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Rentenversicherung – Bezugsberechtigung des Erben nach dem Tod des Versicherungsnehmers

LG Coburg – Az.: 22 O 598/13 – Urteil vom 15.04.2014

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 59.344,78 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.11.2013 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Versicherungsleistung aus zwei Rentenversicherungen.

Die Tante des Klägers, Frau …, schloss bei der Beklagten zwei Rentenversicherungen ab. Die Rentenversicherung mit der Nr. LV 10078346 begann am 01.09.2008. Die Rentenversicherung mit der Nr. LV 10199551 begann am 01.03.2009. Gegenstand der beiden Versicherungen war jeweils eine vierteljährlich zu zahlende Altersrente für Frau … bis zu deren Ableben. Die Versicherungsnehmerin war im Gegenzug verpflichtet, auf die Versicherungen einen Einmalbetrag in Höhe von 50.852,48 € bzw. 20.340,99 € zu Beginn der Versicherung zu erbringen, was auch geschah. Im Falle des Todes von Frau … als versicherter Person verpflichtete sich die Beklagte, den jeweils eingezahlten Einmalbetrag abzüglich bereits gezahlter Altersrenten zurückzuzahlen. Grundlage für beide Verträge waren die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die sofort beginnende Rentenversicherung. In § 13 heißt es:

„Leistungen aus dem Versicherungsvertrag zahlen wir an sie als unseren Kunden (Versicherungsnehmer) oder an ihre Erben. Sie können uns aber auch eine andere Person benennen, die die Ansprüche aus diesem Vertrag bei deren Fälligkeit erwerben soll (Bezugsberechtigter).“

Auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen wird im Übrigen verwiesen (Anlage K 1).

Dem jeweiligen Vertragsschluss voran gingen unverbindliche Anfragen von Frau … auf Erstellung eines Versicherungsangebotes. In der Anfrage für die Versicherung LV 10199551 kreuzte Frau … auf die Frage, ob ein Bezugrecht auf die Versicherungsleistung verfügt werde, die Antwort: „Nein“ an. Auf die Anlage K 14 wird verwiesen. Die Beklagte übersandte Frau … daraufhin die jeweilige Versicherungsurkunde. In den beiden Versicherungsurkunden ist Frau als Versicherungsnehmer und versicherte Person benannt. Es finden sich Angaben zum Versicherer, zur vereinbarten Altersrente und dem jeweils zu zahlenden Einmalbetrag. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen werden dort in Bezug genommen. Angaben zur Bezugsberechtigung für den Todesfall finden sich dort nicht. Auf die Originalversicherungsurkunden in der Anlage I/3 wird verwiesen.

Frau … nahm das Angebot der Beklagten auf Abschluss eines Versicherungsvertrags mit der Versicherungs-Nr. LV 10078346 schriftlich mit Erklärung vom 01.09.2008 an. In der von der Beklagten vorformulierten Annahmeerklärung findet sich der Hinweis, der Vertragsumfang sei in der Versicherungsurkunde vom 13.08.2008 dokumentiert. Auf die Anlage B 3 wird verwiesen. Eine entsprechende Annahmeerklärung erfolgte auch für die Versicherung mit der Nr. LV 10199551.

Frau … starb am 23.12.2012. Sie hinterließ ein handschriftliches Testament, worin sie den Kläger zum Alleinerben einsetzte. Auf den Erbschein wird verwiesen (Anlage K 3). Der Kläger widerrief mit anwaltlichen Schriftsatz vom 13.05.2013 das Bezugsrecht aus den beiden Lebensversicherungen gegenüber der Beklagten. Das Kapital der Rentenversicherung mit der Nr. LV 10078346 betrug zum Zeitpunkt des Erbfalls 42 280,16 €, das Kapital für die Rentenversicherung LV 10199551 hingegen 17.064,62 €.

Der Kläger verlangt mit der am 04.11.2013 zugestellten Klage die Auszahlung des vorhandenen Kapitals aus beiden Rentenversicherungen an sich.

Der Kläger vertritt die Auffassung, er sei Bezugsberechtigter für die Leistung aus beiden Rentenversicherungen nach dem Tod seiner Tante, da gemäß § 13 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Versicherungsnehmer oder seine Erbe anspruchsberechtigt seien. Aus der unverbindlichen Anfrage auf Erstellung eines Versicherungsangebotes (Anlage K 14) ergebe sich, dass ein besonderes Bezugsrecht gerade nicht gewollt gewesen sei. Durch die erfolgten Widerrufserklärungen vom 13. Mai 2013 sei überdies auch der Leistung an Dritte die Grundlage entzogen, da diesen danach jedenfalls kein Behaltensrecht mehr zugestanden habe.

Der Kläger beantragt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 42.280,16 € aus der Rentenversicherung LV 10078346 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jährlichen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.064,62 € aus der Rentenversicherung LV 10199551 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jährlichen Basiszinssatz sei 16.05.2013 zu bezahlen.

III. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.251,48 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jährlichen Basiszinssatz seit 16.05.2013 zu bezahlen

Die Beklagte beantragt, die Klageabweisung.

Die Beklagte behauptet, mit Übersendung der beiden Versicherungsurkunden sei Frau … jeweils ein Policenbegleitschreiben zugegangen. Beide Schreiben hätten folgenden Passus enthalten:

„Als widerruflich bezugsberechtigt für die fällig werdenden Versicherungsleistungen haben wir vermerkt:

zu Lebzeiten von.

Versicherungsnehmer nach dem Tod von gesetzliche Erben zu 100 %“.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dieser Passus zur Bezugsberechtigung sei Vertragsbestandteil geworden. Tatsächlich bezugsberechtigt sei daher nicht der Kläger, sondern die gesetzlichen Erben von Frau … da der Kläger lediglich gewillkürter Erbe sei. Die Bezugsberechtigung sei aber nach dem Tod des Versicherungsnehmers nicht mehr widerrufbar. Ein etwaiger Wegfall des Behaltensrechts der gesetzlichen Erben habe lediglich zur Folge, dass der Kläger von diesen die Leistung herausverlangen könne.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist überwiegend begründet. Der Kläger kann die Auszahlung des vorhandenen Kapitals aus den beiden Rentenversicherungen aus den jeweiligen Versicherungsverträgen verlangen. Unstreitig ist, dass im Falle des Todes der versicherten Person das Kapital in Höhe des eingezahlten Einmalbetrages abzüglich bereits gezahlter Altersrenten fällig wird. Die Parteien streiten lediglich über die Anspruchsberechtigung des Klägers. Dieser ist als berechtigt anzusehen, die Ansprüche auf Rückzahlung des Kapitals vorliegend geltend zu machen. Gemäß § 13 Abs. 1 sind die Leistungen aus dem Versicherungsbetrag an Versicherungsnehmer oder an dessen Erben zu zahlen. Da die Versicherungsnehmerin vorliegend verstorben ist, ist der Kläger als deren Erbe als bezugsberechtigt anzusehen. Freilich stand es den Vertragsparteien frei, eine abweichende Bezugsberechtigung zu vereinbaren. Solches ist allerdings vorliegend nicht anzunehmen. Die Beklagte hat vorgetragen, durch Übersendung der jeweiligen Policenbegleitschreiben mit den Versicherungsurkunden sei Bestandteil ihres Angebots geworden, dass die gesetzlichen Erben der Versicherungsnehmerin im Falle von deren Tod bezugsberechtigt werden. Der Kläger hat allerdings bestritten, dass der Versicherungsnehmerin diese Begleitschreiben überhaupt zugegangen seien. Ob diese vermeintliche Abrede tatsächlich Vertragsbestandteil wurde, kann nicht geklärt werden. Der Versicherungsschein hat die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich, wenn er als Urkunde ausgestellt ist (Römer/Langheid, VVG, § 3 Rdnr. 2). Das ist dann der Fall, wenn er mit einer Unterschrift versehen wird. Das ist im vorliegenden Fall bei beiden Versicherungsurkunden gegeben. Die beiden vorgelegten Versicherungsurkunden enthalten allerdings keine Angaben zur Bezugsberechtigung im Falle des Todes der Versicherungsnehmerin mit Ausnahme der genannten Regelung in den Versicherungsbedingungen. Dem Versicherungsschein kommt insofern Beweisfunktion zu, dass sich der gesamte Inhalt des Versicherungsvertrages aus dem Versicherungsschein ergeben muss (Römer/Langheid, VVG, § 3 Rdnr. 2). Es ist nicht zu ersehen, weshalb die Beklagte eine solch bedeutsame Frage wie die Bezugsberechtigung für die Versicherungsleistung nicht in den Versicherungsschein aufgenommen hat. Beweis dafür, dass der Versicherungsnehmerin die beiden Policenbegleitschreiben zugegangen seien, hat die Beklagte nicht angeboten, so dass sie als beweisfällig anzusehen ist.

Selbst wenn wann davon ausginge, dass die beiden Begleitschreiben der Versicherungsnehmerin tatsächlich zugegangen seien, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die dort aufgestellte Regelung zur Bezugsberechtigung für den Todesfall auch Vertragsbestandteil für die beiden Rentenversicherungen wurde. Die Parteien haben die Annahmeerklärung von Frau … für die Rentenversicherung mit der Nr. LV 10078346 vorgelegt, in welcher es heißt, der Vertragsumfang sei in der Versicherungsurkunde vom 13.08.2008 dokumentiert. In dieser Versicherungsurkunde findet sich aber, wie bereits ausgeführt, nichts darüber, wer im Falle des Todes bezugsberechtigt sein sollte. Auf das Begleitschreiben wird in der von der Beklagten vorgefertigten Annahmeerklärung gerade nicht Bezug genommen. Entsprechendes gilt für die Rentenversicherung mit der Nr. LV 10199551. Die Beklagte hat, von dem Kläger unbestritten, vorgetragen, für diese Versicherung sei eine entsprechende Annahmeerklärung abgegeben worden.

Selbst wenn man davon ausginge, dass die Vertragsparteien vereinbart hätten, dass die gesetzlichen Erben bezugsberechtigt sein sollten, wäre der Fall nicht anders zu beurteilen. Denn tatsächlich gibt es vorliegend keine gesetzlichen Erben aufgrund der gewillkürten Erbfolge. Allerdings muss der Vertrag hier ausgelegt werden. Zu denken wäre an die Möglichkeit, dass die Parteien solche Personen als bezugsberechtigt angesehen haben, welche lediglich hypothetisch zur gesetzlichen Erbfolge berufen gewesen wären. Für ein solches Verständnis gibt es allerdings keine Anhaltspunkte. Die Versicherungsnehmerin hat in ihrer unverbindlichen Anfrage an die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass kein Bezugsrecht auf die Versicherungsleistung verfügt werden solle. Die Formulierung der Bezugsberechtigung für die gesetzlichen Erben hat offenbar erst die Beklagte ins Spiel gebracht. Deshalb liegt es nahe, den von der Beklagten behaupteten Vertragsbestandteil so auszulegen, dass die Parteien aus versicherungstechnischen Gründen einen Bezugsberechtigten benennen wollten, ohne dass von der allgemeinen Regel in § 13 Abs. 1 der Versicherungsbedingungen abgewichen werden sollte. Vor diesem Hintergrund lässt sich der verwandte Begriff der gesetzlichen Erben als von Rechts wegen zur Erbfolge berufene Personen auslegen, ohne dass es auf den Berufungsgrund ankäme. Gerade auch, weil dies Absprache von der Beklagten erstmals eingebracht worden sein soll, ergibt es aus Sicht des Versicherungsnehmers wenig Sinn, wenn dieser abweichend von der von ihm beabsichtigten Erbfolge unbenannten Dritten einen wesentlichen Vermögensbestandteil überlassen wollte. Es ist nicht anzunehmen, dass die Versicherungsnehmerin sich derartige Gedanken gemacht hat, wenn diese Absprache ohne weiteres Verhandeln von der Beklagten formuliert wurde.

Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 BGB.

Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Einen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB besteht nicht. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Beauftragung der klägerischen Rechtsanwälte in Verzug war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 59.344,78 € festgesetzt.

 

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