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Restwertangebot nach Verkehrsunfall

OLG München

Az.: 10 U 2304/11

Urteil vom 21.10.2011


In dem Rechtsstreit wegen Schadensersatzes erlässt der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.10.2011 folgendes Endurteil:

1. Auf die Berufung der Beklagten vom 06.06.2011 wird das Endurteil des LG München I vom 27.04.2011 (Az. 19 O 1303/10) in Nr. I und III abgeändert und wie folgt neu gefasst:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.745,21 € sowie 489,45 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sowie jeweils Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.03.2010 zu zahlen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 84% und die Beklagte 16%.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 26.09.2009 gegen 10.40 Uhr auf einem Parkplatz in S., in Höhe von noch 7.555,60 € zzgl. vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten und Zinsen geltend. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 27.04.2011 (Bl. 74/79 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG München I hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 6.565,21 € zzgl. vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 775,64 € und Zinsen zu zahlen und im übrigen die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses der Beklagten am 04.05.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem beim Oberlandesgericht München am 06.06.2011 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. 95/96 d. A.) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem beim Oberlandesgericht München am 04.08.2011 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 101/103 d. A.) begründet.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG München I vom 27.04.2011 dahingehend abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger € 1.745,21 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.03.2010 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 489,95 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.03.2010 zu zahlen und die Klage im übrigen abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

 

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 30.08.2011 (Bl. 107/109 d. A.), die Replik vom 10.10.2011 (Bl. 113 d. A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 21.10.2011 (Bl. 114/117 d. A.) Bezug genommen.

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

I.

Das Landgericht hat zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf restlichen Schadensersatz in Höhe von 6.565,21 € zzgl. vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 775,64 € und jeweils gesetzlicher Verzugszinsen statt nur in Höhe von 1.745,21 € zzgl. vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 489,45 € und jeweils gesetzlicher Verzugszinsen bejaht.

1.

Es ist über den Streitgegenstand so zu entscheiden, wie er dem angefochtenen Urteil zugrundeliegt, weil der Kläger seine in der Berufungserwiderung angedeutete Klageänderung im Hinblick auf ihre im Hinweis des Senats vom 15.09.2011 (Bl. 112 d. A.) eingehend dargelegte Unzulässigkeit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht weiter verfolgt hat.

2.

Das Landgericht hat zu Unrecht das Vorliegen eines wirksamen Restwertangebots verneint.

Das Angebot der Beklagten vom 23.10.2009 (Anl. B 1) entspricht, worauf der Senat schon in den Terminshinweisen vom 09.08.2011 (Bl. 104/106 d. A.) hingewiesen hat, den von der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen, die wie folgt lauten:

(1) Es muss sich um ein echtes Angebot der Haftpflichtversicherung des Schädigers handeln; das kommentarlose Übersenden von Ausdrucken aus Internet-Restwertbörsen genügt nicht (Senat, Hinweis v. 17.01.2007 – 10 U 5316/06).

(2) Das Angebot muss ohne weiteres annahmefähig sein. Dazu ist folgendes erforderlich:

Das Angebot muss an den richtigen Erklärungsadressaten gerichtet sein (Senat, Hinweis v. 17.01.2007 – 10 U 5316/06; Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl. 2011, § 145 Rz. 1 m. w. N.). Dies ist regelmäßig der Geschädigte als Alleinverfügungsbefugter (Senat, Hinweis v. 17.01.2007 – 10 U 5316/06). Die Übersendung des Angebots an den Prozessbevollmächtigten des Geschädigten genügt, weil dieser zur Entgegennahme einer solchen Erklärung im Rahmen des § 81 ZPO ermächtigt ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2007 – I – 1 U 267/06). Nicht genügt ein nur an den Prozessbevollmächtigten des Geschädigten adressiertes Begleitschreiben zu einem Angebot mit der Bitte um Weiterleitung an den Geschädigten, das sich inhaltlich ausschließlich an den Prozessbevollmächtigten des Geschädigten richtet.

Das Angebot muss wie jedes Vertragsangebot nach den allgemeinen Regeln des Zivilrechts so bestimmt sein, dass es mit einem einfachen „Ja“ angenommen werden kann (Senat, Hinweis v. 17.01.2007 – 10 U 5316/06;). Das bedeutet, dass in dem Angebot der Haftpflichtversicherung des Schädigers nur ein Aufkäufer aufgeführt werden darf (Senat, Hinweis v. 17.01.2007 – 10 U 5316/06). Es ist auch unter Berücksichtigung der Schadensminderungspflicht nach § 254 II BGB im Hinblick darauf, dass der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens ist und grundsätzlich selbst bestimmen darf, wie er mit der beschädigten Sache verfährt (BGH NJW 2005, 3134 [3135 unter II 3]; OLG Düsseldorf VersR 2006, 1657), nicht Sache des Geschädigten, angesichts mehrerer verschiedener Aufkäufer Erwägungen über das Wohl der Haftpflichtversicherung des Schädigers anzustellen (Senat, Urt. v. 14.07.2006 – 10 U 3126/06; Hinweis v. 17.01.2007 – 10 U 5316/06).

Die Annahme des Angebots darf mit keinerlei Zusatzbelastungen des Geschädigten verbunden sei, d.h. die kostenlose Abholung durch den Aufkäufer muss verbindlich zugesagt sein, ebenso die Barzahlung, wenn diese gewünscht wird (Senat, Urt. v. 14.07.2006 – 10 U 3126/06; Hinweis v. 17.01.2007 – 10 U 5316/06).

3.

Dieses Angebot war auch vom Kläger zu beachten. Die hiergegen seitens des Klägers in der Berufungserwiderung und auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgebrachten Argumente vermögen nicht zu überzeugen:

(1) Soweit der Kläger vorträgt, er habe das verunfallte Auto seiner Frau nicht nur (am 09.12.2008) gekauft, sondern auch geschenkt, weshalb er dem Restwertangebot vom 23.10.2009 gar nicht hätte entsprechen können, ist dies unbehelflich, weil der Kläger am 23.10.2009 noch gar kein Eigentum an dem zur Finanzierung sicherungsübereigneten Pkw hatte und deshalb seiner Frau auch nicht im Schenkungswege Eigentum verschaffen konnte: Ausweislich der Anl. K 11 wurde der Kaufpreis erst am 10.12.2009 vollständig bezahlt und der Pkw seitens der finanzierenden Bank erst am 09.04.2010 freigegeben (Anl. zum Schriftsatz des Klägers vom 10.04.2010, Bl. 25 d. A.).

Im übrigen ist der Vortrag neu, weil erstinstanzlich stets behauptet worden war, der Kläger sei Eigentümer des verunfallten Pkws gewesen:

So heißt es bereits in der Klageschrift vom 12.01.2010 (Bl. 2 d. A.): Der Versicherungsnehmer der Beklagten „fuhr auf den geparkten Pkw des Klägers auf“.

Im Schriftsatz vom 11.05.2010 (Bl. 31 d. A.): heißt es dann nachdrücklich:„Fest steht, dass […] der Kreditvertrag vollständig getilgt wurde, so dass der Kläger Eigentümer des Fahrzeugs ist.“

Eine plausible oder auch nur nachvollziehbare Begründung für diesen Wechsel im Sachvortrag, welche unabhängig von der Glaubhaftigkeit des neuen Vortrags eine ausreichende Entschuldigung i. S. v. § 531 II Nr. 3 ZPO darstellen würde, wurde auch in der Verhandlung vor dem Senat nicht gebracht.

(2) Nicht zielführend ist auch der im Hinblick auf den bereits erwähnten Senatshinweis gemachte Vortrag, es liege gar keine Ersatzbeschaffung vor, vielmehr sei das verunfallte Fahrzeug repariert worden und werde weiter benutzt (vgl. Bl. 109 d. A.).

Die Behauptung steht im Widerspruch zur gegenteiligen Behauptung in der erstinstanzlichen Replik v. 30.03.2010 (S. 2/3 = Bl. 21/22 d. A.). Auch das Erstgericht war schon im Hinweisbeschluss v. 02.06.2010 (Bl. 36 d. A.) von einer Ersatzbeschaffung ausgegangen, einer Annahme, der der Kläger in seinem Schriftsatz vom 22.06.2010 (Bl. 42/43 d. A.) nicht entgegengetreten ist. Auch das nicht im Wege eines Tatbestandsberichtigungsantrags angegriffene Ersturteil geht auf S. 5 in für den Senat gem. § 314 S. 1 ZPO verbindlicher Weise (sog. tatbestandliche Feststellung in den Entscheidungsgründen, vgl. BGH VersR 1974, 1021, st. Rspr., zuletzt NJW 2009, 1482 (1485) = VersR 2009, 558; Beschl. v. 24.06.2010 – III ZR 277/09 [Juris, dort Rz. 3]; BAG VersR 1979, 93; NJW 2003, 918; zur Bindungswirkung des Tatbestandes vgl. BGH – VI. ZS – VersR 1959, 853; 1992, 1028 = NJW-RR 1992, 1214 = r+s 1993, 333 = NZV 1992, 403; BGHZ 140, 335 [339] = NJW 1999, 1339 = MDR 1999, 545; NJW 2009, 1482 [1485] = VersR 2009, 558; ferner VersR 2011, 407 [408] für die Revisionsinstanz; umfassend Doukoff, Zivilrechtliche Berufung, 4. Aufl. 2010, Rz. 111) von einer Ersatzbeschaffung aus.

Diesen Widerspruch versuchte der Kläger in der Verhandlung vor dem Senat dadurch aufzulösen, dass er vortrug, es sei zwar richtig, dass in erster Instanz immer von Ersatzbeschaffung die Rede gewesen sei, es habe sich aber in Wirklichkeit um keine „Ersatzbeschaffung im eigentlichen Sinne“ gehandelt, vielmehr sei das weitere Fahrzeug nur für die Zeit der Reparatur angeschafft worden. Diese Interpretation von „Ersatzbeschaffung“ durch den anwaltlich beratenen Kläger, der im übrigen von Beruf Kfz-Meister ist, im Sinne der Beschaffung eines Interimsfahrzeugs stellt sich nur als eine Anpassung seines Vortrags an die jeweils gerade gegebene rechtliche Erörterung dar, was nicht zuletzt daraus erhellt, dass der Kläger das angebliche „Interimsfahrzeug“ noch heute zu Eigentum hat und benutzt.

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4.

Berücksichtigt man das Restwertangebot der Beklagten, so ergibt sich ein Restschadensersatzanspruch des Klägers in dem im Tenor ausgewiesenen Umfang.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

 

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