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Restschuldversicherung – Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung keine Krankentagegeldversicherung

Oberlandesgericht Karlsruhe

Az.: 12 U 381/04

Urteil vom 16.06.2005

Vorinstanz: Landgericht Mannheim, Az.: 2 O 114/04


Leitsatz:

Eine im Rahmen einer Restschuldversicherung abgeschlossene Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung ist keine weitere Versicherung mit „Anspruch auf Krankentagegeld“ im Sinne von § 9 Nr. 6 MBKT.


In dem Rechtsstreit wegen Feststellung und Forderung hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 16.06.2005 für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird unter deren Zurückweisung im Übrigen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 21.10.2004 – 2 O 114/04 im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt abgeändert:

Unter Klagabweisung im Übrigen wird festgestellt, dass die Krankentagegeldversicherung Nr. 336-30416309 des Klägers bei der Beklagten weiter besteht und nicht durch die Kündigung vom 9.2.2004 erloschen ist.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger ¾ und die Beklagte 1/4.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen

Gründe:

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

I. (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO)

Der Kläger begehrt die Feststellung des Fortbestandes eines mit der Beklagten geschlossenen Krankentagegeldversicherungsvertrags sowie Leistungen aus dieser Krankentagegeldversicherung für den Zeitraum vom 10.2.2004 bis zum 10.5.1004.

§ 13 Abs.7 der vereinbarten Versicherungsbedingungen für die Tagegeldversicherung (RB/KT 94) bestimmt unter der Überschrift „Obliegenheiten“:

„Der Neuabschluß einer weiteren oder die Erhöhung einer anderweitig bestehenden Versicherung mit Anspruch auf Krankentagegeld darf nur mit Einwilligung des Versicherers vorgenommen werden.“

Im Juni 2002 schloss der Kläger im Zusammenhang mit Darlehensaufnahmen bei einem anderen Versicherer zwei Restschuldlebensversicherungen ab, die eine Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung mitumfassten. Er unterließ, die Beklagte hiervon zu informieren oder deren Zustimmung einzuholen. Zu diesem Zeitpunkt bezog er seit Herbst 1999 Krankentagegeld von der Beklagten in Höhe von monatlich € 3.390,–.

In den Allgemeinen Bedingungen für die Restschuldlebensversicherung wird u.a. bestimmt:

§1

„Wesen und Zweck der RSV 1. Die RSV ist eine Todesfallversicherung mit Einschluss einer Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung…“.

§2

„Was ist versichert…? 1. Versichert ist während der Versicherungsdauer eine einmalige Kapitalleistung bei Tod (=Versicherungssumme) und eine gleich bleibende monatliche Rentenleistung bei Bestehen einer vollständigen oder teilweisen Arbeitsunfähigkeit…“.

§4

„vollständige bzw.teilweise AU, die ärztlich nachzuweisen ist, liegt vor, wenn die versicherte Person während der Versicherungsdauer ganz bzw. teilweise in Folge von Krankheit oder Körperverletzung außerstande ist, ihre bisherige oder eine andere Erwerbstätigkeit auszuüben, die sie aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausüben könnte und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht“.

Bis einschließlich 9.2.2004 leistete die Beklagte Krankentagegeldzahlungen in vertraglich vereinbarter Höhe von kalendertäglich € 113,– an den Kläger. Mit Schreiben vom 9.2.2004 kündigte die Beklagte den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag unter Berufung darauf, dass der Kläger weitere Versicherungen mit Anspruch auf Krankentagegeld bei anderen Versicherungsunternehmen ohne Zustimmung der Beklagten abgeschlossen habe.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Krankentagegeldversicherung Nr. 336-30416309 des Klägers bei der Beklagten weiter besteht und nicht durch die Kündigung vom 9.2.2004 erloschen ist.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 9.944,– nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagzustellung zu bezahlen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte sei in Folge einer Obliegenheitsverletzung des Klägers zur Kündigung des Versicherungsvertrages berechtigt gewesen und müsse schon deshalb für die Zeit nach der Kündigung keine Versicherungsleistungen mehr erbringen. Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochten Urteils wird Bezug genommen.

Im Berufungsrechtszug verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter. Die Parteien streiten in der Sache weiter darüber, ob dem Kläger eine Obliegenheitsverletzung vorzuwerfen ist. Ferner ist streitig, ob im betreffenden Zeitraum eine bedingungsgemäße Arbeitsunfähigkeit des Klägers vorlag. Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

II. (§ 540 Abs. 1 Nr.2 ZPO)

A.

Die Klage ist insoweit begründet, als der Kläger die Feststellung des Fortbestandes seiner Krankentagegeldversicherung begehrt. Entgegen der Auffassung des Landgericht fällt dem Kläger durch den Abschluss der Restschuldversicherungen mit eingeschlossener Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung keine Obliegenheitsverletzung zur Last. Die Kündigung der Beklagten vom 09.02.2004 erweist sich somit als unberechtigt.

§ 13 Nr. 7 RB/KT 94 (= § 9 Nr. 6 MBKT) verbietet dem Versicherungsnehmer, ohne Einwilligung des Versicherers eine weitere Versicherung mit „Anspruch auf Krankentagegeld“ abzuschließen. Diese Bestimmung ist – wie allgemeine Versicherungsbedingungen regelmäßig – so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei vollständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und in Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs sie verstehen muss. Es kommt dabei auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnis und damit – auch – auf seine Interessen an (Senat Urteil vom 12.04.2005 – 12 U 251/04 – und ständig; BGH VersR 1993, 957; VersR 2002, 1503). Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird bei dem Abschluss einer weiteren Versicherung in erster Linie darauf achten, ob diese ihm für den Versicherungsfall ein Krankentagegeld verspricht.

Ob er erkennen kann, dass eine Restschuldversicherung, die in Form einer Krankentagegeldversicherung abgeschlossen wird, trotz ihrer Anlassbezogenheit und zeitlichen Begrenzung auf den Tilgungszeitraum dem Verbot des § 13 Nr. 7 RB/KT 94 unterfallen soll (siehe dazu Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., MBKK 94 § 9 Rdn. 8), bedarf hier keiner Klärung. Die beiden vom Kläger abgeschlossenen Restverschuldversicherungen versprechen schon kein Tagegeld, sondern monatliche Leistungen. Bereits aus diesem Grund wird der Versicherungsnehmer kaum mit der hinreichenden Deutlichkeit erkennen können, dass sich § 13 Nr. 7 RB/KT 94 auch hierauf beziehen will.

Bei einem Vergleich der Versicherungsbedingungen wird sich ihm zudem erschließen, dass in beiden Versicherungen unterschiedliche Risiken abgesichert sind. Die bei der Beklagten genommene Krankentagegeldversicherung und somit auch die in § 13 Nr. 7 RB/KT 94 erwähnten weiteren oder erhöhten Versicherungen setzen bereits dem Wortlaut nach einen anderen Versicherungsfall voraus als die Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung (siehe auch OLG Hamm NJW-RR 1989, 492). Versicherungsfall der Krankentagegeldversicherung ist nach § 1 Nr.2 RB/KT (=§ 1 Nr.2 MBKT) eine medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, wobei der Versicherungsschutz nach § 8 Nr. 2 RB/KT mit Eintritt der Berufsunfähigkeit endet. § 1 Nr. 3 RB/KT grenzt dabei die Arbeitsunfähigkeit auf die vorübergehende Unfähigkeit zur Ausübung der beruflichen Tätigkeit ein. In der Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung ist Versicherungsfall die auf Krankheit oder Körperverletzung beruhende Unfähigkeit, die bisherige Tätigkeit oder eine Verweisungstätigkeit auszuüben.

Damit wird zum einen eine Heilbehandlung nicht vorausgesetzt und zudem der Versicherungsschutz auch auf die Fälle der Berufsunfähigkeit erstreckt. Andererseits kann der Versicherte auf andere Tätigkeiten verwiesen werden.

Anders als bei einer Tagegeldversicherung im Rahmen einer Unfallversicherung (vgl. Bruck/Möller/Wriede, VVG, 8.Aufl., Bd. VI2, F50; Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 3. Aufl., MB/KT §§ 9,10 Rdn. 30f u. MBKK §§ 9,10 Rdn. 77ff) fehlt es hier somit objektiv und auch aus der Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers an der Identität von Voraussetzungen und Leistungen. § 13 Nr. 7 RB/KT 94 zu Lasten des Versicherungsnehmers ausdehnend über seinen Wortlaut hinaus dahingehend auszulegen, dass auch derartige Versicherungen der Einwilligung des Versicherers bedürfen, verbietet sich. Der Umstand, dass das subjektive Risiko in der Krankentagegeldversicherung auch durch eine Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung erhöht werden kann, reicht nicht aus, solange der Versicherer dem Versicherungsnehmer nicht eine entsprechende Obliegenheit durch Aufnahme in seine Bedingungen ausdrücklich auferlegt.

B.

Dagegen ist dem Leistungsantrag kein Erfolg beschieden. Der Kläger hat nicht dargetan, dass im Zeitraum vom 10.02.2004 bis 10.05.2004 die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Krankentagegeld vorgelegen haben.

Bedingungsgemäße Arbeitsunfähigkeit liegt nur dann vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann. Dies bedeutet, dass Arbeitsunfähigkeit bereits dann nicht vorliegt und ein Anspruch auf das vereinbarte Krankentagegeld nicht besteht, wenn die versicherte Person auch nur eingeschränkt zu einer Tätigkeit in ihrem Beruf imstande ist. Vollständige Arbeitsunfähigkeit muss während des gesamten Zeitraums vorliegen, für den ein Krankentagegeld beansprucht wird (BGH VersR 1993, 297). Somit kommt es darauf an, ob die versicherte Person in der Lage ist, einzelne in ihren Beruf fallende Tätigkeiten zu verrichten. Arbeitsunfähigkeit liegt demgemäß nur dann vor, wenn die gesamten zum konkreten Berufsbild zählenden Tätigkeiten auch nicht zeitweise ausgeübt werden können (Senat NVersZ 2000, 133 = VersR 2000, 1007; Senat ZfSch 2003, 199 = OLGR 2003, 135).

Der Kläger hat trotz Bestreiten der Beklagten und gerichtlichem Hinweis mit Fristsetzung zur Vervollständigung seines Vorbringens weder im ersten Rechtszug noch in der Berufungsbegründung dargelegt hat, dass er nach medizinischem Befund seine berufliche Tätigkeit vorübergehend in keiner Weise ausüben konnte, sie auch nicht ausübte und auch keiner anderen Erwerbstätigkeit nachging. Insofern ist die Klage unschlüssig.

III.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 92, 97 ZPO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

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