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Restschuldverzicht – Verhandlungen, Beweislage und Voraussetzungen

 OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

Az.: 23 U 82/03

Verkündet am 25.02.2004

Vorinstanz: LG Hanau – Az.: 7 O 1469/01


In dem Rechtsstreit hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.1.2004 für R e c h t erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 4.2.2003 verkündete Urteil des Landgerichts Hanau abgeändert:

Das Versäumnisurteil des Landgerichts Hanau vom 27.6.2002 bleibt aufrecht erhalten.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung einer Darlehensrestforderung in Anspruch.

Der Beklagte unterhielt bei der Klägerin verschiedene Kontoverbindungen, insbesondere Girokonten und zwei Darlehen über 239.000,- DM und über 400.000,- DM. Nachdem in der Folgezeit beide Darlehen nicht mehr ordnungsgemäß bedient worden waren, kündigte die Klägerin unter dem 14.7.2000 beide Darlehen.

Mit Schreiben vom 24. 8.2000 (Bl. 21 d.A.) meldete sich die …bank O1 bei der Klägerin. Sie erklärte, dass sie vom Beklagten beauftragt sei, die Forderungen der Klägerin abzulösen, und bat um Bekanntgabe der Höhe der Verbindlichkeiten und hierfür bestehender Sicherheiten. Nachdem ihr die gewünschte Auskunft erteilt worden war, teilte die …bank O1 mit Schreiben vom 19.3.2001 (Bl. 86 d.A.) mit, zur Ablösung der bestehenden Verbindlichkeiten einen Zahlungsauftrag des Beklagten über 620.000,-DM vorliegen zu haben. Die Zahlung wurde seitens der …bank O1 von der Abtretung einer zugunsten der Klägerin auf dem Grundstück des Beklagten eingetragenen Grundschuld über 639.000,– DM abhängig gemacht. Auf das mit Schreiben vom 21.3.2001 (Bl. 87 d.A.) erklärte Einverständnis der Klägerin hin überwies die …bank O1 an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 620.000,– DM; Zug um Zug trat die Klägerin die zu ihren Gunsten eingetragene Grundschuld über 639.000,- DM an die …bank O1 ab. Die Klägerin informierte den Beklagten mit Schreiben vom 10.4.2001 (Bl. 23 d.A.) über die erfolgte Verrechnung der 620.000,- DM mit den bestehenden Verbindlichkeiten; mit dem Bemerken, der überwiesene Betrag habe jedoch nicht ausgereicht, die Verbindlichkeiten gänzlich zurückzuführen, forderte sie den Beklagten zugleich zur Unterbreitung eines entsprechenden Rückzahlungsvorschlags auf.

Durch Versäumnisurteil des Landgerichts vom 27.6.2002 (Bl. 55 d.A.), dem Beklagten zugestellt am 16.7.2002, wurde der Beklagte zur Zahlung von

11.648,13 EUR verurteilt; hiergegen hat der Beklagte am 26.7.2002 schriftlich Einspruch eingelegt.

Die Klägerin hat behauptet, mit der Zahlung der 620.000,- DM seien die Verbindlichkeiten des Beklagten nicht völlig beglichen worden, vielmehr stehe noch ein Betrag i.H.v. 11.648,13 EUR (22.781,76 DM) offen.

Die Klägerin hat beantragt, das Versäumnisurteil vom 27.6.2002 aufrecht zu erhalten.

Der Beklagte hat beantragt, unter Aufhebung des Versäumnisurteils die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, anlässlich eines Gesprächstermins im März 2001 sei zwischen ihm und der Klägerin vereinbart worden, dass mit der Zahlung von 620.000,–DM seine sämtlichen Verbindlichkeiten bei der Klägerin abgegolten seien.

Hierauf erwidernd hat die Klägerin behauptet, sie habe bei diesem Gespräch vielmehr dem Beklagten deutlich gemacht, dass noch über die Restforderung zu verhandeln sei (Gesprächsnotiz der Klägerin vom 12.3.2001, Bl. 75 d.A.).

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin … Z1, des Zeugen … Z2 sowie der Zeugin … Z3, Ehefrau des Beklagten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschriften vom 28.10.2002 (Bl. 92 ff. d.A.) und vom 4.2.2003 (Bl.114ff. d.A.).

Mit Urteil vom 4.2.2003 hat das Landgericht das Versäumnisurteil vom 27.6.2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Beklagte habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seine Schulden gegenüber der Klägerin vollständig beglichen. Die Aussage des Zeugen Z2 – Mitarbeiter der Rechtsabteilung der Klägerin -, wonach eine vollständige Begleichung durch die Zahlung von 620.000,- DM nicht erfolgt und auch nicht vereinbart worden sei, stehe im völligen Gegensatz zur Aussage der Zeugin Z1 – Mitarbeiterin der …bank O1 -, die vom Gegenteil ausgehe. Dagegen habe die Zeugin Z3 mit wünschenswerter Deutlichkeit dargelegt, dass es mit der durch die …bank O1 kreditierten Zahlung von 620.000,- DM sein Bewenden haben sollte. Diese Aussage werde durch andere unstreitige Indizien gestützt, so durch die Formulierungen in den Schreiben der …bank O1 an die Klägerin vom 24.8.2002 (Bl. 21 d.A.) -„Ihre Forderungen abzulösen“ – und vom 19.3.2001 (Bl. 86 d.A.)-“ zur Ablösung der bei Ihnen bestehenden Verbindlichkeiten“. Bei Würdigung des weiteren Verhaltens der Klägerin sei mit Blick auf die Annahme der 620.000,- DM davon auszugehen, dass damit sämtliche Verbindlichkeiten des Beklagten getilgt gewesen sein sollten. Die Abtretung der Grundschuld über639.000,– DM an die …bank O1 ließe sich vernünftiger Weise nur so erklären, dass die Klägerin keinerlei weitere Sicherheiten gegenüber dem Beklagten benötigte.

Das Urteil wurde der Klägerin am 11. 3.2003 zugestellt. Sie hat gegen das Urteil am 11.4.2003 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 10.6.2003 verlängerten Frist begründet.

Mit der Berufung greift die Klägerin das Urteil des Landgerichts vollumfänglich an. Die Klägerin meint, der Beklagte habe erst nach der Vernehmung der Zeugen Z1 und Z2 seinen Vortrag unter erstmaliger Benennung seiner Ehefrau als Zeugin dahin geändert, dass die Klägerin bereits im März 2001 im Rahmen des persönlichen Gesprächs auf die Restforderung verzichtet hätte. Die Bekundungen der Zeugin Z3 seien nicht glaubhaft, die Zeugin auch nicht glaubwürdig. Die Zeugin Z1 habe den Restschuldverzicht nicht bestätigen können. Es liege wegen der widerstreitenden Zeugenaussagen ein non liquet vor, welches zu Lasten des beweispflichtigen Beklagten wirke. Bei ab Mai 2001 von der Klägerin – bereits erstinstanzlich unstreitig – registrierten Zahlungseingängen in Höhe von monatlich 1.060,- EUR habe es sich offensichtlich um Zahlungen des Beklagten auf die Restschuld gehandelt.

Das Gericht habe im Rahmen der Beweiswürdigung die Aktennotiz der Klägerin vom 12.3.2001 und das Aufforderungsschreiben der Klägerin vom 10.4.2001 nicht berücksichtigt; bei tatsächlich erfolgtem Verzicht hätte für die Klägerin im April 2001 kein Anlass mehr bestanden, den Beklagten zur Unterbreitung von Rückzahlungsvorschlägen aufzufordern. Das Gericht habe, so die Klägerin, unter Berücksichtigung

des Umstands, dass Kreditinstitute sämtliche Vereinbarungen mit Kunden schriftlich fixierten, es zu Lasten des Beklagten werten müssen, dass eine schriftliche Fixierung des behaupteten Restschuldverzichts vom Beklagten nicht vorgelegt worden sei und auch nicht existiere.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, das Urteil sei bereits deshalb anfechtbar, weil eine rechtliche Begründung fehle, insbesondere nicht ausgeführt werde, ob ein Teilverzicht oder ein Vergleich vorliegen solle, und ob dieser gegenüber der …bank O1 oder dem Beklagten erklärt worden sein solle.

Da der Betrag in Höhe von 620.000,- DM 96,86 % der ursprünglichen Verbindlichkeiten des Beklagten per 07.08.2000 entsprochen habe, habe für die Klägerin keinerlei Anlass bestanden, wegen der verbleibenden 3,14 % die Grundschuld als Sicherheit einzubehalten.

Die Klägerin beantragt, das am 4.2.2003 verkündete Urteil des Landgerichts Hanau – 7 O 1469/01 -aufzuheben und das Versäumnisurteil vom 27.6.2002 aufrecht zu erhalten.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die Nachbenennung seiner Ehefrau als Zeugin sei deswegen erfolgt, weil ihm erst auf den Hinweis des Zeugen Z2, dass die Ehefrau bei dem Gespräch ebenfalls anwesend war, dieser Umstand wieder erinnerlich geworden sei.

Bei den Zahlungseingängen ab Mai 2001 in Höhe von monatlich 1060,- DM habe es sich um Zahlungen von Mietern des Beklagten gehandelt, die irrtümlich und ohne Wissen des Beklagten Monatsmieten weiter auf das nicht mehr existierende Girokonto des Beklagten bei der Klägerin einzahlten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Es liegt ein Berufungsgrund nach § 513 ZPO in Form einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO vor. Das Landgericht hat zu Unrecht das Versäumnisurteil vom 27.06.2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Zahlungsanspruch gemäß § 607 BGB aus den diversen Kreditverbindlichkeiten zu, da der Beklagte seine Schulden gegenüber der Klägerin mangels Restschuldverzichts noch nicht vollständig beglichen hat.

Denn entgegen der Auffassung des Landgerichts ist mit der durchgeführten Beweisaufnahme die Vereinbarung des vom Beklagten behaupteten Restschuldverzichts zwischen den Parteien nicht nachgewiesen. Das insoweit bestehende Nachweisdefizit wirkt zu Lasten des Beklagten.

Die Beweislast für den Abschluss des Teilerlassvertrages trägt der Schuldner, hier der sich auf den Restschuldverzicht berufende Beklagte, weil nach den allgemeinen Regeln zur Verteilung der Beweislast derjenige, der aus einer geltend gemachten Norm eine für ihn günstige Rechtsfolge herleiten will, grundsätzlich auch die Voraussetzungen dieser Norm zu beweisen hat.

Der vom Beklagten behauptete Restschuldverzicht durch die Klägerin wäre vertragstypisch einzuordnen als Teilerlassvertrag gemäß § 397 BGB. In Abgrenzung hiervon kommt ein Vergleich gemäß § 779 BGB als ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird, schon deshalb nicht in Betracht, weil zum Zeitpunkt der behaupteten Einigung weder Streit noch Ungewissheit über die Restforderung bestanden.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist ein die Berufung begründender Verfahrens -mangel i.S.d. §§ 546, 313 Abs. 3 ZPO nicht darin zu erblicken, dass das den Restschuldverzicht bejahende Landgericht im Rahmen seiner rechtlichen Begründung nicht ausgeführt hat, ob es insoweit von einem Teilerlassvertrag oder einem Vergleich ausgeht. Gemäß § 313 Abs. 3 ZPO enthalten die Entscheidungsgründe eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht. Auch wenn die Gründe nachvollziehbar sein und eine Überprüfung der Entscheidung durch die höhere Instanz ermöglichen müssen, ist es nicht nötig, dass im Urteil die in Frage kommenden Rechtsgrundlagen erschöpfend genannt werden; wichtiger ist eine klare, schlichte, auch für den Nichtjuristen verständliche Begründung (Zöller-Vollkommer, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 313 Rdnr. 19). Vorliegend kommt es für die Ausgangsentscheidung deshalb weniger auf die juristisch korrekte Benennung des bejahten Restschuldverzichts durch das Landgericht – Teilerlassvertrag gemäß § 397 BGB oder Vergleich gemäß § 779 BGB – an als auf den beiden Vertragstypen gemeinsamen Umstand des partiellen Forderungsverzichts.

Gemäß § 397 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn der Gläubiger dem Schuldner durch Vertrag die Schuld erlässt.

Voraussetzung ist der rechtsgeschäftliche Wille, auf die Forderung zu verzichten. An die Feststellung eines solchen Willens sind strenge Anforderungen zu stellen. Es ist ein Erfahrungssatz, dass ein Erlass nicht zu vermuten und im Zweifel eng auszulegen ist (BGH NJW1984, 1346; 1996, 588; st. Rspr.). Auch bei scheinbar eindeutigen Erklärungen darf ein Erlass erst angenommen werden, wenn sämtliche relevanten Begleitumstände berücksichtigt worden sind (BGH NJW2002, 1044; Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Aufl. 2004, § 397 Rdnr. 4).

Das Landgericht hat auf das Vorliegen eines Teilerlassvertrages im Rahmen der Würdigung der Zeugenaussagen aus einer Reihe von Indizien geschlossen. Hiergegen wendet sich die Berufung mit ihrer Verfahrensrüge aus § 286 Abs. 1 ZPO mit Erfolg.

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Das erstinstanzliche Gericht ist zwar grundsätzlich darin frei, welche Beweiskraft es den Indizien im einzelnen und in einer Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst. Seine Würdigung ist in der Berufungsinstanz jedoch darauf zu überprüfen, ob es alle Umstände vollständig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat. Ein solcher Verstoß liegt u.a. dann vor, wenn das erstinstanzliche Gericht Indiztatsachen, die sich zwanglos mit dem gegensätzlichen Vortrag beider Parteien vereinbaren lassen, nur als mit dem Vortrag einer Partei für vereinbar hält, also ihre Ambivalenz nicht erkennt oder ihnen Indizwirkung zuerkennt, die sie nicht haben können (BGH NJW1991, 1894 [1895]). Die Ambivalenz der einzelnen Indizien bedeutet allerdings nicht, dass sie für die Beweiswürdigung ohne Bedeutung wären. Vielmehr können diese Indiztatsachen durchaus im Rahmen der Prüfung, ob sich aus den Indizien in ihrer Gesamtheit und in Verbindung mit dem übrigen Prozessstoff, insbesondere dem unstreitigen Sachverhalt, eine tragfähige Aussage für das Beweisthema entnehmen lässt, Bedeutung gewinnen. Dies bedarf indes einer nachvollziehbaren, sich mit der Ambivalenz der Indiztatsachen auseinandersetzenden Begründung (§ 286 Abs. 1 S. 2 ZPO). Daran fehlt es hier.

Zu Unrecht vertritt das erstinstanzliche Gericht den Standpunkt, wegen des Gleichgewichtes der Aussagen des Zeugen Z2 und der Zeugin Z1 neige sich die Waage aufgrund der durch unstreitige Indizien gestützten Aussage der Zeugin Z3 zugunsten des Beklagten. Es ist bereits kein Gleichgewicht der beiden Zeugenaussagen gegeben.

Der Zeuge Z2 als alleiniger Verhandlungsführer der Klägerin hat bekundet, dass er anlässlich des persönlichen Gesprächs mit dem Beklagten und dessen Ehefrau im März 2001 dem Beklagten ausdrücklich mitgeteilt habe, dass eine Restforderung angesichts der Zahlung von 620.000,- DM noch offen bleibe und diese noch gefordert werde, und es sei eben gerade kein Teilerlassvertrag geschlossen worden. Die Zeugin Z1 hat bekundet, dass sie keine eigenen Wahrnehmungen zum Abschluss eines Teilerlassvertrages hat. Ihre Aussage erschöpft sich darin, dass der Beklagte ihr berichtet habe, er habe sich mit der Klägerin geeinigt. Im Übrigen enthält ihre Aussage lediglich Schlussfolgerungen. Die Aussagen der Zeugin Z1 sind damit nicht geeignet, die Bekundungen des Zeugen Z2 zu relativieren. Da die Zeugin Z1 keine eigenen Wahrnehmungen zum fraglichen Beweisthema hat, können ihre Bekundungen nämlich nicht im Gegensatz zu den Aussagen des Zeugen Z2, der als alleiniger Vertreter der Klägerin für einen Vertragsabschluss zur Verfügung stand, gesehen werden. Wenn das Landgericht bei der Würdigung der Frage, ob ein Teilerlassvertrag zustande gekommen sei, diese zwei Zeugenaussagen in der Waage sieht, ist diese Einschätzung daher unzutreffend.

Soweit das Landgericht angenommen hat, die Aussage der Zeugin Z3 werde durch unstreitige Indizien gestützt, so dass sie herangezogen werden könne, obwohl die Zeugin als Ehefrau des Beklagten ein elementares Eigeninteresse an einem siegreichen Ausgang des Rechtsstreits zugunsten ihres Mannes besitze, hat das Landgericht die Ambivalenz der Indiztatsachen nicht erkannt bzw. ihnen Indizwirkung zuerkannt, die sie nicht haben können.

Die vom Landgericht als entscheidend angesehene Indiztatsache, nämlich der vorpro-zessuale Schriftverkehr der …bank mit der Klägerin, in dem ausgeführt wird, es liege ein Zahlungsauftrag über 620.000,- DM „zur Ablösung der bei Ihnen bestehenden Verbindlichkeiten“ vor, ist nicht tragend, da sie nicht zwingend so zu verstehen ist, dass damit die Ablösung sämtlicher Verbindlichkeiten gemeint war; der Wortlaut lässt auch eine Auslegung dahin zu, dass eine Ablösung nur in Höhe des Zahlungsauftrags beabsichtigt war. Es fällt auf, dass die …bank, wie die Zeugin Z1 bekundet hat, ursprünglich bereit gewesen wäre, dem Beklagten einen Kredit von 639.000,- DM zur Verfügung zu stellen. Wie aber weiter die Aktennotiz der Klägerin vom 12.3.2001 in Verbindung mit der Aussage der Zeugin Z1 (Vertreterin der …bank) zeigt, wurde der Beklagte dann zunächst bei der Klägerin vorstellig und berichtete dieser von einer Umschuldungsbereitschaft der …bank in Höhe von – lediglich – 620.000,- DM. Er meldete sich dann wieder bei der …bank und teilte dort mit, er habe sich mit der Klägerin auf 620.000,- DM geeinigt. Auf dieser Darstellung des Beklagten beruhte der vom Landgericht als Indiz für den Teilerlass verwertete Schreiben vom 19.3.2001. Die Anforderung an die Klägerin in dem Schreiben der …bank vom 19.3.2001 war insofern lediglich beschränkt darauf, mitzuteilen, ob gegen 620.000,- DM die Grundschuld abgetreten werde. Nur diesbezüglich äußerte sich die Klägerin im Antwortschreiben an die …bank vom 21.3.2001 (Bl. 87 d.A.). Eine Notwendigkeit, zugleich daraufhinzuweisen, dass die Verbindlichkeit des Beklagten tatsächlich höher war, bestand für die Klägerin im Verhältnis zur …bank nicht.

Die Würdigung der Indizien durch das erstinstanzliche Gericht ist in der Berufungsinstanz auch darauf zu überprüfen, ob das Gericht alle Umstände vollständig berücksichtigt hat.

Eine vollständige Berücksichtigung aller Umstände gebietet auch eine Einbeziehung und Würdigung aller im Prozessverlauf offen angesprochener Gegenindizien. Hieran hat es das Landgericht vorliegend fehlen lassen. So wird verkannt, dass die Klägerin einen Aktenvermerk über das persönliche Gespräch zwischen dem Zeugen Z2 und dem Beklagten vom 12.3.2001 (Bl. 75 d.A.) sowie das Schreiben der Klägerin an den Beklagten vom 10.4.2001 (Bl. 23 d.A.) vorgelegt hat. Die Indizwirkung der Formulierung „zur Ablösung der bei Ihnen bestehenden Verbindlichkeiten“ im vorprozessualen Schriftverkehr der …bank wird durch den Aktenvermerk und das Schreiben vom 10.4.2001 entkräftet. Im Aktenvermerk, den der Beklagte im gesamten Prozessverlauf mit keinem Wort angegriffen hat, ist als Gesprächsgegenstand der Hinweis an den Beklagten enthalten, dass noch über die Restforderung zu verhandeln sei; in dem Schreiben vom 10.4.2001 wird der Beklagte aufgefordert, der Klägerin geeignete Rückzahlungsvorschläge hinsichtlich der Restschuld zu unterbreiten. Hätte die Klägerin tatsächlich auf die Zahlung der Restschuld gegenüber dem Beklagten verzichtet, wäre nicht nur der Aktenvermerk unverständlich, sondern es hätte auch im April 2001 kein Anlass mehr bestanden, den Beklagten zur Unterbreitung von Rückzahlungsvorschlägen aufzufordern.

Die vom Landgericht als entscheidendes Indiz für den Abschluss eines Teilerlassvertrages angesehene Tatsache, dass die Klägerin gegen Zahlung von lediglich 620.000,- DM die Grundschuld über 639.000,- DM an die …bank abgetreten hat, ist ebenfalls nicht tragend. Diese Indiztatsache stellt sich als ambivalent dar, lässt sie sich doch zwanglos mit dem gegensätzlichen Vortrag beider Parteien vereinbaren. Zum einen entsprach der Betrag in Höhe von 620.000,- DM nahezu der Gesamtforderung; die in Relation hierzu zu sehende Restforderung machte dagegen nur noch einen sehr geringen Anteil aus. Von daher erscheint es plausibel, wenn die Klägerin sich der dinglichen Sicherung vollumfänglich begab, anstelle wegen eines nur noch bei 3,14 % liegenden Anteils auf einer Teilabtretung nebst damit verbundener Grundschuldteilung zu insistieren. Der Gläubiger ist frei in seiner Gestaltung, ob er eine bestehende Forderung an eine gegebene Sicherheit knüpft oder ob er eine gegebenen Sicherheit aufgibt. Deshalb bedarf es auch hier nicht der Erwägung dazu, ob die Klägerin möglicherweise die dingliche Sicherheit aufgegeben hat, weil sie in den aus der Immobilie fließenden Mieten Einnahmen des Beklagten sehen konnte, die mit der verbliebenen Restschuld zur Verrechnung kommen sollten.

Die Schlussfolgerung des Landgericht, es sei davon auszugehen, dass sämtliche Verbindlichkeiten des Beklagten bei der Klägerin getilgt seien, weil die Klägerin mit Eingang des Betrages von 620.000,- DM die ihr zur Verfügung stehende Grundschuld über 639.000,- DM an die …bank abgetreten habe und ein solches Verhalten sich vernünftiger Weise nur so erklären ließe, dass die Klägerin keinerlei weitere Sicherheit gegenüber dem Beklagten benötigte, trägt auch deshalb nicht, weil dabei verkannt wird, dass die Klägerin in der Klageschrift darauf hingewiesen hat, dass ihr zur Sicherung für das streitgegenständliche Darlehen neben der Grundschuld eine abgetretene Lebensversicherung zur Verfügung steht. Wenn denn die Klägerin die Grundschuld als Sicherheit weggegeben hat, verblieb ihr gleichwohl die abgetretene Lebensversicherung.

Damit kann in der Weggabe der Grundschuld kein Indiz dafür gesehen werden, dass die Restschuld erlassen war.

Einer Wiederholung der Beweisaufnahme bedurfte es in Ansehung der Rechtsprechung des BGH (MDR 2002, 1450 mwN) zur Bindung des Ermessens nach § 398 Abs. 1 ZPO nicht, weil hier den Aussagen der Zeugen weder eine andere Tragweite noch ein anderes Gewicht oder eine vom Wortsinn abweichende Auslegung gegeben wurde; auch sind die protokollierten Aussagen der Zeugen nicht zu vage oder präzisierungsbedürftig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).

 

 

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