pandemie „unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände“ im Sinne der Pauschalreiserichtlinie darstellen kann, die zu einer vollständigen Erstattung bei Rücktritt berechtigen.

Erhebliche Vertragsänderungen, die zum Rücktritt von der Reise berechtigen, liegen vor allem dann vor, wenn die wesentlichen Eigenschaften der gebuchten Reise nachträglich in bedeutendem Umfang geändert werden. Dies kann auch durch kurzfristig verhängte Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie der Fall sein. Je näher der Reiseantritt rückt, desto eher ist von einer erheblichen Änderung auszugehen.


Welche Rechte hat der Reisende, wenn der Veranstalter die Reisebedingungen einseitig ändert?

Nach dem deutschen Reiserecht hat der Reisende bei einer einseitigen Änderung der Reisebedingungen durch den Veranstalter folgende Rechte

Der Reisende kann die Änderungen annehmen. Entscheidet er sich dafür, die geänderten Reisebedingungen zu akzeptieren, wird der Reisevertrag entsprechend angepasst. Der Reisende muss dann die Reise zu den neuen Konditionen antreten.

Alternativ steht dem Reisenden ein kostenfreies Rücktrittsrecht vom Reisevertrag zu. Ist er mit den Änderungen nicht einverstanden, kann er innerhalb einer vom Veranstalter gesetzten angemessenen Frist vom Vertrag zurücktreten. In diesem Fall schuldet er keine Stornogebühren.

Bei einem berechtigten Rücktritt ist der Reiseveranstalter verpflichtet, dem Kunden bereits geleistete Zahlungen unverzüglich, spätestens innerhalb von 14 Tagen, vollständig zu erstatten. Ein Rücktritt wegen kurzfristig vor Reisebeginn angekündigter Corona-Maßnahmen ist in der Regel kostenfrei möglich, wenn die Änderungen erheblich sind.

Kündigt der Veranstalter die Reise von sich aus wegen der Pandemie ab, muss er ebenfalls den vollen Reisepreis erstatten. Für die Rückzahlung gilt auch hier die 14-tägige Frist.


Unter welchen Voraussetzungen verliert der Reiseveranstalter den Anspruch auf den Reisepreis?

Der Reiseveranstalter verliert den Anspruch auf den Reisepreis in folgenden Fällen

Wenn der Reiseveranstalter selbst vom Reisevertrag zurücktritt, entfällt sein Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis gemäß § 651h Abs. 4 Satz 2 BGB. Ein solcher Rücktritt durch den Veranstalter kann erfolgen, wenn er aufgrund unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände an der Erfüllung des Vertrags gehindert ist. Er muss den Rücktritt dann unverzüglich nach Kenntnis von dem Rücktrittsgrund erklären.

Auch wenn der Reisende berechtigt vom Vertrag zurücktritt, verliert der Veranstalter den Anspruch auf den Reisepreis nach § 651h Abs. 1 Satz 2 BGB. Ein solcher berechtigter Rücktritt des Kunden liegt vor, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Dies ist gemäß § 651h Abs. 3 BGB insbesondere der Fall bei schwerwiegenden Sicherheitsproblemen wie Krieg, Terrorismus oder Ausbruch schwerer Krankheiten.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass die pandemiebedingte Schließung von Hoteleinrichtungen einen Reisemangel darstellen kann, wenn der Veranstalter die vereinbarten Reiseleistungen nicht erbringen kann. Corona sei kein allgemeines Lebensrisiko des Reisenden. Bei erheblichen Mängeln einer Pauschalreise ist dann auch eine Reisepreisminderung möglich.

Wichtig ist, dass die außergewöhnlichen, unvermeidbaren Umstände bereits zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Reisenden vorliegen müssen. Erklärt der Kunde den Rücktritt zu einem Zeitpunkt, zu dem diese Voraussetzungen noch nicht erfüllt sind, und treten die Umstände erst später ein, behält der Veranstalter den Anspruch auf eine angemessene Entschädigung (Stornogebühr).

Als Beispiel hatte ein Reisender im Januar 2020 eine Pauschalreise nach Japan für April gebucht. Er stornierte am 1. März aufgrund der sich ausbreitenden Corona-Pandemie. Der Veranstalter verlangte eine Stornogebühr von 25%. Diese konnte er behalten, obwohl Japan am 26. März ein Einreiseverbot erließ und die Reise dann nicht mehr möglich gewesen wäre. Maßgeblich war die Situation bei Zugang der Rücktrittserklärung.


Wann steht dem Reiseveranstalter eine Entschädigung bei Rücktritt des Reisenden zu?

Dem Reiseveranstalter steht bei einem Rücktritt des Reisenden vor Reisebeginn grundsätzlich eine angemessene Entschädigung zu. Dies ergibt sich aus § 651h Abs. 1 S. 3 BGB. Der Reiseveranstalter verliert zwar seinen Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis, kann aber eine Entschädigung für die getroffenen Reisevorkehrungen und seine Aufwendungen verlangen.

Keine Entschädigung kann der Reiseveranstalter jedoch verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Dies regelt § 651h Abs. 3 S. 1 BGB. Solche Umstände liegen außerhalb der Kontrolle des Reiseveranstalters und ihre Folgen hätten sich auch dann nicht vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären.

Ob eine erhebliche Beeinträchtigung in diesem Sinne vorliegt, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung zu beurteilen, die sich am Reisezweck, der konkreten Reiseausgestaltung sowie Art und Dauer der Beeinträchtigung orientiert. Entscheidend ist die Lage zum Zeitpunkt des Rücktritts und nicht die spätere Entwicklung. Eine offizielle Reisewarnung gilt in der Regel als starkes Indiz für das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände. Sie ist aber keine zwingende Voraussetzung. Ein kostenfreier Rücktritt wäre daher auch ohne Reisewarnung denkbar.

Für die Praxis bedeutet dies, dass der Reisende bei einem coronabedingten Rücktritt von der Entschädigungspflicht befreit ist, wenn zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung außergewöhnliche Umstände die Reise erheblich beeinträchtigen. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn kurzfristig Einreisebeschränkungen, Quarantänepflichten oder Betriebsschließungen am Reiseziel angeordnet werden. Der Reisende trägt dann nicht das Risiko einer sich möglicherweise noch entspannenden Lage bis zum Reiseantritt.


Welche Auswirkungen haben Reisewarnungen des Auswärtigen Amts auf das Rücktrittsrecht?

Reisewarnungen des Auswärtigen Amts haben für Reisende wichtige rechtliche Konsequenzen, insbesondere in Bezug auf das Rücktrittsrecht von gebuchten Reisen. Eine offizielle Reisewarnung für das Zielland kann ein zusätzliches Indiz dafür sein, dass die Durchführung der Reise mit außergewöhnlichen Umständen verbunden wäre, die eine unzumutbare Erschwernis darstellen. Dies kann die Rechtsposition des Reisenden stärken, wenn er aufgrund der Warnung vom Reisevertrag zurücktreten möchte.

Allerdings stellt eine Reisewarnung für sich allein genommen in der Regel noch keinen ausreichenden Rücktrittsgrund dar. Entscheidend ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung der konkreten Situation im Reiseland und der damit verbundenen Gefahren und Beeinträchtigungen für den Reisenden. Dabei sind neben der Reisewarnung auch weitere Faktoren zu berücksichtigen, wie die Art und Schwere der Gefährdungslage, die betroffenen Regionen und der geplante Reiseverlauf.

Bei Pauschalreisen haben Kunden grundsätzlich bessere Möglichkeiten, kostenlos vom Vertrag zurückzutreten, wenn nach Buchung eine Reisewarnung für das Zielland ausgesprochen wird. Der Reiseveranstalter kann dann verpflichtet sein, die Reise kostenlos umzubuchen oder zu stornieren. Individualreisende haben es oft schwerer, da sie auf die Kulanz der einzelnen Leistungsträger wie Hotels oder Fluggesellschaften angewiesen sind, wenn keine Einreiseverbote oder Ähnliches vorliegen.

Wird während eines bereits angetretenen Pauschalurlaubs eine Reisewarnung verhängt, so haben Reisende in der Regel ein außerordentliches Kündigungsrecht. Der Reiseveranstalter verliert dann den Anspruch auf den vollen Reisepreis und muss sogar die Mehrkosten für einen vorzeitigen Rücktransport tragen.

Insofern können Reisewarnungen in Kombination mit den Umständen des Einzelfalls durchaus einen Reiserücktritt rechtfertigen. Sie sind ein gewichtiges Indiz für eine Gefahrenlage, die eine unzumutbare Erschwernis der Reise darstellen kann. Pauschalurlauber haben dabei eine bessere Rechtsposition als Individualreisende. In jedem Fall sollten sich Reisende eingehend über die aktuelle Situation und Risiken im Reiseland informieren, bevor sie eine Entscheidung über die Reise treffen.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 651g BGB: Dieser Paragraph regelt die Rechte des Reisenden bei erheblichen Vertragsänderungen. Der Reiseveranstalter muss den Reisenden über Änderungen informieren, und der Reisende hat das Recht, entweder die Änderung zu akzeptieren oder vom Vertrag zurückzutreten. Im vorliegenden Fall sind die neuen Corona-Maßnahmen als erhebliche Vertragsänderungen anzusehen.
  • § 651h Abs. 1 S. 2 und Abs. 5 BGB: Diese Bestimmungen besagen, dass der Reiseveranstalter seinen Anspruch auf den Reisepreis verliert, wenn der Reisende vom Vertrag zurücktritt, und dass der Reisepreis innerhalb von 14 Tagen nach dem Rücktritt zurückzuzahlen ist. Dies ist relevant, da der Beklagte vom Vertrag zurückgetreten ist und die Rückzahlung verlangte.
  • AGB der Klägerin, Ziffer 5c: Diese Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Klägerin wiederholt die gesetzlichen Regelungen zu erheblichen Vertragsänderungen und den Rechten des Reisenden nach § 651g BGB. Die Klägerin hätte dem Beklagten die Möglichkeit geben müssen, die Änderungen zu akzeptieren oder zurückzutreten.
  • Gesundheits- und Hygieneprotokolle: Die neuen Anforderungen wie Maskenpflicht, PCR-Tests und Impfnachweise stellen eine erhebliche Veränderung der ursprünglichen Reisebedingungen dar. Diese Änderungen haben direkte Auswirkungen auf die Entscheidungsfreiheit des Reisenden und dessen Wohlbefinden während der Reise.
  • Auswärtiges Amt: Die Warnung des Auswärtigen Amtes vor Reisen in die Region Barbados ist ein wichtiger Faktor, der die Entscheidung des Beklagten beeinflusst hat. Diese Warnung unterstreicht die Unsicherheit und zusätzlichen Risiken, die mit der Reise verbunden sind.
  • Stornokostenregelung, Ziffer 6 der AGB: Diese Regelung sieht Stornokosten von 45% des Gesamtpreises bei Rücktritt bis 21 Tage vor Reisebeginn vor. Im konkreten Fall war die Klägerin der Ansicht, dass diese Kosten anfallen, obwohl die Vertragsänderungen erheblich waren.
  • § 288 Abs. 1 BGB: Dieser Paragraph regelt die Verzugszinsen. Da die Klägerin die Rückzahlung der Anzahlung nicht fristgerecht vorgenommen hat, befand sich diese in Verzug und musste Verzugszinsen zahlen.
  • § 91, 92 Abs. 2 ZPO: Diese Vorschriften betreffen die Kostenentscheidung im Zivilprozess. Da die Klage der Klägerin unbegründet war und die Widerklage des Beklagten überwiegend Erfolg hatte, musste die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits tragen.


⇓ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Halle (Saale)

AG Halle (Saale) – Az.: 98 C 1005/22 – Urteil vom 23.02.2023

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin wird verurteilt, an den Beklagten 1.935,70 € nebst 5%Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit 24.02.2022 zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 5.589,20 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt Stornogebühren aus einem mit dem Beklagten ursprünglich am 20.01.2020 abgeschlossenen Reisevertrages über eine Segel-Kreuzfahrt in der Karibik zum Preis von 11.668,50 € – inklusive 398 € Reisekostenrücktrittsversicherung für die beiden geplanten Reiseteilnehmer (Bl. 31). Der Beklagte verlangt Rückzahlung der von ihm im Jahr 2020 geleisteten Anzahlung in Höhe von 2.333,70 €.

Die Reise sollte ursprünglich geplant am 11.02.2021 – 23.02.2021 stattfinden, wurde aber von der Klägerin mit Schreiben vom 07.12.2020 (Bl. 32) abgesagt – wegen der anhaltenden Auswirkungen der Pandemie, sie bot eine Verschiebung/ Umbuchung der Reise um 1 Jahr an – oder falls keine Umbuchung gewünscht, die Rückzahlung des bislang angezahlten Reisepreises. Der Beklagte entschied sich für die Umbuchung, die die Klägerin mit Schreiben / Rechnung v. 18.12.2020 (Bl. 14) bestätigte für die Reisezeit 24.02.2022 – 08.03.2022.

Mit Schreiben vom 12.11.2021, 21.12.2021 und 28.01.2022 (Bl. 33-35 + 40-42) informierte die Klägerin über folgende Notwendigkeiten, die zum Antritt der Reise notwendig werden:

1. Reisekrankenversicherung einschließlich Covid-Fälle

2. Ausfüllung Impfformular mit Original und Kopie der Impfbescheinigung mit vollständiger, mit einer der 4 aufgezählten Sorten – mindestens 2 (4) Wochen vor Abreise

3. PCR-Test (max. 72h vor Reiseantritt)

4. PCR-Test für Einreise nach Barbados (Zusatzkosten 80-150 €/p.P.)

5. Gesundheits- & Hygieneprotokolle des Reeders verlangt Tragen von Masken an Bord im Inneren des Schiffes, außer in der Kabine, beim Essen und Trinken.

6. Personen, die Symptome aufweisen und wer in den letzten 14 Tagen mit einem bestätigten Covid-19 Fall in Kontakt war, werden nicht an Bord zugelassen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.02.2022 wies der Beklagte darauf hin, dass das Auswärtige Amt dringlich von Reisen in die Region Barbados abrate und die Reisebedingungen unter den geschilderten Voraussetzungen keine Erholung bieten werde und Zusatzkosten nicht hinzunehmen seien und eine etwaige Quarantäne bei Rückkehr drohe. Angesichts dessen wurde um nochmalige Verschiebung der Reise ersucht. Dies lehnte die Klägerin ab, woraufhin der Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 09.02.2022 den Rücktritt vom Vertrag erklärte und Rückzahlung der Anzahlung binnen 14 Tagen verlangte.

In den AGB der Klägerin findet sich folgende Regelung unter 5.c.:

„Erhebliche Vertragsänderungen sind nicht einseitig und nur unter den Voraussetzungen des § 651g BGB vor Reisebeginn zulässig, über die X&X ausdrücklich den Reisenden zu informieren hat. Der Reisende kann zurücktreten oder die angebotene Vertragsänderung bzw. Ersatzreise innerhalb der Annahmefrist, die ihm von X&X gesetzt wurde, annehmen. Ohne fristgemäße Erklärung des Reisenden gilt das Angebot von X&X als angenommen. Im Übrigen ist § 651g Abs.3 BGB anzuwenden.“

In Nr. 6 der AGB sind bestimmte %Sätze für Stornokosten angeführt, wonach bei Schiffsreisen bei Rücktritt bis 21 Tage vor Reisebeginn solche i.H.v. 45% des Gesamtpreises anfallen.

Die Klägerin stornierte die Reise am 16.02.2022 und berechnete Stornokosten i.H.v. 45,27% = 5.221,80 € + 398 € (Reisekostenrücktrittsversicherung) – unter Berücksichtigung der Anzahlung und verlangte damit noch eine Zahlung von 3.286,10 €.

Die Reise wurde ohne den Kläger und seine Begleitperson durchgeführt.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 3.255,50 € nebst 5%-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit 28.02.2022 und vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 381,40 € zu zahlen nebst 5%-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, Klageabweisung und widerklagend, die Klägerin zu verurteilen, an ihn 2.333,70 € nebst 5%-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet; die Widerklage (mit Ausnahme der Reisekostenrücktrittsversicherung i.H.v. 398 €) ganz überwiegend begründet.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den Reisepreis, denn gem. ihrer eigenen AGB Ziffer 5c i.V.m. §§ 651g Abs. 3, 651h Abs. 1 S. 2 und Abs. 5 BGB gilt:

Tritt der Reisende vom Vertrag zurück, verliert der Veranstalter den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. Dieser ist gem. Abs. 5 unverzüglich, in jedem Falle aber innerhalb von 14 Tagen nach dem Rücktritt zu zahlen.

Die den Beklagten im November, Dezember 2021 und Januar 2022 mitgeteilten neuen Reiseumstände unterfallen als gravierende Abweichungen von den ursprünglichen Reisebedingungen aus Januar 2020 geschlossenen Vertragsgestaltung und stellen damit eine Vertragsänderung im Sinne der Ziffer 5c AGB P&P dar.

Weder die Klägerin noch der Beklagte haben bei Buchung der Segelschiffkreuzfahrt Anfang 2020 auch nur im Entferntesten in Erwägung gezogen, dass die Reise davon abhängig sein könnte, dass er medizinische Eingriffe an sich vornehmen lassen muss, diese Eingriffe dokumentieren muss, während der Reise (außer beim Essen, Trinken) eine Maske tragen muss, wenn er sich im Inneren des Schiffes bewegt (außer eigene Kabine), dass er sich mehrfach PCR-Tests unterziehen muss und ggf. mit Absonderung (Quarantäne) bei Rückkehr rechnen muss. Im Januar 2020 war dies gänzlich undenkbar.

Eine solche Vorstellung von einer Reise voller solcher Vorgaben hatten die Parteien auch nicht im Dezember 2020, als die Umbuchung in das Jahr 2022 erfolgte. Vielmehr sind die Parteien davon ausgegangen, dass – so wie 2020 auch angenommen – dann eine ganz normale Reise ohne gravierende Einschränkungen oder medizinischer Maßnahmenvorgaben stattfinden können wird.

Aus der Umbuchung vom 18.12.2020 ergibt sich jedenfalls keine Änderung der wie Januar 2020 nach den guten Sitten anzunehmenden Reiseumstände.

Insoweit sind die Vorgaben, die die Klägerin mit ihren 3 Schreiben von November 2021 – Januar 2022 dem Beklagten und seiner Begleitung gibt, eine erhebliche Vertragsänderung, die sie nicht einseitig vornehmen darf. Vielmehr hätte sie den Beklagten – wie im Dezember 2020 auch – darauf hinweisen müssen, dass er die Bedingungen akzeptieren kann – aber eben nicht muss – oder auch zurücktreten kann – mit Hinweis auf § 651g Abs. 3 BGB, wonach gilt:

„Tritt der Reisende vom Vertrag zurück, findet § 651h Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 Anwendung.“

Hiernach verliert der Reiseveranstalter den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis.

Für eine angemessene Entschädigung (wie bei Rücktritten aus Gründen aus dem Risikobereich des Reisenden nötig) ist kein Raum, weil der Veranstalter den Grund für den Rücktritt gesetzt hat – selbst wenn er durch Regelungen außerhalb seiner Einflusssphäre dazu veranlasst wurde. Das ist und bleibt sein Geschäfts-Risiko.

Das von der Klägerseite in Bezug genommene Urteil des AG Leipzig vom 16.12.2022 lässt sich nicht vergleichen. Es ist nicht bekannt, wann die Reise – vermutlich die gleiche? – gebucht wurde. Welche AGB dort zu Grunde lagen, lässt sich auch nicht erkennen in Bezug auf Ziffer 5c und der Verweisung auf § 651g Abs. 3 BGB.

Nicht verloren hat die Klägerin allerdings den Anspruch auf die vereinbarten Kosten der Reisekostenrücktrittsversicherung i.H.v. 398 €, der jedoch bereits mit der im Jahr 2020 erfolgten Anzahlung durch Erfüllung erloschen ist.

Mangels Hauptanspruch besteht auch kein Anspruch auf etwaige Verzugskosten.

2. Aus der Begründung zur Unbegründetheit der Klage ergibt sich die Begründung zur Begründetheit der Widerklage. Der Rückzahlungsanspruch wie dargelegt, bezieht sich nach dem Gesetzeswortlaut nur auf den Reisepreis, nicht aber auf Versicherungskosten.

Mit der gem. § 651h Abs. 5 BGB gesetzlich bestimmten Zahlungsfrist, ist die Klägerin spätestens 14 Tage nach Erhalt des per Fax übermittelten Rücktrittsschreibens vom 09.02.2022 ab 24.02.2022 in Verzug. Die Zinshöhe ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91, 92 Abs. 2 ZPO. Die geringe Zuvielforderung seitens der Widerklage um 398 € verursacht bei dem Gebührenstreitwert gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG (Addition von Klage und Widerklage) keine Mehrkosten und keinen Gebührensprung.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 ZPO.

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