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Reisevertrag – Umzug in Ersatzunterkunft aufgrund von Mängeln

LG München I – Az.: 30 S 18124/17 – Beschluss vom 07.03.2018

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 07.11.2017, Aktenzeichen 172 C 15107/17, wird zurückgewiesen.

2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.781,84 € festgesetzt.

Gründe

Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 07.11.2017, Aktenzeichen 172 C 15107/17, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung der Kammer das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis der Kammer Bezug genommen. Herr Richter am Landgericht …, der nunmehr der Berufungskammer angehört und zur Mitentscheidung berufen ist, tritt dem Hinweis vom 12.02.2018 in vollem Umfang bei.

Ergänzend sind im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 28.02.2018 folgende Ausführungen veranlasst:

a) Die Kammer hält auch in Anbetracht entgegengesetzter Stimmen in der Literatur an der Auffassung fest, dass im Rahmen der Anwendung von § 651c Abs. 3 BGB eine Unterscheidung zwischen einfachen Selbsthilfemaßnahmen einerseits und dem Umzug in eine Ersatzunterkunft andererseits zu treffen und die letztere Maßnahme („erweiterte Selbsthilfe“) dem Erfordernis des Vorliegens einer erheblichen Beeinträchtigung i.S.d. § 651e Abs. 1 BGB zu unterwerfen ist. Wie in der durch das Amtsgericht in Bezug genommenen Entscheidung des LG Frankfurt (Urteil v. 21.11.1994, 2/23 S 65/93) zutreffend ausgeführt wird, entstünden ansonsten Wertungswidersprüche zu § 651e Abs. 1 BGB. Denn der Umzug in eine Ersatzunterkunft kommt im Ergebnis weitgehend einer Kündigung der Reise gleich, weshalb ein Ersatzanspruch für die Kosten der Ersatzunterkunft nur dann besteht, wenn der Reisende auch gemäß § 651e BGB hätte kündigen können (LG Duisburg Urt. v. 20.12.2007 – 12 S 92/07, BeckRS 2008, 13774).

b) Die Feststellung der Erheblichkeit einer Beeinträchtigung der Reise infolge des Mangels setzt eine tatrichterliche Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände voraus. Ein prozentualer Minderungssatz kann daher aus Sicht der Kammer lediglich indizielle Bedeutung haben. Eine schematische Anknüpfung an bestimmte Prozentsätze ist hingegen entsprechend der Rspr. des BGH (BGH NJW 2013, 3170, vgl. Leitsatz Nr. 2 sowie Rn. 35-37 bei Beck-Online) sowie der überwiegenden Literaturmeinung (Nachweise bei BeckOK BGB/Geib BGB § 651e Rn. 3-6) abzulehnen. Soweit in der früheren Rspr. das Erreichen bestimmter Minderungssätze vorausgesetzt wurde, ist dies zu schematisch (vgl. BeckOK a.a.O.).

Reisevertrag - Umzug in Ersatzunterkunft aufgrund von Mängeln
(Symbolfoto: Von Dragon Images /Shutterstock.com)

Die erforderliche tatrichterliche Würdigung hat das Amtsgericht in nicht zu beanstandender Weise unter Zugrundelegung eines zutreffenden Wertungsmaßstabs und unter Einbeziehung der relevanten Kriterien vorgenommen und die Erheblichkeit der Beeinträchtigung – insbesondere mit Blick auf den Reisezweck sowie das Ausmaß der Nutzungsbeeinträchtigung – verneint. Die Kammer schließt sich den entsprechenden Ausführungen sowie dem gefundenen Ergebnis in vollem Umfang an.

Nur ergänzend ist insoweit darauf hinzuweisen, dass das LG Frankfurt seine klägerseits zitierte Rspr. (fiktiver Minderungssatz von 20 %) zwischenzeitlich aufgegeben hat und nunmehr die zuletzt vertretene Minderungsquote von 20% für zu gering hält, als dass ihr eine Indizwirkung für eine erhebliche Beeinträchtigung zugesprochen werden könnte. Das LG Frankfurt hält nunmehr eine (fiktive) Minderungsquote von 35% für einen tauglichen Schwellenwert für eine derartige Indizwirkung (LG Frankfurt a. M. Urt. v. 17.12.2009 – 2/24 S 140/09). Auch der Rückgriff auf die Rspr. des LG Frankfurt würde demnach im vorliegenden Fall bereits nicht zu einer Indizwirkung zu Gunsten der Klägerin führen. Erst recht nicht in Betracht käme eine derartige Indizwirkung bei Orientierung an der zwischenzeitlich wohl überwiegenden Rspr., die – dem LG Hannover folgend – von einer Schwelle von 50 % ausgeht (vgl. Nachweise bei MüKoBGB/Tonner, BGB, 7. Aufl. 2017, § 651e Rn. 8).

c) Soweit die Klägerin moniert, das Amtsgericht sei nicht darauf eingegangen, dass die Klägerin mit der Klage auch Rückzahlung des Reisepreises für 12 Tage nicht in Anspruch genommenen Aufenthalt im Hotel C. geltend mache, begründet dies keine Erfolgsaussichten der Berufung. Das Amtsgericht hat in den Entscheidungsgründen eingangs ausgeführt, dass der Klägerin weder Anspruch auf Reisepreisminderung, noch auf Aufwendungsersatz oder Schadensersatz habe. Näher im Einzelnen eingegangen wurde auf den letztgenannten Gesichtspunkt zwar lediglich hinsichtlich eines etwaigen Schadensersatzanspruchs aus § 651 f Abs. 2 BGB (nutzlos aufgewendete Urlaubszeit). Dass das Amtsgericht keinen Ersatzanspruch im Hinblick auf die Kosten für die nicht in Anspruch genommenen 12 Tage Aufenthalt im Hotel C. zugesprochen hat, ist aber nicht zu beanstanden: Die Klägerin ist aufgrund eigenen Entschlusses aus dem Hotel C. ausgezogen, ohne dass die Voraussetzungen einer derartigen (erweiterten, s.o.) Selbstabhilfe i.S.d. § 651c Abs. 3 BGB oder einer Kündigung nach § 651e BGB vorlagen (s.o.). Die Voraussetzungen eines Schadensersatzes für die Kosten des nicht in Anspruch genommenen Aufenthalts im ursprünglich bezogenen Hotel liegen in dieser Fallgestaltung bereits mangels Verschuldens der Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.

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