Skip to content

Richtermitwirkung im Vorprozess – Besorgnis der Befangenheit – Vorbefassung

LG Köln – Az.: 3 S 9/21 – Beschluss vom 10.02.2022

Das Befangenheitsgesuch des Klägers vom 20.12.2021 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die abgelehnte Vorsitzende Richterin ist wegen ihrer Mitwirkung im vorausgegangenen Arzthaftungsprozess weder ausgeschlossen (§ 41 Nrn. 5, 6 ZPO) noch befangen (§ 42 II ZPO).

1. Der Ausschlussgrund des § 41 Nr. 5 ZPO liegt nicht vor. Eine Vernehmung der Vorsitzenden Richterin als Zeugin im hiesigen Verfahren ist nicht erfolgt (vgl. zur Erforderlichkeit der tatsächlichen Vernehmung Zöller, ZPO, 34. Auflage 2022, § 41 Rn. 9).

2. Die Mitwirkung der im Vorprozess mit der Sache befassten Richter bei dem Erlass der Entscheidung im späteren Anwaltsvergütungsprozess stellt ferner weder einen gesetzlichen Ausschlussgrund noch einen Ablehnungsgrund wegen Besorgnis der Befangenheit dar. Nach § 41 Nr. 6 ZPO ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes in Sachen ausgeschlossen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat. Seine Mitwirkung an einer anderen Entscheidung als der angefochtenen reicht hingegen nicht aus (BGH, NJW 1960, 1762). Im Streitfall hat die abgelehnte Vorsitzende Richterin, die im Anwaltsvergütungsprozess in erster Instanz tätig werden soll, nur in einem Vorprozess mitgewirkt, der Anlass für die streitgegenständliche Vergütungsklage gegeben hat. Dieser Fall wird von dem klaren Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst. (vgl. zur Frage des späteren Anwaltshaftungsprozesses BGH, Beschluss vom 18.12.2014 – IX ZB 65/13) Eine entsprechende Anwendung des § 41 Nr. 6 ZPO auf den hier gegebenen Fall der Vorbefassung scheidet ebenfalls aus. Entgegen der Auffassung des Klägers fehlt es schon an der Vergleichbarkeit der Sachverhalte. Es geht im Anwaltsvergütungsprozess nicht um eine auch nur mittelbare Überprüfung der im Vorprozess ergangenen Entscheidung. Die Frage, ob dem Rechtsanwalt gegen den Mandanten eine Vergütung zusteht, ist nach gänzlich anderen Gesichtspunkten zu entscheiden als der Vorprozess. Welche rechtliche Beurteilung das mit dem Vorprozess befasste Gericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hatte, ist hingegen ohne Belang (BGHZ 174, 205 [209] = NJW 2008, 1309 Rn. 9).

3. Die bloße Mitwirkung an der im Vorprozess ergangenen Entscheidung stellt im nachfolgenden Vergütungsprozess auch keinen Ablehnungsgrund nach § 42 II ZPO dar. Begründete bereits die Mitwirkung im Vorprozess die Besorgnis der Befangenheit, führte dies auf dem Umweg über § 42 ZPO im Endergebnis zu einer unzulässigen Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 41 ZPO, die aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen ist. (BGH, Beschluss vom 18.12.2014 – IX ZB 65/13). Die Ablehnung von Richtern ist grundsätzlich nur dann begründet, wenn Gründe vorliegen, die geeignet sind, ein Misstrauen der Antrag stellenden Partei gegen die Unparteilichkeit der Richter zu rechtfertigen (§ 42 II ZPO). Entscheidend ist dabei die Frage, ob aus Sicht der Ablehnenden objektive Gründe vorliegen, die auch nach Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit der zuständigen Richter zu zweifeln (st. Rspr.; BGH, B v 26.04.2016 – VIII ZB 47/15 -, Rn. 21, juris, mwN). Daran fehlt es hier. Allein der Umstand, dass es einem Richter bei einer Zweitbefassung mit einem Sachverhalt zugemutet wird, den Fall neu und unabhängig zu durchdenken, reicht hierfür nicht aus. Aus objektiver Sicht ist es dem in typischer oder atypischer Weise vorbefassten Richter grundsätzlich zuzutrauen, dass er auch den neuen Fall ausschließlich nach sachlichen Kriterien löst (vgl. MüKoZPO/Gehrlein, § 42 Rn. 15 f.).

Das Vorbringen des Klägers ist darüber hinaus nicht geeignet, um bei vernünftiger Betrachtung Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Vorsitzenden Richterin zu rechtfertigen. Besondere Umstände des Einzelfalls, aus denen sich ergeben könnte, dass die hier abgelehnte Vorsitzende Richterin aus der Sicht einer verständigen Partei gehindert sein könnten, den Anwaltsvergütungsfall objektiv und angemessen zu beurteilen, sind nicht ersichtlich. Soweit der Kläger angeführt hat, es bestehe die Besorgnis, dass die Vorsitzende Richterin im Vergütungsstreit nicht unvoreingenommen sei, und einen ihr unbequemen Prozessanwalt „abstrafen“ wollen, kann dies die objektive Annahme der Voreingenommenheit gegenüber dem Kläger nicht rechtfertigen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn über die Vorbefasstheit hinaus die Unparteilichkeit eines abgelehnten, mit der Sache vorbefassten Richters auf Grund von – das Gebot der Sachlichkeit verletzenden – Äußerungen, Maßnahmen oder Verhalten in Zweifel zu ziehen ist. (BGH, Beschluss vom 27. 4. 1972 – 4 StR 149/72). Dabei ist die subjektive Sicht des Klägers nicht ausschlaggebend. Auf einen objektiven Maßstab kann nicht verzichtet werden, wie schon aus dem Begriff (das Misstrauen) „rechtfertigen” ergibt. (BGH, NJW-RR 1986, 738) Unter Anlegung dieses objektiven Maßstabes ist eine Verletzung des Gebots der Sachlichkeit nicht gegeben. Die Beurteilung der Entscheidungsreife eines Rechtsstreits obliegt dem entscheidenden Spruchkörper, auch die Verpflichtung zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Inhalt eines gerichtlich beauftragten Sachverständigengutachtens sowie die gewissenhaften Befragung des Sachverständigen liegt in der Pflicht der Vorsitzenden und rechtfertigen es nicht, aus objektiver Sicht an der Unvoreingenommenheit der Vorsitzenden Richterin zu zweifeln. Gleiches gilt für die Protokollierung von von Seiten der Prozessvertreter getätigten Aussagen. Dass die Vorsitzende Richterin Aussagen protokolliert hat, die nicht getätigt wurden, hat der Kläger nicht vorgetragen.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen ausschließlich Informationszwecken und stellen keine Rechtsberatung dar. Sie können eine individuelle rechtliche Beratung, die die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls berücksichtigt, nicht ersetzen. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch neue Urteile und Gesetze geändert haben. Teile dieses Beitrags könnten mithilfe von KI-Unterstützung erstellt worden sein, um eine effiziente und präzise Darstellung der Informationen zu gewährleisten. Trotz umfassender Kontrolle können Irrtümer enthalten sein. Für eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelle Jobangebote


Stand: 25.06.2024

Rechtsanwaltsfachangestellte (n) / Notarfachangestellte(n) (m/w/d) in Vollzeit

 

jetzt bewerben

 


 

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)

als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

 

mehr Infos