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Freistellung – Restvergütungsansprüche gegenüber Arbeitgeber

LAG Rheinland-Pfalz

Az: 8 Sa 920/05

Urteil vom 09.06.2006


1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein – Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz – vom 21.09.2005 – Az.: 5 Ca 614/05 – abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 975,83 EUR brutto zuzüglich Zinsen mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskont-Überleitungs-Gesetzes ab 25.05.2005 zu zahlen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Restvergütungsansprüche des Klägers für den Monat April 2005 im Zusammenhang mit einer Freistellungserklärung.

Der Kläger war seit dem 18.09.2001 bei der Beklagten als Schleifer und Polierer beschäftigt. Die durchschnittliche monatliche Bruttovergütung belief sich auf rund 1.300,00 EUR.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger durch Kündigungsschreiben vom 03.03.2005 zum 31.03.2005. In einem weiteren Schreiben der Beklagten vom 09.03.2005 (Bl. 12 d. A.) heißt es:

„Sehr geehrter Herr A., bis zur Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses, also bis zum 31.03.2005, werden Sie mit sofortiger Wirkung, unter Anrechnung Ihres Resturlaubsanspruches und unter Anrechnung etwaiger Arbeitszeitguthaben unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt.“

In dem gegen die Kündigung gerichteten Kündigungsschutzverfahren (Az.: 9 Ca 276/05) einigten sich die Parteien in der Gütesitzung vom 08.04.2005 dahingehend, dass das zwischen Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher, arbeitgeberseitiger, betriebsbedingter Kündigung zum 30.04.2005 sein Ende finden sollte.

Die Beklagte rechnete die Vergütungsansprüche des Klägers betreffend den Monat April 2005 bis einschließlich 08.04.2005 ab und zahlte die entsprechenden Beträge aus. Für den Restmonat, in welchem der Kläger keine Arbeitsleistungen mehr für die Beklagte erbrachte, unterließ die Beklagte eine entsprechende Zahlung.

Mit seiner am 23. Mai 2005 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage hat der Kläger erstinstanzlich die Auffassung vertreten, er sei mit dem Schreiben vom 09.03.2005 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt worden.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass die Freistellung bis zum 31.03.2005 befristet gewesen sei und der Anspruch auch daran scheitere, dass der Geschäftsführer der Beklagten noch vor Protokollierung des Vergleichs im Gütetermin vom 08.04.2005 erklärt habe, der Kläger solle bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses arbeiten.

Bezüglich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein – Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz – vom 21.09.2005 – 5 Ca 614/05 – (Bl. 58 bis 61 d. A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat im vorerwähnten Urteil den vom Kläger noch verfolgten Teilvergütungsanspruch für April 2005 abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 62 bis 65 d. A. = Bl. 7 bis 10 d. Urt.) Bezug genommen.

Gegen das dem Kläger am 17.10.2005 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 17.11.2005 eingelegte und am 14.12.2005 begründete Berufung.

Der Kläger bringt zweitinstanzlich weiter vor, aufgrund des Schreibens vom 09.03.2005 sei er – der Kläger – bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses, welches unter Zugrundelegung der richtigen Klagefrist erst am 30.04.2005 geendet habe, unwiderruflich freigestellt worden. Aus dem Kündigungsschreiben „bis zum Ablauf der Kündigungsfrist“ ergäbe sich, dass die Beklagte die Kündigungsfrist unrichtig berechnet habe. Weder der Kläger noch sein Prozessbevollmächtigter hätten im Gütetermin einer Abänderung der unwiderruflichen Freistellung zugestimmt. Vom Arbeitsgericht würde der Wortlaut des Schreibens vom 09.03.2005 missachtet; denn die Ergänzung – „also bis zum 31.03.2005“ – sei lediglich eine solche der Hauptaussage. Dies ergäbe sich auch aus dem Begleitschreiben vom 03.03.2005, in welchem es hieße, dass das Arbeitsverhältnis „aus unvorhergesehenem Arbeitsmangel gekündigt“ würde.

Der Kläger hat demgemäß zweitinstanzlich zuletzt beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein – Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz – vom 21.09.2005 – 5 Ca 614/05 – wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 975,83 EUR brutto zuzüglich Zinsen mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1 Diskont-Überleitungs-Gesetzes ab 25.05.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat,

Zurückweisung der Berufung

beantragt und erwidert, es bestünde kein Anspruch des Klägers aufgrund des klaren Wortlautes der Erklärung, die eine befristete Freistellung bis 31.03.2005 enthielte. Eine weitergehende Freistellung hätte vereinbart werden müssen. Als der Kläger kurz nach dem Gütetermin bei der Beklagten in anderem Zusammenhang erschienen sei, habe Herr V. und das Büropersonal nochmals ausdrücklich auf vorhandene Arbeit hingewiesen.

Hinsichtlich der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 14.12.2005 (Bl. 83 bis 87 d. A.) sowie hinsichtlich der Berufungsbeantwortung auf den Schriftsatz der Beklagten vom 19.01.2006 (Bl. 104 bis 107 d. A.) sowie sämtliche vorgelegten Unterlagen und die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 09.06.2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist gemäß § 64 Abs. 2 lit. (b) ArbGG statthaft. Sie ist gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden. Sie ist insgesamt zulässig.

II.

Das Rechtsmittel ist auch begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 975,83 EUR brutto zuzüglich Zinsen mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1Diskont-Überleitungs-Gesetzes ab 25.05.2005 zu.

Das Begehren gründet auf § 611 Abs. 1 BGB, wonach der Arbeitgeber zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet ist. Rechtsgrundlage bildet der Arbeitsvertrag. Der Vergütungsanspruch entsteht aufgrund des Vertrages; er setzt nicht zwingend voraus, dass die vereinbarten Dienste tatsächlich geleistet werden (vgl. BAG Urteil vom 19.03.2002 – 9 AZR 16/01 – m.w.N. auf Palandt/Putzo, Bürgerliches Gesetzbuch, 61. Auflage, § 611 Rn. 50).

Der Beklagten steht nach Auffassung der Berufungskammer kein Leistungsverweigerungsrecht zu. In der unter dem 09.03.2005 erfolgten Erklärung liegt, entgegen der Auffassung der Vorinstanz und der Beklagten, keine nur bis zum 31.03.2005 wirkende Freistellungsregelung.

Durch die Freistellungserklärung der Beklagten vom 09.03.2005, die aufgrund ihres tatbestandlich wiedergegebenen Inhaltes und der Formulierung: „[…] bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ im Zusammenhang mit der am 03.03.2005 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung steht und bei der nach § 151 BGB eine Annahmeerklärung des Klägers entbehrlich war, ist es zum Abschluss eines rechtswirksamen Erlassvertrages zwischen den Parteien gekommen (vgl. BAG, Urteil vom 19.03.2002, aaO, m.w.N. auf BAG, Urteil vom 09.11.1999 – 9 AZR 922/98 -). Dieser Erlassvertrag, der rechtlich an die – der weiteren arbeitsgerichtlichen Prüfung überantworteten – Wirksamkeit der mit fehlerhaft berechneten Kündigungsfrist erklärten Kündigung gebunden ist, ist nach Auffassung der Berufungskammer wegen der – unstreitigen – Fehlberechnung der Kündigungsfrist nachträglich lückenhaft geworden. Dies hat zur Konsequenz, dass die datenmäßige Regelung im Erlassvertrag trotz ihres von der Beklagten hervorgehobenen Wortlauts entsprechend dem hypothetischen Parteiwillen zu ergänzen ist (vgl. Palandt-Heinrichs, aaO, § 157 Rz. 2 m.w.N. auf BGH Z 7, 235; 9, 278).

Hierbei ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie an den geregelten Fall – unzutreffend berechnete Kündigungsfrist – gedacht hätten. Hierbei sind in der ergänzenden Auslegung sowohl individuelle wie objektive Kriterien mit einzubeziehen (vgl. Mayer-Mali, Münchener Kommentar zum Arbeitsrecht, § 157 Rz. 39).

Für die Berufungskammer ergibt sich kein Zweifel, dass die unter dem 09.03.2005 erfolgte schriftliche Freistellung, hätte man die richtige Kündigungsfrist zum 30.04.2005 zugrunde gelegt und angesichts der aus dem Begleitschreiben vom 03.03.2005 ergebenden Begründung – „aus unvorhergesehenen Arbeitsmangel gekündigt“ – deutlich mit einer Freistellung bis zum fristgemäßen Ende des Beschäftigungsverhältnisses reagiert hätte.

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Der Anspruch entfällt auch nicht dadurch, dass die Beklagte – so die Feststellungen im Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts – den Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten zum Arbeiten aufgefordert hat und des weiteren – so die Ausführungen der Berufungsbeantwortung -, dass der Kläger in anderem Zusammenhang kurz nach dem Gütetermin von Herrn V. und dem Büropersonal noch mal ausdrücklich auf vorhandene Arbeit hingewiesen worden sei; denn diese Erklärungen sind zum einen zivilprozessual nicht geeignet, um den Schluss auf das von der Rechtsprechung nach Ausspruch einer Kündigung geforderte zur Verfügungstellen eines funktionsfähigen Arbeitsplatzes anzunehmen. Es fehlt an klaren Ausführungen dazu, dass für den Kläger trotz Arbeitsmangels ein konkreter Arbeitsplatz, vorhanden war bzw. wann und wo die Arbeit fortzusetzen war (vgl. ErfK-Ascheid, 6. Auflage, KSchG 430 § 11 Rz. 4 m.w.N.) Zum anderen konnte der, in seiner Wirksamkeit auch an die Bestandskraft der Kündigung gebundene Erlassvertrag, entweder nur einvernehmlich aufgehoben oder lediglich durch eine Anfechtung beseitigt werden. Für eine hierzu rechtlich geforderte Einigung waren der Berufungskammer ebenso wenig Feststellungen möglich wie zum Vorliegen einer entsprechenden Anfechtungserklärung oder gar entsprechender Anfechtungsgründe.

Der Anspruch ist der Höhe nach nicht beanstandet.

Der Zinsanspruch folgt aus § 288 BGB (vgl. BAG, Urteil vom 23.02.2005 = AP Nr. 9 zu § 55 InsO und BAG GS vom 07.03.2001 = AP Nr. 4 zu § 288 BGB).

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

IV.

Von der Zulassung der Revision sah die Kammer mangels grundsätzlicher Bedeutung ab. Es geht vorliegend um die Ergänzung einer individuellen Freistellungserklärung.

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