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Rotlichtverstoß: über 1 Sekunde Rot und Fahrverbot

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

Az.: 2Ws(B)316/00 WiG

Beschluss vom 30.03.2000


In der Bußgeldsache wegen Zuwiderhandlung gegen die StVO hat das Oberlandesgerichts – Senat für Bußgeldsachen – Frankfurt am Main auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Offenbach a.M. vom 30.3.2000 am 12.7.2000 gem. §§ 79 f. OWiG beschlossen:

Das Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen -an das Amtsgericht Offenbach zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht Offenbach verurteilte den Betroffenen wegen Nichtbeachtung eines roten Lichtzeichens trotz mindestens 1,63 Sekunden andauernden Rotlichts, begangen am 21.5.1999 gegen 21.58 Uhr in Heusenstamm an der Kreuzung … zu einer Geldbuße von 400,– DM. Von der Verhängung eines Fahrverbots sah es ab.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und ebenso begründete Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die sie auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat und mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist auch wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Wegen der Wechselwirkung zwischen der Höhe der Geldbuße und dem Fahrverbot wird der Rechtsfolgenausspruch von der Rechtsbeschwerde in vollem Umfang erfaßt.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Urteil war auf die Sachrüge hin im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben. Aus den Feststellungen des Amtsgerichts ergibt sich, daß es sich bei dem von dem Betroffenen begangenen Rotlichtverstoß um einen Regelfall nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BKatV i.V.m. Nr. 34.2 BKat handelt, der eine grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 1 StVG indiziert und unter gewöhnlichen Umständen die Verhängung eines Fahrverbots zur Folge hat. Denn der Verstoß erfolgte bei schon länger als eine Sekunde andauernder Rotlichtphase. Der Feststellung einer konkret verursachten Gefahr bedarf es nicht; vielmehr reicht die bei einer Rotlichtdauer von mehr als einer Sekunde erhöhte abstrakte Gefahr für die auf das Grünlicht für den Querverkehr vertrauenden Verkehrsteilnehmer (vgl. BGH, NZV 4, 430, 431).

Eine solche abstrakte Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer war nach den Feststellungen des Amtsgerichts nicht ausgeschlossen (vgl. hierzu OLG Frankfurt a.M., Beschluß vom 16.7.1997 – 2 Ws (B) 337/97 ÖWIG). Das Urteil enthält hierzu keine Ausführungen.

Auch in subjektiver Hinsicht liegt kein Ausnahmefall vor. Die Regelbeispiele der Bußgeldkatalogverordnung enthalten auch hinsichtlich des subjektiven Elements der groben Pflichtverletzung eine Indizwirkung, die nur in Ausnahmefällen entfällt (vgl. BGH, NJW 1997, 3252 f.). Der gesteigerte Handlungsunwert und damit die Anwendbarkeit des Regelbeispiels kann entfallen, wenn ein nur in geringem Maße vorwerfbares Augenblicksversagen vorliegt. Das Amtsgericht hat ausgeführt, das Verschulden des Betroffenen sei im Vergleich zu den Regelfällen geringer. Er sei nicht ortskundig und durch die Suche nach dem richtigen Weg abgelenkt gewesen. Diese Umstände reichen jedoch für ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots nicht aus. Auch einen nicht Ortskundigen trifft die Pflicht, eine so hohe Aufmerksamkeit walten zu lassen, daß er sämtliche Verkehrssignale und -zeichen wahrnimmt. Anders als im Falle eines die zulässige Höchstgeschwindigkeit beschränkenden Zeichens ist das Übersehen einer Lichtzeichenanlage im Stadtverkehr grundsätzlich als grob fahrlässig anzusehen, zumal sich das Vorhandensein einer Lichtzeichenanlage an einer Kreuzung aufdrängt, da mit einer solchen Lichtzeichenanlage gerade die deutliche Erkennbarkeit farbiger Lichtsignale ausgenutzt wird. Wenn die Aufmerksamkeit des Betroffenen infolge der Suche nach dem richtigen Weg in einem solchen Maße beeinträchtigt war, daß er die Lichtzeichen Übersehen hat, so beruhte dies seinerseits auf grober Fahrlässigkeit mit der Folge, daß ein grober Pflichtenverstoß im Sinne des § 25 Abs. 1 StVG vorlag. Den Umstand, daß der Betroffene wegen eines Rotlichtverstoßes noch nicht in Erscheinung getreten ist und auch im übrigen als nicht vorbelastet zu betrachten ist, kommt hierbei keine besondere Bedeutung zu, da die Bestimmungen der BKatVO stets von einem Ersttäter ausgehen.

Bei Vorliegen eines Regelfalls kann nur ausnahmsweise unter angemessener Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden, wenn der Sachverhalt im Einzelfall erhebliche Abweichungen zugunsten des Betroffenen vom Normalfall aufweist (OLG Frankfurt a.M. – 2 Ws (B) 839/94 OWiG – 2 Ws (B) 377/98 OWiG 2 Ws (B) 218/99 OWiG -; OLG Hamm, VRS 75, 312, 313; OLG Düsseldorf, NZV 1993, 446; BayObLG, VRS 76, 454, 455). Eine solche Ausnahme kann vorliegen, wenn das Fahrverbot zu einer Härte ganz außergewöhnlicher Art, insbesondere zum Existenzverlust eines Selbständigen fuhren würde (OLG Frankfurt a.M. – 2 Ws (B) 377/98 OWIG – 2 Ws (B) 282799 OWiG – ; 2 Ws (B) 92/00 OWiG -; OLG Hamm, NJW 1975, 1983; VRS 75, 312 f.; OLG Düsseldorf, a.a.O.; BayObLG, a.a.O.). Ein solcher Ausnahmefall ergibt sich aus den Feststellungen des Amtsgerichts nicht. Die Annahme des Gerichts, die Existenz des Unternehmens des Betroffenen sei unter den gegebenen Umständen gefährdet, ist durch keine Tatsachen belegt. Zwar hält der Betroffene im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit des Handelns mit Topfblumen auf Märkten in der .ganzen Bundesrepublik zwei Lkw, die er selbst sowie sein einziger Mitarbeiter fahren. Für eine auch nur zeitweilige Beschäftigung eines weiteren Mitarbeiters werfe das Gewerbe nicht genügend ab. Eine Existenzgefährdung läßt sich hieraus nicht ableiten. Berufliche Nachteile auch schwerwiegender Art reichen für die Annahme eines Ausnahmefalls nicht aus, da sie mit einem Fahrverbot nicht nur in Ausnahmefällen, sondern sehr häufig verbunden sind. Dem Betroffenen ist es grundsätzlich zuzumuten, diese Nachteile beruflicher Art durch Inanspruchnahme von Urlaub oder die vorübergehende Beschäftigung eines. Fahrers, ggfls. durch eine Kombination dieser Maßnahmen zu überbrücken. Hierbei sind konkrete Feststellungen zu den Vermögensverhältnissen des Betroffenen zu treffen. Die insbesondere bei Beschäftigung eines Fahrer auftretenden finanziellen Belastungen hat der Betroffene hinzunehmen. Notfalls muß er zur Bestreitung der Kosten für die zeitlich begrenzte Einstellung eines Fahrers einen Kredit aufnehmen, der in kleineren für das Unternehmen bzw. den Betroffenen tragbaren Raten abgetragen werden kann. Derartige Belastungen, die sich im Hinblick auf die verhältnismäßig kurze Dauer des Fahrverbots von einem Monat in überschaubaren Grenzen bewegen, sind ebenso wie berufliche Erschwernisse hinzunehmen.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß die Neuregelung in § 25 Abs. 2a StVG, nach der ein verhängtes Fahrverbot maximal vier Monate aufgeschoben werden kann, dazu geführt hat, daß bei der Prüfung der Frage, ob und inwieweit wirtschaftliche Nachteile für die Beurteilung der Angemessenheit und Vertretbarkeit eines Fahrverbots von Bedeutung sind, ein noch strengerer Maßstab als in der Vergangenheit anzulegen ist (vgl. BayObLG, DAR 1999, 559; OLG Frankfurt a.M., -2 Ws (B) 92/00 OwiG-).

Da weitere Feststellungen zu den persönlichen, insbesondere beruflichen Verhältnissen des Betroffenen erforderlich sind, konnte der Senat nicht in der Sache selbstentscheiden. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 6 OWiG).

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