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Restschuldbefreiungsversagung – Anforderungen an Forderungsverzeichnis

Bundesgerichtshof

Az: IX ZB 63/08

Beschluss vom 02.07.2009


Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Juli 2009 beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Landshut vom 29. Februar 2008 wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Schuldnerin S. R. beantragte im Jahr 2002 die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über ihr Vermögen und die Erteilung von Restschuldbefreiung. Sie legte gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO ein Verzeichnis ihrer Gläubiger und deren Forderungen vor. Eine Forderung des Gläubigers zu 1 war darin nicht aufgeführt. Nach Eröffnung des Verfahrens meldete der Gläubiger zu 1 als früherer Vermieter der Schuldnerin eine Forderung in Höhe von 2.932,82 EUR zuzüglich Zinsen und Kosten für die Ablösung einer Kücheneinrichtung und von Einbaumöbeln an, die zur Tabelle festgestellt wurde. In dem vom Insolvenzgericht gemäß § 312 Abs. 2 InsO (in der bis zum 30. Juni 2007 geltenden Fassung) angeordneten schriftlichen Verfahren beantragten die Gläubiger zu 1 und 2 die Versagung der Restschuldbefreiung, u.a. weil die Schuldnerin das Gläubigerverzeichnis unvollständig ausgefüllt habe. Die Schuldnerin trat dem mit der Behauptung entgegen, der Gläubiger zu 1 habe keine Forderung gegen sie. Die ursprünglich vereinbarte Ablösesumme von 15.000 DM sei zu hoch, weil sich herausgestellt habe, dass die Möbel viel älter gewesen seien als vom Gläubiger zu 1 angegeben. Sie habe an ihn bereits mehr bezahlt, als ihm zustehe. Amts- und Landgericht haben der Schuldnerin die Restschuldbefreiung versagt. Dagegen richtet sich ihre Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin ist statthaft (§§ 7, 6 Abs. 1, § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht begründet.

1.

Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Restschuldbefreiung sei zu versagen, weil die Schuldnerin in dem nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO vorzulegenden Verzeichnis ihrer Gläubiger und deren Forderungen zumindest grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht habe, indem sie die Forderung des Gläubigers zu 1 nicht angegeben habe (§ 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO).

2.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand.

a)

Die Angaben der Schuldnerin in dem Gläubiger- und Forderungsverzeichnis, das sie als Verbraucherin gemäß § 304 Abs. 1 Satz 1, § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO vorzulegen hatte, waren bezüglich des Gläubigers zu 1 unvollständig.

aa)

Die Frage, ob in einem solchen Verzeichnis auch Gläubiger aufzuführen sind, deren Forderungen nach Ansicht des Schuldners nicht berechtigt sind, wird allerdings von den Instanzgerichten und im Schrifttum unterschiedlich beantwortet und ist höchstrichterlich noch nicht entschieden (offen gelassen in BGH, Beschl. v. 12. Juni 2008 – IX ZB 205/07, ZInsO 2008, 860, 861 Rn. 9). Während nach wohl herrschender Auffassung auch Gläubiger mit bestrittenen Forderungen im Verzeichnis aufgeführt werden müssen (LG Kassel ZInsO 2002, 1147, 1148 ; AG Hamburg, Beschl. v. 20. Dezember 2005 – 68c IK 187/04, […];MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, 2. Aufl. § 305 Rn. 44; HmbKomm-InsO/Streck, 3. Aufl. § 305 Rn. 24; Graf-Schlicker/Sabel, InsO § 305 Rn. 27; Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz 3. Aufl. Rn. 846; Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht Rn. 915), halten andere dies lediglich für ratsam (HK-InsO/Landfermann, 5. Aufl. § 305 Rn. 38; Uhlenbruck/Vallender, InsO 12. Aufl. § 305 Rn. 101; Goetsch/Fluck in Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO § 305 Rn. 38; Sinz/Wegener/Hefermehl, Verbraucherinsolvenz und Insolvenz von Kleinunternehmern Rn. 90 f; Prziklang, Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung S. 27) oder gar für ganz entbehrlich (FK-InsO/Grote, 5. Aufl. § 305 Rn. 24b).

bb)

Die zuerst genannte Ansicht trifft zu. Auch Gläubiger mit vom Schuldner bestrittenen Forderungen müssen im Verzeichnis nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO aufgeführt werden.

(1)

Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes, wonach die gegen den Schuldner gerichteten Forderungen zu verzeichnen sind. Gegen den Schuldner gerichtet sind alle Forderungen, die von Gläubigern geltend gemacht werden, auch wenn sie vom Schuldner bestritten sind.

(2)

Auch der Zweck der Vorschrift spricht für dieses Verständnis. Die im Verbraucherinsolvenzverfahren bestehende Pflicht des Schuldners, Verzeichnisse seines Vermögens und Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorzulegen, dient der Entlastung des Gerichts und der Information der Gläubiger über die Grundlagen der geplanten Schuldenbereinigung (BGH, Beschl. v. 17. März 2005 – IX ZB 260/03, NZI 2005, 461). Dieser Zweck wird nur erfüllt, wenn der Schuldner auch Gläubiger mit streitigen Forderungen benennt.

Im Übrigen ergäbe sich, wollte man den Schuldner für berechtigt ansehen, Forderungen, die er bestreitet, nicht in das vorzulegende Verzeichnis aufzunehmen, ein Wertungswiderspruch zu der gefestigten Rechtsprechung, wonach es nicht der Beurteilung des Schuldners unterliegen darf, Angaben zu unterlassen, weil sie vermeintlich „für die Gläubiger uninteressant“ sind (BGH, Beschl. v. 23. Juli 2004 – IX ZB 174/03, NZI 2004, 633, 634; v. 17. März 2005, aaO).

(3)

Dem Schuldner wird mit der Verpflichtung, auch streitige Forderungen anzugeben, nichts Unzumutbares abverlangt. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde rechtfertigt die Formulierung des Gesetzes nicht die Annahme des Schuldners, er anerkenne den Bestand einer Forderung, wenn er sie in das Verzeichnis aufnehme. Eine solche Wirkung ist mit der Aufnahme der Forderung in das Verzeichnis nicht verbunden. Der Schuldner muss allerdings im Verzeichnis deutlich machen, dass er die Forderung bestreitet. Dies ist schon deshalb notwendig, weil er sonst möglicherweise das Bestehen einer nicht begründeten Forderung vorspiegelt, was ebenfalls zur Versagung der Restschuldbefreiung wegen eines unrichtigen Verzeichnisses führen kann. Im Schuldenbereinigungsplan kann der Schuldner die von ihm bestrittene Forderung mit dem Wert „Null“ berücksichtigen (vgl. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses BT-Drucks. 12/7302 S. 191). Wird der Schuldenbereinigungsplan nicht angenommen und das Insolvenzverfahren eröffnet, kann der Treuhänder der Feststellung der Forderung zur Tabelle widersprechen. Wird die Forderung zur Tabelle festgestellt, kann der Schuldner nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens – falls es nicht ohnehin zur Restschuldbefreiung kommt -seine Rechte weiterhin geltend machen, wenn er die Forderung zuvor bestritten hat, weil der Gläubiger dann aus der Tabelleneintragung nicht vollstrecken kann (§ 201 Abs. 2 Satz 1 InsO). Erwächst dem Schuldner somit aus der Angabe des Gläubigers einer bestrittenen Forderung kein rechtlich erheblicher Nachteil, bestünde auf der anderen Seite für den Gläubiger die Gefahr, von dem Insolvenzverfahren keine Kenntnis zu erlangen und seine Forderung im Falle der Erteilung der Restschuldbefreiung zu verlieren, wenn diese vom Schuldner verschwiegen wird. Die Auffassung, dass auch Gläubiger mit bestrittenen Forderungen im Verzeichnis nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO angegeben werden müssen, verdient daher den Vorzug.

b)

Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Beschwerdegericht das Verhalten der Schuldnerin als grob fahrlässig beurteilt hat.

aa)

Die Rechtsprechung versteht unter grober Fahrlässigkeit ein Handeln, bei dem die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wurde, wenn ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben wurden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte. Bei der groben Fahrlässigkeit handelt es sich um eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung (BGH, Beschl. v. 19. März 2009 – IX ZB 212/08, WM 2009, 857, 858 Rn. 7 m.w.N.). Die Feststellung dieser Voraussetzungen ist Sache des Tatrichters. Der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht unterliegt nur, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (BGH, Beschl. v. 19. März 2009 aaO).

bb)

Ein Rechtsfehler der beschriebenen Art ist dem Beschwerdegericht nicht unterlaufen. Allerdings spricht zunächst einiges dafür, dass die fehlerhafte Beantwortung einer Rechtsfrage, die in Fachkreisen unterschiedlich behandelt wird, durch einen Laien kaum grob fahrlässig sein kann. Indes hat das Beschwerdegericht, ausgehend von dem in der Rechtsprechung anerkannten Begriff der groben Fahrlässigkeit, mit Recht entscheidend auf den Wortlaut der Fragestellungen in dem von der Schuldnerin verwendeten amtlichen Formular eines Gläubiger- und Forderungsverzeichnisses abgestellt. Dort ist nicht nur in der Überschrift der Wortlaut des Gesetzes (Verzeichnis der Gläubiger und Verzeichnis der gegen den Schuldner gerichteten Forderungen) wiedergegeben, sondern in der Rubrik „Forderungsgrund“ ausdrücklich angefügt, dass hier „gegebenenfalls Angaben zum Bestand und zur Berechtigung der Forderung“ zu machen sind. Die Würdigung des Beschwerdegerichts, bei der gebotenen sorgfältigen Durcharbeitung der Formulare habe sich der Schuldnerin deshalb die Einsicht aufdrängen müssen, dass auch die von ihr bestrittene Forderung des Gläubigers zu 1 einzutragen war, ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kann sich die Schuldnerin nicht auf einen nachvollziehbaren Rechtsirrtum berufen, der selbst im Falle der Vermeidbarkeit nur den Vorwurf der einfachen, nicht aber der groben Fahrlässigkeit rechtfertigen würde. Ist die gesetzliche Auskunftspflicht durch eine Erläuterung in dem zu verwendenden amtlichen Formular in einer Weise konkretisiert, die auch bei einem mit insolvenzrechtlichen Begriffen nicht näher vertrauten Schuldner keine Unklarheit über die von ihm zu machenden Angaben aufkommen lassen kann, kann dieser nicht geltend machen, er habe das Gesetz anders verstanden (vgl. BGH, Beschl. v. 19. März 2009 aaO Rn. 9).

c)

Die Versagung der Restschuldbefreiung ist unter den gegebenen Umständen auch nicht unverhältnismäßig. Zwar darf bei ganz unwesentlichen Verstößen die Restschuldbefreiung nicht versagt werden (BGH, Beschl. v. 9. Dezember 2004 – IX ZB 132/04, NZI 2005, 233, 234 m.w.N.). Das Verschweigen des Gläubigers zu 1 war jedoch kein ganz unwesentlicher Verstoß. Nach dem Schlussverzeichnis des Treuhänders gab es insgesamt nur elf Gläubiger. Die verschwiegene Forderung belief sich einschließlich Zinsen und Kosten auf annähernd 4.000 EUR und war bei angemeldeten Forderungen in Höhe von insgesamt rund 143.000 EUR auch der Höhe nach nicht unerheblich.

d)

Die unvollständigen Angaben der Schuldnerin waren ihrer Art nach geeignet, die Befriedigung der Insolvenzgläubiger zu gefährden. Dass es unter den konkreten Umständen zu keiner Gläubigerbenachteiligung gekommen ist, weil der Gläubiger zu 1 anderweitig vom Insolvenzverfahren erfahren und seine Forderung angemeldet hat, ist unerheblich. Denn die Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO setzt eine die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigende Wirkung der falschen oder unvollständigen Angaben grundsätzlich nicht voraus (BGH, Beschl. v. 23. Juli 2004 aaO).

3.

Ob die Voraussetzungen weiterer Versagungsgründe vorlagen, durfte das Beschwerdegericht unter diesen Umständen offen lassen.

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