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Gefahrguttransport – Bremsweg – Rotlichtverstoß

Oberlandesgericht Oldenburg

Az: Ss 205/08

Beschluss vom 29.05.2008


In dem Bußgeldverfahren hat der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Oldenburg am 29. Mai 2008 beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen eines fahrlässigen Rotlichtverstoßes gemäß §§ 37 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG zu einer Geldbuße von 50 EUR verurteilt.

Das Amtsgericht hat festgestellt: Der Betroffene fuhr mit dem von ihm geführten LKW (Tanklastzug – Gefahrguttransport) mit dem amtlichen Kennzeichen BMI 1267 in der Stadt N… den A… Ring in Fahrtrichtung L…. An der dort bei der Einmündung D… Weg befindlichen Lichtzeichenanlage überquerte er die Haltelinie, nachdem mindestens 0,05 Sekunden Rotlicht erschien. Die Gelbphase dauerte 3 Sekunden. Seine durchschnittlich gefahrene Geschwindigkeit betrug 52,05 km/h. Nach dem Ergebnis eines eingeholten Sachverständigengutachtens war der Betroffene nach Abzug einer Verzugszeit von 1,5 Sek beim Phasenwechsel von Grün auf Gelb noch 22,7m von der Haltelinie entfernt. Ein Anhalten war zu diesem Zeitpunkt nur unter einer sehr starken Bremsung möglich, die bei einem Tankfahrzeug dieser Größe riskant gewesen wäre. Das Amtsgericht hat ausgeführt, der Betroffene hätte die zulässige Höchstgeschwindigkeit gegebenenfalls auch unter 50 km/h so herabsetzen müssen, dass er innerhalb der Gelbphase gefahrlos bremsen konnte.

Gegen dieses Urteil richtet sich der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. Aus dem Urteil des BGH vom 26.4.2005 – VI ZR 228/03 – folge, dass bei Grünlicht die zulässige Höchstgeschwindigkeit gefahren werden dürfe. Es habe keine Verpflichtung zur vorsorglichen Reduzierung der Fahrgeschwindigkeit bestanden, weil der LKW des Betroffenen eine für einen LKW durchschnittliche Bremsverzögerungsleistung aufweise. Im Falle einer Vollbremsung hätte er möglicherweise einen Auffahrunfall verursacht.

Die Einzelrichterin hat die Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 Abs. 1 S. 2, 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG zur Fortbildung des Rechts zugelassen und die Sache auf den Senat übertragen.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen den Schuldspruch.

Allerdings folgt dies – was das Amtsgericht zutreffend erkannt hat – nicht schon aus der geringfügigen festgestellten Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um 2,5 km/h, weil diese nicht kausal für den Rotlichtverstoß war. Nach den getroffenen Feststellungen wäre eine ungefährliche Bremsung nämlich selbst dann, wenn der Betroffene die Höchstgeschwindigkeit beim Wechsel von der Grün auf die Gelbphase genau eingehalten hätte, nicht mehr möglich gewesen.

Grundsätzlich besteht für einen Verkehrsteilnehmer, der sich einer Lichtzeichenanlage nähert, kein Anlass, die erlaubte Höchstgeschwindigkeit herabzusetzen, weil grünes Licht gemäß § 37 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 S. 1 StVO die Freigabe des Verkehrs bedeutet. Gelbes Licht ordnet dagegen gemäß § 37 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 S. 5 StVO an, dass der Fahrzeugführer anhalten muss. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der Kraftfahrer in einer Entfernung von der Verkehrsampel befindet, die ihm das Anhalten mit einer normalen Betriebsbremsung möglich macht (BGH, NJW 2005, 1940 m.w.N.). Die Länge der Gelbphasen ist deshalb so ausgerichtet, dass ein Kraftfahrzeug bei Wechsel von Grün auf Gelb innerhalb der Gelbphase mittels normaler Betriebsbremsung anhalten kann (OLG Düsseldorf, VRS 65, 62 (63). Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Aufl. 2008, § 37 StVO Rz. 15). Dazu sehen die Verwaltungsvorschriften zu § 37 Abs. 2 StVO innerörtlich bei 50 km/h eine Gelbphase von 3 Sekunden vor, die seit vielen Jahren üblich und deshalb allgemeinkundig ist und für das gefahrlose Bremsen ausreicht (OLG Bremen, VRS 79, 38 (39). Jagow/Burmann/Heß, aaO. § 37 StVO Rz. 5). Aus diesem Grund kann bei einem innerörtlichen Rotlichtverstoß regelmäßig ohne weitere Feststellungen davon ausgegangen werden, dass der Betroffene vor dem Wechsel auf Rot gefahrlos anhalten konnte (Jagow/Burmann/Heß aaO., § 37 StVO Rz. 5). Nur dann, wenn der Kraftfahrer sich zu knapp vor der Verkehrsampel befindet, darf er sie noch bei Gelb, keinesfalls aber bei Rot überfahren.

Der Führer eines Fahrzeugs mit einem längeren Bremsweg hat seine Fahrweise so auf diese Dauer der Gelbphase einzurichten, dass er zum Halten kommen kann (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl. 2007, § 37 StVO Rz. 50). Anerkannt worden ist dies bereits bei Straßenbahnführern (OLG Düsseldorf, VRS 57, 144. NZV 1994, 408 (409)), für einen mit Stahl beladenen LKW (OLG Düsseldorf, VRS 65, 62) und für Viehtransporte (Jagow/Burmann/Heß aaO., § 37 StVO Rz. 5). Schon gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 StVO hat der Fahrzeugführer seine Fahrweise den Straßenverhältnissen anzupassen und deshalb beim Annähern an Lichtzeichenanlage eine Geschwindigkeit einzuhalten, die ihm beim Wechsel der Grün auf die Gelbphase ein gefahrloses Anhalten ermöglicht. Nichts anderes folgt aus dem von der Rechtsbeschwerde zitierten Urteil des BGH vom 26.4.2005 (NJW 2005, 1940). Diesem Urteil zufolge muss erst mit Erscheinen des Gelblichts und nicht allein wegen einer vor der Lichtzeichenanlage befindlichen blinkenden „Vorampel“ die zulässige Höchstgeschwindigkeit reduziert werden. Die Entscheidung bezieht sich auf einen PKW mit einem durchschnittlichen Bremsverhalten. Für diese Verkehrsteilnehmer ermöglicht die übliche Schaltung der Lichtzeichenanlagen das grundsätzlich vorgeschriebene Anhalten in der Gelbphase ohne weiteres. Um ein solches Fahrzeug hat es sich hier entgegen den Ausführungen der Rechtsbeschwerde gerade nicht gehandelt. Das zeigt sich schon daran, dass das sachverständig beratene Amtsgericht die Reaktionszeit nebst Bremsschwellwert auf 1,5 Sek. bemessen hat, während für einen normalen PKW wegen des geringeren Bremsschwellwertes und der einfachen Reaktion, auf die der Kraftfahrzeugführer gefasst sein muss, lediglich von 0,8 Sek. auszugehen wäre (Jagow/Burmann/Heß aaO., § 1 StVO Rz. 55 m.w.N.). Schon dadurch weicht der Bremsweg von dem eines PKW ab. Es wäre mit der Sicherheit im Straßenverkehr unvereinbar, wenn Führer von LKW oder schwer beladenen Fahrzeugen das Rotlicht wegen ihres längeren Bremsweges missachten dürften (so auch OLG Bremen, VRS 79, 38 (40). OLG Düsseldorf, VRS 57, 144 (146)). Dies gilt wegen der gefahrenträchtigen Ladung erst recht für den Führer eines Gefahrguttransports. Er muss seine Geschwindigkeit so einrichten, dass er innerhalb von 3 Sekunden zum Stehen kommen kann. Aus diesem Grund kann sich der Betroffene auch nicht darauf berufen, dass eine Vollbremsung einen Auffahrunfall verursacht hätte, denn bei angepasster Geschwindigkeit wäre gefahrloses Bremsen möglich gewesen.

Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen den Schuldspruch auch in subjektiver Hinsicht, weil die Länge der Gelbphasen – wie ausgeführt – allgemeinkundig und ein Führer eines Tanklastzuges verpflichtet ist, sich mit dem Bremsverhalten seines Fahrzeugs auseinanderzusetzen.

Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens gemäß § 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 S. 1 StPO zu tragen.

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