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Rodelbahnverletzung als Arbeitsunfall

SOZIALGERICHT DÜSSELDORF

Az.: S 6 U 82/06

Urteil vom 04.08.2009

Nachinstanz: Landessozialgericht NRW, Az.: L 4 U 114/09


1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der am 00.00.1958 geborene Kläger ist einer der drei Geschäftsführer der U1L H C GmbH mit Sitz in F. Gegenstand des Unternehmens ist laut Handelsregistereintragung die technische Entwicklung, die Herstellung, die Vermietung und der Ein- und Verkauf von Maschinen, Maschinenteilen, Geräten, Rammprofilen, schweren Profilstahlerzeugnissen, Spundwand- und Grubenausbauprofilen und sonstigen Komponenten des Tief- und Wasserbaus sowie die Verwaltung einschließlich des Erwerbs und der Veräußerung von Beteiligungen auf den genannten Gebieten; nach dem Internetauftritt des Unternehmens werden Rammprofile, Maschinen und Ausrüstungen vertrieben und den Kunden ein All-Inclusive-Service geboten: Verkauf, Vermietung und Mietkauf von Spundwänden, Ramm-, Zieh-, Bohr- und Presstechnik, Ankertechnik, Grabenverbau und Hochwasser-Schutz-Systemen. Der Klägers ist – nach seinen eigenen Angaben – für den Vertrieb in Deutschland und Osteuropa bis hin zu den GUS-Staaten. Der Kläger ist auch einer der zwei Geschäftsführer der U1L H U2 GmbH ebenfalls mit Sitz in F. Gegenstand dieses Unternehmens ist laut Handelsregistereintragung die technische Entwicklung, die Herstellung, die Vermietung und der Ein- und Verkauf von Maschinen, Maschinenteilen, Geräten, Rammprofilen und sonstigen Komponenten des Tiefbaus; laut Internetauftritt ist das Unternehmen spezialisiert auf die Entwicklung und Herstellung von N-Vibratoren und L-Bohrhämmern. Auch hier ist der Kläger – nach eigenen Angaben – für Deutschland und Osteuropa bis hin zu den GUSStaaten zuständig. Daher ist der Kläger ständig im In- und Ausland auf Reisen. Neben der Kontrolle der Abwicklung von Großaufträgen muss er ständig den persönlichen Kontakt mit Auftraggebern halten. Er ist deswegen der Meinung, er habe während seiner Abwesenheiten kein Privatleben und befinde sich praktisch „immer im Dienst“.

In der Zeit vom 22.02. bis 26.02.2005 nahm der Kläger an einem in C stattfindenden Seminar des VDBUM (Verband der Baumaschinen-Ingenieure und -Meister e.V.) – einer Interessenvertretung für Betreiber, Händler und Hersteller von Baumaschinen und Nutzfahrzeugen – teil. Der Kläger hielt im Rahmen dieser Veranstaltung am Freitag, dem 25.02.2005, auch ein Referat („Weltweite Rohstahlerzeugung im Hinblick auf die Entwicklung im Stahl- und Spundwandmarkt“).

Auch der geschäftsführende Gesellschafter des Instituts für angewandte Gewässerökologie, N, nahm an der Tagung teil. Nach den Angaben des Klägers hat dieser für die von den vom Kläger vertretenen Unternehmen eingehende Untersuchungen zu den ökologischen Auswirkungen des Spundwandbaus auf Gewässer und den Landschaftswasserhaushalt durchgeführt. Der Kläger hatte mit ihm Verschiedenes zu besprechen. Zu diesem Zweck verabredeten beide, am Samstag, dem 26.02.2005, gemeinsam einen ca. 1½-stündigen Aufstieg auf den X. Sie wurden von den Kindern und der Ehefrau des Klägers sowie einem Kind von N begleitet.

Nach dem Aufstieg wollte der Kläger zusammen mit seiner Tochter auf der dortigen Rodelbahn mit einem Rodelschlitten zu Tal fahren. Bei dieser Abfahrt verletzte er sich. Dies ist seiner Meinung nach als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab (Bescheid vom 22.09.2005 und Widerspruchsbescheid vom 23.06.2006).

Hiergegen richtet sich die Klage.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 22.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2006 festzustellen, dass das Ereignis vom 26.02.2005 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie stellt die vom Kläger gemachten Erläuterungen zu seinen beruflichen Aufgaben nicht in Abrede, ist allerdings nach wie vor der Auffassung, dass ein betrieblicher Zusammenhang zur Zeit des Unfalls nicht bestanden hat. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den weiteren Inhalt der von ihr zu den Akten gereichten Schriftsätze verwiesen.

Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen. Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird deren Inhalt Bezug genommen, auch dieser ist ebenso wie der weitere Inhalt der Streitakten Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie der Beratung der Kammer gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Entscheidung der Beklagten ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Sie entspricht im Wesentlichen der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG (Bundessozialgericht), der sich die Kammer aus eigener Überzeugung ausdrücklich anschließt.

Das Ereignis vom 26.02.2005 ist kein Arbeitsunfall.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (Sozialgesetzbuch – Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind dabei nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des grundsätzlich Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).

Der Kläger war zwar zur Zeit des Unfallereignisses Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Er hat am 26.02.2005 während der Seminarwoche auch einen Unfall erlitten. Dieser ist jedoch kein Arbeitsunfall im Sinne der genannten Vorschrift, da die vom Kläger im Unfallzeitpunkt ausgeübte Tätigkeit nicht im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden hat.

Der sachliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist wertend zu ermitteln, in dem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung (noch) innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Bei einem nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII grundsätzlich versicherten Beschäftigten – wie vorliegend bei dem Kläger – sind Verrichtungen im Rahmen des dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses Teil der versicherten Tätigkeit und stehen mit ihr in erforderlichem sachlichen Zusammenhang. Dies bedeutet aber nicht, dass alle Verrichtungen eines grundsätzlich versicherten Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstages auf der Arbeitsstätte oder während einer Geschäftsreise versichert sind, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nur Unfälle „infolge“ der versicherten Tätigkeit Arbeitsunfälle sind. Typischer Weise und in der Regel unversichert sind höchstpersönliche Verrichtungen – wie Essen – oder eigenwirtschaftliche – wie Einkaufen -. Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsverhältnis dienende Verrichtung ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände bestätigt wird (Urteil des BSG – B 2 U 31/07 R – vom 18.11.2008, Rn. 11 m.w.N.).

Die Tatsache, dass der Käger den Unfall während einer seiner beruflichen Fortbildung dienenden Dienst- bzw. Geschäftsreise erlitten hat, reicht für sich allein zur Begründung eines rechtlich bedeutsamen inneren Zusanmmenhangs mit der versicherten Tatigkeit nicht aus. Auch wenn ein derartiger Zusammenhang am Ort einer auswärtigen Beschäftigung eher anzunehmen sein dürfte, so besteht auch auf Geschäftsreisen oder Fortbildungsveranstaltungen kein lückenloser Versicherungsschutz. Vielmehr kommt es auch hier darauf an, ob die Betätigung, bei welcher der Unfall eintrat, eine rechtlich bedeutsame Beziehung zu der betrieblichen Tätigkeit aufweist, wobei der Versicherungsschutz auch dann entfällt, wenn der Reisende sich rein persönlichen, von seinen betrieblichen Aufgaben nicht wesentlich beeinflussten, Belangen widmet (Urteil des BSG – B 2 U 13/07 R – vom 18.03.2008, Rn. 12 m.w.N.).

Selbst wenn eine entsprechende Veranstaltung von dem Arbeitgeber – ganz oder (wie der Kläger andeutet) wenigstens teilweise – organisiert und finanziert worden ist, ergibt sich hieraus nicht automatisch ein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung (Urteil des BSG – 8 RU 148/75 – vom 22.06.1976).

Hieran ändern auch die – vom Gericht unterstellten – mit N geführten fachlichen Gespräche des Klägers während des Aufstiegs zum X nichts. Ein innerer Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit ergibt sich hieraus nicht zwingend.

Sofern private Interessen im Vordergrund gestanden haben und solche Gespräche nur „bei Gelegenheit“ geführt worden sind, besteht kein Unfallversicherungsschutz (Urteil des BSG – 8 RU 126/75 – vom 24.08.1976, Rn. 17 m.w.N.). Die verbreitete Gewohnheit, auch im privaten Teil einer Fortbildungsveranstaltung fachliche Gespräche mit den Fachkollegen zu führen, genügt für sich allein nicht, um ein solches Tun dem versicherungsrechtlich geschützten Dienstbereich zuzurechnen (Urteil des BSG – 9b/8 RU 38/81 – vom 26.01.1983, Rn. 10 m.w.N.).

Ebenso unbeachtlich für die rechtliche Beurteilung ist das subjektive Gefühl des Klägers, „immer im Dienst“ zu sein (Urteil des BSG – 2 RU 9/84 – vom 30.05.1985, Rn. 15). Auch ist eine irgendwie geartete Erwartungshaltung des Arbeitgebers hinsichtlich der Teilnahme an der reinen Freizeitbetätigung nicht geeignet, Versicherungsschutz zu begründen (Urteil des BSG – 2 RU 29/96 – vom 27.05.1997).

Selbstverständlich spielt es auch keine Rolle, ob der/die Arbeitgeber für den/die der Kläger tätig ist, der/die größte/n Beitragszahler in Nordrhein-Westfalen ist/sind (wie der Kläger in einem Telefongesprächs mit dem Sachbearbeiter der Beklagten betont hat (Aktenvermerk vom 10.06.2005)).

Die Kammer geht davon aus, dass – selbst wenn man dem gemeinsamen Aufstieg auf den X noch einen betrieblichen Schwerpunkt zuordnen könnte – jedenfalls mit dem Beginn der Rodelfahrt, welche der Kläger zusammen mit seiner Tochter – und gerade nicht mit N – unternommen hat, ein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung endet. Dass der Kläger sich für eine Rodelpartie entschieden hat, kann nur mit persönlichen und gerade nicht betriebsdienlichen Motiven begründet werden. Hätte er mit N weiter wichtige Gespräche zu führen gehabt, hätte er mit diesem die Seilbahn benutzen können – und es wäre dann auch nicht zu dem Unfall gekommen.

Die Kammer schließt sich im Übrigen dem wesentlichen Inhalt der angefochtenen Bescheide an und sieht daher von einer weiteren Begründung der Entscheidung ab.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 SGG (Sozialgerichtsgesetz).

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