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Rettungswagen – Quotenbildung bei Verstoß gegen Gewährung von Wegevorrecht

AG Gotha – Az.: 2 C 229/18 – Urteil vom 08.05.2019

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.953,04 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.07.2017 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorprozessuale Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10.02.2018 zu zahlen.

3. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt aus diesem Urteil vollstreckbaren Forderung vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert wird auf 2.953,04 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über klägerische Zahlungsansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 01.10.2016. Die Klägerin macht als Versicherer des bei ihr vollkaskoversicherten Notarzteinsatzfahrzeugs (zukünftig NEF) VW T5, amtliches Kennzeichen …, Ansprüche aus übergegangenem Recht nach Leistungserbringung an die Versicherungsnehmerin geltend.

Das von der Zeugin … gesteuerte NEF war gemeinsam mit einem Rettungswagen (zukünftig RTW) zu einem Notfall gefahren, um einen Patienten notärztlich zu versorgen und zum Helios-Klinikum Gotha zu transportieren. Am Einsatzort stieg der Notarzt in den RTW, um die notärztliche Behandlung des Patienten sicherzustellen. Mit eingeschalteten Sondersignalen, also eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn, verbrachte der RTW den Patienten zum Helios-Klinikum. Hinter ihm fuhr das NEF, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob dieses die Sondersignale eingeschaltet hatte.

Der RTW überquerte dabei von der Krusewitzstraße kommend in Geradeausfahrt den Kreuzungsbereich zur Dirk-Kollmar-Straße. Das NEF fuhr danach ebenfalls in den Kreuzungsbereich ein, wobei die für ihn geltende Lichtzeichenanlage auf „Rotlicht“ stand.

Der Beklagte zu 1) war mit seinem Pkw Opel, amtliches Kennzeichen …, welcher bei er Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war, von links kommend auf der Dirk-Kollmar-Straße in Geradeausfahrt in Richtung Leinastraße unterwegs. Seine Lichtzeichenanlage zeigte grün. Beim Einfahren in den Kreuzungsbereich zur Krusewitzstraße kollidierte das NEF vorne links mit der vorderen rechten Seite des Opel. Wegen der Ausgestaltung und Örtlichkeiten wird auf den Inhalt der beigezogenen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte (633 Js 39773/16) sowie die darin befindlichen Lichtbilder verwiesen.

An dem NEF entstand kollisionsbedingt ein Sachschaden von 4.879,57 €.

Die Klägerin regulierte diesen Betrag unter Abzug des Kaskoselbstbehalts von 300,00 €.

Die Beklagte zu 2) lehnte mit Schreiben vom 09.02.2018 den Regressanspruch der Klägerin ab.

Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin den über den Beklagten auf der Grundlage einer 2/3-Haftung einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.953,04 € geltend.

Die Klägerin behauptet, das NEF habe sich mit eingeschalteten Sondersignalen (akustisch und optisch) dem Kreuzungsbereich genähert und die Zeugin … habe – wie das vorausfahrende RTW – ihr Fahrzeug vor dem Einfahren in die Kreuzung auf Schrittgeschwindigkeit abgebremst. Nachdem der RTW die Kreuzung überquert hatte, sei das NEF langsam und tastend in den Kreuzungsbereich eingefahren. Der Beklagte zu 1) hingegen sei mit nicht angepasster Geschwindigkeit, fehlender Aufmerksamkeit, ohne die nötige Bremsbereitschaft und mit überlautem Radio in den Kreuzungsbereich eingefahren. Wenigstens die Sondersignale des RTW hätte er wahrnehmen und auf das Einfahren in den Kreuzungsbereich verzichten müssen.

Die Kläger beantragt, die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin gesamtschuldnerisch 2.953,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 22.07.2017 zu zahlen sowie

Die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin gesamtschuldnerisch vorprozessuale Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 10.02.2018 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen zum Unfallverlauf wie folgt vor:

Bei seiner Annäherung an die für ihn grün geschaltete Lichtzeichenanlage habe der Beklagte zu 1) von rechts kommend den RTW mit eingeschalteten Sondersignalen wahrgenommen. Er habe sein Fahrzeug abgebremst und den RTW passieren lassen. Er sei sodann in den Kreuzungsbereich eingefahren und sei mit dem NEF, welches keine Sondersignale eingeschaltet gehabt habe, kollidiert. Die Beklagten bestreiten zudem, dass die Sondersignale so lange eingeschaltet gewesen sind, dass der Beklagte zu 1) in der Lage war, diese rechtzeitig wahrzunehmen.

Das NEF habe sich nicht in einem Notfalleinsatz befunden; es sei infolgedessen auch nicht berechtigt gewesen, Sonder- und Wegerechte in Anspruch zu nehmen. Auch ein „Nachfahren in einem kurzen Abstand“ unter Inanspruchnahme von Sonderrechten sei nicht zulässig gewesen. Es hätte keinen Unterschied gemacht, ob das NEF zeitgleich oder etwas später am Krankenhaus eingetroffen wäre.

Zudem sei die Reihenfolge der Einsatzfahrzeuge fehlerhaft gewählt worden. Bei einer gemeinsamen Einsatzfahrt sollen kleiner vor den größeren Fahrzeugen fahren, da sie ansonsten leichter übersehen werden könnten.

Schließlich bestreiten die Beklagten, dass das NEF vor dem Einfahren in den Kreuzungsbereich auf Schrittgeschwindigkeit abgebremst wurde.

Die Klägerin trägt noch vor, es sei die Frage der Bindungswirkung des § 38 Abs. 1 StVO unerheblich, ob das NEF vorliegend Sonder- und Wegerechte in Anspruch nehmen durfte.

Das NEF sei aber auch berechtigt gewesen, die Sonder- und Wegerechte in Anspruch zu nehmen. Denn es stellte mit dem vorausfahrenden RTW eine rettungsdienstliche Einheit dar.

Das Gericht hat den unfallbeteiligten Beklagten zu 1) informatorisch zum Unfallgeschehen angehört. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.09.2018 verwiesen.

Des Weiteren hat das Gericht die Zeugen … vernommen. Sie blieben unvereidigt. Insoweit wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 26.09.2018 und vom 03.04.2019 verwiesen.

Was die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes anbetrifft, wird auf die gewechselten Schriftsätze mitsamt ihrer Anlagen hingewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und auch begründet.

1.

Die Beklagten sind der Klägerin gem. §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG i. V. m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG als Gesamtschuldner zum Ersatz des Schadens aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall verpflichtet.

a)

Die Klägerin ist aktivlegitimiert, da die Schadensersatzforderung der Eigentümerin des NEF gegen die Beklagten gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG auf sie übergegangen ist, soweit sie den Schaden ersetzt hat. Unstreitig hat die Klägerin den Schaden in Höhe von 4.579,57 € reguliert.

b)

Die Ersatzpflicht beläuft sich auf einen Haftungsanteil von 2/3 des entstandenen Schadens.

Bei einem durch mehrere Kraftfahrzeuge verursachten Verkehrsunfall richtet sich der Umfang der Ersatzpflicht gem. § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG danach, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

Diese Ersatzpflicht ist für keinen der Unfallbeteiligten nach § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen, denn dies setzt voraus, dass der Unfall durch ein für ihn unabwendbares Ereignis verursacht worden ist, das weder auf einen Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs noch einem Versagen seiner Vorrichten beruht und sowohl Halter als auch Fahrer jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet haben.

Die Zeugin … hätte den Unfall vermeiden können, indem sie nur langsam und unter Vergewisserung, dass der Querverkehr ihr Wegerecht beachtet, in die Kreuzung eingefahren wäre.

Ebenso war der Unfall für den Beklagten zu 1) vermeidbar. Denn bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt hätte er, nachdem ein Einsatzfahrzeug bereits den Kreuzungsbereich passiert hatte, nur äußerst vorsichtig und mit sofortiger Anhaltebereitschaft in den Kreuzungsbereich einfahren dürfen.

c)

Zu dem Umfang der Ersatzpflicht ist in erster Linie das Maß der Verursachung von Bedeutung, in dem die Beteiligten bzw. deren Fahrzeuge zur Schadensentstehung beigetragen haben, wobei das auf der einen oder anderen Seite vorhandene individuelle Verschulden hier einen Faktor der Abwägung darstellt. Im Rahmen dieser Bewertung sind nur unstreitige oder bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Jeder Halter hat dabei die Umstände zu beweisen, die dem anderen zum Nachteil reichen und aus denen er die nach der Abwägung günstigen Rechtsfolgen für sich herleiten will.

d)

Auf Seiten der Beklagten ist dabei die durch einen Verkehrsverstoß gesteigerte Betriebsgefahr des Pkw zu berücksichtigen.

Der Beklagte zu 1) hat gegen § 38 Abs. 1 S. 2 StVO verstoßen, indem er das Vorrecht des NEF nicht hinreichend beachtet hat.

Nach § 38 Abs. 1 StVO besteht ein Wegevorrecht für Sonderfahrzeuge, wenn sie sich unter Einsatz der Sondersignale – blaues Blinklicht und Einsatzhorn – nähern. Es ordnet gem. § 38 Abs. 1 S. 2 StVO an, dass die übrigen Verkehrsteilnehmer sofort freie Bahn zu schaffen haben.

Ob die Fahrerin des NEF, die Zeugin … objektiv berechtigt war, die Warnsignale zu benutzen, ist für die Verpflichtung der übrigen Verkehrsteilnehmer, frei Bahn zu schaffen, nicht von Belangen (vgl. KG NZV 2006, 307; OLG Hamm, NJW-RR 2018, 989).

Der Beklagte zu 1) hat vorliegend gegen diese Pflicht, sofort und unbedingt frei Bahn zu schaffen, verstoßen.

aa)

Davon, dass das NEF beim Einfahren in die Kreuzung die Sondersignale eingeschaltet hatte, geht das Gericht nach der durchgeführten Beweisaufnahme aus. Der am Unfallgeschehen ansonsten völlig unbeteiligte Zeuge … hat glaubhaft bekundet, dass der nach dem frühzeitigen Wahrnehmen des Martinshorns im Augenblick des Anhaltens vor der Kreuzung wahrnahm, dass zwei Einsatzfahrzeuge die Kreuzung mit eingeschalteten Sondersignalen querten. Der Zeuge ist auch nach mehrfacher Nachfrage der sicheren Überzeugung, dass die Sondersignale eingeschaltet waren. Diese Sicherheit übermittelte er im Übrigen auch schon im Rahmen seiner polizeilichen Zeugenvernehmung (S. 13 f. der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte).

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bb)

Der Beklagte zu 1) hätte in dieser Situation nicht in der von ihm eingeräumten Weise in den Kreuzungsbereich einfahren dürfen. Der Beklagte zu 1) hat zugegeben, das mit Sondersignal fahrende Einsatzfahrzeug, den RTW, aus sicherer Entfernung zum Kreuzungsbereich wahrgenommen und seine Fahrt in den Kreuzungsbereich ungebremst und mit einer Geschwindigkeit von unter 50 km/h fortgesetzt zu haben. Wäre der Beklagte zu 1) aber nach dem Wahrnehmen des mit Sondersignalen fahrenden Einsatzfahrzeugs vorsichtig und in Anhaltebereitschaft an die Kreuzung herangefahren, so hätte er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – genauso wie der Zeuge … – rechtzeitig das zweite Einsatzfahrzeug, das NEF, wahrgenommen und hätte ohne Weiteres unfallvermeidend reagieren können. Diese vorsichtige Fahrweise wäre zwingend geboten gewesen, da zunächst abzuwarten war, ob – was tatsächlich häufig der Fall ist – sich nicht weitere Einsatzfahrzeuge, die zunächst akustisch nicht von dem vorbeifahrenden Einsatzfahrzeug nicht zu unterscheiden sind, dem Kreuzungsbereich nähern.

e)

Die Klägerin muss sich jedoch ebenfalls einen die Betriebsgefahr ihres NEF erhöhenden Sorgfaltsverstoß der Zeugin … zurechnen lassen.

aa)

Ein solcher unfallursächlicher Verstoß gegen §§ 35, 38 StVO durch eine rechtswidrige Verwendung des Blaulichts und des Martinshorns scheidet im Ergebnis aus.

Eine rechtswidrige Verwendung der Sondersignale wirkt sich unfallursächlich aus, wenn sich in dem Unfallgeschehen – wie zumeist – die durch die (rechtswidrige) Inanspruchnahme des Wegerechts erhöhte Unfallgefahr verwirklicht (OLG Hamm, NJW-RR 2018, 989 m. w. N.).

Im Streitfall sind die Sondersignale jedoch nicht rechtswidrig verwendet worden.

Nach § 35 Abs. 5 a StVO sind Fahrzeuge des Rettungsdienstes von den Vorschriften der StVO befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden.

Dabei kommt es für die Beurteilung, ob es sich um eine Einsatzfahrt i. S. d. § 35 Abs. 5 a StVO handelt, nicht auf die spätere objektive Betrachtung nach Beendigung der Einsatzfahrt an, die die Zeugin … als Einsatzfahrerin nicht anstellen konnte. Vielmehr ist allein entscheidend, ob der Fahrer sich nach der ihm bekannten Lage aufgrund des Inhalts des Einsatzbefehls und der beschriebenen Krankheitssymptome für berechtigt halten durfte, sie Sonderrechte gem. § 35 Abs. 5 a StVO in Anspruch zu nehmen; ggf. muss er Rücksprache bei der Einsatzstelle halten. Diese Voraussetzungen unterliegen gerichtlicher Nachprüfung. Das Bestehen eines Einsatzbefehls ist für die Annahme höchster Eile zur Rettung von Menschenleben keine zwingende Voraussetzung; liegt jedoch ein entsprechender Einsatzbefehl vor, darf der Fahrer eines Rettungsdienstfahrzeugs in der Regel davon ausgehen, dass Sonderrechte in Anspruch genommen werden dürfen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.01.2010, Az. IV 3 Rbs 95/09, zitiert nach juris). Die Zeugin … hat glaubhaft bekundet, dass sie von der Leitstelle den Einsatzbefehl erhielt, gemeinsam mit dem Notarzt zu einer Rettung eines Menschen zu fahren. Der Notarzt erteilte ihr dann nach der Erstversorgung des Patienten und dessen Verbringen in den RTW den Befehl, ihm in das Krankenhaus zu folgen, was im Übrigen, so der ebenfalls vernommene Notarzt, der Zeuge … , bei Erkrankungen wie vorliegend dem Herzinfarkt, der ständigen Praxis entspricht. Der letztgenannte Zeuge hat zwar nicht bestätigt, dass er, der im RTW eingestiegen war, der Zeugin … den Befehl erteilt hatte, die Sonderrechte in Anspruch zu nehmen, jedoch durfte die Zeugin selbst für den Fall, dass diese Anordnung vom Notarzt nicht ausdrücklich getroffen wurde, nach dem vorliegenden Leitstelleneinsatzbefehl und den festgestellten Krankheitssymptomen des Herzinfarktes und der schlechten Sauerstoffsättigung des Patienten nach der ihr bekannten Lage die Entscheidung treffen, mit Blaulicht und Martinshorn zum Krankenhaus zu fahren.

bb)

Der Zeugin … ist auch nicht anzulasten, dass sie mit dem NEF unmittelbar dem RTW zum Krankenhaus folgte (sog. Begleitfahrt). Eine generelle Zulässigkeit der berechtigten Begleitung mag sich wegen der damit einhergehenden höheren Gefährdung des Straßenverkehrs, die sich im Streitfall möglicherweise realisiert hat, nicht rechtfertigen (vgl. Klenk, NZV 2010, 593). Jedoch durfte die Zeugin … mangels Vorliegen gesetzlicher oder verordnungsrechtlicher Vorgaben im Thüringer Rettungsdienstgesetz auf der Grundlage des § 35 Abs. 5 a StVO und den Krankheitssymptomen des Patienten, der lebensgefährlich erkrankt war, davon ausgehen, dass eine Begleitung des RTW geboten war, um nämlich im Notfall Medikamente oder medizinische Ausrüstung zur Verfügung stellen zu können. Mag sich – wie der Zeuge … bekundet hat – nur in bis zu 10 % aller vergleichbaren Krankentransporte (bei erlittenen Herzinfarkten) im Nachhinein eine Begleitung als erforderlich herausgestellt haben, so reicht diese Wahrscheinlichkeit des Zurückgreifens auf das NEF aber aus, um eine Begleitfahrt zu rechtfertigen.

cc)

Jedoch hat die Zeugin … nicht die im Rahmen der Einsatzfahrt erforderliche Sorgfalt eingehalten.

Von einem Rettungswagen, der unter Inanspruchnahme von Sonderrechten trotz Rotlicht in eine Kreuzung einfährt, geht eine hohe Gefährdung aus, da die anderen Verkehrsteilnehmer sich erst auf diese unvermittelt geschaffene Verkehrssituation einstellen müssen. Diese Gefahr hat sich beim vorliegenden Unfall realisiert.

Die von dem NEF ausgehende Gefahr war zudem durch einen Verkehrsverstoß der Zeugin … erheblich gesteigert.

Zwar lag kein Rotlichtverstoß vor. Denn die Zeugin … war gem. eines Notfalleinsatzes gem. § 35 Abs. 5 a StVO von den Vorschriften der StVO befreit. Jedoch darf dieses Sonderrecht nach Maßgabe des § 35 Abs. 8 StVO nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden.

Rettungswagen - Quotenbildung bei Verstoß gegen Gewährung von Wegevorrecht
(Symbolfoto: Von Felix_Fotos/Shutterstock.com)

Das einschränkende Rücksichtnahmegebot ist eine Amtspflicht, die der Fahrer eines Einsatzwagens gegenüber anderen Verkehrsteilnehmers zu erfüllen hat. Diese Pflicht hat die Wirkung, dass der Einsatzfahrer kein unbedingtes Vorfahrtsrecht verliehen bekommt, sondern nur die Befugnis, grundsätzlich weiter bestehende Vorrechte eines nach den allgemeinen Bestimmungen Vorfahrtsberechtigten unter bestimmten Voraussetzungen außer Acht zu lassen. Der nach den allgemeinen Regeln Vorfahrtberechtigte behält grundsätzlich die ihm zustehende Rechtsposition. Er wird allerdings zugunsten der Sonderrechtsfahrer beschränkt. Diese dürfen nur unter Anwendung größtmöglicher Sorgfalt das Vorfahrtsrecht eines anderen Verkehrsteilnehmers im Zusammenhang mit der Einsatzfahrt außer Acht lassen.

Die größtmögliche Sorgfalt, die die Zeugin … anlässlich ihrer Richtlichteinfahrt in die Kreuzung einzuhalten hatte, erforderte es, sich nur langsam und unter Vergewisserung, dass der Querverkehr ihr Wegerecht beachtet, einzufahren.

Die Zeugin hatte nach den vorliegenden Erkenntnissen der Beweisaufnahme, insbesondere der glaubhaften Aussage des Zeugen …, zwar ihr Fahrzeug vor dem Einfahren in den Kreuzungsbereich abgebremst, ohne dass sie aber mit Schrittgeschwindigkeit oder gar nach vorangegangenen Anhalten in den Kreuzungsbereich eingefahren war. Damit hat sie sich aber nicht ausreichend vergewissert, dass möglicherweise Querverkehr ihr Wegerecht missachtete. Insbesondere darf sich ein Begleitfahrzeug, mag es auch den Kontakt zum vorausfahrenden Einsatzfahrzeug nicht abreißen lassen wollen, nicht darauf verlassen, dass der Querverkehr ohne Weiteres mit einem nachfolgenden Begleitfahrzeug rechnet.

f)

Im Rahmen der nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmenden Abwägung überwiegt der Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1) deutlich, so dass das Gericht im Ergebnis von einer 2/3-Haftung der Beklagten ausgeht. Der Beklagte zu 1) hätte keinesfalls – ohne sein Fahrzeug vor dem Erreichen der Kreuzung nochmals abzubremsen – die Kreuzung queren dürfen, da bei gehöriger Aufmerksamkeit das NEF akustisch wie optisch wahrnehmbar war und er auch wegen des Passierens des RTW mit einem nachfolgendem Einsatzfahrzeug rechnen musste. Das Verhalten des Beklagten zu 1) war insoweit grob fahrlässig. Demgegenüber hätte die Zeugin ihre Geschwindigkeit weiter auf Schrittgeschwindigkeit reduzieren müssen, bevor sie in den Kreuzungsbereich einfuhr.

g)

Beläuft sich der klägerische Schaden auf 4.879,57 €, so sind der Klägerin unter Berücksichtigung der Selbstbeteiligung von 300,00 € auf der Grundlage eines 2/3-Haftungsanteils der Beklagten 2.953,04 € zu erstatten, was der Klageforderung entspricht.

2.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 284, 286 BGB.

3.

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergeben sich ebenfalls unter Verzugsgesichtspunkten in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG.

4.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den Bestimmungen der §§ 91, 709 ZPO.

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