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Rentenversicherung – berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme – Anerkennung

 Sozialgericht Aachen

Az.: S 8 RA 42/04

Urteil vom 21.01.2005


Der Bescheid vom 26.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2004 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, die vom 27.06.1982 bis zum 31.08.1982 sowie vom 01.09.1983 bis zum 30.09.1983 als Anrechnungszeit bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen. Die Beklagte hat die Kosten der Klägerin zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung der Zeiten vom 27.06.1982 bis zum 31.08.1982 und vom 01.09.1983 bis zum 30.09.1983 als Anrechnungszeit und Berücksichtigung dieser Zeiten bei der Rentenberechnung.

Die Beklagte bewilligte der am 00.00.0000 geborenen Klägerin mit Bescheid vom 26.01.2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 790,92 EUR. Im Versicherungsverlauf erkannte sie die Zeit bis zum 26.06.1982 als Schulausbildung an, die Zeit vom 01.09.1982 bis zum 31.08.1983, in der die Klägerin ein freiwilliges soziales Jahr absolvierte, ist als Pflichtbeitragszeit berücksichtigt. Die Zeit ab 01.10.1983 berücksichtigt die Beklagte als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung. Nicht anerkannt war die Wartezeit vor dem freiwilligen sozialen Jahr (27.06.1982 bis 31.08.1982) sowie die Wartezeit nach Ende des freiwilligen sozialen Jahres bis zum Beginn des Hochschulstudiums (September 1983).

Im Widerspruchsverfahren meinte die Klägerin, die genannten Zeiten seien ähnlich der Rechtslage beim Wehr- bzw. Zivildienst als Zwischenzeiten anzuerkennen.

Mit Bescheid vom 10.08.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Da das freiwillige soziale Jahr keine Ausbildung sei, komme eine Anrechnung der Zwischenzeiten nicht in Betracht.

Hiergegen richtet sich die am 00.00.0000 erhobene Klage. Die Klägerin meint, die Rechtslage sei mit der Unterbrechung einer Berufsausbildung wegen Wehr- oder Zivildienst vergleichbar. Dies werde dadurch bestätigt, dass gemäß § 48 Abs. 4 Nr. 2b SGB VI aufgrund der Neuregelung durch Art. 1 Nr. 6 Buchstabe a des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 21.07.2004 seit dem 01.08.2004 auch bei der Prüfung eines Anspruchs auf Halb- oder Vollwaisenrente bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres Übergangszeiten von höchstens vier Kalendermonaten zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung eines freiwilligen Dienstes unschädlich seien. Hieraus ergebe sich die gesetzgeberische Wertung, derartige Zwischenzeiten rentenrechtlich anzuerkennen.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 26.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Zeiten vom 27.06.1982 bis 31.08.1982 sowie vom 01.09. bis zum 30.09.1983 als Anrechnungszeit anzuerkennen und bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie vermochte dem Argument der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht wesentliches entgegenzusetzen, hält aber eine Grundsatzentscheidung für erforderlich.

Das Gericht hat hinsichtlich des regelmäßigen Beginns eines freiwilligen sozialen Jahres eine Auskunft der Internationen Jugendgemeinschaftsdienste Landesverein Berlin e. V. eingeholt. Auf den Inhalt dieser Auskunft, die in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde, wird verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Die Klägerin hat Anspruch auf Anerkennung und Berücksichtigung der streitigen Zeiten.

Die Zeiten sind als Anrechnungszeiten anzuerkennen. Gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren. Allerdings handelt es sich bei den von der Klägerin geltend gemachten Zeiten nicht um Ausbildungszeiten im Sinne dieser Vorschrift. Wegen der Rechtsähnlichkeit mit den Schul- oder Semesterferien, die Anrechnungszeiten sind, hat das BSG den Anrechnungszeittatbestand der Ausbildung auch auf unvermeidbare ausbildungsfreie Übergangszeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten erstreckt (hierzu Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht – Niesei – § 58 Rdnr.: 72). Derartige Zwangspausen liegen auch vor, wenn die nachfolgende Ausbildung wegen der Einberufung zum Wehr- oder Zivildienst zum nächstmöglichen Termin nicht aufgenommen werden konnte. Daher sind Zeiten zwischen dem Ende der Schulausbildung und dem Beginn des Dienstes sowie zwischen dem Ende des Dienstes und dem frühstmöglichen Beginn der Fach- oder Hochschulausbildung bis zu vier Monaten Anrechnungszeiten (BSG SozR 2200, § 1259 Nr. 51; SozR 3 – 2600, § 58 Nr. 3; Kasseler Kommentar – Niesei – §58 Rdnr:73b).

Diese Grundsätze sind auch auf die von der Klägerin zurückgelegten Zwischenzeiten vor beziehungsweise nach dem freiwilligen sozialen Jahr anzuwenden. Zum einen ist die Interessenlage vergleichbar, denn es handelt sich um generell unvermeidbare Zwangspausen. Generell unvermeidbar ist eine Zwischenzeit, wenn die stattliche beziehungsweise gesellschaftliche Organisation einen zeitlich nahtlosen Übergang von vorneherein und für alle Ausbildungswilligen nicht zulässt (Kasseler Kommentar – Niesei – § 58 Rdnr.: 73a unter Hinweis auf BSG Urteil vom 30.06.1997 – 4 RA 73/96 -). Maßgebliches Kriterium ist, ob es sich um eine generelle oder lediglich um eine individuell – personenbezogene Pause handelt, mit anderen Worten: selbst gewählte Ferien sind keine rentenrechtliche Zeit.

Die Klägerin hat erklärt, dass es ihr nicht möglich war, die Zeit des freiwilligen sozialen Jahres so zu legen, dass sie entweder direkt an die Schule anschließt oder eine nahtlose Aufnahme des Hochschulstudiums möglich war. Vielmehr war der 1. September der vorgegebene Beginn. Dies wird durch die vom Gericht eingeholte Auskunft der Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste bestätigt. Die festgelegten Zeiten erklären sich plausibel daraus, dass das freiwillige soziale Jahr so gelegt wird, dass Überschneidungen mit dem Schulende beziehungsweise dem Studienstart vermieden werden.

Auch die von der Klägerin angeführte Vorschrift des § 48 Abs. 4 Nr. 2b SGB VI in der Fassung des RVNG vom 21.07.2004 stützt die Meinung der Klägerin. Nach dieser Vorschrift wird der Anspruch auf Halb- oder Vollwaisenrente bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres nicht berührt, wenn die Waise sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres befindet. Die in dieser Vorschrift vorgenommene Wertung des Gesetzgebers dahingehend, dass derartige Zwischenzeiten für einen Waisenrentenanspruch unschädlich sind ist verallgemeinerungsfähig und auf Zwischenzeiten im Sinne des § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI übertragbar, zumal auch bisher hinsichtlich der Zwischenzeiten bei Waisenrenten und der Zwischenzeiten bei Anrechnungszeiten eine parallele Wertung vorgenommen wurde (hierzu Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht – Niesei – § 58 Rdnr.: 73e m. w. N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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