OLG Köln
Az: 9 U 76/06
Urteil vom 21.11.2006
Auf die Berufung des Klägers wird das am 09.03.2006 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 24 O 290/04 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, an den Kläger, zu Händen der Q. G. T. GmbH & Co KG, einen Betrag in Höhe von 35.017,24 EUR zu zahlen nebst 8 Prozent Zinsen seit dem 02.01.2004.
Die Kosten des Rechtstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Entschädigung auf Grund einer zwischen der U. GmbH, die inzwischen insolvent ist, und der Beklagten abgeschlossenen Vollkaskoversicherung für den von der Gesellschaft geleasten Porsche GT 3 (amtliches Kennzeichen XXX-XX XXX). Dem Versicherungsvertrag liegen die GKA AKB zugrunde (Bl. 46 GA).
Die U. GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger war, betrieb eine Tankstelle mit Werkstatt in T..
Unter dem 14.10.2003 meldete sich der Kläger bei dem Veranstalter P. e.V. zu einem Fahrtraining in S. an. In den Teilnahmebedingungen heißt es u.a. :
„Art der Veranstaltung: Fahrtraining auf einer Rundstrecke, die während der Veranstaltung für den öffentlichen Verkehr gesperrt ist. Bei dieser Rundstrecke handelt es sich um eine Rennstrecke, die ausschließlich unter Sicherheitsaspekten ausgewählt wurde. Die Veranstaltung dient nicht der Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten, sondern der Optimierung von Fahrkönnen und Fahrtechnik. Ziel der Veranstaltung ist die Verbesserung der Fahrzeugbeherrschung und Fahrsicherheit.“ Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Anmeldeformular Bezug genommen (Bl. 8, 9 GA).
Am 25.10.2003 nahm der Kläger an der Veranstaltung auf der Grand Prix Rennstrecke S.-F. teil. Hierbei kam es zu einem Unfall, bei dem das Fahrzeug des Klägers erheblich beschädigt wurde. Der Kläger geriet mit dem Wagen auf den Seitenstreifen und schleuderte mehrfach gegen eine Betonmauer. In der Folgezeit kündigte die Leasinggesellschaft, nachdem Zahlungsrückstände entstanden waren, den Leasingvertrag und nahm den Kläger als Bürgen auf Zahlung offenstehender Leasingrechnungen in Anspruch. Unter dem 10.01.2004 trat die U. GmbH ihre Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an den Kläger ab. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 02.01.2004 die Zahlung einer Entschädigung ab, weil die Veranstaltung nach ihren Ermittlungen Renncharakter gehabt habe und damit kein Versicherungsschutz bestehe.
Den – zwischen den Parteien unstreitigen – Entschädigungsbetrag auf Basis einer Totalschadensabrechung hat der Kläger auf 35.517,24 EUR, Differenz von Wiederbeschaffungswert netto und Restwert netto, beziffert abzüglich einer vereinbarten Selbstbeteiligung von 500,00 EUR. Die Parteien haben darüber gestritten, ob der Leistungsausschluss nach § 2b Abs. 5 c der vereinbarten AKB eingreift. Der Kläger hat vorgetragen, er habe an einem Fahrsicherheitstraining teilgenommen.
Mit der Klage hat der Kläger Zahlung einer Entschädigung zu Händen der Q. G. T. GmbH in Höhe von 35.017,24 EUR zuzüglich 8 % Zinsen seit dem 23.12.2003 verlangt sowie Zahlung ausstehender Leasingraten für November und Dezember 2003 in Höhe von insgesamt 2.410,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.
Die Beklagte hat vorgetragen, bei dem Fahrtraining habe es sich um eine Rennveranstaltung gehandelt. Der Charakter sei auch daran zu erkennen gewesen, dass Streckenposten eingesetzt worden seien.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeuge C.. Der von der Beklagten benannte Zeuge E. ist entschuldigt zum Termin vor dem Landgericht nicht erschienen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 06.02.2006 (Bl. 164 ff GA) verwiesen.
Sodann hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Beklagte sei nicht zur Deckung verpflichtet. Bei der Veranstaltung habe es sich nicht um ein normales Fahrsicherheitstraining, sondern um eine Übungsfahrt gehandelt, die auf die Erfahrung der Fahrer im Grenzbereich der Leistungsfähigkeit, d.h. auf die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten, abgezielt habe.
Der Zeuge C., Vorsitzender im Vorstand des veranstaltenden Vereins, habe auf Vorhalt von Internetseiten des Vereins nicht exakt angeben können, was dieses Fahrtraining gekennzeichnet habe, damit man es als Fahrsicherheitstraining hätte auffassen können. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und macht geltend, es habe sich nicht um ein Rennen oder eine damit in Verbindung stehende Übungsfahrt gehandelt. Es sei weder gegeneinander noch gegen die Uhr gefahren worden. Das Fahrzeug sei auch nicht renntauglich ausgestattet gewesen. Bei einer Übungsfahrt im Sinne der Versicherungsbedingungen sei eine Fahrt gemeint, die Bestandteil einer Veranstaltung zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeit sei. Eine solche enge Verbindung sei vorliegend nicht gegeben. Etwaige Unklarheiten gingen zu Lasten der Beklagten. Die vom Landgericht herangezogenen Erfahrungsberichte aus dem Internet datierten aus 2001.
Den Klageantrag zu 2) (Leasingraten) verfolgt der Kläger nicht mehr weiter.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger, zu Händen der Q. G. GmbH, einen Betrag in Höhe von 35.017,24 EUR zuzüglich 8 % Zinsen seit dem 23.12.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor, die Veranstaltung habe nicht ein Sicherheitstraining beinhaltet, vielmehr habe der eigentliche Charakter verschleiert werden sollen. Das Fahrzeug des Klägers sei renntauglich gewesen und es habe innerhalb des Trainings der Grenzbereich des Fahrzeugs erarbeitet werden sollen. Schließlich habe eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit vorgelegen, weil der Kläger behauptet habe, es sei ein Sicherheitstraining gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers ist bis auf eine geringe Zinszuvielforderung begründet.
1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 35.017,24 EUR nach § 12 Abs. 1 II e) der hier vereinbarten GKA AKB i.V.m. § 398 BGB wegen des Schadensereignisses vom 25.10.2003 auf Grund der zwischen der U. GmbH und der Beklagten bestehenden Vollkaskoversicherung zu.
a) Gegen die Geltendmachung des Anspruchs durch den Kläger bestehen im Hinblick auf das Abtretungsverbot des § 3 Nr. 4 GKA AKB im vorliegenden Fall keine Bedenken. Es ist nach den Gesamtumständen von einer zulässigen stillschweigenden Genehmigung der Abtretung durch den Versicherer auszugehen. Die Beklagte hat sich auf ein Abtretungsverbot auch nicht berufen (vgl. Knappmann in Prölss/Martin, 27. Aufl., § 3 AKB, Rn 9, 12).
b) Die Beklagte ist nicht nach § 2b Abs. 5 c) GKA AKB leistungsfrei. Danach wird Versicherungsschutz nicht gewährt für Schäden, die bei Beteiligung an Fahrveranstaltungen, bei denen es auf Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt, oder bei der dazugehörigen Übungsfahrt entstehen. Bei dieser Bestimmung handelt es sich nicht um eine verhüllte Obliegenheit, sondern nach Stellung im Bedingungswerk und Inhalt um einen Risikoausschluss (vgl. OLG Karlsruhe VersR 2005, 78; Stiefel/Hofmann, AKB, 17. Aufl., § 2b, Rn 154).
Die Voraussetzungen des Ausschlusses hat die Beklagte nicht nachgewiesen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass es sich bei der Veranstaltung vom 25.10.2003 um eine Fahrveranstaltung im Sinne des Ausschlusses gehandelt hat oder um eine dazugehörige Übungsfahrt.
Der Begriff der „Fahrveranstaltung, bei der es auf Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt“ umschreibt ein „Rennen“ im Sinne von § 29 StVO (vgl. OLG Hamm r+s 1990, 43; Knappmann in Prölss/Martin, 27. Aufl., § 2b AKB, Rn 62; Stiefel/Hofmann, aaO, Rn 154). Die Erreichung einer möglichst hohen Geschwindigkeit muss den Charakter der Veranstaltung prägen und gleichsam das Haupt- und Endziel sein (vgl. OLG Hamm, aaO). Eine solche Rennveranstaltung wird zudem dadurch charakterisiert, dass eine Platzierung der Teilnehmer erfolgt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
Ausweislich der Anmeldung handelt es sich bei der Veranstaltung vom 25.10.2003 um ein freies Fahrtraining. Dass die Teilnehmer gegeneinander antreten oder gegen die Stoppuhr fahren, ist nicht ersichtlich. Der Umstand, dass die Fahrten auf einer Formel 1 – Grand Prix Strecke stattfinden und Streckenposten vorhanden sind, ändert an der Bewertung der Veranstaltung nichts.
Der Zeuge C. hat bekundet, dass es Zweck des Vereins P.-C. e.V. sei, den Mitgliedern Fahrtraining und Fahrsicherheitstraining anzubieten. Das Verständnis von den Veranstaltungen gehe in Richtung Fahrsicherheitstraining. Der Ablauf einer solchen Veranstaltung beginne mit einer theoretischen Einweisung und anschließend geführten Runden. Hierbei gehe es nicht um beste Rundenzeiten. Sie würden auch nicht gemessen.
Der Inhalt des dem Zeugen vorgehaltenen Erfahrungsberichts eines Teilnehmers an einer Veranstaltung aus dem Jahre 2001 führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Insoweit hat der Zeuge bekundet, dass der Verein P. C. nicht Ausrichter der früheren Veranstaltung gewesen sei. Es handelte sich um eine anders geartete und organisierte Veranstaltung. Ein Vergleich mit dem vorliegenden Fahrtraining verbietet sich deshalb.
Dass es sich nicht um ein Verkehrssicherheitstraining im Sinne der Definition des Deutschen Verkehrssicherheitsrats gehandelt hat, ändert an der Bewertung nichts. Entscheidend ist, dass die hier maßgebliche Veranstaltung nicht durch einen Wettbewerb der Teilnehmer gekennzeichnet ist. Dies wird auch belegt durch die Liste der teilnehmenden Fahrzeuge, die ganz unterschiedliche Modelle, Leistungsstärken und Fahrzeugklassen aufweist. Ob die Fahrzeuge „renntauglich“ hergerichtet waren, ist nicht entscheidend. Ebenso kommt es nicht auf den Charakter der Rennstrecke an.
Soweit die Beklagte nunmehr vorträgt, dass innerhalb des Trainings „der Grenzbereich des Fahrzeugs“ erarbeitet werde und der Teilnehmer „am persönlichen Limit und auf der Ideallinie“ fahren solle, bedarf es einer Beweisaufnahme nicht. Der Vortrag ist bereits zu allgemein und unbestimmt. Dass der Zeuge E. bestätigen soll, dass gegeneinander oder gegen die Zeitnahme gefahren worden sei, behauptet die Beklagte selbst nicht.
Es geht auch nicht um eine Teilnahme an einer „dazugehörigen Übungsfahrt“. Bei der Auslegung dieses Begriffs ist darauf abzustellen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs die Klausel verstehen muss (vgl. Römer in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., Vor § 1 Rn 16). Risikoausschlussklauseln sind zudem eng auszulegen. Der Deckungsschutz soll nicht weiter verkürzt werden, als der erkennbare Zweck der Klausel gebietet (vgl. Römer, aaO, Rn 23). Danach sind „dazugehörige Übungsfahrten“ in dem Sinne zu verstehen, dass sie sich unmittelbar auf ein konkretes Rennen beziehen müssen, bei dem es auf Höchstgeschwindigkeit ankommt. Es muss eine vom Veranstalter organisierte Übungsfahrt zu einem bestimmten Rennen vorliegen (vgl. Stiefel/Hofmann, aaO, § 2b, Rn 157; siehe auch OLG Karlsruhe, VersR 2005, 78). Diese Umstände sind bei der hier entscheidenden Veranstaltung mangels Verbundenheit mit einem konkreten Rennen erkennbar nicht gegeben.
c) Leistungsfreiheit auf Grund einer Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nach den §§ 7 I Abs. 2 S. 3, V Abs. 4 AKB, 6 Abs. 3 VVG ist nicht anzunehmen. Die Eintragung des Klägers in der Schadenanzeige vom 29.10.2003, er sei beim Befahren der Strecke „(Fahrsicherheitstraining)“ auf den Seitenstreifen gekommen, stellt bereits keine falsche Angabe dar. Die Begriffe „Fahrtraining“ und „Fahrsicherheitstraining“ sind nicht verbindlich definiert. Dem Kläger kann demnach keine unrichtige Angabe zur Last gelegt werden.
Außerdem wäre nicht von einem schweren Verschulden im Sinne der Relevanztheorie auszugehen.
d) Die der Höhe nach unstreitige Entschädigungszahlung ist zu Händen der Q. G. T. GmbH & Co. KG zu leisten. Insoweit hat der Senat die erkennbar versehentliche Falschbezeichnung im Antrag „Q. G. T. GmbH“ richtig gestellt und ergänzt.
2. Der Zinsanspruch folgt aus dem Gesichtspunkt des Verzuges nach den §§ 288 Abs. 3, 286 Abs. 3 BGB in Höhe der geltend gemachten Zinsen unter Berücksichtigung der Inanspruchnahme des Klägers durch die Leasinggesellschaft, jedoch erst ab Verzugseintritt durch Ablehnung der Entschädigung durch den Versicherer unter dem 02.01.2004 (vgl. Römer, aaO, § 11, Rn 21).
3. Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Entscheidung hat keine über den Einzelfall mit seinen Besonderheiten hinausgehende Bedeutung. Auch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 35.017,24 EUR