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Restwertangebot nach Verkehrsunfall – Annahmepflicht

Amtsgericht Stuttgart

Az: 41 C 4249/11

Urteil vom 08.11.2011


1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerseite.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Die Vollstreckung kann gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vorher Sicherheit in voller Höhe leistet.

Streitwert: 1.316,00 Euro.

Tatbestand

Die Parteien streiten um restlichen Schadenersatz wegen eines Verkehrsunfalls vom 09.04.2011, wobei nur die Schadenhöhe streitig ist und dort die Anrechenbarkeit von Restwertangeboten sowie der Nutzungsausfall in Grund und Höhe.

Am 09.04.2011 beschädigte der Fahrer des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs den Pkw der Klägerseite. Der Haftungsgrund ist unstreitig. Teilweise wurde der Schaden schon beglichen.

Es liegt wirtschaftlicher Totalschaden vor. Der Wiederbeschaffungswert des klägerischen Fahrzeugs beträgt 2.000,00 Euro. Das Fahrzeug wurde mittels einer groben Reparatur an der Rückleuchte wieder notdürftig instand gesetzt, von der Klägerseite in der Folge gefahren und nicht verkauft. Die Klägerseite hat das Fahrzeug zwischen dem Sachverständigengutachten vom 13.04.2011 und der Grobreparatur vom 06.05.2011 in einem Zeitraum von etwa 3 Wochen, mithin 1898 km weit bewegt. Das Fahrzeug ist etwa 11 Jahre alt und hat eine Laufleistung von über 300 000 km. Die Beklagtenseite hat 1.090,00 Euro auf den Schaden bezahlt. Die Beklagtenseite hat weiter Aufrechnung in Höhe von 224,29 Euro erklärt, da sie irrig weitere 224,29 Euro bezahlt hatte. Unstreitig bestand für die Zahlung kein Anlass oder Rechtsgrund.

Das Sachverständigengutachten der Klägerseite vom 14.04.2011 weist einen Restwert von 50 Euro aus (K1, Bl. 10 d.A.). Die Beklagtenseite hat dem Geschädigten zunächst am 16.05.2011 ein verbindliches Restwertangebot über 870 Euro eines nicht regional ansässigen Aufkäufers zugeleitet, nach dem ein Anruf bei diesem unter der angegebenen Telefonnummer ausreichend würde, um das Angebot anzunehmen. Darauf würde der Aufkäufer das Fahrzeug nach Absprache mit dem Geschädigten für jenen kostenfrei abholen und bar bezahlen.

Am 04.10.2011 übermittelte die Beklagtenseite ein weiteres verbindliches Angebot eines regional näher gelegenen Aufkäufers mit der Höhe von 720 Euro.

Die Nutzungsausfalldauer ist in Höhe von einem Tag unstreitig.

Die Klägerseite trägt vor, der Restwert des Unfallfahrzeugs sei vom Sachverständigen mit 50,00 Euro zutreffend ermittelt worden.

Die Klägerseite erklärt weiter, es stünde ihr eine Nutzungsausfallentschädigung für insgesamt 12 Tage zu á 38,00 Euro. Sie habe zunächst vom Unfall bis zum Eingang des Gutachtens 7 Tage benötigt, weiter habe sie 3 Tage überlegt, was mit dem verunfallten Fahrzeug geschehen solle und dann habe die grobe Instandsetzung 2 Tage gebraucht.

Die Klägerseite meint, anderweitige Restwertangebote habe sie nicht berücksichtigen müssen, insbesondere da sie jedenfalls über eine Woche nach der umstrittenen Wartefrist auf Restwertangebote erfolgt seien. Die Angebote seien aber auch inhaltlich nicht zu beachten, da sie nicht annehmbar seien.

Die Klägerseite beantragt daher, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.316,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.05.2011 sowie weitere 131,20 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagtenseite beantragt, Klagabweisung.

Über die unstreitige Nutzungsausfalldauer von einem Tag hinaus, wird vorgetragen, dass das Fahrzeug ansonsten benutzbar gewesen sei und auch benutzt wurde. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass die Klägerseite offensichtlich mit dem verunfallten Fahrzeug noch umfangreich gefahren sei, auch habe die Grobreparatur nicht 2 Tage brauchen können.

Weiter sei der Nutzungsausfall mit 38,00 Euro zu hoch bemessen. Aufgrund der Fahrleistung und des Alters des Fahrzeugs, sei das Fahrzeug zwei Klassen tiefer einzustufen als ein entsprechendes Neufahrzeug, mithin seien 29,00 Euro angemessen.

Die Beklagtenseite meint, da das Fahrzeug nach wie vor nicht verkauft sei, seien die verbesserten Restwertangebote zu beachten. Die Angebote seien verbindlich, der Geschädigte habe keinen größeren Aufwand als bei einem Verkauf auf dem regionalen Markt oder sonstige Nachteile. Die Angebote seien daher akzeptabel.

Zum weiteren Vortrag wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Das Gericht hatte nach schriftlichem Vorverfahren mit Zustimmung der Parteien ins schriftliche Verfahren gewechselt, ein Vergleichsvorschlag war nicht angenommen worden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

A

Die Klage ist zulässig.

I.

Gem. § 17 ZPO konnte die Beklagte an ihrem Sitz unabhängig vom Unfallort verklagt werden.

II.

Die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts ergibt sich nach dem Zuständigkeitsstreitwert, der nicht über 5.000,00 Euro liegt, § 23 Ziffer 1 GVG.

B

Die Klage ist unbegründet.

Der Klägerseite steht kein weiterer Schadenersatz zu, gleich, ob aus §§ 17, 18 StVG, 115 VVG, 1 PflVG oder §§ 823, 249BGB oder einer anderen Norm. Denn der Schadensersatzanspruch ist insgesamt durch Erfüllung (§ 362 BGB) und Aufrechnung (§ 389 BGB) erloschen.

I.

Weiterer Wiederbeschaffungsaufwand über die regulierten 1090 Euro steht der Klägerseite nicht zu. Denn die Beklagtenseite hat mehrere annehmbare Restwertangebote vorgelegt, die sich die Klägerseite anrechnen lassen muss.

Vom unstreitigen Wiederbeschaffungswert von 2.000,00 Euro war schon das erste Restwertangebot abzuziehen (870 Euro), sowie weitere 40 Euro (§ 287 ZPO) im Rahmen der Differenzbesteuerung, da kein neues Fahrzeug beschafft wurde, somit die Steuer nicht angefallen ist (§ 249 Abs. 2 S. 2 BGB), so dass sich ein Wiederbeschaffungsaufwand von1090 Euro ergibt, der beglichen wurde (§ 362 BGB). Schon das erste Angebot, Bl. 48 d. A, war annehmbar, sowohl inhaltlich wie zeitlich.

a) Das Angebot war inhaltlich annehmbar, denn es handelte sich dabei um ein verbindliches Kaufangebot, bei dem das Fahrzeug garantiert kostenfrei vom jetzigen Standort abgeholt und bezahlt werden sollte. Zur Annahme war ein Anruf unter der angegebenen Telefonnummer ausreichend. Es spielt keine Rolle, dass das Angebot nicht aus der Gegend des Klägers kam, da der Angebotsgeber das Fahrzeug abgeholt hätte und dem Kläger kein höherer Aufwand oder größere Unsicherheit aufgebürdet würde, als bei einem Angebot aus dem regionalen Markt, vgl. etwa OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.07.2004 – 1 U 30/04, zit. nach juris.

b) Das Angebot war auch zeitlich noch annehmbar. Jedenfalls solange der Geschädigte sein Fahrzeug nach einem Verkehrsunfall noch nicht verkauft hat, er sich an ein Restwertangebot halten lassen, das ihm der Schädiger oder dessen Versicherung zeitnah und in sonst akzeptabler Weise zuleitet.

Das Gericht folgt hier OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.07.2004 – 1 U 30/04; Urt. v. 15.10.2007 – 1 U 267/06; LG München, Urt. v. 05.03.1998 – 19 S 18868/97; LG Saarbrücken, Urt. v. 04.04.1997 – 13 A S 108/96; insg. zit. nach juris; Bachmeier, 2. Aufl. Rn. 309 m.w.N.

Dies hat nichts mit der Frage zu tun, ob und wie lange der Geschädigte mit einer Veräußerung seines Fahrzeugs warten muss, bevor er es zum von seinem Sacherständigen ermittelten Restwert verkauft – denn er hat es ja gerade noch nicht verkauft. Wenn die Klägerseite Urteile zitiert, die der Frage nach gehen, welche Wartezeit dem Geschädigten zuzumuten ist, so handelt es sich hier um andere Fallgestaltungen. Dort hatte der Geschädigte sein Fahrzeug mittlerweile verkauft, konnte also die Angebote nicht mehr annehmen.

c) Aufgrund der Differenzbesteuerung hat sich die Klägerseite einen weiteren Abzug von 40,00 Euro (Schätzung gem. § 287 ZPO) vornehmen zu lassen, damit beträgt ihr Anspruch bezüglich des Schadens direkt am Fahrzeug 1.090,00 Euro. Dieser wurde vollumfänglich beglichen.

2.

Nutzungsausfall ist nur für 2 Tage zuzusprechen. Es ist nicht dargelegt, weshalb es zunächst 7 Tage brauchte, bis das Gutachten vorlag. Die Klägerseite hat nicht substantiiert zu etwaigen Gründen vorgetragen. Das Gutachten weist nicht eine Komplexität auf, die eine längere Dauer rechtfertigen würde. Möglicherweise wurde das Gutachten zu spät beauftragt, die Klägerseite ist für die Notwendigkeit der Dauer beweisbelastet. Selbst wenn nicht zugewartet wurde, so hat die Klägerseite schon aufgrund der Schadenminderungspflicht, § 254 BGB, darauf hinzuwirken, dass das Gutachten schnell erstellt wird. Weiter ist nicht erkennbar, weshalb für Überlegungszeit und die Grobreparatur (Auswechslung einer Leuchte) insgesamt 5 Tage angemessen sein sollen. Es ist aus anderen Verfahren und sachverständigen Gutachten gerichtsbekannt, dass solch eine Reparatur regelmäßig von Werkstätten sofort durchgeführt wird, mithin allenfalls 30 Minuten dauert. Insgesamt ist daher ein Zeitraum für die Erstellung des Gutachtens, der Grobreparatur und einer Überlegungszeit von 2 Tagen angemessen.

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In der Höhe ist ein Nutzungsausfallersatz von 29,00 Euro/Tag angemessen. Wegen des Fahrzeugalters und der sehr hohen Laufleistung (ca. 300.000 km), kann das Fahrzeug nicht als Neufahrzeug eingruppiert werden, sondern ist zwei Stufen herabzusetzen. Der Sachverständige D. hat diese Punkte nicht ausreichend berücksichtigt. Es erfolgte eine Schätzung nach § 287 ZPO. Ein weiteres Sachverständigengutachten ist nicht notwendig, da das Gericht ausreichende Anknüpfungstatsachen hat und aufgrund der einschlägigen Tabellen, insb. Sanden/Danner/Küppersbusch in der aktuellen Auflage, eine Einordnung möglich ist.

3.

Der der Klägerseite zunächst noch zustehende Anspruch auf 58 Euro ist wegen der erklärten Aufrechnung erloschen, § 389 BGB. Die Beklagtenseite hat den Betrag von 224,29 Euro neben dem bereits bezahlten an die Klägerseite bezahlt. Mit diesem Betrag erklärt sie die Aufrechnung (teilweise unbedingt, teilweise hilfsweise). Nachdem der Klägerseite lediglich ein Betrag von 58,00 Euro noch zustand, greift jedenfalls der unbedingte Teil der Aufrechnung, der den Betrag von 58 Euro übersteigt.

Die Beklagtenseite konnte auch die Aufrechnung noch erklären, insb. § 814 BGB stand nicht entgegen. Eine Kenntnis der Nichtschuld bestand erkennbar nicht, es handelte sich lediglich um einen Irrtum auf Beklagtenseite bezüglich der Zahlung, etwas anderes wurde auch von Klägerseite nicht vorgetragen.

C

Da der Klägerseite in der Hauptsache nichts zugesprochen wurde, konnten auch keine Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zugesprochen werden.

D

Die Entscheidung über die Kosten ergab sich aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt ergab sich aus § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Die Entscheidung über den Streitwert ergab sich aus § 3 GKG.

 

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