AG Frankfurt – Az.: 387 C 396/20 (98) – Urteil vom 27.05.2021
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 266 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten i.H.v. 5 über dem jeweils Basiszinssatz seit dem 12.8.2020 zu zahlen
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin buchte bei der Beklagten eine Busreise nach Polen. Reisebeginn sollte der 17.8.2020 sein. Die die 1946 Satz geborene Klägerin kündigte die Reise am 15.6.2020. Sie fordert nun die von der Beklagten einbehaltene Anzahlung von 266 € zurück und ist der Ansicht, dass im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände eingetreten seien, die die Durchführung der Pauschalreise erheblich beeinträchtigt hätten.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 266 € zu zahlen zuzüglich Prozesszinsen aus dem Betrag von 266 € i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie meint, dass die Klägerin zu früh vom Reisevertrag zurückgetreten sei. Es sei zur Zeit der Kündigung nicht einmal absehbar gewesen, ob die Reise überhaupt abgesagt werden müsse und ob sich eine Reisewarnung ergebe.
Für den weiteren Vortrag der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Die Kläger schuldet die nach den AGB der Beklagten zu zahlende Entschädigung nicht, da am Bestimmungsort unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände vorlagen, die eine Durchführung der Pauschalreise die die Durchführung der Pauschalreise erheblich beeinträchtigt sind. (§ 651 h Abs. 3 S. 1 BGB).
Es handelt sich dabei um die Verpflichtung der Reiseteilnehmer, im Bus -es handelte sich um eine Busreise mit Ausflugsprogramm vor Ort- eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen sowie in der Unterkunft. Dies allein ist ein Umstand im Sinne von § 651a Abs. 3 S. 1 BGB. Die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Abdeckung hat der Bürger selbstverständlich hinzunehmen, soweit sie angeordnet ist. Die damit einhergehenden Beschränkungen, die gerichtsbekannt sind, sind aber so gravierend, dass sie dem Urlaubsgenuss in erheblicher Weise entgegenstehen. Außerdem geht das Gericht von weiteren Beeinträchtigungen beim Veranstaltungsprogramm und bei der Art, wie in der Unterkunft in der Gruppe zu verfahren war, aus. Auch war ein erhöhtes Infektionsrisiko gerade für die sich im fortgeschrittenen Alter befindliche Klägerin durch den Aufenthalt mit einer Vielzahl von der Person in einem Bus bzw. in geschlossenen Räumen zu befürchten.
Der Vortrag der Klägerin zu diesen Beeinträchtigungen ist ausreichend. Mehr kann sie jedenfalls zum Ablauf der Reise nicht wissen, da sie im Juni 2020 gekündigt hatte und daher über die weiteren Bedingungen der Reise von der Beklagten nicht aufgeklärt wurde. Im Rahmen der sekundären Darlegungslast hätte die Beklagte die corona-bedingten Besonderheiten bei der Reisedurchführung darlegen müssen um aufzuzeigen, dass die Beschränkungen tatsächlich nur unerheblicher Art waren. Dies hat sie nicht getan. Zu der Verpflichtung, im Bus eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, hat die Beklagte keine sicheren Angaben gemacht. In der mündlichen Verhandlung hat sie ausführen lassen, dass der Bus nicht ganz gefüllt gewesen sei, so dass ein Abstand von 1,5 m habe eingehalten werden können. Ob nun auf einen bestimmten Platz eine Mund-Nasen-Bedeckung habe getragen werden müssen, könne ein Veranstalter natürlich nicht sagen. Die von der Klägerin angedeuteten und von ihr gefürchteten Umstände, die hinsichtlich der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, der Beschränkungen beim Aufenthalt mehrerer Personen in Innenräumen und das erhöhte allgemeine Infektionsrisiko auf Reisen in ihren wesentlichen Zügen auch gerichtsbekannt sind, legt das Gericht der Beurteilung also zu Grunde.
Der Vorwurf, die Klägerin habe „zu früh“ gekündigt, greift nicht durch. Sie hat auch nicht auf Grundlage bloßer Mutmaßungen und allgemeiner Befürchtungen von der Reise Abstand genommen. Das, was schließlich tatsächlich eintrat, nämlich die für sie unzumutbaren Beschränkungen bei der Reise (siehe oben), war am 15.6.2020 jedenfalls mit einer mehr als fünfundzwanzigprozentigen Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Es gab zwar keine Reisewarnung, die Klägerin trägt auch vor, dass von polnischer Seite Reisebeschränkungen (nur) bis zum 12.6.2020 verlängert wurden. Wie allgemein bekannt ist, war ein Ende der Corona-Pandemie aber zur Zeit des Rücktritts am 15.6.2020 nicht abzusehen. Die Klägerin verweist zu Recht darauf, dass die Zahl der bestätigten Infektionsfälle in Polen von Anfang Juni 2020 bis zum 15. Juni 2020 anstieg. So mag Mitte Juni 2020 zwar die Hoffnung bestanden haben, dass die Pandemie alsbald ihr Ende gefunden haben werde. Realistischer waren entgegengesetzte Befürchtungen, die sich als wahr erwiesen haben.
Die Beklagte hat also die einbehaltene Anzahlung zurückerstatten zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Absatz 1 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufungszulassung folgt aus § 511 Abs. 4 Nr. 1. ZPO, da eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung aufgrund der Vielzahl vergleichbarer Fälle, die beim erkennenden Gericht anhängig sind, erforderlich ist.