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Reparierten Pkw nicht abgeholt, haftet der Unternehmer für Beschädigungen am Pkw?

Saarländisches Oberlandesgericht

Az.: 1 U 951/00-209

Verkündet am 29. Juni 2001

Vorinstanz: LG Saarbrücken – Az.: 14 O 147/95


In dem Rechtsstreit hat der 1. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2001 für R e c h t erkannt:

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 15. November 2000 verkündete Urteil des Landgerichts in Saarbrücken – 14 0 147/95 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Wert der durch diese Entscheidung begründeten Beschwer des Klägers und der Streitwert des Berufungsverfahrens werden auf jeweils 14.730,70 DM festgesetzt.

Tatbestand

(abgekürzt gemäß § 543 ZPO)

Der Kläger beauftragte die Beklagte am 4. März 1993, in seinen Pkw der Marke Daimler Benz 190 E zum Preis von 19.320,– DM einen Austauschmotor einzubauen. Am 1. Juni 1993 setzte die Beklagte den Kläger in Kenntnis, dass das Fahrzeug bereit stehe und gegen Barzahlung Rechnungsbetrages abgeholt werden könne. Die Beklagte forderte in Folgezeit den Kläger wiederholt, letztmals am 22. Februar 1994, den offenen Rechnungsbetrag zu entrichten und das Fahrzeug zur Vermeidung weiterer Standkosten zu übernehmen. Nach Zahlung der Reparaturkosten holte der Kläger sein Fahrzeug schließlich im Oktober 1994 vom Werkstattgelände der Beklagten ab. Wegen im Laufe der Standzeit vornehmlich an der Karosserie des Fahrzeugs eingetretener Beschädigungen verlangt der Kläger mit vorliegender Klage von der Beklagten Zahlung in Höhe von 14.730,70 DM. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemäß begründete Berufung des Klägers ist zulässig, bleibt aber aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung in der Sache ohne Erfolg.

Ansprüche des Klägers aus § 631 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen der Positiven Vertragsverletzung sowie § 823 Abs. 1 BGB sind nicht gegeben, weil dem Beklagten, der den Kläger nach Fertigstellung des Fahrzeuges durch das Schreiben vom 1. Juni 1993 in Annahmeverzug setzte (Soergel/Teichmann, BGB, 12. Aufl., § 644, Rn. 8), die Haftungserleichterung des § 300 Abs. 1 BGB zu Gute kommt.

Die der Bestimmung des § 300 Abs. 1 BGB zu entnehmende Haftungsminderung bezieht sich, wie Entstehungsgeschichte und Normzweck zu entnehmen ist, nur auf die Sorge für den Leistungsgegenstand. Die Haftung für die Verletzung sonstiger vertraglicher Haupt- oder Nebenpflichten bleibt hingegen in dem vom Vertrag oder hilfsweise Gesetz bestimmten Umfang bestehen (Soergel/Wiedemann, BGB, 12. Aufl., § 300 Rn. 8 n.w.N.; RGRK-Alff, BGB, 12. Aufl., § 300 Rn. 1; Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 300 Rn. 2). Die Bestimmung kommt also nur bei Untergang oder Beschädigung der geschuldeten Leistung zum Tragen (Münchener Kommentar-Thode, BGB, 3. Aufl., § 300 Rn. 2).

2. Leistungsgegenstand war hier nicht lediglich der Austauschmotor, sondern das zu reparierende Fahrzeug der Marke Daimler Benz 190 E. Für die Beschädigung der Werkleistung während der Dauer des Annahmeverzuges haftet die Beklagte nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 300 Abs. 1 BGB.

a) Bei natürlicher Betrachtungsweise stellt sich die von der Beklagten übernommene Verpflichtung als Reparatur des Pkw dar, verbunden mit der Lieferung der hierzu benötigten Ersatzteile einschließlich des Motors. Im Vordergrund dieses Vertrages steht nicht die Lieferung des Motors, sondern die Reparatur des Pkw, die nur mit erheblichem Montageaufwand unter Einsatz besonderer Fachkenntnisse und spezieller Werkzeuge möglich ist. Es handelt sich deshalb um einen auf das ganze Fahrzeug zu erstreckenden Werkvertrag (OLG Karlsruhe, NJW-RR 1992, 1014).

b) Während der Standzeit hat der Pkw des Klägers äußerliche Beschädigungen davongetragen. Da sich der Reparaturauftrag insgesamt auf den Pkw erstreckt, betreffen etwaige Versäumnisse der Beklagten den vom Werkvertrag erfassten Leistungsgegenstand. Darum ist die Haftungsmilderung des § 300 Abs. 1 BGB zu Gunsten der Beklagten anzuwenden.

aa) Der Beklagten ist, wie der Senat nicht verkennt, wegen einer Verletzung der Obhutspflicht über den Gegenstand der Werkleistung eine positive Vertragsverletzung anzulasten. Den Werkunternehmer trifft die vertragliche Nebenpflicht, mit dem Eigentum des Bestellers, das in seinen Gewahrsam gelangt oder seiner Einwirkung ausgesetzt ist, pfleglich umzugehen und es vor Schaden zu bewahren (BGH NJW-RR 1997, 342; NJW 1983, 113). Positive Vertragsverletzungen sind jedoch dem Anwendungsbereich des § 300 Abs. 1 BGB nicht schlechthin entzogen. Unanwendbar ist § 300 Abs. 1 BGB, falls die positive Vertragsverletzung nicht die Werkleistung, sondern andere, dem Einwirkungsbereich des Unternehmers zugängliche Rechtsgüter des Bestellers beeinträchtigt. Auch im Annahmeverzug des Bestellers hat der Unternehmer – wie jeder Dritte auch – ohne jede Milderung die Haftung für eine Verletzung sonstiger – nicht die Werkleistung bildender – Rechtsgüter des Bestellers zu tragen.

bb) Anders verhält es sich indes, wenn der Unternehmer im Annahmeverzug des Bestellers die Werkleistung selbst beeinträchtigt. Die Haftungsmilderung des § 300 Abs. 1 BGB will den Schuldner, der erwarten durfte, durch Abgabe des Leistungsgegenstandes von seiner Leistungspflicht frei zu werden, während des Gläubigerverzugs teilweise von der Sorge für den Leistungsgegenstand entbinden (Staudinger/Löwisch, BGB, 1995, § 300 Rn. 3). In dieser Konstellation ist allein der Leistungsgegenstand berührt. Handelt es sich danach um eine Verletzung von Maßnahmen zur Verwahrung und Pflege des Werkes, kann sich der wegen positiver Vertragsverletzung oder § 823 Abs. 1 BGB belangte Unternehmer auf die Vergünstigung des § 300 Abs. 1 BGB berufen (Staudinger/Peters, BGB, 2000, 644 Rn. 25; Jauernig/Schlechtriem, BGB, 9. Aufl., §§ 644, 645 Rn. 4). Eine leicht fahrlässige Beschädigung der geschuldeten Leistung, was keinesfalls strenger als der vollständige Untergang und damit Unmöglichkeit bewertet werden kann, hat der Unternehmer im Annahmeverzug des Bestellers nur nach Maßgabe des § 300 Abs. 1 BGB zu verantworten (Münchener Kommentar/Thode a.a.O., S 300 Rn. 2).

3. Die darlegungs und beweispflichtige Beklagte (Münchener Kommentar/Thode a.a.O., § 300 Rn. 300, Rn. 2; Soergel/Wiedemann a.a.O., § 300 Rn. 11) hat dargetan, dass ihr keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann. Der Pkw des Klägers befand sich nach Vollendung des Werks über über einen Zeitraum von 15 Monaten auf dem Gelände der Beklagten. Dabei versteht es sich von selbst, dass der Pkw des Klägers entsprechend den betrieblichen Notwendigkeiten der Beklagten abgestellt, bewegt und verwahrt wurde. Naturgemäß können bei einer derart langen Standdauer, denkt man nur einmal an das Abstellen eines Pkw auf einem öffentlichen Parkplatz, aus verschiedensten Gründen Beschädigungen verursacht werden, ohne dass der Schweregrad der groben Fahrlässigkeit erreicht ist.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, während die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO beruht.

 

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